Statt der Film legendären „Schweizer-Macher“ sind es nun die helvetischen Ausländer-Ausschaffer, die das Bild der Eidgenossenschaft prägen. Christoph Blocher stößt ins Alphorn und es klingt wie ein Donnerhall zur Errettung der – nur vermeintlich oder möglicherweise doch real? –bedrohten Eidgenossenschaft. Nicht nur die Stimmbürger von Schwyz, Uri und Unterwalden folgen diesem Ruf, nein die große Mehrheit der Schweizer insgesamt. Im Vorjahr schon gegen die allzu augenfälligen Symbole der Islamisierung, für ein Minarettverbot also, und nunmehr zur „Ausschaffung“ – welch nüchtern-bürokratisches, möglicherweise typisch schweizerisches und doch seltsam brutales Wort – aller straffälligen Ausländer insgesamt.
Da mag die zeitgeistige Weltpresse sich empören. Da können die politisch korrekten Schweizer selbst – immerhin gerade noch ein Drittel – und ihre ausländischen Freunde sich erregen soviel sie wollen, dürfen die Menschenrechts-Charta der Vereinten Nationen, das Völkerrecht und eine angeblich höhere Moral ganz allgemein zitieren, es nützt alles nichts: Der Stimmbürger hat gesprochen, Regierung und Parlament der Schweiz haben es umzusetzen. Und nicht nur Mörder, Räuber und Vergewaltiger, nein auch Betrüger am Sozialsystem werden künftig hin automatisch abgeschoben. Nicht nur Gewaltverbrecher und Großbetrüger, nein, auch jene, die mittels kleiner Gewalttaten bei Schlägerein und ähnlichem gegen das Gesetz verstoßen, jene, die das soziale Netz widerrechtlich und in betrügerischer Absicht strapazieren, sie alle werden künftig hin die Eidgenossenschaft verlassen müssen.
Was Wunder, dass die Alarmisten quer durch Europa aufschreien, die Bedenkenträger in Depression verfallen und die politisch korrekten Wortspender von Betroffenheit nur so triefen. Und Beifall kommt natürlich – no na – nur von den xenophoben Ressentiment-Politikern der äußersten Rechten. Christoph Blochers europäischen Spießgesellen gewissermaßen. Dass sich die Mehrheit der Menschen, auch jene der gelernten Österreicher, unter Nutzung des ganz trivialen Hausverstandes, der bekanntlich allzu oft als „gesundes Volksempfinden“ diffamiert wird, fragen, ob es denn nicht selbstverständlich sei, dass Ausländer, die in einem fremden Land straffällig werden, des Landes verwiesen werden, geht dabei natürlich völlig unter. Bedacht wird von den Vertretern des sich nun empörenden Mainstreams allenfalls, dass das Schweizer Beispiel auch in anderen Ländern Schule machen könnte. Etwa wenn man sich in Österreich klar macht, dass bei Nachahmung des Schweizer Vorbilds die Gefängnisse des Landes wohl zu zwei Dritteln geleert würden. Und dass sich die Zahl der im Land lebenden Ausländer möglicherweise halbieren würde. Dass die chronisch leeren Kassen der Sozialversicherungen möglicherweise schlagartig entlastet wären und dergleichen mehr.
Gewiss, kleinkrimineller Sozialbetrug, etwa die angeblich weitverbreitete Usance, wonach ganze Sippschaften von im Lande lebenden Nicht-Österreichern mit ein und derselben E-Card den Arzt frequentieren, würden wohl nicht gleich zu strafrechtlicher Verurteilung und automatischer Abschiebung führen. Allein die Abschiebe-Drohung und eine strengere Kontrolle solcher Verhaltensweisen könnten diese Form des für den Steuerzahler sehr kostenintensiven Sozialbetrugs dramatisch vermindern. Und derlei Beispiele gäbe es noch zahllose.
Abgesehen davon bleibt es Tatsache, dass strafrechtliche Verurteilung in Österreich etwa zu einem Drittel Ausländer betrifft und dass die Haftanstalten etwa zur Hälfte von Ausländern besetzt sind. Allein diese Fakten beweisen, welch dramatische Folgen eine automatische Abschiebung straffällig gewordener Ausländer hätte.
Gewiss, die Menschenrechte und internationale Verträge allein würden schon derlei dramatisches Vorgehen verhindern. Und auch die Schweiz wird sich ja Gedanken machen müssen, wie sie mit ihren internationalen Verpflichtungen diesbezüglich klar kommt. Fragen muss man sich aber schon, wie viele der straffällig gewordenen Ausländer, sei es in der Schweiz oder auch in Österreich, wirklich mit der Abschiebung in ein Land bedroht sind, in dem sie die Todesstrafe zu befürchten haben. Nigerianische Drogendealer, rumänische Bankomat-Knacker, Anatolier, die der schweren Körperverletzung beschuldigt werden, ihnen darf die Härte ihres heimatlichen Strafrechts wohl zugemutet werden ohne dass man gleich die Menschenrechte insgesamt gefährdet sieht.
Den Österreichern jedenfalls wird dieser Tage vollmundig erklärt, dass hierzulande ohnedies radikal abgeschoben wird und dass die Schweiz mit ihrer neuen Initiative das österreichische Maß an Härte der Strafverfolgung kaum erreichen werde. Abgesehen von der Frage, warum man die Schweiz dann überhaupt attackiert, darf dies wohl als Placebo für den HC-Strache-gefährdeten Stammtisch gewertet werden. Die Versuchung, die eidgenössische Vorgehensweise, das heißt also eine der traditionsreichsten europäischen Demokratien, nachzuahmen, liegt ja auf der Hand. Ebenso die Taktik von politisch korrekter Seite, dem den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem man behauptet, es sei ohnedies bereits alles rot-weiß-rote Realität.
Abgesehen aber von solch politischem Kleingeld sollte man sich ernsthaft und grundsätzlich die Frage stellen, ob es generalpräventiven bzw. auch spezialpräventiven Nutzen durch die Schweizer Initiative geben wird. Werden sich Asylsuchende, Zuwanderer und Gastarbeiter aufgrund der Abschiebe-Automatik eher an die Gesetze ihres Gastlandes halten? Wird der für den Steuerzahler so teure Sozialbetrug eingeschränkt werden können? Wird die Explosion von Gewaltverbrechen gestoppt werden können, die nächtliche Unsicherheit auf den Straßen unserer Großstädte wieder reduziert werden und die Einbruchsserien geringer werden? Wenn man dies nur einigermaßen positiv beantworten kann, müsste man die Legitimität der Schweizer Initiative bejahen. Andernfalls aber wäre das Ganze nur ein Schweizer-Kracher gewesen – Getöse ohne wirkliche Sprengkraft.