Facebook ist also an die Börse gegangen und dort habe sich – so lässt man uns wissen – erwiesen, dass es mehr Wert ist, als der BMW Konzern und die Deutsche Bank zusammen. Einer der weltgrößten Autobauer und eines der bedeutendsten Bankhäuser des Planeten, mit zehntausenden Mitarbeitern, ganz realen, überaus teuren und wertvollen Produkten und vielen, vielen Milliarden an Umsatz, sie sind also weniger wert als dieses vorgeblich so „soziale Medium“. Grotesk!
Ursprünglich konnte man annehmen, dass Facebook so etwas wie die Internetplattform für spätpubertären Mitteilungsdrang darstellt und nicht mehr. Indessen sind nahezu eine Milliarde Menschen auf Facebook, tummeln sich in einer virtuellen Welt, in der die zumeist mehr als trivialen, wenn nicht gar peinlichen Mitteilungen nur ein Resultat haben: sie dienen als massenhafte Grundlage für Datensammler zwecks ökonomischer Auswertung der Nutzer. Die Kunden von Facebook sind bekanntlich das Produkt. Alles das, was Facebook sonst anbietet, Internetspiele und Werbung sind weitgehend uninteressant. Nur die Kunden, nahezu eine Milliarde Menschen, sind interessant. Ihr Sozialverhalten, ihre Kaufkraft, ihre ökonomischen Neigungen, all das lässt sich so auswerten, dass es letztlich ein Milliardengeschäft zeitigt.
Das Bedenkliche an Facebook ist nun, dass viele Millionen Menschen, vor allem junge, dieser virtuellen Welt verfallen sind. Sie verwechseln Facebook-Freunde mit wirklichen zwischenmenschlichen Kontakten, steigern sich in einen geradezu krankhaften Exhibitionismus hinein, mit einer Mitteilungssucht, in der das Triviale und das Peinliche auf ewig im Netz gespeichert bleibt. Und – was das Schlimmste ist – sie versäumen das reale Leben. Reale Abenteuer, reale mitmenschliche Kontakte, reale Liebe, reale Kommunikation…
Gewiss, Facebook mag für manche Bereiche durchaus nützlich sein. Natürlich einmal für die Werbewirtschaft, aber auch für Bereiche, in denen man möglichst viele Leute informieren oder gar manipulieren möchte, etwa für die Politik. Wenn US-Präsident Obama seinen ersten Wahlkampf nahezu ausschließlich über Facebook organisierte und heimische Politiker stolz darauf sind, hunderttausend „Freunde“ zu haben, weist dies schon große Möglichkeiten des Mediums. Ein Medium, das man durchaus legitim nützen kann. Die Nutzer des Mediums selbst aber, insbesondere die jungen, laufen Gefahr, Teil einer verlorenen Facebook-Generation zu werden. Den großen Zeitaufwand, den sie dem Display ihres Handys, dem Bildschirm ihres Rechners oder ihrem iPad widmen, dieser Zeitaufwand fehlt ihnen im wirklichen Leben und wird ihnen nie wieder ersetzt werden. Seltsam autistische und Persönlichkeiten und Soziopathen wachsen hier heran. Wenn auf Partys Jugendliche in einem Raum schweigend in irgendwelchen Ecken herum lümmeln und ihre Smartphones betouchen, sind sie der deutlichste Beweis für das Überhandnehmen dieser virtuellen Welt, für welche Facebook steht, und für den Verlust realer menschlicher Gemeinschaft. Medien wie Facebook schaffen eine virtuelle Welt und zerstören die reale menschliche Dimension unseres Lebens. Sie zeitigen massives Suchtverhalten und bieten gigantische Manipulations- und Kontrollmöglichkeiten.
Wenn man all dies bedenkt, müsste man eigentlich darüber debattieren, ob man Facebook nicht verbieten sollte. Ein Vorschlag, der alles andere als liberal ist. Wenn aber der Autor dieser Zeilen an seine halbwüchsigen Kinder denkt und das Wort Facebook hört, kommt ihm die Galle hoch…