Es mag in diesen Tagen obszön klingen. Dennoch, ich bekenne es: ich bin Lobbyist. Und zwar ein bezahlter!
Nein, nicht für die Pharmaindustrie, auch nicht für irgendwelche Atomkonzerne, für keinen Interessensverband, keine Arbeitnehmer- oder Arbeitgebervertretung, nicht einmal für den europäischen Kleintierzüchterverband (so es diesen gäbe). Nein, ich bin Lobbyist für meine 364.207 Wähler, die sich bei den EU-Wahlen des Jahres 2009 als EU-kritische, aber nicht europafeindliche, als patriotische Österreicher deklariert haben und mir als Kandidaten meiner Partei ihre Stimme gaben. Von ihnen habe ich das Mandat, sie im Europäischen Parlament zu vertreten, zeitgeistig könnte man sagen, Lobbying für sie zu betreiben.
Und das tue ich: mit meinem Stimmverhalten, mit meinen Debattenbeiträgen, mit meiner Arbeit in den Ausschüssen, mit Abänderungsanträgen und Anfragen an Rat und Kommission. Nicht nur, dass dies meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit als Abgeordneter ist, da ich eben gerade dafür gewählt wurde und auch dafür ein Abgeordnetengehalt und meinen Spesenersatz erhalte, nein, auch deshalb, weil es meiner tiefsten Überzeugung entspricht.
Doch bevor man allzu moralinsauer wird, sei folgendes festgehalten: ich bin nicht nur Lobbyist, ich bin auch Katholik. Ein schlechter zwar, aber der Satz „führe uns nicht in Versuchung“ erscheint mir im gegenständlichen Zusammenhang höchst bedeutsam. Als EU-Nonkonformist und fraktionsloser Abgeordneter, als böser Rechtspopulist und Angehöriger der Schmuddelkinder-Riege ist man für das Lobbying internationaler Konzerne und mächtiger Interessensgruppen schlicht und einfach uninteressant. Will heißen: ich und meinesgleichen sind niemandes bezahlte Lobbyisten! Gottlob. Vielleicht nicht weil wir so edel und frei von Sünde sind, nein, weil wir schlicht und einfach nicht in Versuchung geführt werden. Als Teil der einzigen oppositionellen Gruppe im EU-Parlament sind wir nämlich ganz einfach nicht in der Lage, Gesetzwerdung zu beeinflussen nach den Wünschen Außenstehender. Und natürlich sind wir auch nicht gewillt, dies zu tun. Aber das werden, wenn sie nicht wie Kollege Strasser in diesen Tagen ertappt werden, natürlich alle behaupten.
In der Neidgenossenschaft – und nicht nur in der rot-weiß-roten – rangiert das EU-Parlament in diesen Tagen natürlich als Versammlung berufsmäßiger Gauner. Und sich da ausnehmen zu wollen, wird allgemein eher mit höhnischem Gelächter quittiert. Schöne Worte hören die Menschen seit Jahr und Tag und das sattsam. Dessen ungeachtet muss man sagen, dass man auch die EU-Abgeordneten an ihren Taten messen sollte. Es ist schlicht und einfach zu überprüfen, wer sich als Lobbyist für irgendwelche Konzerne, für die Frächter- oder die Atomlobby betätigt. Es ist offenzulegen, wer aus dem Bereich der Interessensverbände kommt – der eine aus der Landwirtschaftskammer, der andere aus der Wirtschaftskammer, der dritte aus der Arbeiterkammer und der nächste vom Gewerkschaftsbund – und natürlich gilt es dabei auch zu überprüfen, wie weit damit Privilegien bzw. Benefizien verbunden sind, mit Teilkarenzierung etwa mit teilweiser Fortzahlung des Gehalts, zur Verfügung gestellte Mitarbeiter, spätere Pensionsprivilegien und dergleichen mehr.
Aber auch selbsternannte Saubermänner, die nun vollmundig die Milch der frommen Denkungsart vergießen, müssten im Zuge einer solchen Debatte gefragt werden, was aus den Millionen ihrer Wahlkampfkosten-Erstattung geworden ist und aus missbräuchlich verwendeten Geldern ihrer Sekretariatszulage. An den Taten sind sie eben zu messen, die EU-Abgeordneten und natürlich politische Mandatare auf allen anderen Ebenen auch. Und dabei wird der Souverän, der Bürger und Wähler eben feststellen müssen, wer am effizientesten Lobbying betreibt für ihn, wer ihn am aufrichtigsten und wirkungsvollsten vertritt. So läuft das Spiel und dieses Spiel heißt Demokratie.