„Tschuldigung“ – und das war’s?

25. November 2021

Man kennt das von pubertierenden Kindern, wenn sie sich für irgendein Fehlverhalten zu rechtfertigen haben. Da wird dann trotzig „Tschuldigung“ gemurmelt, womit eigentlich gemeint ist: Habt mich gern, mich interessiert nicht, was ihr von mir denkt. So ähnlich war das in den vergangenen Tagen, als sich der Herr Gesundheitsminister, in der Folge der Herr Bundeskanzler und noch der/die eine oder andere Minister/in bei der Bevölkerung entschuldigte: Leerformeln, die nichts bedeuten und keinerlei Gewicht haben. Leerformeln vor allem, die nichts an den Fehlentwicklungen ändern können, für die die hohen Herren Minister verantwortlich sind und die uns nunmehr in den vierten Lockdown gebracht haben und in den ins Haus stehenden Impfzwang.
Wie oft haben wir gehört, es werde keinen Lockdown geben und schon gar nicht für die Geimpften und wie lauthals wurde verkündet, dass es keinerlei Impfzwang geben werde. Und nun haben wir beides. Und beide Maßnahmen sind noch dazu derart dilettantisch und widersprüchlich kommuniziert und verordnet worden, dass kein Mensch weiß, wie sie sich auswirken werden. Ob der Lockdown überhaupt etwas bewirkt, man darf Zweifel haben, wenn man die Wirksamkeit der vergangenen Lockdowns ansieht. Und der Impfzwang, da weiß kein Mensch, wie der wirklich durchzusetzen wäre und welche Konsequenzen all das haben wird. Dass jedenfalls damit die Spaltung der Gesellschaft weiter vertieft wird, wissen wir nicht erst seit der Mega-Demo am vergangenem Samstag in Wien. Da gibt es offenbar einen Teil in der Bevölkerung, der sich nicht beugen will, den weder pragmatische, noch vorgeblich wissenschaftliche Gründe dazu bewegen, den allgemeinen Impfkurs mitzutragen. Ob diese Haltung vernünftig ist, soll an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Es geht nur um das Faktum, dass diese Menschen, und es sind garantiert mehr als 20 Prozent der Bevölkerung, sich auch mit gesetzlichen Zwangsmaßnahmen offenbar nicht beugen lassen wollen.
Die halbherzigen Entschuldigungen des Herrn Bundeskanzlers und des Gesundheitsministers werfen aber auch eine andere Frage auf: Wie steht es mit der politischen Verantwortung für die Maßnahmen. Wenn jetzt beispielsweise der Impfzwang kommt und es werden Menschen gegen ihren Willen geimpft, die in der Folge gravierende Impffolgen erleiden, da wird sich die Regierung wohl nicht aus der Verantwortung stehlen können. So lange die Impfung freiwillig war, hatte jeder das Risiko selbst zu tragen. Nunmehr kann er Schadensersatzforderungen gegen die Politik erheben, die ihn dazu gezwungen hat. Bleibt spannend abzuwarten, was sich da in der Folge auf der juristischen Ebene bis hin zum Verfassungsgerichtshof und zum Europäischen Gerichtshof noch tun wird. Einschlägig aktive Anwälte scharren ja schon in den Startlöchern.Und das ist auch gut so, da die verantwortlichen Politiker, die dafür gewählt und bezahlt werden, endlich einmal erkennen müssen, dass sie für ihre Taten, für ihr Tun und für ihr Unterlassen auch haften und es nicht mit einer Entschuldigung oder einem lauwarmen Rücktritt getan ist, sondern möglicherweise mit zivilrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen, die es in sich haben. Der Gedanke, dass Politik auch Verantwortung beinhaltet und dass hohe Ämter allzumal Regierungsämter nicht nur hohe Würden und Gehälter mit sich bringen, sondern auch große Verantwortung und das Risiko, für Fehlentscheidungen in die Haftung gezogen zu werden, diese Bewusstsein sollte langsam wieder um sich greifen.


Politik in der Quarantäne

17. November 2021

Corona, Corona auf allen Kanälen, in allen Gazetten

Die 2G-Regel, die 3G-Regel, Lockdown und Quarantäne, Impfpflicht – ob für bestimmte Berufsgruppen oder generell – das sind die Fragen, die dieser Tage das Land beschäftigen. Die meisten Menschen haben ob der Vielfalt und der Kurzlebigkeit der Verordnungen längst den Überblick verloren, was erlaubt ist, und was nicht. Was zählen da die Skandale von gestern, wer interessiert sich angesichts der Erregungen von heute noch dafür. Der ruhmlose Abtritt des vormaligen Bundeskanzlers und nach wie vor als ÖVP-Chef Amtierende ist beinahe schon in Vergessenheit geraten. Das erstinstanzliche Urteil gegen den vormaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, die Verurteilung des einstigen Finanzministers Karl-Heinz Grasser, wer entsinnt sich noch des jeweiligen Strafmaßes, wenn ein Skandal den nächsten jagt? Die Betroffenen, insbesondere der türkise Ex-Kanzler, dürften dies sogar als gewisse Erleichterung verspüren. Kaum jemand empört sich, auch nicht in den Medien, ob des ihm vorgeworfenen Fehlverhaltens. Alle reden über den neuen Lockdown und die Spaltung der Gesellschaft in Geimpfte und Ungeimpfte. Allein die Politik schläft nicht, auch nicht in Zeiten der Pandemie und der Seuche. Und insbesondere den jeweiligen Parteistrategen dürfte klar sein, dass unser aristokratisch näselnder Bundeskanzler keine Dauerlösung sein dürfte. Angesichts der Ereignisse rund um den Sturz von Sebastian Kurz halten sich die Sympathie und Kooperationsgemeinschaft zwischen den beiden Koalitionspartnern, zwischen Schwarz–Türkis und Grün, zweifellos in höchst erträglichen Grenzen. Beide Teile dürften vielmehr auf den günstigsten Moment für einen Absprung warten. Und dies ist gegenwärtig für die ÖVP – aufgrund der dramatisch gesunkenen Umfragewerte – sicherlich nicht der Fall. Noch nicht. Sebastian Kurz werkt indessen hinter den Kulissen an seinem Comeback. Das dieser Tage vorgelegte Gutachten eines renommierten Strafrechtlers, das die Vorgehensweise der ultralinken Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zerpflückt, ist sicher ein wesentlicher Schritt dazu. Wieweit er die ÖVP-Granden, insbesondere die Landeshauptleute, überzeugen kann, dass er die einzige Option als künftiger Spitzenkandidat ist, bleibt abzuwarten.
Die Grünen suhlen sich intern zweifellos im Wohlgefühl, in der Causa Kurz obsiegt zu haben. Und wenn der grüne Bundespräsident und der grüne Vizekanzler bei Staatsakten in diesen Tagen die erste Geige spielen, sieht es beinahe so aus, als würde die 10-Prozent-Partei die Republik dominieren. Ein Trugbild, zweifellos.
Die Spindoktoren aber, von SPÖ, Grünen, NEOS und deren journalistische Helfershelfer, arbeiten zweifellos auf eine neue linksorientierte Regierungskoalition hin. So wie in Deutschland, wo SPD, Grüne und Liberale eine Regierungskoalition bilden, soll es auch in Österreich kommen.
Die Sozialdemokraten unter Pamela Rendi-Wagner würden mit grüner Mithilfe und Neos-Assistenz allzu gerne auch hierzulande eine Links-Regierung bilden, wobei dieser Tage verdächtigerweise immer wieder der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig als möglicher Kanzler einer solchen Koalition genannt wird.
Und die Freiheitlichen des Herbert Kickl? Sie sind die einzigen, die den chaotischen Corona-Maßnahmen der gegenwärtigen Regierung Paroli bieten. Ihr Eintreten für Bürgerfreiheiten und gegen Zwangsmaßnahmen ist zweifellos legitim und entspricht der liberalen Tradition des Dritten Lagers. In der gegenwärtigen Situation allerdings laufen sie Gefahr, damit allzu sehr ins Fahrwasser irrationaler Wissenschaftsfeindlichkeit zu geraten, wie sie früher nur von Esoterikern und ähnlichen Menschen gepflogen wurde. Und so ganz am Rande hat sich da in der zweitgrößten Stadt des Landes noch eine Linksregierung der speziellen Art etabliert. Graz hat nunmehr eine von Grünen und Sozialdemokraten unterstützte kommunistische Bürgermeisterin. Und diese hat bei Amtsantritt so ganz nebenbei erklärt, sie wolle die Stadt im Sinne der „besten Traditionen ihrer Bewegung“ führen.
Was meint die Dame mit den „besten Traditionen“ des Kommunismus? Die Säuberungen Josef Stalins in der Sowjetunion in den Dreißigerjahren? Maos Kulturrevolution in China oder Pol Pots Steinzeitkommunismus in Kambodscha? Vielleicht den Panzerkommunismus, der 1968 den Prager Frühling niederwalzte? Oder vielleicht doch nur die Ausstattung der Grazer Substandardwohnungen mit neuen Sanitärgeräten, wie es die KPÖ seit einigen Jahren als Inhaberin eines milliardenschweren Industriekonsortiums locker machen kann?
Fragen, die in Österreich weder die Journalisten noch die Vertreter der Linksparteien aufwerfen. Fragen, die in Tagen des Corona-Chaos auch allgemein wenig Interesse hervorrufen dürften.


Ein Plan, wo alle planlos sind

11. November 2021

Da tritt einer vor die Medien, um in unseren Tagen, in der Zeit der voll aufbrandenden vierten Coronawelle, ein Konzept zur Bewältigung dieser Krise zu präsentieren. Und er meint, dass Impfen gut und recht sei, dass sie auch nütze, aber längst nicht in dem Maße, wie man vor wenigen Monaten, am Beginn der Impfaktion den Menschen versprochen hätte. Dass man allerdings nicht in Supermärkten, Discotheken und Lagerhallen impfen solle, sondern beim Arzt, und jene Menschen, die das freiwillig für sich wollten.
Und zweitens meint er, nicht der Impfstatus sei das, was wichtig sei, sondern der Immunstatus, weshalb man überprüfen solle, wie es um diesen innerhalb der Bevölkerung stünde. Wodurch die Immunabwehr herbeigeführt worden sei, durch vorhergehende Infektion, durch Impfung oder schlicht und einfach durch ein entsprechend starkes Immunsystem, sei zweitrangig. Und drittens meint er, man müsse doch vermehrt in die Entwicklung von Corona-Medikamenten investieren und überdies gebe es solche bereits, die man frühzeitig bei infizierten Patienten anwenden müsse. Es gehe doch nicht an, dass Menschen einen positiven Corona-Test erhielten und dann tagelang zu Hause alleine isoliert bleiben müssten, ohne Behandlung, bis sie dann ins Krankenhaus wegen schwerer Verläufe kämen.
Der, der diese durchaus vernünftigen Überlegungen unter dem Titel „Plan B2“ dieser Tage präsentierte, war der Oppositionsführer Herbert Kickl. Und sofort musste er sich als Scharlatan, Impfgegner und Coronaleugner abqualifizieren lassen. Geradezu reflexartig stießen die Mainstreammedien und die etablierten Parteien in dasselbe Horn, Kickls Plan B sei „B, wie bescheuert“.
In Tagen, da sich kein Mensch mehr auskennt und die längst abgestumpfte Bevölkerung nur mehr widerwillig in den Gazetten die Doppelseiten mit der Berichterstattung über die Corona-Maßnahmen liest, ist Kickls Plan immerhin so etwas wie ein nüchterner und vernünftiger Ansatz, die Dinge in den Griff zu bekommen. Denn eines, das Kickl sagt, stimmt auch: Die Regierung hat offenbar in der Coronabekämpfung längst die Kontrolle verloren. Wie das Kaninchen auf die Schlange starren die Regierenden auf die explosionsartig steigenden Infektionszahlen und verkünden unsinnige Parolen. Über die 3G-Regel über die 2-1/2-G-Regel zur 2-G-Regel, wobei kaum mehr jemand weiß, was all das bedeuten soll.
Was ist denn die Nacht­gastronomie? Das Kaffeehaus nach Einbruch der Dunkelheit oder die Disco um vier Uhr morgens? Welche Veranstaltungen mit wie vielen Leuten mit zugewiesenen Sitzplätzen darf man besuchen – oder auch nicht? Und dann gibt es da noch die diversen Impfempfehlungen? Nach wie vielen Monaten muss man sich denn den dritten Stich holen nach AstraZeneca, nach Johnson, nach Moderna? Da mag sich der gelernte Österreicher denken: „Leck Buckel, habt’s mich gern!“, überblättert die Coronaseiten in den Gazetten und zippt im Fernseher auf den nächsten Sender, wenn der Gesundheitsminister, der Innenminister oder einer der Haus- und Hofvirologen auf den Schirm kommt.
Und genausowenig nimmt er die Versuche des etablierten, politisch-medialen Komplexes wahr, Kickls Plan B lächerlich zu machen. Wenn da etwa geäußert wird, der FPÖ-Chef wolle Entwurmungsmittel für Pferde zur Coronabehandlung einsetzen, dann weiß eben dieser gelernte Österreicher, was er davon zu halten hat. Dass auch Schweine Antibiotika bekommen, sagt nämlich nichts dagegen aus, dass eben diese Antibiotika auch bei Menschen eingesetzt werden. Und dass die Vitamine C, D und Zink das Immunsystem stärken und ein gesundes Immunsystem auch zur Abwehr von Coronainfektionen dienlich sein kann, ist auch durchaus vernünftig. Das wissen die Menschen schon, da können die reflexartigen Abqualifizierungen freiheitlicher Vorschläge nichts daran ändern.


Gamechanger, Booster und Turbobooster

11. November 2021

Die Pharmaindustrie, die Impf-Lobby und wir ­geimpfte Melkkühe

Ach, was hörten wir da an Schalmeienklängen vom Bundeskanzler, vom Gesundheitsminister, von den diversen Virologen und Epidemiologen: Mit der Impfung, da hätten wir den Gamechanger, und für die Geimpften würde dann das ganz normale Leben beginnen. Die Impfung habe gewiss keine negativen Folgen, allenfalls ein wenig Schmerzen im Oberarm und für eine Nacht ein bisschen Kopfweh, und wenn man sie nur habe, wäre man immun, könne sich frei bewegen, weil man mutmaßlich auch niemanden mehr anstecken würde.
Schalmeienklänge und samt und sonders Fehleinschätzungen, wie wir heute wissen. Die Impfdurchbrüche häufen sich, es gibt sogar Tote, die zwei Mal geimpft wurden. Von wegen immun kann keine Rede sein, und es wird wohl nicht lange dauern, bis Geimpfte genauso behandelt werden wie Ungeimpfte: Maske tragen müssen, sich testen lassen müssen und nur unter größten Sicherheitsvorkehrungen in der Öffentlichkeit auftreten werden können.
Nunmehr allerdings gibt es nach dem „Gamechanger“, der die Impfung ja sein sollte, den „Booster“. Die dritte Impfung, die – ex oriente lux – nach israelischen Studien ganz sicheren Schutz gegen das Coronavirus bieten solle und – so hört man schon weniger überzeugend – auch nachhaltig und lange wirksam sein solle. Zuerst hieß es, nur gefährdete Personen, solche über 65, sollten sich den dritten Stich holen, und das auch erst nach sechs bis neun Monaten. Jetzt heißt es, dass bereits ab 18 dieser dritte Stich sinnvoll sei und auch möglichst rasch konsumiert werden solle. Die Neben- oder Folgewirkungen dieses dritten Stichs seien nicht schlimmer als die des zweiten, heißt es. Eine Meldung, über die man wohl nicht wirklich erfreut sein kann, wenn man so hört, was es an Impffolgen nach diesem zweiten Stich gegeben hat.
Aber bitte, wir kleinen Schafe in der großen Hammelherde – oder vielleicht sind wir auch nur Lemminge – werden nunmehr ein drittes Mal zum Arzt oder in die Impfzentren pilgern und uns den Stich geben lassen. Aber bereits heute müssen wir uns ja sagen lassen, dass allein dieser dritte Stich die vierte Corona-Welle, in deren Anfang wir stehen, nicht wirklich wird bekämpfen können. Was wird also trotz dieses dritten Stichs auf uns zukommen, und bleibt dies der letzte Stich, wird es einen vierten, fünften oder sechsten Stich geben müssen? Fragen über Fragen, die einem schon den Angstschweiß auf die Stirn treiben können.
Und über die Kosten der ganzen Sache redet überhaupt niemand mehr. Die letzte hörbare Meldung war es wohl, dass Pfizer die Kosten für seinen Impfstoff deutlich erhöht hat, und nachdem nun gewisse Konkurrenzimpfstoffe gar nicht mehr geimpft werden, muss man jene glücklich preisen, die sich vor zwei, drei Jahren Pfizer-Aktion angeschafft haben. Sie dürften wohl inzwischen Millionäre sein, denn das Milliardengeschäft, das allein dieser Pharmakonzern macht, muss wohl einzigartig sein. Und da stellt sich dann die Frage, ob ein solcher Konzern mit seinen unglaublichen Marketing-Mitteln nicht wohl einen kräftigen Einfluss auf die Politiker, auf das Heer der Virologen und Epidemiologen, die wir so über die Medien tagtäglich vorgesetzt bekommen, nimmt. Ein Einfluss, der gewiss nicht darauf abgestellt ist, dass der Impfwahn möglichst bald vorüber ist, sondern der es wohl im Auge haben dürfte, dieses Milliardengeschäft Jahr für Jahr, Saison für Saison fortzu­führen.
Und da wird einem dann schon ein wenig mulmig. Sind wir da wirklich Versuchskaninchen für ein in Wahrheit nicht völlig erprobtes Medikament, wie es der blaue Oppositionschef Kickl formulierte? Der Autor dieser Zeilen als AstraZeneca-Patient muss eigentlich schon fest davon ausgehen.
Dieser Impfstoff, den man am Anfang auch als genauso gut und sicher gepriesen hat wie alle anderen, auch jenen von Pfizer/Biontech, wird schon nicht mehr verimpft. Warum wohl? Doch nicht einfach deshalb, weil er kaum ein Zehntel dessen kostet, was ein Pfizer/Biontech kostet? Das allein kann es doch nicht sein! So locker gehen doch selbst unsere Politiker mit den Steuermitteln um.
Allein, die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht ist der dritte Stich, der sogenannte Booster, wirklich das Allheilmittel, vielleicht sind wir dann auf Jahre, wenn nicht gar Lebenszeit immun und die multinationalen Pharmakonzerne spenden einen Gutteil ihres Billionen-Gewinns für karitative Zwecke (wie wär’s mit dem Einsatz dieser Mittel für den Klimaschutz?).
Wie gesagt, die Hoffnung stirbt zuletzt, und den Glauben ans Christkind dürfen wir uns in der sich nähernden Weihnachtszeit – ob mit Corona-bedingtem Lockdown oder nicht – ganz einfach nicht nehmen lassen.


Eine multipolare Weltordnung

11. November 2021

Der Gegenentwurf zur „one world“

Was war die Welt noch einfach, wie übersichtlich war die Weltpolitik, als es noch die beiden großen Machtblöcke, die US-dominierte NATO und den sowjetbeherrschten Warschauer Pakt gab. Als der freie Westen und der kommunistische Ostblock einander gegenüberstanden. Da war nichts anderes wichtig, der Rest war Dritte Welt und das kommunistische China dämmerte in strikter Isolation dahin. Mit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus des Sowjetblocks glaubten manche politische Beobachter, dass nunmehr der Sieg der westlichen Demokratie im globalen Ausmaße bevorstehe, dass es demnach nur eine Supermacht, nämlich die USA mitsamt ihren Verbündeten in Europa und damit die Dominanz der westlichen Demokratie geben werde. Weltweit, so meinte man, müsse sich diese westliche Demokratie durchsetzen und die Zivilreligion der Menschenrechte würde darüber gewissermaßen als letztgültige moralische und ethische Maxime mit globalem gesamtmenschlichem Anspruch schweben. Die gesamte Völkergemeinschaft von den ehemals kommunistischen Sowjetrepubliken bis hin zu den Entwicklungsländern, von den Schwellenländern bis hin zu den islamischen Gottesstaaten, alle, alle müssten sich diesem westlichem Gesellschafts- und Staatsmodell beugen, wobei der Neoliberalismus als Ordnungsmodell, der Freihandel, die freie Marktwirtschaft als ökonomisches System obsiegen würden. „One world“, eine Welt, gleichgeschaltet im Sinne der politischen Korrektheit, würde somit gewissermaßen zum finalen Ziel der Menschheitsgeschichte werden.
Diese durchaus im Sinne des Neoliberalismus und des Spätkapitalismus entwickelte Vorstellung einer neuen Weltordnung war kurioserweise von den kulturkommunistischen Konzepten des neuen Menschen in einer klassenlosen Gesellschaft und der Überwindung ethnischer und kultureller Unterschiede nicht allzu weit entfernt. Beide Konzeptionen, sowohl die neoliberale von der globalen Gleichschaltung der Nationen als auch die kulturkommunistische von der Nivellierung des Individuums an sich, ignorierten die Unterschiedlichkeit und die Vielfalt der Menschen, seiner gesellschaftlichen Entwicklung und seiner kulturellen Eigenheiten. Und beide Konzepte sind im Grund deshalb auch gescheitert.
Im Zuge der beiden ersten Jahrzehnte des neuen Jahrhunderts hat sich nämlich eine multipolare Welt herauskristallisiert, die sich durch mehrere machtpolitische Zentren, durch eine Vielfalt globaler „Player“ und auch durch völlig unterschiedliche staatspolitische Wertvorstellungen auszeichnet. Zuletzt wurde das Versagen der neoliberalen „One-World“-Konzeptionen am desaströsen Scheitern der US-Politik in Afghanistan deutlich. Und so finden wir neben den westlichen Industriestaaten, neben der traditionellen Super- und Weltmacht USA samt dem nordamerikanischen Flächenstaat Kanada und dem sich integrierenden Europa eine Reihe anderer machtpolitischer Zentren auch diesem Planeten. Wladimir Putins Russland, das sich nach dem Absturz und Zerbrechen des Sowjet-Vielvölkerstaats wieder festigen konnte, spielt hier ebenso eine weltpolitische Rolle wie vor allem das ökonomisch aufstrebende China. Daneben spielt die islamische Welt eine Rolle, die südamerikanischen Schwellenländer rund um Brasilien ebenso, aber auch Indien und der Südkontinent Australien.
Traditionelle und überkommene Ordnungsmodelle wie das britische Commonwealth würden hier zur bloßen historischen Hülle degradiert und bisher bestehende Dominanz, wie sie die USA gemeinsam mit der NATO auszuüben vermochte, wurde relativiert. Natürlich sind die US-Amerikaner nach wie vor die stärkste Militärmacht des Planeten, innere Zerrissenheit aber, struktureller und ökonomischer Niedergang relativieren diese Militärmacht in beträchtlichem Maße. Und die Europäer, die insgesamt noch immer das ökonomische Zentrum des Planeten sein könnten, werden durch zunehmende gesellschaftliche Dekadenz und machtpolitische Mutlosigkeit zum eher zweitrangigen „Player“ in der Weltpolitik.
Bleiben Wladimir Putins Russland und das kommunistische China mit seinem staatskapitalistischen Wirtschaftssystem. Nach dem Zwischenspiel mit Boris Jelzin ist Russland längst auf die weltpolitische Bühne zurückgekehrt und spielt dort eine wichtige und durchaus maßvolle Rolle. Verglichen mit den militärischen Abenteuern der USA, die samt und sonders im Fiasko zu enden pflegen, ist Putins militärisches Engagement beispielsweise in Syrien entsprechend begrenzt, aber effektiv. Der syrische Machthaber Assad vermochte sich nur mit russischer Hilfe zu behaupten. Und was China betrifft, so vermochte das KP-Regime seinen Bürgern durchaus ein gewisses Maß an gesichertem Wohlstand zu gewährleisten und gleichzeitig weltweit zum ökonomischen Rivalen der westlichen Mächte zu werden. Längst hat die Wirtschaftsmacht China einen Status auf Augenhöhe mit den USA und auch mit der Europäischen Union.
Verbunden mit dieser Multipolarität der gegenwärtig real existierenden Weltordnung ist auch eine Pluralität der gesellschaftlichen und ökonomischen Systeme, der Werthaltungen, die hinter den einzelnen Mächten stehen. Das sind einerseits die Demokratien westlicher Prägung, wobei sich schon in den Vereinigten Staaten demokratiepolitische Auflösungserscheinungen zeigen beziehungsweise Spaltungen in die beiden antagonistischen Lager, die auf dem Wege des demokratischen Konsenses nicht mehr überwunden werden können.
Da sind die gesteuerten Demokratien, wie sie etwa in Putins Russland existieren, in qualitativer Hinsicht gar nicht mehr so weit davon entfernt. Und autoritäre Systeme, wie die KP-Diktatur in China oder der islamische Gottesstaat im Iran, oder diverse Oligarchien in Schwellenländern zeigen, dass es hier eine Vielfalt politischer Ordnungssysteme gibt, die mit westlichen oder europäischen Maßstäben nicht zu messen sind. Es dürfte eine Folge des alten, herkömmlichen eurozentrischen Weltbildes sein, dass die Europäer, und in ihrer Folge die US-Amerikaner glaubten, es müssten sich weltweit auch europäische beziehungsweise westliche Wertmaßstäbe und Staatsvorstellungen durchsetzen. Von dieser Vorstellung muss man sich wohl in einer multipolaren Welt verabschieden. Und selbst die angeblich universellen Menschenrechte sind solcherart nur bedingt gültig und durchsetzbar. In der Kastengesellschaft Indiens, in schwarzafrikanischen Staaten mit traditionellen Stammesstrukturen, aber auch in Ländern wie dem kommunistischem Kuba gelten eben andere Maßstäbe. Wer sich in dieser multipolaren Weltordnung durchsetzt, wer die Führungsposition erringt, ist offen. Die globale Hegemonie der USA gehört jedenfalls der Geschichte an, die Pax Amerikana ist Vergangenheit. Deshalb allerdings muss sich längst noch keine chinesische Weltordnung durchsetzen, es könnte vielmehr ein Konzert der Weltmächte entstehen. Und dabei könnten auch neu Weltmächte aufsteigen. Bisherige Regionalmächte wie Indien, der Iran, Brasilien, die Türkei, zeigen deutliche Ambitionen, über ihre bisherigen regionalen Einflusssphären hinauszuwirken.
Für uns Europäer stellt sich die Frage, ob wir in diesem Konzert der Weltmächte, wie es das ­21. Jahrhundert zu prägen scheint, noch eine Rolle spielen. Traditionelle Großmächte wie Frankreich und das Vereinigte Königreich sind angesichts der neuen Maßstäbe auf sich selbst gestellt, auch zu schwach dafür. Deutschland, die führende Wirtschaftsmacht der Europäischen Union, vermeidet es bislang peinlich, überhaupt Machtpolitik gleich welcher Art, zu betreiben. Die Union insgesamt taumelt von einer Krise in die andere und vermag sich nicht wirklich als weltpolitischer und machtpolitischer „Player“ zu etablieren. Und bislang gibt es kaum gegenteilige Tendenzen. Eher schon werden die zentrifugalen Kräfte zwischen den europäischen Mächten wirksamer, da kann der Brexit möglicherweise nur ein erster Schritt gewesen sein. Und dennoch muss man festhalten: Die einzige Chance der europäischen Nationen, sich künftig weltpolitisch zu behaupten, liegt in der Gemeinsamkeit.