Europa braucht etwas anderes als den Verfassungsvertrag
Wie auch immer die Iren am 2. Oktober abstimmen, ob sie mit einem zweiten Nein den Vertrag von Lissabon endgültig kippen oder ihn gerade noch mit einem blauen Auge passieren lassen, Tatsache bleibt, dass dieser Vertrag als kleinster und schwächster gemeinsamer Nenner zwischen den widerstrebenden Interessen der großen Kräfte innerhalb der Europäischen Union kein wirklich zukunftsweisendes Element für die Integration Europas ist. Der Lissabonner Vertrag ist bloß ein zaghafter Schritt hin zu weiterem Zentralismus, zu einem Europa der Bürokraten, das das Europa der Völker und historisch gewachsenen Staaten verdrängen will.
Auch wenn nun der deutsche Bundespräsident unterschrieben hat, der polnische wohl unterfertigen wird und letztlich auch Vaclav Klaus seinen Namenszug nicht verweigern wird können – so Irland zustimmt – wird man quer durch Europa für das Bewusstsein werben müssen, dass dieser Vertrag von Lissabon nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Im Gegenteil: Gerade wenn er in Kraft tritt gehört er bekämpft, um reformiert, novelliert, verändert und verbessert zu werden. Verbessert in eine Richtung, wie sie das bundesdeutsche Höchstgericht vor wenigen Monaten auf Betreiben des CSU-Abgeordneten Gauweiler und des Staatsrechtlers Karl Albrecht Schachtschneider vorgegeben hat: Das integrierte Europa des 20. Jahrhunderts kann seine Kraft und seinen Reichtum nur voll entwickeln, wenn es die Vielfalt der nationalen Identitäten und nationalen Kulturen und die integrative Kraft, der in den einzelnen Mitgliedsstaaten fundierten und gebündelten Demokratien bewahrt, weiter entwickelt und positiv zusammen führt.
Ein irisches Nein zum Vertrag von Lissabon würde naturgemäß unmittelbar Anlass für eine derartige Umkehr der europäischen Integration hin zu einem Europa der selbstbestimmten Völker, der souveränen Mitgliedsstaaten, der historisch gewachsenen Regionen ermöglichen. Das Inkrafttreten des Vertrags hingegen müsste der Startschuss für den Kampf um dessen Reform und Novellierung bedeuten. Und auch Österreich wird da seinen Beitrag liefern müssen. Eine von langer Hand vorbereitete Verfassungsklage, einbringbar eben erst nach dem Inkrafttreten des Vertrags, wird den freiheitlichen Beitrag für eine solche europapolitische Umkehr darstellen. Nicht die Schwächung oder gar das Ende des europäischen Integrationsprozesses wird damit bezweckt, sondern vielmehr dessen Stärkung: Indem man das Europa der Zukunft vor wuchernder Bürokratie, vor ausuferndem Zentralismus und schrankenlosem Lobbyismus der multinationalen Konzerne bewahrt und zu seinen wahren Grundlagen hinführt. Zur Integration der europäischen Kulturvölker und der historisch gewachsenen Nationalstaaten in gleichberechtigter Partnerschaft, vielfältig, föderalistisch und subsidiär gestaltet im Inneren, einig und stark nach außen hin in der Vertretung der europäischen Interessen.