Die Innenpolitik hat uns wieder

5. September 2016

Wie erfreulich: Innenminister Sobotka will straffällig gewordenen Asylwerbern das Asylrecht absprechen. Außenminister Kurz feilt am australischen Modell für die Bekämpfung der illegalen Zuwanderung. Bundeskanzler Kern sucht die Kooperation mit den Ungarn des Viktor Orbán in Sachen Flüchtlingspolitik. Es scheint fast, als würde die rot-schwarze Bundesregierung in diesen Tagen konsequent an der Umsetzung all jener Forderungen arbeiten, die die Freiheitlichen in Sachen Ausländer-, Zuwanderungs- und Asylpolitik in den letzten Jahren erhoben haben. Und es scheint so, als wären HC Strache und seine blaue Oppostionsriege tatsächlich überflüssig geworden.

Das würden sich zumindest die Spindoktoren von SPÖ und ÖVP wünschen, vor allem im Hinblick auf den nunmehr wieder anbrechenden Bundespräsidentenwahlkampf und natürlich auch im Hinblick auf früher oder später ins Haus stehende Nationalratswahl. Die Umfragen sind nämlich für das politische Establishment niederschmetternd: Auch wenn Christian Kern zum Wunderwuzzi hochstilisiert wird, kommt die SPÖ kaum vom Fleck, die oppositionellen Freiheitlichen bleiben mit rund 35 Prozent in allen Umfragen stärkste Partei. Und Kerns persönliche positive Werte werden wenig nützen, gewählt wird nämlich die Partei und nicht der Bundeskanzler. Von der ÖVP gar nicht zu reden. Diese wird froh sein, wenn sie noch 20 Prozent der Wählerstimmen halten wird können. Und das wohl auch, wenn der Jungstar Kurz in die Rolle des schwarzen Spitzenkandidaten schlüpft.

Die Frage, ob die Österreicher zum Schmied gehen oder zum Schmiedl, wurde in diesem Blatt im Hinblick auf die neue Regierungslinie in Sachen Flüchtlingspolitik ja bereits ja erörtert. Die Umfragen lassen darauf deuten, dass man der FPÖ diesbezüglich nach wie vor die ehrlichste und konsequenteste Haltung zutraut. Und welche Rolle diese Frage bei den Bundespräsidentenwahlen in wenigen Wochen spielen wird, können wir uns vorstellen. So schrecklich es ist, aber jedes weitere von Asylanten und Asylwerbern begangene Verbrechen macht es dem österreichischen Wählern klarer, dass die herkömmlichen politischen Kräfte ausgetauscht gehören.

Denn eines ist ja auch absolut klar: Genau jene Parteien, die nunmehr vorspiegeln, sie würden eine harte Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik betreiben, haben im Lauf der letzten ein, zwei Jahre durch ihre verfehlte Politik – Stichwort: Willkommenskultur – die Misere erzeugt. Und auch wenn der eine oder andere Spitzenvertreter dieser Parteien nunmehr ausgetauscht wurde oder noch ausgetauscht werden wird, bleibt es in der Verantwortung von SPÖ und ÖVP und natürlich auch der im Mainstream mitschwimmenden Grünen, dass wir eine dramatische Zunahme der Verbrechensrate haben, dass wir unglaublich hohe soziale Kosten für die ohnedies kaum mögliche Integration hunderttausender Zuwanderer haben, dass unser gesamter Lebensstil, ja unsere Kultur, dramatisch gefährdet sind. Bleibt zu hoffen, dass die Wähler den dafür politisch Verantwortlichen die entsprechende Quittung ausstellen.

Im Zeichen dieser Fragen steht die österreichischen Innenpolitik jedenfalls in den nächsten Wochen und Monaten, wenn nicht Jahren. Im Zuge des langsam anlaufenden Präsidentschaftswahlkampfes werden sich die Gräben zwischen den einzelnen Positionen wieder verstärkt auftun und die Taktiker, Parteistrategen, werden hinter den Kulissen die Weichen für die kommenden Nationalratswahlen stellen. Und alles wird sich natürlich darum drehen, wie man die immer stärker werdenden Freiheitlichen noch einmal verhindern kann. Dass ihre Themen und ihre Lösungsvorschläge in den Mittelpunkt ihres politischen Geschehens rücken, ist ohnedies bereits Realität. Kern, Kurz und Sobotka und auch der Verteidigungsminister Doskozil gerieren sich bereits ja ohnedies, als wären sie die besseren Freiheitlichen. Ob das wirklich ganz ehrlich und ernstzunehmend ist, werden wir sehen.


Nach der großen Hitze

14. August 2013

Nun hat der sogenannte Jahrhundertsommer also seinen Höhepunkt überschritten, die unerträglichen Tropennächte und die Temperaturen bis 40 Grad sind nur mehr eine schwüle Erinnerung. Und die Tage in denen das Hauptgesprächsthema von Herrn und Frau Österreichern das Wetter war sind auch vorbei. Wir können uns also getrost den ganz normalen Themen und damit auch den Niederungen der heimischen Innenpolitik zuwenden und uns daran erinnern, dass wir in kaum sechs Wochen ein neues Parlament wählen.

Die Ausgangsposition dafür hat sich seit dem Anbruch der Sommerpause nicht wesentlich verändert. In den Umfragen steht nach wie vor die Sozialdemokratie an erster Stelle, gefolgt von der ÖVP und den freiheitlichen Herausforderern. Die Grünen, auch wenn sie medial noch so hochgelobt werden, bleiben abgeschlagen vierte, das Team Stronach dürfte es wohl schaffen, wenn auch längst nicht so triumphal wie angenommen und das BZÖ sowie einige andere Neugründungen dürften wohl unter der vier Prozent Hürde bleiben. Soweit so uninteressant.

Mehr Augenmerk erfordern allerdings die Ereignisse, welche den Wahlkampf und in der Folge auch das Wahlergebnis sehr wohl beeinflussen könnten. So etwa der mediale Wirbel um die Abschiebung einiger Votivkirchen-Asylanten. Sie konnten nicht nur keine Asylgründe nachweisen, sie waren mutmaßlich auch Teil einer international agierenden Schlepperbande. Nicht nur dass die Debatte um diese Vorgänge den Freiheitlichen Heinz-Christian Straches wieder helfen könnte, nein, es hat den Österreichern auch klar gemacht, dass dieses medial unterdrückte Thema, das man mit Hilfe des Polit-Jüngels Kurz auf eine harmlose Ebene zu schieben versuchte, eines der Hauptprobleme der Republik bleibt. Illegale Zuwanderung, Asylbetrug und fragwürdiger Familiennachzug haben die Bevölkerungszusammensetzung der Republik nachhaltig verändert und uns gigantische kulturelle und soziale Probleme beschert. Man darf gespannt sein ob der Wähler jene politischen Kräfte, die dafür verantwortlich sind, abstrafen wird.

Und dann ist da noch die EU-Krise. Sie hat sich auch in den Sommer-Hitzeschlaft vertschüsst, entwickelt sich aber auch im Tiefschlaf munter weiter – wie ein Krebsgeschwür. Beschönigende Kurzmeldungen aus Griechenland und anderen Ländern werden uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass unmittelbar nach der deutschen Wahl die Krisendebatte aufs allerheftigste wieder aufflammen dürfte. Dann wird man uns und den anderen Nettozahlern wohl Euro-Bonds aufs Auge drücken und damit eine weitere Vergemeinschaftung der Schulden zu unseren Lasten durchführen. Die etablierten Parteien und ihre medialen Sprachrohre werden natürlich versuchen, dieses Thema im Wahlkampf möglichst gar nicht anzusprechen. Man darf gespannt sein, wie weit der gelernte Österreicher schlau genug ist, um dieses existentielle Thema nicht zu vergessen.

Nach der großen Hitze werden die Österreicher sich jedenfalls all dieser mehr oder minder unerfreulichen Themen entsinnen müssen. Es wird uns allen nichts anderes übrig bleiben.


Jenseits der Nabelschau

24. April 2013

Die Innenpolitikberichterstattung der heimischen Gazetten wird derzeit von den Landtagswahlen in Tirol und Salzburg beherrscht. Dabei geht es um die üblichen Intrigen und Querelen, die Zersplitterung der Tiroler Parteienlandschaft, den Salzburger Finanzskandal sowie darum, welche gescheiterten Politiker für Stronach in die Landtage zu Innsbruck und Salzburg einziehen werden. Es werden also Themen als weltbewegend dargestellt, die in Wirklichkeit jenseits der Landesgrenzen, etwa in Freilassing oder in Sterzing, keinen Menschen mehr interessieren. Oder anders ausgedrückt: Einmal mehr wird in der Alpenrepublik, die Papst Paul VI. bekanntlich als „Insel der Seligen“ bezeichnet hat, politische Nabelschau betrieben.

Dies ist um so bedauerlicher, weil sich in diesen Tagen in Europa und in Übersee Dinge ereignen, die auf die Zukunft bei weitem mehr Einfluß haben werden als die Ergebnisse der Landeswahlen in Tirol und Salzburg. Auf dem sogenannten Westbalkan etwa hat sich für Belgrad nach der Einigung mit dem Kosovo auf ein Rahmenabkommen bezüglich des Status der serbischen Minderheit das Tor zur EU geöffnet. Möglich wurde das freilich nur, weil Brüssel den einstigen „Schurkenstaat“ Serbien damit erpreßt hat, daß es ohne diese De-facto-Anerkennung der Unabhängigkeit seiner südlichen Provinz keine Annäherung an die Europäische Union geben werde. Und die Kosovo-Serben, die von dem Abkommen betroffen sind, werden freilich nicht um ihre Zustimmung gefragt – wohl wissend, daß sie für eine Vereinigung mit dem serbischen Mutterland stimmen würden.

Mit dieser Politik schafft die EU nach Bosnien einen weiterhin „multiethnischen“ Kunststaat am Westbalkan. Daß Bosnien bis heute ein nach ethnischen Grenzen geteiltes und ohne EU-Aufsicht funktionsuntüchtiges Gebilde ist, spielt hier keine Rolle. Hauptsache, die eigenen Dogmen werden umgesetzt, mögen sie auch noch so realitätsfremd sein. Wie widersprüchlich diese Politik ist, ermißt sich auch daran, daß auf dem Westbalkan willkürliche und unnatürliche Grenzen gezogen werden, die dann, wenn die Länder dieser Region in die Europäische Union aufgenommen werden, automatisch an Bedeutung verlieren.

Aber auch jenseits des Atlantiks gibt es Entwicklungen, die wir genau beobachten sollten. Nach dem schrecklichen Anschlag in Boston sind die USA wieder einer Terror-Paranoia verfallen. Ganze Stadtteile Bostons wurden hermetisch abgeriegelt, gegenüber Terrorverdächtigen die Lizenz zum Kopfschuß erteilt und die gespenstische Szenerie in dem „Land der Freien“, wie es in der US-Hymne besungen wird, glich einem Bürgerkriegsschauplatz. Natürlich ist es wichtig, den Terror zu bekämpfen, aber mit dem Schüren von Hysterie und Angst wird vielmehr das Gegenteil bewirkt. Und noch etwas: Die beiden mutmaßlichen Täter sind Kinder tschetschenischer Einwanderer und damit auch der weltweiten Migrationsströme.


Die Fronten klären sich

10. April 2013

Langsam lichten sich die innenpolitischen Nebel und die Ausgangspositionen für die in wenigen Monaten ins Haus stehende Nationalratswahl werden deutlicher: Das politische Establishment kämpft ums Überleben und das mit einer nicht ungeschickten Strategie. Wenn die einzige wirkliche Opposition des Landes, die Freiheitlichen vor Jahr und Tag noch an die 30 Prozent in den Umfragen heran kamen und damit stärkste Partei gewesen wären, haben die rot-schwarzen Spindoktoren offenbar nunmehr das Rezept gefunden, sie einzudämmen.

Drei Strategien sind es offenbar, mittels derer es gelungen ist, dies zu bewerkstelligen: Zum einen eine partei-politischen Parallel- und Konkurrenzstruktur. Nachdem das BZÖ, das diese Funktion das letzte Mal inne hatte, offenbar dabei ist, in der untersten Schublade der kleinkarierten österreichischen Innenpolitik zu verschwinden, hat man mit dem alterprobten System-Nutznießer Frank Stronach in Kooperation mit dem Boulevard flugs eine neue Bewegung positioniert, die den Freiheitlichen tatsächlich rund um die zehn Prozent der Protestwähler abzunehmen vermag. Die zweite Strategie ist die Skandalisierung, das Anpatzen mit wirklichen oder angeblichen Korruptionsskandalen, die man von der gescheiterten Haider-Truppe und Teilen des vormaligen Kärntner BZÖ leichterhand auf die Freiheitlichen insgesamt ummünzt. Da ist Karl-Heinz Grasser natürlich ein freiheitlicher Minister, Meischberger wird zum freiheitlichen Urgestein, da sind die Kärntner Hypo-Verschleuderer Martinz und Birnbacher gewissermaßen auch Teil des „System Haiders“ und damit im freiheitlichen Umfeld. Und tatsächlich gelingt es, dass in Kärnten nicht die ÖVP verliert, sondern das FPK.

Und als dritte Strategie schließlich gibt es da jene inszenierten inner-koalitionären Debatten wie jüngst um das Bundesheer und nunmehr um den Wohnbau mittels derer Rot und Schwarz politischen Diskurs und demokratische Auseinandersetzung simulieren unter völliger Aussparung der freiheitlichen Opposition.

Die Rechnung scheint großenteils aufzugehen. Tatsächlich sind die Freiheitlichen nicht mehr für tendenziell dreißig Prozent der Wählerstimmen gut, sondern maximal für tendenziell zwanzig Prozent. Und Rot und Schwarz könnten sich knapp wieder eine Regierungsmehrheit sichern. Andernfalls hätten sie als Steigbügelhalter die Grünen zur Hand, wobei man es in diesem Falle wohl so sehen müsste, dass die Volkspartei zum Steigbügelhalter für Rot-Grün werden würde. Und damit für ein linksgepoltes Österreich wider alle wirtschaftspolitische Vernunft.

Das Team Stronach wird wohl nur ein vorübergehendes Phänomen sein. Das drittklassige politische Personal und das Lebensalter des politischen Mentors dieser Bewegung lassen keine andere Prognose zu, auch wenn bei den gegenwärtigen Wahlen durch die Bank rund um die zehn Prozent erzielt werden. Wer allerdings glaubt, dass sich mit dem Team Stronach in Kooperation mit ÖVP und Freiheitlichen wieder so etwas wie eine „bürgerliche“ Mehrheit ergeben könnte, dürfte Illusionen erliegen. Die politische „Raison d’être“ des Teams Stronach ist es ja nicht, den Freiheitlichen zum Mitregieren zu verhelfen, sondern im Gegenteil ihren Durchmarsch an die politische Spitze zu verhindern bzw. zumindest zu verzögern. Dass Onkel Frank nebenbei seine geriatrischen Eitelkeiten befriedigen darf und ein bisschen auf Journalisten und Medien herumhaken kann, ist nur ein kurioser Nebeneffekt der ganzen Strategie.

Damit bleibt es eine Tatsache, dass die Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache die einzige ernstzunehmende Systemalternative in Österreich darstellen, die einzige politische Kraft, die eine wirkliche Umkehr und Neuorientierung in den wesentlichen Politik-Bereichen anstrebt. Diese Freiheitlichen werden gut daran tun, sich keine Flügelkämpfe und keinen parteiinternen Streit vom politischen Gegner und von den Medien aufoktroyieren zu lassen. Kurzfristige politische Rückschläge wie wir sie in Kärnten und auch in Niederösterreich erlebt haben und möglicherweise auch bei Wahlgängen der kommenden Wochen und Monate erleben werden, dürften daran nichts ändern. Interne Solidarität, die national-alternative aber auch realisierbare Konzepte und ein langer politischer Atem müssen dazu verhelfen, den taktischen Polit-Machinationen des Establishments zu begegnen. Auch wenn der Regierungsanspruch der Strache-FPÖ vielleicht in diesem Jahr nicht Realität werden kann, könnten nur eigene Nervosität, interner Hader und inhaltliche Beliebigkeit an den letztgültigen Erfolgsaussichten etwas ändern.


Die Lächerlichkeit der politischen Klasse

11. Dezember 2012

Drei Bilder sind es, die die Österreicher gegenwärtig vor Augen haben, wenn sie an ihre politische Klasse denken. Zum ersten ein eifernder, unserer deutschen Muttersprache nicht mächtiger Greis, der die Wahrheit glaubt gepachtet zu haben und jeden Widerspruch – zumindest wenn es Fernsehredakteure sind – niederbrüllt. Zum zweiten ein verstockt und verbittert auf der Anklagebank hockender ehemaliger Innenminister, dessen offensichtliche Korruptionsanfälligkeit nur durch seine Ignoranz übertroffen zu werden scheint. Und zum dritten ein beinahe ein wenig debil wirkender Jüngelchen, der da als Abgeordneter im Hohen Haus stolz mit geflügelten Turnpatscherln posiert. Und das natürlich nicht als Anspielung auf den griechischen Götterboten Hermes, sondern allenfalls auf Modetrends in den kalifornischen Schwulen-Bars.

Da der rechthaberische, seine Unbildung prahlerisch vor sich hertragende neureiche Frank Stronach auf der einen Seite, der sich zum Herausforderer der etablierten Innenpolitik hochstilisieren läßt. Auf der anderen Seite einer der einst mächtigsten Männer der Republik, der den gierigen Zynismus des Establishments darstellt wie kaum ein anderer, der vom Polizeiminister zum Lobbyisten mutierte Ernst Strasser. Und schließlich der dumm-dreiste Haider-Jüngling Stefan Petzner, der im Auftrag seines verblichenen Mentors im Zentrum von all dessen Malversationen stand und nun den modischen Trendsetter und parlamentarischen Aufdecker mimt. Alle drei groteske Gestalten, die über die innere Verfaßtheit und das Niveau unserer politischen Klasse Erschreckendes preisgeben.

Nun ist es sicherlich eine Binsenweisheit, daß die Österreicher genau jene politischen Repräsentanten haben, die sie auch verdienen, weil sie sie nämlich wählen. Die Frage stellt sich allerdings, ob sie solche Politiker auch wollen oder stattdessen nicht doch integre und kompetente Volksvertreter, die Idealismus und Sachverstand vorzuweisen haben.

Wenn man von den drei grotesken Extrembeispielen, die hier eingangs geschildert wurden, absieht, ist der repräsentative Querschnitt der dominierenden politischen Klasse nämlich vom Unterdurchschnitt geprägt. Bundeskanzler Faymann, ob nun mit Maturazeugnis oder ohne, ist eine eher klägliche Gestalt und sein Koalitionspartner ÖVP-Chef Spindelegger von schon geradezu erschreckender Biederkeit. Und die beiden mächtigen Schattenmänner der Großkoalitionäre, nämlich Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll erscheinen beide eher als Charaktere, entsprungen aus einer Qualtinger’schen Österreich-Satire à la „Herr Karl“. Charismatische Persönlichkeiten, große Idealisten, große Moralisten und anerkannte hervorragende Fachleute finden sich unter unserem politischen Personal kaum. Dementsprechend sieht auch die Gestaltungskraft der österreichischen Politik aus. Und sie unterscheidet sich leider Gottes kaum von jener des europäischen Querschnitts. Dort gibt es nahezu überall ähnliche Probleme.


Jahr der Entscheidung

10. Januar 2011

Scheinbar ist dieses Jahr 2011, in das wir nun getreten sind, ein eher unspektakuläres Jahr. In Österreich selbst gibt es keine wichtigen Wahlgänge, für Europa ist scheinbar auch alles auf Schiene: der Lissabonner Vertrag, der Euro-Rettungsschirm. Und in der Weltpolitik dürfen Herr Obama und Herr Medwedew weiter fuhrwerken. Scheinbar also alles ohne große Dramatik. Wenn man sich die Sache näher ansieht, erkennt man aber recht rasch, dass das Jahr 2011 ein Jahr der Entscheidungen bzw. wichtiger Weichenstellungen sein wird.

In der österreichischen Innenpolitik wird sich weisen, ob die bislang so glücklos agierende rot-schwarze Koalition sich in irgendeiner Art und Weise „derfangen“ wird. Bleibt Josef Pröll und Werner Faymann ihr Dick-und-Doof-Image erhalten oder werden sie aus dem Schatten von Oliver Hardy und Stan Laurel heraustreten, um wirklich Führerqualitäten und Reform-Energie für das Land zu entwickeln?

Parallel dazu wird sich natürlich auch das Schicksal der Opposition im Lande entscheiden. Wie in kommunizierenden Gefäßen hängt die Entwicklung, insbesondere der großen freiheitlichen Oppositionspartei, auch vom Gedeih und Verderb der beiden Regierungsparteien ab. Wenn SPÖ und ÖVP weiter derart schwächeln, wird Straches FPÖ ihren Vormarsch fortsetzen können, während die politisch-korrekten Systemerhalter von der grün-linken Seite kaum davon profitieren dürften und die orange Rest-Truppe als Auslaufmodell vor der Abwicklung steht. Für die große freiheitliche Oppositionspartei allerdings ergibt sich daraus die dringliche Notwendigkeit, programmatisch, sachpolitisch und personell im Eiltempo aufzurüsten. Das Haider-Schicksal der Jahre 1999-2002 vor Augen, gilt es für die Freiheitlichen, die schweren Fehler der damaligen Regierungsbeteiligung zu vermeiden. Und dazu ist fürwahr harte Arbeit angesagt.

Was die europäische Bühne betrifft, so ist völlig klar, dass 2011 ein Jahr schwerwiegender Entscheidungen ist: Wird der Euro als gemeinsame Währung noch zu retten sein? Kommt es zu einer Teilung der Eurozone oder zum Ausscheiden einzelner Länder aus derselben? Und wenn nicht, wann wird die Europäische Zentralbank, wann werden die großmächtigen Wirtschafts- und Währungspolitiker quer durch Europa dann zur Refinanzierung der ungeheuren Summen, die gegenwärtig ausgegeben oder zumindest als Haftungen eingesetzt wurden, refinanziert? Refinanzieren durch eine möglichst dossierte Inflation, von der allerdings alle befürchten, dass sie womöglich doch aus dem Ruder laufen könnte und zu einer galoppierenden wird. Und allen ist dabei klar, dass eine Erhaltung des Euro und der Eurozone mit allem Drum und Dran samt Hilfszahlungen an einzelne bankrotte Mitgliedstaaten und samt Rettungsschirm nur möglich sein wird, solange die Deutschen zahlen. Bereits im abgelaufenen Jahr aber haben wir erkennen müssen, dass die Zahlungsfreude der Bundesdeutschen radikal sinkt und dass sogar die führenden Politiker von Christdemokraten und Sozialdemokraten, die sich ansonsten ja stets als Europas Musterschüler aufzuspielen pflegen, nicht mehr ganz so zahlungswillig sind.

Im Jahr 2011 wird sich also wohl entscheiden, ob die Europäische Union zu einer Transferunion wird, in der europäische Solidarität mit Abzocke der sparsamen Staaten durch die notorischen Schuldenmacher verwechselt wird, oder ob wirtschaftliche Vernunft und währungspolitische Reformen eine weitere Integration ermöglichen.

Was schließlich die Weltbühne betrifft, so könnten die wiederbelebten Republikaner in den USA das Ende der Ära Obama einläuten. Ob sich dann dieser zur Erhebung der eigenen Popularität im Inland dazu hinreißen lässt, außenpolitische Abenteuer, etwa einen Angriffskrieg gegen den Iran, zu wagen, wie dies demokratische Präsidenten bereits vor ihm getan haben, bleibt abzuwarten. In Russland steht wohl die Wiederkehr Vladimir Putins an die Staatsspitze bevor, der sich offenbar ungehindert als Autokrat im Kreml zu positionieren vermag. Und was das aufstrebende China betrifft, so wird sich im Laufe dieses Jahres vielleicht herausstellen, was die neue Supermacht wirklich will. Und es wäre ein Wunder, wenn sie nicht eigene ökonomische und politische Interessen im Auge hätte und nicht – wie nur Illusionisten glauben – die Mitfinanzierung US-amerikanischer und EU-europäischer-Schuldenbillionen.

Das Jahr 2011 wird es weisen. Bedeutende Weichenstellungen für unsere kleine rot-weiß-rote Zukunft, für jene der europäischen Integration und für die Weltpolitik insgesamt werden in diesem Jahr stattfinden. Und wir alle sind dabei zur Zeitzeugenschaft verdammt.


Land der Lähmung

25. September 2009

Wie wenn wir das nicht schon allzugut kennen würden: Reformstau ist angesagt. Reformstau in der Schulpolitik, Reformstau in der Gesundheitspolitik, Reformstau ganz allgemein in der österreichischen Innenpolitik. Und die Regierung, bzw. die beiden Parteien, welche sie bilden, zanken, ihre Vertreter bieten insgesamt ein Bild des Jammers. Herr Faymann und Herr Pröll sind für die meisten Österreicher unattraktive Langeweiler. Und was das Schlimmste ist: sie sind nicht in der Lage, das Notwendige zu tun: im wortwörtlichen Sinne die Not zu wenden. Denn Not ist es, die uns droht. Keine Hungersnot, keine unmittelbar drohende Verelendung oder Verarmung der Österreicher, nein, aber ein sozio-ökonomischer Abstieg in vielerlei Facetten.

Auch wenn wir es bisweilen verdrängen: die Wirtschaftskrise ist längst nicht vorbei, die Arbeitslosigkeit beginnt erst so richtig, das sagen uns alle Experten. Und die gewaltigen Summen, die da in den letzten Monaten zugunsten der Banken und der Finanzmärkte verschoben wurden, sie werden auch finanziert werden müssen – und wie anders als durch eine Inflation sollte denn das gehen? Indessen gibt es keine Reformen.
Wir sind nicht in der Lage, eine Verwaltungsreform zustandezubringen und die österreichische Über-Administration abzuschlanken und abzubauen.
Wir sind nicht in der Lage, im Gesundheits-, im Pensions-, im Sozialwesen insgesamt die nötigen Reformen voranzutreiben, und wir sind nicht in der Lage, im Bereich Schule und Bildung jene Reformen zu verwirklichen, die das Land zukunftsfähig machen müssen.

Es bleibt die Tatsache, das Österreich langsam, vielleicht im Moment gar nicht so erkennbar, ärmer werden wird, schäbiger, unattraktiver, häßlicher, ungepflegter, schlicht und einfach für seine Bürger weniger lebenswert. Ein trauriger Befund, aber ein Befund, der sich insbesondere dann bestätigt, wenn man das Agieren, die Fähigkeiten und die Perspektiven der Regierenden betrachtet. Diese neigen dazu, sich selbst zu verwalten und die österreichische (Un-)Tugend des Weiterwurstelns zu pflegen. Da könnten es Faymann und Pröll in ihrer absoluten Mittelmäßigkeit noch zur wahren Perfektion bringen. Eine Perfektion, in der sie nur noch der Bundespräsident überragt. Heinz Fischer ist tatsächlich so etwas wie der Repräsentant der absoluten rot-weiß-roten Lähmung, einer spezifisch österreichischen, bleiernen Zeit geworden. Und wir dürfen getrost annehmen, daß er vorhat, diese Zeit um eine weitere Amtsperiode auszudehnen. Und daher sieht es so aus – wenn man Pessimist ist –, als würde sich nichts ändern können.

Zweifellos werden die Freiheitlichen bei den kommenden Wahlen Erfolge zu verzeichnen haben: in Vorarlberg und in Oberösterreich zuerst, dann im nächsten Jahr in der Bundeshauptstadt Wien und in der Steiermark. Die Kraft aber für den großen Umbruch wird ihnen wahrscheinlich fehlen. Und das schwarz-rote Kabinett der Fadesse wird das Land weiter unter der Dunstglocke des Proporzes und des Reformstaus halten bis zum bitteren Ende der Legislaturperiode, also noch ganze vier Jahre. Und auch dann werden die Österreicher, diese politischen Gewohnheitstiere, diese Sünder wider die Zivilcourage, wahrscheinlich nichts ändern. Sie werden meckern, aber alles weiter so akzeptieren, wie es ist, wie es schon immer war und offenbar auf alle Ewigkeit bleiben soll. Angesichts solcher Befunde könnte man tatsächlich in Depressionen verfallen.