Das Bündnis-Zukunft-Österreich, jener missglückte Versuch des verstorbenen Bärentalers, sich aus den lästigen Bindungen an das gesinnungsfeste, bisweilen auch gesinnungsstarre, Dritte Lager zu befreien, hat zu zerfallen begonnen. Jene „junge, moderne und dynamische“ Bürgerbewegung, die Jörg Haider am 4. April des Jahres 2005 just in der Wiener Urania – man denke ans Kasperltheater – aus der Taufe hob, sollte fernab der viel gescholtenen Deutschtümelei und ebenso weit entfernt von allen liberalen Traditionen der Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft, wie sie in diesem Dritten Lager nach wie vor virulent sind, endlich den Durchbruch in der österreichischen Parteienlandschaft ermöglichen. Die „destruktiven Kräfte“ des national-freiheitlichen Lagers, ideologisch motivierte „Taliban“, wie Haider diese zu nennen beliebte, wollte er schlicht und einfach hinter sich lassen und der politischen Bedeutungslosigkeit überantworten.
Dass es ganz anders kommen sollte, erwies sich bereits in den ersten Tagen nach der Abspaltung: Mit Ausnahme der allerdings starken Kärntner Landesgruppe sollte Haider nämlich keine andere Landespartei in das BZÖ folgen. Drei Minister, drei Staatssekretäre und 16 von 18 Nationalratsabgeordneten folgten ihm allerdings. Doch die mit nahezu 10 Millionen Euro Schulden zurück gelassene FPÖ versank keineswegs im innenpolitischen Orkus, sondern setzte bei den Wiener Landtagswahlen im Herbst 2005 mit einem Respekt-Erfolg HC Straches ein erstes Überlebenszeichen. Darauf ging es Schlag auf Schlag: Während das selbsternannte Zukunftsbündnis bei den meisten Wahlgängen jämmerlich versagte, setzte der Wiederaufstieg der seit dem Zerwürfnis von Knittelfeld im Jahre 2002 auf ihre Kernwählerschicht reduzierten FPÖ ein. Von Wahlgang zu Wahlgang konnte Strache reüssieren, bei den Nationalratswahlen 2006 kam er auf nahezu 12 Prozent, bei denen des Jahres 2008 schließlich auf 18 Prozent. Und allen Prognosen zufolge wird dies bei den Wahlgängen dieses Jahres, insbesondere in Wien und in der Steiermark, fortgesetzt werden. Haiders Gründung schaffte es nur im Herbst des Jahres 2008 aufgrund eines gewissen Image-Wandels des Altrabauken hin zum abgeklärten „Elder Statesman“ einen überraschenden Achtungserfolg von mehr als 10 Prozent bei den Nationalratswahlen zu erzielen. Mitten in der Euphorie über diesen Überraschungserfolg ereilte den alternden Populisten dann allerdings das Schicksal und mit ihm das von ihm ins Leben gerufene „Bündnis-Zukunft-Österreich“, dessen Zukunft somit bereits in der Vergangenheit liegen sollte.
Nun fällt auseinander, was auseinander gehört. Große Teile des Kärntner BZÖs repräsentieren in der Tat das Dritte Lager in diesem traditionell zumindest zu einem Drittel national-freiheitlich orientierten Bundesland. Die Gebrüder Scheuch, aber auch ältere Funktionäre wie der langjährige Landtagspräsident Jörg Freunschlag oder der vormalige Vizekanzler Herbert Haupt waren immer von ihrer politischen Prägung her, aber auch von ihrem weltanschaulichen Denken und Handeln, Teile dieses Lagers und mit ihnen ein großer Bereich der Kärntner Parteibasis, Gemeinderäte, Bürgermeister und Landtagsabgeordnete. Andererseits hat sich das BZÖ insbesondere in den übrigen Bundesländern zu einer merkwürdigen Truppe von gepiercten Pferdeschwanz-Trägern, geprägt von proletoider Halbseide und Möchtegern-Zeitgeistlern, entwickelt. Eine Truppe, bei deren bundesweiten Konventen nach glaubwürdigen Augenzeugen-Berichten die Lodenjanker-Träger um die Gebrüder Scheuch zunehmend wie Fremdkörper wirkten. Und auch inhaltlich wurden die Differenzen zwischen den völlig ideologiefreien „Feschisten“ und „SchickiMickis“ um Bucher und Petzner, Scheibner und Westenthaler einerseits und den Kernbeständen des Dritten Lagers im Kärntner BZÖ um die Gebrüder Scheuch andererseits immer größer. Die vollmündige Ankündigung eines wirtschaftsliberalen Programms und Kurses durch Bucher und das Abstimmungsverhalten um die Schwulen-Partnerschaft im Nationalrat machten diese deutlich. Letztlich war es aber die andauernde Erfolglosigkeit des BZÖ in den Bundesländern, und der konsequente Aufstieg der FPÖ unter Heinz-Christian Strache, die die Scheuchs dazu bewogen haben dürfte, aus dem Bundes-BZÖ auszutreten und die Kooperation mit den Freiheitlichen unter Strache anzustreben. Das Durchfallen der Haider-Schwester Ursula Haubner in Oberösterreich, völlige Nicht-Existenz in der Wiener Lokalpolitik und die schlechten Prognosen für die Steiermark, wo der orange Mundwerksbursch Gerald Grosz doch den BZÖ-Hoffnungsträger mimen wollte, waren wahrscheinlich der Auslöser für den Beschluss der Scheuchs.
Wie dieses Bündnis dann an die Öffentlichkeit kam, wie wenig professionell man sich der Unterstützung etwa der Kärntner Abgeordneter im Nationalratsklub versichert hatte und wie man damit weiten Teilen der Kärntner Bevölkerung den Vorwand lieferte, lautstark Verdruss über die BZÖ-Politik zu äußern, ist eine andere Sache.
Für die Freiheitlichen und die FPÖ-Führung wird es nun darum gehen, ihren Funktionären, Anhängern und potentiellen Wählern zu vermitteln, dass es der politischen Vernunft entspricht, wenn zusammen wächst, was zusammen gehört, nämlich das Dritte Lager Kärntens mit dem des übrigen Österreich. Sie wird allerdings auch glaubhaft machen müssen, dass ihre über ein halbes Jahrzehnt geäußerte Kritik an der Politik Haiders und der des BZÖ keineswegs nur billige Polemik war, sondern absolut zutreffend. Das Milliarden-Debakel um die Kärntner Hypo ist nur die Spitze jenes Scherbenhaufens, den Haider insbesondere im Bereich seines Kärntner Wirkungskreises von der Seebühne bis zum Wörthersee-Stadion hinterlassen hat. Haiders Machinationen, Haiders Versagen weiter zu kritisieren, schonungslos, auch wenn es nunmehr Kampfgefährten aus dem Bündnis mit den Kärntner Freiheitlichen betrifft, wird unabdingbar sein, um die freiheitliche Glaubwürdigkeit zu erhalten. Möglicherweise wird die Haltung der Bundes-FPÖ zum Hypo-Debakel zum eigentlichen Parameter über die Lauterkeit künftiger freiheitlicher Politik. Stimmt es wirklich, was die Gegner der FPÖ beim Bekanntwerden des Scheuch-Strache-Pakts sagten: „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ oder ist es vielmehr so, dass nun der Irrweg Haiders, der sich zum einen in der Abspaltung, zum anderen in seiner verfehlten und verschwenderischen Brot-und-Spiele-Politik in Kärnten manifestiert hat, korrigiert wird. Gelingt es den Freiheitlichen in diesen Fragen glaubwürdig und redlich zu agieren, könnte das Realität werden, was die Alt-Edelfeder Lingens dieser Tage in einem österreichischen Nachrichtenmagazin schrieb: Die Zehnerjahre des neuen Jahrhunderts könnten ein freiheitliches Jahrzehnt für Österreich werden.