Alles, was rechts ist …

Über politische Gesäß­geographie und dogmengeschichtliche ­Verortung

Das politische und ideologische Koordinatensystem ist in den letzten Jahrzehnten auch im deutschen Kulturkreis so weit nach links gerückt, dass all das, was früher zur bürgerlichen Mitte gehört hat, bereits als rechts, wenn nicht als rechtsextrem gilt. So werden traditionelle Tugenden wie Patriotismus und Familiensinn, die Wertschätzung des eigenen Volkes und der eigenen Kultur, wie auch die der eigenen Blutsverwandten heute als archaisch, ewiggestrig, reaktionär und natürlich auch als rechtsextrem stigmatisiert.
All dies wurde in früheren Zeiten als konservativ und allenfalls der politischen Mitte zugehörig gesehen. Als extrem erachtete man allenfalls politische Ideologien, die die Demokratie als solche ablehnten und Gewalt als politisches Mittel akzeptierten. Und dies galt für Rechtsextremismus genauso wie für Linksextremismus.
Nachdem sich nunmehr insgesamt in der westlichen Welt und damit auch in Österreich die Political Correctness als eine Art Zivilreligion mehr weniger durchgesetzt hat – auch im Bereich von Mainstream-Parteien und Medien, die nicht als dezidiert links gelten – ist dies grundlegend anders geworden. Extremismus von links, wie er sich aktuell etwa bei den sogenannten Klimaklebern äußert, wird als idealistische Jugendbewegung interpretiert und islamistischen Extremismus wagt man aus Gründen des Rassismusverdachts kaum anzusprechen.
Dafür wird das Phantom eines kaum vorhandenen oder allenfalls in zu vernachlässigenden gesellschaftlichen Restbeständen existierenden Rechtsextremismus medial und parteitaktisch hochgespielt. Wenn sich hierzulande irgendwo proletoide Motorrad-Gangs und Waffennarren zusammentun, wenn irgendwelche Spinner aus dem politischen Narrensaum sich als „Reichsbürger“ bezeichnen, oder wenn eine Handvoll jugendlicher Aktivisten patriotische NGO spielen, wird das in den etablierten Medien und von der etablierten Politik als gigantische Gefahr für die Republik und für die Gesellschaft hochstilisiert. Dies natürlich allein zum Zwecke, um der gefährlich stark gewordenen freiheitlichen Opposition des Herbert Kickl zu schaden.
Dementsprechend wird eine Organisation wie das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Wiederstands mit der Erstellung des staatlichen Rechtsextremismusberichts beauftragt. Dieses DÖW ist eine Organisation, die ihre Existenzberechtigung allein der mit Gewalt herbeigeredeten Existenz eines solchen Rechtsextremismus verdankt. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus ist zum einen nahezu hundert Jahre her und zum anderen wissenschaftlich bestens dokumentiert.
Dazu bedürfte es keiner aus Steuergeldern hoch subventionierten privaten Organisationen wie diesem Dokumentationsarchiv. Nachdem aber nunmehr der ÖVP-Innenminister Karner dieses mit der Erstellung des Berichts beauftragt hat, wird wohl nahtlos an die unselige Tradition des seinerzeitigen Handbuchs des Rechtsextremismus angeknüpft, welches bereits die Haider-FPÖ in den 80er Jahren erfolgreich bekämpft hatte. Und entsprechende Berichte des Innenministeriums über den Linksextremismus und den islamistischen Extremismus wird es wohl nicht geben.
Im gesamtgesellschaftlichen Verständnis, wie es von den Mainstream-Medien definiert wird, ist es heute also überaus schwierig, sich als vernünftig und sozialadäquat rechts zu verorten. Rechts wird eben mit rechtsextrem gleichgesetzt und – wie bereits ausgeführt – auf die herkömmlichen bürgerlichen Tugenden angewendet. Die linke Dominanz im Bereich der Definition der politischen Begriffe führt dazu, dass die traditionell gewachsene politische Rechte sich zunehmend an den extremen Rand gedrängt sieht. Der alte marxistische Leitsatz, wonach derjenige, der die Begriffe beherrscht, auch die Inhalte in der Hand hat, bewahrheitet sich also auch diesbezüglich.
Um also im 21. Jahrhundert zu definieren, was politisch rechts ist und nicht blöd, also der pragmatischen politischen Vernunft entsprechend, bedarf also des Muts und der intensiven intellektuellen Mühe, um stigmatisierte Begriffe zu entstauben und mit neuen Inhalten zu füllen. Was heißt Volk in Zeiten der Massenmigration? Was heißt Vaterland im Zeitalter multinationaler Staatlichkeit? Was bedeutet Familie in einer Gesellschaft der Patchwork-Beziehungen und der „queeren“ Ideologie? Und wie verhält es sich mit den angeblich faschistoiden Sekundärtugend des Fleißes, der Pünktlichkeit, der Sauberkeit, des Anstands und des Gemeinsinns? Haben diese in einer hedonistischen und fragmentierten Gesellschaft überhaupt noch eine Existenzberechtigung?
Mit der herkömmlichen politischen Gesäßgeographie, die auf die Tage der Französischen Revolution zurückgeht – wer im Parlament rechts vom König saß, war reaktionär und wer links davon saß, progressiv – lassen sich diese Fragen heute nicht mehr beantworten. Das steht fest. Aber auch jene Versuche, die es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gab, die Links-Rechts-Teilung als obsolet zu erklären, fruchteten nichts. Im Gegenteil, die Linke definiert sich nicht zuletzt durch den von ihr propagierten „Kampf gegen Rechts”. Und die Rechte scheint unter dem politisch korrekt stigmatisierenden Begriff „Rechtspopulismus“ gerade dabei zu sein, quer durch Europa dominant zu werden.
Nachdem der Egalitarismus, der konstitutiv für die Linke war, in der Epoche der gesellschaftlichen Fragmentierung, der multinationalen Konflikt- und Ghetto-Gesellschaft und der explosiv zunehmenden Friktionen zwischen Völkern, Kulturen und Religionen ausgedient hat, könnten genuin rechte Gesellschaftsmodelle wieder die Oberhand gewinnen. Dazu bedürfte es aber parallel zur populistischen Stimmenmaximierung konservativer, rechtsliberaler und nationaler Parteien auch der intellektuellen Auseinandersetzung tradierter rechter Ideologien mit den Gegebenheiten unserer Zeit. Das Gebot der Stunde für die politische Rechte wäre also nicht die Bildung von Wehrsportgruppen, sondern jener von Denksportgruppen.
Zu diskutieren wäre primär die Frage, ob herkömmliche nationale Politik noch möglich ist, da sich – zumindest im europäischen Bereich – Völker im traditionellen Sinne auflösen, beziehungsweise bereits aufgelöst haben. Wenn im europäischen Bereich politische Nationen früher bestrebt waren, ethnisch und kulturell einigermaßen homogene Volkskörper zu beherbergen, ist die heutige Wohnbevölkerung in ziemlich allen mittel- und westeuropäischen Staaten höchst inhomogen, fragmentiert und im Grunde eine Art Multikonflikt- und Ghetto-Gesellschaft mit latenter Bürgerkriegsatmosphäre.
Nationale Solidarität und nationale Identität lassen sich also kaum mehr an der Staatsbürgerschaft festmachen. Eher muss es eine Politik des Tribalismus sein, mittels der man gegenüber der eigenen Gemeinschaft solidarisch ist.
Tribalismus im Sinne einer Gemeinschaftspolitik, die das Eigene, gewissermaßen also nur den eigenen Tribus, Stamm, ethnisch-kulturell, sozial und ökonomisch unabhängig von der staatlichen Organisation definiert.
Gerade das Projekt ZurZeit hat sich immer als so etwas wie eine Denksportgruppe verstanden. Über ein Vierteljahrhundert mit tausenden Ausgaben in denen jeweils 30 und mehr Autoren die Zeitläufte und die Probleme unseres Landes, aber auch der Menschheit vom rechts betrachteten, bilden diese Denksportgruppe. Eine Denksportgruppe, in der alles Platz hat, was rechts ist und nicht blöd …

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