Den klaren Anspruch auf das Kanzleramt hat Oppositionsführer Heinz Christian Strache vor wenigen Tagen beim FPÖ-Parteitag in Graz erhoben. Geschickt ist er dabei mit der Frage der Regierungsfähigkeit der FPÖ und dem in den Medien herbei geschriebenen angeblichen freiheitlichen Schattenkabinett umgegangen. In seiner zweistündigen Rede nämlich hat er gemeint, es gehe nicht um die Regierungsfähigkeit der FPÖ, sondern um jene der gegenwärtigen Koalitionsparteien. Deren Scheitern sei so eindeutig, dass sich daraus geradezu zwingend der Wählerauftrag für die Freiheitlichen zum Regieren ergeben werde. Und was die handelnden Personen der gegenwärtigen Bundesregierung betreffe, so verfüge man für jedes einzelne Ressort über eine Reihe von Personen, die es mit Sicherheit besser könnten, als die gegenwärtigen Staatssekretäre und Minister. Eine Argumentation, deren Logik man kaum widersprechen kann.
Damit ist aber das innenpolitische Hauptthema der nächsten zwei Jahre bis hin zum allerspätesten Wahltermin im Herbst 2013 vorgegeben: Schafft es Strache? Und wie und mit welchen Mitarbeitern und welchen eventuellen Koalitionspartnern, mit welchen Programmen und welchen Reformideen in das Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz? Die mediale Themenführerschaft dürfte ihm damit sicher sein. Und umgekehrt dürfte die regierende Alt-Koalition kaum mehr eine wirkliche andere Agenda haben als ihre Abwehrschlacht gegen Straches Freiheitliche. Die Wortspender der Nation, die diversen Kommentatoren, Kolumnisten, die Chefredakteure und Leitartikler, sie werden der Versuchung nicht widerstehen können, sich ständig immer wieder auf’s Neue bis hin zu den Wahlen mit eben diesem Thema zu befassen. Wahrlich ein optimales Szenario für den Oppositionsführer.
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Wie Freiheitliche mit einiger Fortüne regieren können, hat in diesen Tagen der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler bewiesen. Die ihm von seinen Parteifreunden eher aufgenötigte briefliche Volksbefragung über die Kärntner Ortstafelfrage endete punktgenau so, dass es nur einen Sieger gibt. Nämlich eben Gerhard Dörfler. Gut ein Drittel der Kärntner beteiligte sich an der Befragung, von der Kritiker meinten, sie sei völlig sinnlos und sie werde ohnedies von der breiten Mehrheit ignoriert werden. Und dieses beachtliche Drittel – bei EU-Wahlen mit Wahlpflicht beispielsweise gibt es kaum mehr Wähler – hat zu mehr als zwei Dritteln für die Dörflersche Lösung gestimmt. Damit ist aber das geschehen, was Dörfler in einer anfangs eher ein bisschen krampfhaft wirkenden Argumentation als „Einbinden der Bevölkerung“ bezeichnete.
Tatsächlich ist es dem Landeshauptmann gelungen, die Kärntner direktdemokratisch auf dem Weg zu einer Ortstafellösung mitzunehmen. Gegenüber den Radikalen auf der Deutschkärntner Seite im Kärntner Abwehrkämpferbund kann er argumentieren, dass die Mehrheit eben klar gesprochen hat. Gegenüber der FPK-Parteispitze kann er darlegen, dass er ihren Wunsch auf Volksbefragung durchaus entsprochen hat. Und gegenüber den Gesprächspartnern im Lösungsprozess, insbesondere der Bundespolitik und den Kärntner Slowenenverbänden hat er bewiesen, dass er das durchaus schwierige Ergebnis in der breiten Kärntner Öffentlichkeit durchzutragen vermochte.
Dörfler hat also gezeigt, wie man regieren und agieren kann in einer schwierigen Frage und in einer schwierigen Situation. Durchaus ein Beispiel, wie freiheitliche Regierungsfähigkeit aussehen kann – auch auf Bundesebene.
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Das europäische Dauerthema dieser Tage ist aber jenseits der rot-weiß-roten Nabelschau die Griechenland-Frage geblieben: Eine verwirrende Fülle von Schlagzeilen und einander widersprechenden Meinungsbeiträgen prägte dabei das Bild: Soll Griechenland pleite gehen, darf es pleite gehen, kann es überhaupt pleite gehen? Wie groß ist die Katastrophe, wenn es pleite geht? Wie groß ist sie, wenn man sich weiter dahinfrettet? Dabei scheint es zu einer Art „Verösterreicherung“ der europäischen Politik zu kommen. Es herrscht nämlich das Prinzip Weiterwursteln, die Probleme Aussitzen und die Lösung hinausziehen, dann wird es sich schon irgendwo geben.
Dass man dabei aber Gefahr läuft, dass das Land völlig unkontrolliert in die Insolvenz schlittert und damit nichts mehr zu steuern ist, scheint man zu übersehen. Wie viele Milliarden jetzt von wem bereits bezahlt worden sind oder noch bezahlt werden müssen, ist den meisten Beobachtern des Szenerie längst nicht mehr klar. Bereits beschlossene alte Hilfsprogramme werden mit neuen verwechselt, die Summen gehen in die Hunderte Milliarden Euro. Und selbst wie viel das kleine Österreich dabei beigetragen hat oder noch beizutragen hat, ist nicht mehr so wirklich herauszufinden.
Klar ist allerdings, dass bei uns im Lande selbst kaum mehr freie Mittel für notwendige soziale und andere Aufgaben vorhanden sind, dass wir aber Milliarden nach Griechenland zu zahlen haben ohne die Gewissheit, ob diese auch sinnvoll und nutzbringend eingesetzt werden.
Das bedrückende an der Griechenland-Problematik ist, dass sich auch die hochmögenden Wirtschaftswissenschafter, die Finanzweisen und die bedeutendsten Finanzpolitiker völlig uneins sind, was denn zu tun wäre: Staatskonkurs? Oder sanfte Entschuldung? Austritt aus der Eurozone? Wiedereinführung des Drachme? Kein Mensch weiß es. Alle wissen wir hingegen, dass das Ganze offenbar nahezu zwangsläufig in einer Katastrophe enden wird, so oder so.
Einige Schlaumeier unter den politischen Beobachtern haben nun festgestellt, dass in Österreich der FPÖ-Chef das größte Interesse am Weiterschwelen der Griechenlandkrise haben muss: So lange Griechenland ein Fass ohne Boden bleibt und das Problem nicht gelöst wird, könne der Oppositionsführer dagegen wettern und zu Recht beklagen, dass österreichisches Geld in die Ägäis fließe. Wenn hingegen mit Griechenland ein Ende gemacht würde, käme es mit Sicherheit zu einer massiven Finanz- und Wirtschaftskrise. Und in Zeiten der Krisen würden sich die Menschen um das politische Establishment, um die Regierung scharen. Da hätte dann die Opposition wenig zu vermelden.
Eine kuriose Analyse, die aber vielleicht nicht so ganz unrichtig ist. Mit dieser aber schließt sich der Kreis dieses Editorials: Die Reformunfähigkeit des politischen Establishments bedingt den Aufstieg oppositioneller Bewegungen und in Österreich ist das nun einmal die Strache-FPÖ – ob es den politisch korrekten Wortspendern und Kommentatoren passt oder nicht.