Volksvertretung

24. November 2017

Nun hat sich also in der Vorwoche der neue Nationalrat konstituiert, wobei viele neue Gesichter in der Volksvertretung vorzufinden sind. Neben gut 60 türkis-schwarzen Abgeordneten finden sich 52 Sozialdemokraten und immerhin 51 Freiheitliche, daneben noch zwei Handvoll Abgeordnete der beiden Splittergruppen, der unsäglichen Pilz-Truppe und der nicht mehr sonderlich interessanten NEOS. Mit einer satten Mehrheit von mehr als 110 Abgeordneten könnte also eine künftige Mitte-Rechts-Regierung zwischen ÖVP und FPÖ rechnen. Eine Mehrheit, die nicht nur die Möglichkeit zu umfassenden Reformen gibt, sondern geradezu die Verpflichtung dafür mit sich bringt. Für verfassungsändernde Gesetze würde diese Mehrheit allerdings noch die Stimmen der NEOS benötigen, um zwei Drittel der Abgeordneten hinter sich zu versammeln. Auch wenn nun die neue Regierung deklariertermaßen stärkere direkt-demokratische Elemente einführen will, wie etwa verpflichtende Volksabstimmungen, bleibt der Nationalrat dennoch die erstrangige Volksvertretung der Republik. Die Verantwortung, welche die Abgeordneten somit haben, sollte ihnen dementsprechend auch wirklich bewusst sein. Das Wohl und Wehe der Republik und damit von Land und Leuten lastet auf ihren Schultern.
Apropos Republik: 100 Jahre nach der Gründung derselben in den Herbsttagen des Jahres 1918 haben die Freiheitlichen dabei wieder eine  besondere Rolle inne. Damals war es die große Mehrheit der nationalliberalen deutsch-freiheitlichen Abgeordneten, die in der Provisorischen Nationalversammlung das Sagen hatten. Das war auch der Grund, warum ihr Vertreter, der Präsident der Provisorischen Nationalversammlung, der Burschenschafter Franz Dinghofer, am 12. November 1918 von der Rampe des Parlaments die Ausrufung der Republik vornahm. Politische Größe bewiesen diese deutsch-freiheitlichen Abgeordneten auch, weil sie nicht einen der ihren, sondern den Sozialdemokraten Karl Renner zum Staatskanzler machten, dies wohl auch deshalb, um auf diesem Weg die Sozialdemokratie zur Disziplinierung der Straße zu bewegen, zur Verhinderung  einer drohenden kommunistischen Räterepublik.
Heute sind die Freiheitlichen zwar nicht wie damals eine Mehrheit in der Volksvertretung, sie sind aber durch ihren jüngsten Wahlerfolg die Königsmacher für eine neue Regierung und der Reformmotor für eine solch neuzubildende Regierungskoalition. Deutsch-freiheitliche Abgeordnete standen also an der Wiege der Republik, sie stehen heute wieder am Beginn eines neuen Reformzeitalters.
Wichtig in der neuen Volksvertretung ist aber auch die Rolle der Opposition. Nachdem die Freiheitlichen im letzten Jahrzehnt so etwas wie eine staatstragende, wenn auch bisweilen eine fundamentalistische, Oppositionsrolle gespielt haben, lastet diese Verantwortung nun auf der linken Reichshälfte der Volksvertretung. Nun sind die Grünen aus dem Parlament geflogen, die Liste Pilz ist durch ihren Skandal geschwächt, und die geschlagene Sozialdemokratie ist schwer desorientiert. Dennoch wird es an den Abgeordneten der Linken liegen, sich neu zu erfinden und ihrerseits eine für das Land und die heimische Demokratie notwendige konstruktive Opposition zu formieren. Diese ist als Kontrollinstanz und als Korrektiv gegenüber der neuen Mitte-rechts-Regierung zweifellos demokratiepolitisch notwendig.
Insgesamt aber bringt die Ablösung der alten rot-schwarzen Proporzregierung und die Zurückdrängung der Sozialpartnerschaft als Proporz-Nebenregierung die Möglichkeit zu einer Belebung der österreichischen Demokratie. Anstatt alles im schwarz-roten Proporz auszumauscheln, kann es nun lebhaften demokratischen Diskurs und demokratische Kontroverse zwischen einer Mitte-Rechts-Regierung und einer Mitte-Links-Opposition geben. Etwas, was dem Land und der Republik durchaus gut tun kann.


„Veränderung“ in Blau

20. November 2017

Wozu es die Freiheitlichen in einer Regierungsverantwortung braucht

Es war der Stehsatz des vergangen Wahlkampfs – zumindest auf der türkisen und auf der blauen Seite: „Das Land braucht Veränderung“. Wie diese „Veränderung“ konkret aussehen soll, ist noch nicht so wirklich klar. Auf der freiheitliche Seiten allerdings noch eher als auf der christlichkonservativen. Die politischen Forderungen und die Programmatik der Strache-FPÖ, wie sie sich in den letzten 12 Jahren darstellte, lassen nämlich klar drei Themenschwerpunkte erkennen, bei denen sie vom herrschenden politischen Establishment abweicht.
An erster Stelle stehen da der Schutz und die Stärkung der soziokulturellen Substanz der autochthonen Österreicher. Dabei sind wir natürlich bei der Massenzuwanderung der vergangenen Jahre. Die Erhaltung der national-kulturellen, historisch gewachsenen Identität des Landes, damit zusammenhängend die einer österreichischen „Leitkultur“, und parallel dazu die Erhaltung und Stärkung der seit 1945 im Lande aufgebauten Sozialsysteme und der in der Zweiten Republik historisch gewachsenen Solidargemeinschaft, stehen dabei im Mittelpunkt. Und das ist wohl auch der Wählerauftrag von nahezu 60 Prozent jener Österreicher, die ÖVP und FPÖ gewählt haben, für die das Hauptmotiv die Zuwanderungsproblematik war.
Das zweite große Thema ist Europa, wobei es für die Freiheitlichen selbstverständlich so etwas wie ein klares Bekenntnis zur europäischen Integration insgesamt  gibt. Gepaart allerdings mit dem Bemühen, die Irrwege der real existierenden europäischen Union  zu korrigieren, beziehungsweise diesbezüglich Reformen durchzusetzen.
Der vom Wahlsieger Sebastian Kurz in jüngster Zeit bemühte „Subsidiaritätspakt“, den er für Europa durchsetzen wolle, könnte da auch für die FPÖ ein klarer Ansatzpunkt sein, das Ziel wäre ein dezentrales Europa, in dem die kleinen Einheiten, von den Kommunen über die Regionen bis hin zu den Mitgliedstaaten eben all jene Agenden bestimmen, die ihnen obliegen, und die EU ausschließlich für jene großen Themen zuständig ist, die Gesamteuropa betreffen. Und das könnte durchaus mit den Bemühungen Merkels und Marcrons nach Vertiefung  der Union einhergehen, wenn diese Vertiefung eben ausschließlich jene Bereiche betrifft, die Europa angehen, nämlich eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit rigidem Schutz der Außengrenzen, einen gemeinsamen Markt und den gemeinsamen Schutz der kulturellen Vielfalt Europas.
Und als Drittes wäre da schließlich die direkte Demokratie nach Schweizer Muster, wie es die Freiheitlichen immer wieder fordern, aber in einer spezifisch österreichischen Variante, die im Wesentlichen ein Korrektiv zur Allmacht des Parteienstaates und ein Hebel zum Aufbrechen des rot-schwarzen Proporzsystems darstellen müsste, samt dem Rückbau der ständestaatlichen Reste,  wie sie sich im Kammerstaat manifestieren.
In all diesen Bereichen gibt es eine gewisse Nähe zu dem vom Wahlsieger Sebastian Kurz in den letzten Monaten entwickelten ÖVP-Programm. Ob es zu einer Regierungspartnerschaft zwischen Türkis und Blau auf Augenhöhe kommen kann, um – zweifellos mittels zahlreicher Kompromisse – einen Teil dieser Forderungen durchzusetzen, werden die Verhandlungen der nächsten Wochen zeigen.


Feindbild Burschenschaft

15. November 2017

Die linke Strategie gegen die neue Mitte-Rechts-Regierung – eine Analyse

Die Linke im Lande liegt danieder: Die Grünen aus dem Parlament geflogen, die Liste Pilz in der Sexismus-Falle, und die SPÖ völlig desorientiert. Die gerade um ihr Aktionsprogramm ringende neue Mitte-Rechts-Koalition hat gegenwärtig keine besonders gefährliche parlamentarische Opposition zu fürchten. Bekämpft wird sie dennoch von den Gutheuchlern und Tugendterroristen, von den Jüngern der Political Correctness und spätlinken Kulturmarxisten und insbesondere natürlich von der linken Journaille.
Und in den Spalten der linken Mainstream-Gazetten vermeint man den Feind bereits dingfest gemacht zu haben: Es sind die ach so bösen „völkischen Burschenschafter“, welche in einmalig hoher Anzahl freiheitliche Parlamentsmandate einnehmen und möglicherweise auch bald Regierungssitze beanspruchen werden. Deutschnational seien sie und damit gewissermaßen zwangsläufig Österreich-Verächter, Rassisten und Ausländerhasser, möglicherweise gar Antisemiten.
Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Kampagne aus der Werkstatt des Herrn Silberstein, wird gegenwärtig über die linkslinke Stadtgazette „Falter“, über den „Standard“ und den angeblich bürgerlichen „Kurier“ kommuniziert. Flankiert natürlich pflichtschuldig vom ORF und dem einen oder anderen Privatsender.
Hier glaubt man, die Sollbruchstelle der neuen Mitte-Rechts-Koalition entdeckt zu haben, die Schwachstelle des neuen Regierungsbündnisses.
Und um diese Schwachstelle sturmreif zu schießen, sind den politisch- korrekten Angreifern kein Klischees und keine Unterstellungen zu billig. Da werden altehrwürdige Tradition, studentische Folklore, die aus dem 19. Jahrhundert stammt, Lieder, deren Text aus der Feder von Dichtern der deutschen Romantik stammt, und traditionelle Grußformeln mit Heils-Wünschen wider besseres Wissen als NS-Apologie missinterpretiert.
Da werden linksradikale Berufsantifaschisten als politikwissenschaftliche Autoritäten medial vermarktet, deren Expertisen von Halbwissen und Vorurteilen nur so strotzen. Alexander Pollak von SOS-Mitmensch, Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, der unter dem Künstlernamen Doktor Heribert Schiedel auftritt, Hans-Henning Scharsach, erprobter Autor denunziatorischer Literatur, Peter Michael Lingens, Altmeister der FPÖ-Hasser unter den Kolumnisten, und natürlich der im antifaschistischen Kampf ergraute Hans Rauscher. Sie alle überschlagen sich angesichts von Angst und Schrecken, den die Burschenschafter im Parlament und Regierung offenbar verbreiten.
Teile des unbedarften, mit geringem historischen Wissen ausgestatteten Publikums, möglicherweise auch große Teile der ÖVP-Wählerschaft und vielleicht sogar der eine oder andere aus dem Kreis der freiheitlichen Sympathisanten mögen ein gewisses Unbehagen über die angeblich Vielzahl und Stärke der Burschenschafter in der Politik verspüren.
Viele glauben die Diffamierung vielleicht sogar teilweise, obwohl für diese natürlich auch gilt, dass sie durch allzu häufige Wiederholung nicht richtiger wird. Dies mag daran liegen, dass manches vom studentisch-akademischen Brauchtum der national-freiheitlichen Korporationen für den Durchschnittsbürger des 21. Jahrhunderts nur mehr schwer verständlich ist. Der Männerbund mit lebenslanger Freundschaft und seinen archaischen Initiationsritualen wirkt auf den ersten Blick für den Durchschnittsbürger wie aus der Zeit gefallen, dass das Gleiche für die Rituale der Freimaurerlogen gilt, wird medial von niemanden skandalisiert. Die studentische Mensur als ebenso archaisches Rituale der Mutprobe und des Beweises der Hingabe an den Bruderbund ist ebenso wenig leicht verständlich, dazu kommt die Verschwiegenheit und Diskretion, mit der die national-freiheitlichen Verbindungen ihr Verbandsleben gestalten. Und Attribute wie „völkisch“ oder „deutschnational“ werden von den Kritikern und Gegnern der Korporationen entsprechend negativ konnotiert. Dass sich das deutsche Bekenntnis der national-freiheitlichen Korporationen in Österreich ausschließlich und zweifelsfrei auf die Kulturnation, die historisch gewachsene nationalkulturelle Identität der autochthonen Bevölkerung bezieht und keinerlei Gegensatz zu staatsbürgerlicher Loyalität und Österreich-Patriotismus darstellt, wird dem unbedarften Medienkonsumenten natürlich nicht vermittelt. Es geht ja darum, die „Burschenschaften“, womit in großer Unwissenheit alle national-freiheitlichen Korporationen, Sängerschaften, Turnerschaften etc. gemeint sind, an den Pranger zu stellen. Das man für diese studentisch-akademische Rest- und Sonderkultur schon einmal deshalb Respekt aufbringen sollte, weil sie einerseits wertvolles historisches Erbe bewahrt und andererseits eine Randgruppe mit hohem staatsbürgerlichem Ethos darstellt, wird völlig übersehen.
Und auch die Frage, warum relativ viele Angehörige von Korporationen über die Freiheitliche Partei in politische Verantwortung gelangen, wird einseitig und negativ beantwortet: Es handle sich um eine „Machtübernahme“ der Burschenschaften. Dass es schlicht und einfach ein Faktum ist, dass die Korporationen seit mehr als 150 Jahren in der Mitte des nationalliberalen Lagers und der freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft stehen und deren akademisches Potential ausmachen und damit auch so etwas wie eine politische Elite dieses Lagers darstellen, das will man nicht verstehen. Von den führenden Persönlichkeiten der Bürgerlichen Revolution in Wien im Jahre 1848 bis in unsere Tage waren es stets Angehörige von Korporationen, zumeist Burschenschafter, die dieses Lager und seine politischen Bewegungen und Parteien an der Spitze repräsentiert. Der Führer des Aufstands von 1848 gegen die kaiserlichen Truppen Wenzel Messenhauser, der Paulskirchen-Abgeordnete Robert Blum, der in Wien erschossen wurde, sie waren Burschenschafter. Die Repräsentanten der deutsch-freiheitlichen Parteien, die in den letzten Jahren der Monarchie den freiheitlichen Rechts- und Verfassungsstaat und den Parlamentarismus entwickelten, sie waren zumeist Burschenschafter. Genauso wie übrigens die beiden Gründer der Sozialdemokratie, Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer. Die Parteiführer der nationalliberalen Parteien der Zwischenkriegszeit waren ebenso zumeist Burschenschafter. Franz Dinghofer, Präsident der Provisorischen Nationalversammlung, hat am 12. November 1918 von der Rampe des Parlaments die Republik ausgerufen, Hermann Foppa hat als letzter Abgeordneter im Nationalrat 1934 gegen die Ausschaltung des Parlaments protestiert – beide waren sie Burschenschafter.
Die eben genannten Namen stehen für eine politische Bewegung, die einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des österreichischen Rechtsstaates und der demokratischen Verfassung beigetragen hat. Aber natürlich gib es auch Namen, die die dunklen Schattenseiten der Geschichte der Korporationen repräsentieren.
Dass Georg Ritter von Schönerer, wiewohl er der politische Mentor nicht nur der Nationalliberalen, sondern auch der Sozialdemokraten Adler und Pernerstorfer sowie des Christlichsozialen Lueger war, der eigentliche Promotor des Rassenantisemitismus des endenden 19. Jahrhundert war, soll nicht geleugnet werden. Und dass viele Kooperierte, die aus dem nationalliberalen Lager stammen, im Chaos der Nachkriegsjahre nach dem Ersten Weltkrieg und dem Elend der Wirtschaftskrise den totalitären Irrweg in den Nationalsozialismus beschritten, muss auch ebenso offen wie reumütig bekannt werden. Auch der in Nürnberg hingerichtete Hauptkriegsverbrecher Ernst Kaltenbrunner war Burschenschafter sowie eine Reihe von Persönlichkeiten, die in verbrecherischen Organisationen wie der SA, der SS oder des SD Karriere während des Dritten Reiches gemacht haben. Dennoch darf auch nicht verschwiegen werden, dass die Korporationen und ihre Dachverbände vom Naziregime verboten wurden, weil sie als Hort bürgerlichen Denkens und widerspenstigen Freisinns betrachtet wurden. Aber dieser Sündenfall – nicht der Burschenschaften und Korporationen selbst, sie waren verboten, sondern einer Vielzahl einzelner Burschenschafter, Korporierter – darf nicht verschwiegen und nicht verharmlost werden. Getragen kann diese historische Verantwortung und die damit verbundene Schuld nur dadurch werden, dass sich die Korporierten heute als vorbildliche Staatsbürger, als opferbereite Diener des republikanischen Gemeinwesens und als Verfechter bürgerlichen Pflichtbewusstseins erweisen.
Jene, die versehen mit der „Gnade der späten Geburt“ auf die Verfehlungen vergangener Generationen weisen, darf Konformismus und Zeitgeist-Opportunisten vorgeworfen werden. Konformismus hingegen kann man den Korporierten, den Burschenschaftern eben, jedenfalls nicht nachsagen. Ihnen bläst der Wind des Zeitgeistes scharf ins Gesicht, sie müssen sich doppelt und dreifach beweisen – auch in der Politik –, wohingegen die Schönredner des politisch korrekten Zeitgeists a priori immer auf der richtigen Seite stehen.
So mag die Burschenschaft als wohlfeiles Feindbild für die Verfechter des spätlinken Zeitgeists herhalten und die Angriffsfläche für die desolate linke Opposition im Lande bieten. Sie hat in ihrer nahezu 200-jährigen Geschichte schon mehr ausgehalten. Sie hat ein halbes Dutzend von Staatsformen überdauert, zwei Weltkriege, Wirtschaftskrisen und den gesellschaftlichen Wandel vom Feudalismus hin zur postmodernen digitalisierten Gesellschaft. Sie wird auch die Attacken von „Falter“ und SOS Mitmensch überstehen, das steht außer Zweifel.


Vom Scheitern des „neuen Menschen“

11. November 2017

Der Marxismus-Leninismus als Irrlehre – ein Abgesang

Vor 100 Jahren fand also die Oktoberrevolution statt, die keine Revolution war, sondern nur ein Putsch und auch nicht im Oktober, sondern im November stattfand. Die russischen Bolschewiki, die sich da unter der organisatorischen Führung von Trotzki an die Macht putschten, boten Lenin die Möglichkeit, den rückständigen Bauernstaat Russland mit seiner vom Krieg zermürbten Bevölkerung in ein totalitäres Sowjetsystem umzubauen und zum Gründervater des real existierenden Sozialismus zu werden.
„Marxismus-Leninismus“ wurde das ideologische System, auf dem dieser Umbau beruhte, in der Folge genannt. Und ganze 70 Jahre  vermochte der Sowjetstaat und die ihm zu Grunde liegende Ideologie des Marxismus-Leninismus zu bestehen.
Dabei erwies sich der Sowjetstaat vom Anbeginn bis zu seinem Ende, bis in die Zeit von Glasnost und Perestroika, als Terrorsystem. Ein Terrorsystem, das in seinen Hochzeiten unter der Despotie Stalins viele Millionen Opfer kostete, das sogenannte „Klassenfeinde“ mit Willkür-Justiz und  einem Sklaven- und Arbeitslagersystem Marke „Archipel Gulag“ verfolgte. Willkür, Menschenverachtung,  Terror und Massenmord blieben die Kennzeichen einer Despotie finsterster Ausprägung.
In ökonomischer Hinsicht gelang es der sowjetischen Planwirtschaft niemals, in irgendeiner Phase ihrer Existenz den Charakter als extreme Mangelwirtschaft abzulegen. Zwar machte der Stalinismus aus dieser Not eine Tugend, indem  er den ökonomischen Mangel, der bis zu gewaltigen Hungersnöten ging, als Massentötungsmittel von Klassenfeinden, der Kulaken eben, benützte, insgesamt aber konnte die Planwirtschaft niemals auch nur annähernd eine Leistungsfähigkeit entwickeln, die eine freie Marktwirtschaft aufzuweisen hat.
Und in ideologischer Hinsicht erwies sich der Marxismus-Leninismus als völlig wahnwitzige Heilslehre, die geradezu zwangsläufig scheitern musste. Die klassenlose Gesellschaft und der wirkliche Sozialismus, die der Sowjetkommunismus herbeiführen sollte, erwiesen sich nicht nur als völlig weltfremde Utopie. Das vermeintliche Streben danach zeitigte vielmehr sogar ein widerwärtiges System einer Funktionärs- und Bonzenwirtschaft, deren Privilegien jenen der alten feudalen Aristokratenherrschaft in nichts nachstand.
Gescheitert dabei ist vor allem die Ideologie vom „neuen Menschen“. Dieser „neue Mensch“, der seit den Tagen der Jakobiner-Herrschaft in Frankreich Ziel linker Utopien und auch des Marxismus sein sollte, dieser „neue Mensch“ erwies sich als lebensfremdes Konstrukt. Eine geradezu unmenschliche Utopie, weil deren Herstellung auch schrankenlos über Hekatomben von Menschenopfern gehen sollte. Dieser „neue Mensch“ durfte keine Familienbindung haben, also mussten die Familien zerschlagen werden. Dieser „neue Mensch“ durfte keine religiöse Bindung haben, da Religion „Opium für das Volk“ sei. Dieser „neue Mensch“ durfte auch keine berufsständische Bindung haben, also musste das Bürgertum, der Bauernstand, Handwerk und Gewerbe zerschlagen bzw.. nivelliert werden. Und dieser „neue Mensch“ durfte selbstverständlich auch keine nationale Bindung haben, also musste man die Völker und die kulturelle Vielfalt zwangsweise und gewaltsam einebnen.
All das hat der Sowjetkommunismus in der Folge der Oktoberrevolution bis herauf in die Tage Gorbatschows gegen Ende des 20. Jahrhunderts versucht. Und er ist glorios dabei gescheitert. Die menschliche Gier, das Streben nach Besitz und Privateigentum erwies sich bereits in den Sowjetzeiten als nicht auszurottende Konstante der menschlichen Natur. Das Kastensystem der privilegierten Sowjetbonzen bewies dies augenfällig. In welch starkem Ausmaß die russisch-orthodoxe Kirche die Jahrzehnte der Sowjetdiktatur überlebte, ist auch verwunderlich. Heute spielt sie bekanntlich in Russland eine maßgebliche Rolle. Und was die nationale Identität betrifft, so vermochte bereits Stalin im Zweiten Weltkrieg das Überleben seines Systems nur durch die Ausrufung  des „Großen Vaterländischen Kriegs“ zu gewährleisten. Und  nach dem Einsturz der sowjetkommunistischen Käseglocke erhoben sich all die Völker des  östlichen Mitteleuropas und Osteuropas  und darüber hinaus die  Zentralasiens und Nordasiens, bis hin nach Wladiwostok, in  unglaublicher, bis dahin längst vergessener Vielfalt. Der „neue Mensch“ in der klassenlosen Gesellschaft blieb Utopie und wurde trotz millionenfacher Menschenopfer nie realisiert.
Dass auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des real existierenden Sozialismus im Ostblock kommunistische  Diktaturen wie etwa in China oder auf Kuba weiter existierten, war dann nur noch ein Paradoxon der Geschichte. Der chinesische Staatskapitalismus, der formal noch von einer kommunistischen Partei dominiert wird, ist nichts anderes als die Herrschaft einer Oligarchie, die sich im kommunistischen Mäntelchen der Macht-Mechanismen mit geradezu unverschämter Brutalität bedient.
Und Kuba unter den greisen Castro-Brüdern stellt nicht mehr als eine karibische Kommunismus-Nostalgie dar, die aber über kurz oder lang von der Bildfläche verschwinden wird.
Heute existiert der real existierende Sozialismus, der so schmählich versagt hat, nur mehr als Kultur-Marxismus in den Reihen der politisch korrekten Pseudo-Eliten der westlichen Industriestaaten, insbesondere der europäischen, fort. Dieser Kultur-Marxismus wird von den Alt-68ern und spätlinken Apologeten der Frankfurter Schule getragen und hat sich bis heute so etwa die intellektuelle Hegemonie in den liberalen westlichen und marktwirtschaftlich orientierten Systemen bewahren können. Das Scheitern des Sowjetkommunismus und der marxistisch-leninistischen Ideologie konnte die Dominanz dieses Kultur-Marxismus bislang nicht brechen. Die Despotie des Zentralkomitees in Moskau wurde beendet, der KGB-Terror wurde gebrochen, der Warschauer Parkt musste sich auflösen. Der real existierende Sozialismus ist nur noch eine düstere Erinnerung. Nunmehr gilt es noch, die kulturelle Hegemonie dieses Kultur-Marxismus zu brechen.


Hexenjagd

9. November 2017

Unter dem Schlachtruf „#meetoo“ findet derzeit im Netz weltweit tatsächlich so etwas wie eine Hexenjagd statt. In einer wahrhaften Hysterie werden da zahllose Beschuldigungen auf sexuelle Belästigung, sexuellen Missbrauch erhoben. Beschuldigung, die zum guten Teil durchaus berechtigt sein mögen, die darüber hinaus aber skurrile Blüten treiben. Skurril, weil sie zum Teil über Jahrzehnte zurückreichen und zum Teil harmlose Bemerkungen, Komplimente, misslungene Scherze und dergleichen kriminalisieren. Eine neue Prüderie, die dem Diktat der Political Correctness entspringt, treibt hier groteske Blüten, befeuert von geradezu faschistoidem Feminismus und ganz realer Verachtung der Natur des Menschen.
Nun kann es für tatsächliche sexuelle Gewalt, insbesondere für den diesbezüglichen Missbrauch von Autoritätsverhältnissen, keine Toleranz geben. Gerade diese Hexenjagd aber verwischt die Grenzen und läuft damit Gefahr, den tatsächlichen Missbrauch zu verharmlosen. Wirkliche Gewalttäter und Machthaber mit Allmachtsanspruch vermögen sich solcherart hinter der Lächerlichkeit der zahllosen übertriebenen Anschuldigungen zu verbergen. Und wo sind die Grenzen? Peter Pilz hat seine Assistentin im grünen Nationalratsklub angeblich mit satten vierzig sexuellen Übergriffen belästigt und insultiert. Der langjährige grüne Klubobmann Alexander Van der Bellen hat seine vormalige Lebensgefährtin unmittelbar vor dem Präsidentschaftswahlkampf doch noch geheiratet, er hat also seine Ehefrau aus dem weiblichen Personal des grünen Nationalratsklubs gewählt. Ein Autoritätsverhältnis gab es wohl auch zwischen dem nunmehrigen Bundespräsidenten und der heutigen First Lady, als sie sich kennenlernten. Was ist also tatsächlicher Missbrauch und was ist Hysterie und Diffamierung? Und wie sollen beide Arten von Menschen – nämlich Männer und Frauen – einander näherkommen ohne jenes Maß an erotischer Spannung, das heute von den einen bereits als sexuelle Belästigung und von den anderen – der schweigenden Mehrheit, die sich wohl kaum zu äußern wagt – als unverzichtbare Würze ihres Lebens als geschlechtliches Wesen betrachtet wird?
Ironisch könnte man anmerken, die Menschheit hat sich diese Erde nur Untertan gemacht und durch zahllose gegenseitige sexuelle Belästigungen auf eine Population von sieben Milliarden Individuen vermehrt. Und wenn es so weiter geht, werden Sex und Erotik genauso tabuisiert wie gegenwärtig der Tabakkonsum. Bleiben dann nur mehr die In-Vitro-Fertilisation und der Zölibat? Doch Zynismus beiseite, die pragmatische Vernunft der menschlichen Normalität wird hoffentlich auch diese Hexenjagd beenden.