Eigentlich müßte man den Eurokraten und auch der österreichischen Bundesregierung wünschen, daß möglichst wenige EU-Gipfel stattfänden. Nach jedem dieser Gipfeltreffen sinkt die Zustimmung zur Europäischen Union in den Umfragen nämlich um ein, zwei Prozentpunkte. Entsinnen wir uns doch an den vorletzten EU-Gipfel Anfang Dezember des vorigen Jahres. Er wurde als ultimativer Rettungsgipfel gegen die Krise und gegen den Zusammenbruch des Euros abgefeiert. Und passiert ist dann danach so gut wie nichts. Die damals beschlossene Fiskalunion gibt es nach wie vor nicht und selbst wenn sie realisiert werden sollte, zweifeln die meisten Fachleute daran, daß sie nützlich sein könnte. Den Bürgern quer durch Europa wurde einmal mehr ein X für ein U vorgemacht, einmal mehr wurden sie enttäuscht.
Der jüngste EU-Gipfel nun dieser Tage trat mit bescheidenerem Anspruch auf: Es hieß man wolle nur für Wachstumsimpulse sorgen, den Binnenmarkt weitertreiben, etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit tun und einiges für die klein- und mittelständische Wirtschaft. Auch dieser bescheidene Ansatz ist schlicht und einfach nur dazu geeignet, die Menschen zu enttäuschen. Wenn man nämlich die wahren und drängenden Probleme im offiziellen Tagungsprogramm gar nicht anspricht, muß man davon ausgehen, daß diese auch nicht gelöst werden.
Das drängendste Problem ist zweifellos wieder einmal Griechenland. Indessen sind nahezu alle politischen Beobachter und Experten der Meinung, daß Griechenland die Sparziele und die Sanierung des Staatshaushaushaltes schlicht und einfach nicht schaffen kann. Und jeder mit einiger Vernunft begabte Beobachter weiß auch, daß nur das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Verbund und ein geordneter Staatsbankrott die Lösung sein kann. Die Mächtigen in Brüssel, insbesondere jene aber in Berlin und Paris, wollen nach wie vor geradezu verzweifelt an der Euro-Mitgliedschaft Griechenlands festhalten. Und in seiner Not verlangt Berlin nunmehr so etwas wie eine unmittelbare Kontrolle des griechischen Staatshaushalts. Das mag zwar dem Denken von Mutti Merkel entsprechen, daß man nämlich die bösen Buben kontrollieren müsse, es wird sich aber mit dem Selbstverständnis eines souveränen Staates und eines einigermaßen selbstbewußten Volkes, wie es die Griechen nach wie vor sind, nicht vereinbaren lassen. Die totale Entmündigung ist nicht erträglich. Für kein europäisches Volk.
Nun mag es zwar sein, dass das Ausscheiden Griechenlands aus dem Währungsverbund schwere Folgen für denselben hat. Das Drinnenbleiben aber offenbar auch. Und während das eine ein Ende mit Schrecken wäre, ist das andere ein Schrecken ohne Ende, wie wir nunmehr seit zwei Jahren wissen.
Darum: Lasst Griechenland ausscheiden. Und womöglich auch Portugal. Und warum nicht auch Italien? Der Rettungsschirm kann gar nicht groß genug aufgeblasen werden, um all diese Problemländer letztlich zu retten. Das müssen sie schon selber machen, indem sie zu ihrer alten Währung zurückkehren, diese abwerten und dann sparen und ihre Schulden refinanzieren. Die europäische Integration hängt nicht allein am gemeinsamen Gelde. Sie hängt an den gemeinsamen Werten, an der gemeinsamen Pflege der unterschiedlichen nationalen Kulturen und der gemeinsamen Behauptung der europäischen Stellung in der Welt. Aber so weit denken die hohen Damen und Herren bei den entsprechenden EU-Gipfel-Gesprächen leider nicht.