Da hat der Bundespräsident im Oster-Interview einer heimischen Gazette nunmehr vollmundig darauf hingewiesen, dass es auch im Falle eines freiheitlichen Wahlsiegs bei künftigen Nationalratswahlen keine rechtliche Verpflichtung gäbe, den FPÖ-Chef Heinz Christian Strache als Bundeskanzler anzugeloben.
Natürlich hat Heinz Fischer dasselbe keineswegs über irgendeinen Politiker aus den Reihen der Volkspartei, der Sozialdemokratie, der Grünen oder auch der Orangen geäußert, nur über Heinz Christian Strache. Nun wissen wir zwar, dass die österreichische Bundesverfassung tatsächlich dem Staatsoberhaupt freie Hand lässt, wen er zum Regierungschef beruft. Aus der jüngeren österreichischen Geschichte wissen wir aber auch, dass Fischers Amtsvorgänger Thomas Klestil diesbezüglich keine Chance hatte, als im Winter des Jahre 2000 Wolfgang Schüssel und Jörg Haider, mit einer satten parlamentarischen Mehrheit ausgestattet, beschlossen hatten, gemeinsam eine Regierung zu bilden. Auch damals wollte der Bundespräsident die sich formierende blau-schwarze Regierungskoalition nicht bestellen. Wolfgang Schüssel als kühler Mechaniker der Macht ließ ihn allerdings auflaufen und nötigte ihn mehr oder minder, das freiheitlich-konservative Kabinett anzugeloben.
Ob nach den nächsten Nationalratswahlen – so die Freiheitlichen überhaupt stärkste Partei wären – eine ähnliche Polit-Farce ablaufen würde, wissen wir nicht. Tatsache ist allerdings, dass der Bundespräsident jedenfalls den Vertreter der stimmenstärksten Partei zuerst einmal mit den Verhandlungen zwecks Bildung einer Regierung beauftragen wird müssen. Das verlangen die österreichischen Usancen so. Heinz Fischer wird sich einem demokratischen Wahlergebnis wohl oder übel beugen müssen. Und ob der Bundespräsident dann, nachdem er den Chef der stimmenstärksten Partei mit den Verhandlungen beauftragte, sich noch weigern könnte, denselben auch als Regierungschef anzugeloben, erscheint einigermaßen unwahrscheinlich.
Wir entsinnen uns: Im Jahre 2000 wurde der Chef der drittstärksten Partei, Wolfgang Schüssel nämlich, Bundeskanzler, unterstützt von der zweitsstärksten Partei, nämlich von den Freiheitlichen Jörg Haiders. Die stärkste Partei war nach wie vor die SPÖ. Gegenwärtig stehen in den Umfragen Sozialisten, Volkspartei und Freiheitliche ziemlich auf der gleichen Höhe. Sollten die Freiheitlichen tatsächlich nach den nächsten Wahlen stimmen- und mandatstärkste Partei werden, hätten sie natürlich eine wesentlich bessere Ausgangslage als damals am Beginn des Jahres 2000. Und der moralische aber auch staatsrechtliche Druck auf Heinz Fischer wäre ungleich größer als damals auf Thomas Klestil. Ob eine Persönlichkeit vom Typus des Beschwichtigungs-Hofrats wie Heinz Fischer dann wirklich alle österreichischen Usancen vergessen und das demokratische Wahlergebnis negieren würde, das darf denn doch bezweifelt werden.