Vom Ende der Pax Americana

25. Februar 2021

Als Francis Fukuyama, der US-amerikanische, japanisch-stämmige Politologe nach dem Zusammenbruch des Sowjetkommunismus prophezeite, dass nunmehr das „Ende der Geschichte“ gekommen sei, ging er davon aus, dass die liberale Demokratie westlicher Prägung sich nunmehr weltweit durchsetzen werde. Drei Jahrzehnte später wissen wir, dass dies eine Illusion war. Auch der von Samuel Huntington diagnostizierte „Clash of Civilizations“, der Kampf der Kulturen, entwickelte sich in eine völlig andere Richtung als ursprünglich von Huntington gedacht. Nicht an geopolitischen und kulturellen Grenzlinien findet dieser Kampf der Kulturen heute statt, sondern vielmehr durch die weltweite Massenmigration in Form von offenen oder latenten innerstaatlichen Konflikten, die bis zu veritablen Bürgerkriegen gehen können. Die „Black Lives Matter-Bewegung“ in den USA und die Auseinandersetzungen mit dem militanten Islamismus in Europa sind der beste Beweis dafür.
Auch die Annahme, dass nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts die Vereinigten Staaten von Amerika die einzig verbleibende militärische und ökonomische Supermacht auf dem Planeten sein werde, erwies sich als irrig. Eine „Pax Americana“, eine Weltordnung also mit den USA als Weltpolizist, als militärische Vormacht und demokratiepolitisches Vorbild, deutete sich zwar im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts an, sie ließ sich allerdings nie wirklich realisieren. Die kurzfristige Demokratisierung Russlands unter Gorbatschow und Jelzin und in der frühen Phase Putins blieb bekanntlich Episode. Die Erweiterung der europäischen Integration auf Mittelosteuropa und Osteuropa und die damit Hand in Hand gehende Erweiterung des nordatlantischen Militärbündnisses auf Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts lösten zwar die Supermachtkonfrontation, die es zwischen NATO und Warschauer Pakt in Europa gegeben hatte, auf, führte aber nicht dazu, dass dieses sich integrierende Europa selbst zu einer Weltmacht ersten Ranges werden konnte. Vielmehr wurden die zentrifugalen Kräfte innerhalb der EU – Stichwort: Brexit – stärker, gepaart mit einer zunehmenden Eigenwilligkeit der neuen EU-Mitglieder im östlichen Mitteleuropa zwischen Baltikum und Balkan.
Die Ära Donald Trumps in den USA sollte Anfangs den Beginn eines weltpolitischen Rückzugs der US-Amerikaner bedeuten. Trumps Kritik an der NATO, die von ihm initiierte Lockerung des Bündnisses mit den Europäern, der anfänglich angedeutete Ausgleich mit Putins Russland und seine Versuche, mit Staaten wie Nordkorea und China Konfliktlösungen herbeizuführen, signalisierten so etwas wie eine neue „Splendid isolation“ der USA. Indes scheint es so, als sollte diese Ära Donald Trumps ein weltpolitisches Zwischenspiel bleiben. Der neue US-Präsident Joe Biden scheint die Weichen auf eine Rückkehr zur traditionellen US-amerikanischen Politik zu stellen: Einerseits heuchlerisch politisch korrekt, mit Beteuerung der Bündnistreue gegenüber den Europäern und der Rückkehr der USA zu allen politischen modischen Bewegungen, wie etwa im Bereich des Klimaschutzes, andererseits aber mit dem klaren machtpolitischen Anspruch, dass Amerika Hegemonialmacht sein müsse. Im Gegensatz zur Ära Trump könnte die US-amerikanische Außenpolitik tatsächlich von mehr Berechenbarkeit und Rationalität getragen sein. Bidens Versprechen, etwa im Hinblick auf den Iran an den Verhandlungstisch zurückzukehren, die Verlängerung von Nuklear­waffenbeschränkungen gemeinsam mit Russland stellen zweifellos begrüßenswerte Signale dar. Tatsache bleibt aber, dass Joe Biden offenbar in der Tradition jener demokratischen Präsidenten zu stehen scheint, die jeweils den Startschuss zu militärischen Abenteuern der Vereinigten Staaten gegeben hatten.
Der Anspruch der USA, unter ihrer neuen Führung allerdings weltweit als Ordnungsmacht aufzutreten, ist von der Realität längst überholt. Die militärische Präsenz der Amerikaner im Nahen und Mittleren Osten ist von geringem Erfolg begleitet und hat nachhaltig nur dazu geführt, dass die USA zum zentralen Feindbild der islamischen Welt wurden. Im eigenen geopolitischen Vorhof, in Mittel- und Südamerika, ist der Einfluss der USA zwar nach wie vor bedeutend, sie sind aber ein ungeliebter Partner oder aber eher noch das Ziel illegaler Zuwanderung. Dies vor allem, seit das Projekt einer Grenzmauer zu Mexiko, wie es Donald Trump favorisierte, obsolet ist.
Was das transatlantische Bündnis mit Europa betrifft, so sind seit Joe Bidens Amtsantritt die Lippenbekenntnisse zwar lautstark und demonstrativ herzlich geworden, allerdings dürfte sich die Europäische Union trotz ihrer Schwäche und Zerrissenheit, wie sie sich in der Corona-Krise neuerlich zeigte, auch so etwas wie passiven Widerstand gegen eine erneuerte US-amerikanische Hegemonialpolitik leisten. Und sogar das meist überaus willfährige Berliner Regime der Angela Merkel ist nicht mehr bereit, US-amerikanische Forderungen, wie etwa das Abdrehen des Nord-Stream-2-Projekts, wodurch Gas und Erdöl aus Russland nach Europa kommen soll, zu befolgen. Und ehemals kommunistische Staaten, die heute wie beispielsweise Ungarn EU-Mitglieder sind, orientieren sich immer häufiger in Richtung Moskau als in Richtung Brüssel oder gar
Washington.
In ökonomischer Hinsicht ist längst China zum eigentlichen globalen Konkurrenten der USA und des Westens insgesamt geworden. Nicht nur in der Dritten Welt, allzumal in Schwarzafrika, sind die überaus finanzkräftigen und offensiven Chinesen omnipräsent, auch im geschwächten Europa fassen sie zunehmend Fuß. Sie positionieren sich als Konkurrenten im Bereich der Telekommunikation und des Internets und die Chinesen beweisen insgesamt, dass der von der kommunistischen Partei gesteuerte Staatskapitalismus in ökonomischer und technologischer Hinsicht durchaus in der Lage ist, den westlichen bzw. US-amerikanischen Modellen Paroli zu bieten.
Ein weiterer weltpolitischer Faktor, der den US-amerikanischen Hegemonialanspruch massiv relativiert, ist natürlich Wladimir Putins Russland. Längst sind die Russen zurück in der Weltpolitik, längst spielen sie in zentralen Konflikten im Nahen und Mittleren Osten wieder eine bestimmende Rolle, längst sind sie in der Lage, den Vormarsch der US-dominierten NATO im östlichen Europa – man denke an die Ukraine – Einhalt zu bieten. Und auch in staatspolitischer Hinsicht hat sich Russland entschieden, den für den größten Flächenstaat der Erde traditionellen paternalistischen Weg mit der neuen starken autoritativen Staatsführung zu gehen. Patriotismus, Traditions- und Geschichtsbewusstsein, eine auf die Erhaltung der eigenen Identität orientierte Politik und eine Stärkung der Familien sind die Maximen dieser neuen russischen Politik. Damit positioniert sich Putins Russland auch als globales dogmengeschichtliches Gegengewicht zur westlichen Dekadenz und zur politisch korrekten Heuchelei westlicher Politik, allzumal der US-amerikanischen.
Diese Politik der USA und insgesamt deren Gesellschaftsmodell, der „American Way of Life“, haben den Anspruch, so etwas wie ein Leuchtturm der Demokratie und der Menschenrechte zu sein, überhaupt längst verloren. Nicht Demokratie, Rechtsstaat, Aufklärung und Rationalismus sind es, die in früheren Zeiten von den USA ausgegangen sind, sondern eine Reihe von unsinnigen, destruktiven und dekadenten Erscheinungen und Bewegungen. Man denke zum Beispiel an die „MeToo“-Bewegung, an „Fridays for Future“ oder die bereits zitierte „Black Lives Matter“-Bewegung. All das, verbunden mit der Unfähigkeit, globale militärische Konflikte zu lösen, signalisiert letztendlich das Scheitern einer globalen „Pax Americana“.
Wenn das 19. Jahrhundert ein europäisches Jahrhundert war, in dem die Europäer weltweit über den Imperialismus und Kolonialismus dominant waren, wenn das 20. Jahrhundert rund um zwei Weltkriege ein amerikanisches Jahrhundert war, so dürfte das 21. Jahrhundert – zumindest in ökonomischer Hinsicht – ein chinesisches Jahrhundert werden. Ob dies zum Segen der Menschheit und des Planeten gedeihlich sein wird, darf wohl mit Fug und Recht bezweifelt werden. Eine Rückkehr zu einer US-amerikanischen globalen Hegemonie vermag man sich deshalb noch lange nicht zu
wünschen.


Piefke-Saga und „Ösi-Bashing“

25. Februar 2021

Nicht die Südtiroler, nein die Südafrika-Mutation ist es, die in diesen Tagen das heilige Land Tirol in Aufregung versetzt. Die dem Vernehmen nach so hoch infektiöse Mutation des Virus, die sich insbesondere im Bezirk Schwaz ausgebreitet hat, sorgt dafür, dass die Tiroler trotz niedrigster Inzidenz in Österreich nicht nur innerhalb der Republik isoliert sind, sondern auch von den benachbarten Bayern abgeschnitten werden. Und dort selbst, konkret in der Münchner Staatskanzlei, ist es geradezu in Mode gekommen, Tirol als den Hort der Infektiosität zu stigmatisieren. Und für den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder ist der Begriff Ischgl­ geradezu so etwas wie die Vorhölle des pandemischen Geschehens geworden.

Dieses Thema wird auch in unserem neuen ZurZeit-Podcast behandelt.

Überhaupt scheint der Ober-Bayer scheinbar Gefallen daran gefunden zu haben, auf Österreich und insbesondere die Tiroler hinzuhauen. Da werden die zaghaften Öffnungsschritte der Wiener Regierung als verantwortungslos gebrandmarkt, da werden die Tiroler Grenzen dicht gemacht, da sperrt man kurzfristig sogar das Deutsche Eck, wodurch bekanntlich die Tiroler nur mehr schwer ins benachbarte­ Salzburg reisen konnten. Und insgesamt tut man so, als ob die gesamte Seuchengefahr nur von Tirol ausginge. Dabei gibt es in Bayern stellenweise eine wesentlich höhere Inzidenz als im benachbarten Tirol. Und auf die Frage, warum im bundesdeutschen Saarland die Grenze gegenüber dem Département Moselle in Frankreich trotz unglaublich hoher Inzidenz nicht geschlossen wird, beantwortet in Deutschland auch kaum jemand.
Da kommt irgendwie so etwas wie eine Hassliebe zwischen den benachbarten Bayern und Tirol zu Tage. Eine Hassliebe, die sich insgesamt zwischen Österreichern und Deutschen manifestiert, wobei von unserer Seite auf die „Piefkes“ geschimpft wird und von Seiten derselben auf die „Ösis“. Dabei wissen wir, dass die Tiroler natürlich historisch gesehen Bajuwaren sind, sie waren Teil des bajuwarischen Stammesherzogstums, ihre Tracht, ihr Brauchtum, ihr Dialekt, all das ist bayrisch. Aber schon in den Tagen der Franzosenkriege waren die mit Napoleon verbündeten Bayern die Erzfeinde des Andreas Hofer. Und auch heute halten die jeweiligen Politiker markige Reden. Der Tiroler Landeshauptmann Platter lässt den Münchnern ausrichten, dass gute Nachbarschaft anders aussehen würde und der bayrische Ministerpräsident Söder lässt keine Gelegenheit aus, die Tiroler zu brandmarken. Letzterer hat angeblich ja auch Ambitionen, der nächste Kanzlerkandidat der Christdemokraten zu werden. Und da scheint gegenwärtig „Ösi-Bashing“ bei unseren bundesdeutschen Nachbarn gut anzukommen. Und dabei beweist sich wieder einmal, dass das Verhältnis zwischen Österreichern und Bundesdeutschen, die durch gemeinsame Sprache, gemeinsame Geschichte und Kultur so eng verbunden sind, ein durchaus ambivalentes ist.
Während sich die Österreicher noch in der Ersten Republik als „die besseren Deutschen“ fühlten, wobei sie damals von Hitler mittels der „Tausend-Mark-Sperre“ für ihre Widerspenstigkeit bestraft wurden, fühlen sich die Bundesdeutschen heute offenbar als die besseren Corona-Bekämpfer. Apropos „Tausend-Mark-Sperre“: Auch damals wurde verhindert, dass bundesdeutsche Touristen nach Österreich kommen konnten. Eine Maßnahme, wie sie sich heute in den Corona-Grenzsperren offenbar wiederholt. Dabei wurde und wird unser jugendlicher Bundeskanzler Sebastian Kurz in den Kreisen der bundesdeutschen CDU und CSU emsig hofiert. Und gerade Markus Söder hat sich von Kurz einiges abgeschaut. Allzumal dann, wenn er wirklich Kanzler werden sollte, dürfte sich Söder bald in einer ähnlichen Situation befinden, wie Kurz heute in Österreich: Eine Koalition mit der FDP dürfte sich nämlich rechnerisch kaum ausgehen und da werden die bundesdeutschen Schwarzen dann wohl – unter allgemeinem Applaus der Mainstream-Medien, versteht sich – mit den Grünen des Herrn Habeck koalieren. Möglich wäre allerdings, dass das österreichische Vorbild, die türkis-grüne Koalition, zuvor noch scheitert.
Herr Söder täte also gut daran, nicht nur auf Österreich zu schimpfen, sondern die österreichischen Entwicklungen gut zu studieren. Allenfalls könnten die Österreicher sich somit an einer weiteren Folge einer politischen „Piefke-Saga“ ergötzen.


Türkise Turbulenzen

25. Februar 2021

Von Macht-Haberern und Polit-Versagern

Die erfolgsverwöhnte türkise Truppe des Sebastian Kurz ist in jüngster Zeit ganz schön in Turbulenzen geraten: Da ist der Finanzminister und Kanzler-Intimus Blümel als Beschuldigter Zielobjekt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Da muss sich die Wirtschaftsministerin Schramböck vorhalten lassen, dass sie mit dem skurrilen Projekt „Kaufhaus Österreich“ nahezu eineinhalb Millionen Euro in den Sand gesetzt hat. Innenminister Nehammer, eine weitere Stütze des „Systems Kurz“, muss sich des Totalversagens in Sachen Terrorbekämpfung und Reorganisation des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zeihen lassen. Und Arbeitsministerin Aschbacher ging der Regierungsmannschaft wegen ihrer plagiierten akademischen Arbeiten gar völlig verlustig.

Dieses Thema wird auch in unserem neuen ZurZeit-Podcast behandelt.

Da ist die Tatsache, dass die Verteidigungsministerin Tanner das Bundesheer zur Corona-Hilfspolizei degradiert hat und dass der ebenso türkise Nationalratspräsident Sobotka offenbar enge Kontakte zu einem international gesuchten Wirecard-Betrüger gehabt hat, nachgerade zu vernachlässigen.
Der Kopf dieser glücklosen Truppe, Bundeskanzler Kurz, hat sich in diesen Tagen verdächtig rar gemacht. Er lässt in der gegenwärtig chaotisch anmutenden Corona-Bekämpfung den Fachleuten den Vortritt. Und so dürfen Virologen, Epidemiologen und andere Groß-Sanitäter als pandemische Wortspender vor die Kameras. Und auch bei der Verteidigung seiner Minister hört man vom Bundeskanzler wenig. Was Wunder also, dass die Regierung gegenwärtig in den Umfragen abzustürzen droht. Die zunehmende Unglaubwürdigkeit des grünen Koalitionspartners tut das ihre dazu. Wenn dann gegenwärtig im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Korruptionsaffäre rund um den Finanzminister die Machinationen der ÖVP im Hinblick auf die Spenden-Lukrierung thematisiert werden, wirft dies auch ein eher düsteres Bild auf die schwarz-türkisen Macht-Haberer, die seit 35 Jahren ununterbrochen in der Regierung sind.
Nach dem Ende der Ära Kreisky bzw. seines glücklosen Nachfolgers Fred Sinowatz kam es bekanntlich zur Neuauflage der großen Koalition mit ÖVP-Beteiligung. Seitdem regiert diese Partei in wechselnden Koalitionen mit der Sozialdemokratie, den Freiheitlichen und nun mit den Grünen. Kein Wunder, dass man da ein eher machiavellistisches Verständnis im Hinblick auf die Parteienfinanzierung hat und den Staat gewissermaßen als Parteieigentum betrachtet.
Man erinnere sich an die Vorgänge in der niederösterreichischen ÖVP. Da gab es die Erwin-Pröll-Privatstiftung, für die still und leise eine Million Euro bereitgestellt wurden, wovon 300.000 bereits geflossen waren. Nach heftiger Medienkritik wurde diese Stiftung des Altlandeshauptmanns aufgelöst und die 300.000 Euro zurückgezahlt. Da fragt sich der gelernte Österreicher, ob es wirklich notwendig gewesen wäre, alles zurückzuzahlen, wenn dies rechtmäßig gewesen wäre. Ob da nicht dem seinerzeitigen starken Mann innerhalb der Volkspartei auf Kosten des Landes Niederösterreich eine stattliche Apanage zugedacht war?
Oder man denke an jene Beraterfirmen, die in jüngster Zeit im Zuge der Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung Millionengeschäfte machen. Da gibt es eine Beraterfirma namens „Accenture“, die sowohl die einigermaßen unnötige „Stopp-Corona-App“ als auch das gescheiterte „Kaufhaus Österreich“ entwickelte – für Millionenhonorare versteht sich. Wobei kritische Experten meinen, dass diese Internet-Projekte von ein paar Studenten für einige Tausend Euro erledigt worden wären.
Oder man erinnere sich daran, dass das dem Nationalratspräsidenten Sobotka nahestehende Alois-Mock-Institut von der Skandalfirma Wirecard Spenden im fünfstelligen Bereich erhalten hat. Oder auch daran, dass die Wörthersee-Milliardärin Heidi Horten der ÖVP in gestückelten Tranchen Hunderttausende Euro spendete, um solcher Art die Meldung an den Rechnungshof zu vermeiden.
Nun mag es sein, dass die Volkspartei direkt weder von Waffenproduzenten, noch von Glücksspiel- oder Pharmakonzernen Spenden annimmt, im Dschungel der parteinahen Organisationen und Vereine aber gibt es viele Möglichkeiten, dies zu unterlaufen. Jenseits der politischen Inszenierung, mit der sich die Bundesregierung als Meister der Corona-Bekämpfung darzustellen versucht, scheint den türkis-schwarzen Macht-Haberern die Kontrolle entglitten zu sein. Angesichts des sich häufenden Politversagens in seinen Reihen bröckelt naturgemäß auch der Glanz des Kanzlers. Und der aus den Reihen der Opposition aufkommende Ruf nach Neuwahlen wird wohl nur aus dem Grund nicht erhört werden, dass es sich Kurz nach einem zweimaligem Bruch von Regierungskoalitionen, nur schwer erlauben kann, ein drittes Mal vorzeitig die Legislaturperiode abzubrechen.
Und natürlich liegt es an den rapide sinkenden Umfragen, sowohl für die Türkisen als auch für die Grünen, was diese dazu bewegen wird, Neuwahlen zu meiden wie der
Teufel das Weihwasser.


Schluss mit lustig

11. Februar 2021

Von der Spaßgesellschaft zur Angst-Gemeinschaft

Noch vor Jahr und Tag, also vor dem Ausbruch der Coronapandemie, feierte die Spaßgesellschaft – zumindest in den Wohlstandsgesellschaften der westlichen Hemisphäre – richtiggehende Hochämter, der Karneval, der Fasching, zwischen Mainz, Köln und Villach und Rio de Janeiro, bot in Form wahrer Saturnalien ekstatische Unterhaltungen für Millionen. Zu Blasmusik und zu Sambaklängen wurde hier gefeiert und in den Jahrzehnten davor hatte sich längst die sogenannte „Fun Generation“ etabliert, die den Hedonismus zur Zivilreligion erhoben hat. „Party, Party, Party“ lautete die Devise, „Wellness“ die Freizeitbeschäftigung und die diversen Events prägten den Lebensrythmus der Menschen. Das wichtigste war eben Spaß und
„Entertainment“.
Mit dem Ausbreiten der chinesischen Epidemie zu einer weltweiten Pandemie im März des Jahres 2020 ahnte anfangs kaum jemand, dass dies das soziale und gemeinschafts-psychologische Klima in den westlichen Industriestaaten grundlegend ändern würde. Gewiss, der erste Lockdown im Frühjahr 2020 bedeutete unangenehme Einschränkungen und massive Einbrüche für das Wirtschaftswachstum. Nach Ostern aber sollte es, so hieß es , zur Auferstehung kommen und einige Wochen würde man es schon aushalten, so glaubte man. Dass die Lockerungen danach über den Sommer 2020 auch nur halbherzig waren und eine wirkliche Rückkehr zur alten Normalität, insbesondere im Bezug auf die Reisetätigkeit und auf das Gemeinschaftsleben der Menschen, keine wirkliche war, ermöglichte eine Rückkehr zum Status quo ante nicht. Und die zweite Welle, die im Herbst 2020 ausbrach und bereits ab Oktober weltweit lockdownartige Zustände erzwang, machte mit seiner langanhaltenden Dauer klar, dass damit nachhaltige Veränderungen des gesamtgesellschaftlichen Klimas verbunden sein werden: In einem relativ kurzen Zeitraum wurde aus der herkömmlichen Spaßgemeinschaft so etwas wie eine globale Angst-Gemeinschaft.
Begonnen hatte es mit den apokalyptischen Prognosen, wie sie etwa der österreichische Bundeskanzler von sich gab, wo mit Hunderttausend Toten gedroht wurde. Dann ging es weiter mit dem drohenden Zusammenbruch der Gesundheitssysteme. Weiter ging es mit der Horrorvision von Triage, wonach die Ärzte entscheiden müssten, wer auf dem Gang zu sterben habe und wer noch Intensivpflege bekäme. Die Bilder von Massengräbern in den USA und von Hunderten aufgereihten Särgen im italienischen Piemont taten ein Übriges. Und die Regierungen, insbesondere auch jene in Österreich, setzten auf eine Strategie der Angst und des Schreckens, um die Bürger gegenüber den einschränkenden Maßnahmen willfährig zu machen.
Von Seiten der Staatsmacht traten hier sehr rasch obrigkeitsstaatliche, paternalistische, ja autoritäre Verhaltensweisen zu Tage. Da wurde mit Sanktionen gedroht, das Strafmaß für vergleichsweise harmlose Verstöße gegen die Regierungsverordnungen wurde drastisch erhöht und die Menschen wurden im Hinblick auf ihre Grund- und Freiheitsrechte massiv eingeschränkt. Solcherart wurde neben der Seuchenangst der Menschen noch die Angst vor dem Obrigkeitsstaat erzeugt, wonach man bei den harmlosesten Tätigkeiten und Bewegungen im öffentlichen Raum womöglich gegen Ordnung und Gesetz verstoße und gleichzeitig mit Bestrafung zu rechnen hätte. Gleichzeitig wurde allerdings insbesondere in Österreich der zivile Ungehorsam der Bevölkerung und die traditionell ja ohnedies übliche Negierung von Vorschriften gestärkt.
In diesem neuen Klima der Angst traten aber auch höchst unerfeuliche Eigenschaften der Menschen zutage. Das Denunziantentum und so etwas wie ein gewisse Blockwart-Mentalität griffen um sich. Anonyme Anzeigen gegen Coronasünder und die Vernaderung unter Nachbarn wurden in den Zeiten des Lockdowns zur alltäglichen Gewohnheit. Damit fand der neue Obrigkeitsstaat seine Entsprechung in einer neuen Niedertracht eines Teils der Untertanen.
Wenn die vorhergehende Spaßgesellschaft von den politisch korrekten zeitgeistkonformen Schichten der Bevölkerung getragen wurde, so kann man dies nunmehr auch im Hinblick auf die neue Angst-Gemeinschaft sagen. Es gilt gewissermaßen als politisch korrekt, sich als Pandemie-Verängstigter zu erklären und zu deklarieren, wohingegen Kritiker oder Gegner der Regierungsmaßnahmen zur Seuchenbekämpfung sehr schnell als Extremisten oder gar Psychopathen abqualifiziert werden. Damit sind die Apologeten der politischen Korrektheit von einem Extrem, nämlich jenem der Spaßgesellschaft, ins andere Extrem, nämlich jenem der „Angst-Community“, gefallen.
Damit ist der neue Zeitgeist bereit, Geselligkeit und Gemeinschaftsleben widerstandslos preiszugeben. Zusammenkünfte aller Art, Veranstaltungen kultureller oder sportlicher Natur, Familientreffen, ja sogar Stammtische, fallen nun unter den Generalverdacht, „Hot Spots“ der Virusverbreitung zu sein. Auch die touristischen Vergnügungen, die für die „Fun Generation“ selbstverständlich waren, der Badeurlaub auf den Malediven, die Safari in Kenia, das Wochenende in New York, gelten in unserer angstgetriebenen Gesellschaft als gefährliche, ja verantwortungslose Vergnügungen. Die Isola­tion des Einzelnen im Home-Office, der Kinder im Homeschooling und der Alten im Pflegeheim mit Besuchsverbot, wird von dieser angstgetriebenen Gesellschaft als selbstverständlich hingenommen. Und die Angstmache der Obrigkeit samt der ihr angegliederten Wissenschaft, Virologen, Epidemiologie etc. wird als alternativlos akzeptiert. Nachdem indessen ja auch die Durchimpfung der Bevölkerung ganz offensichtlich nicht die Rückkehr zur alten Normalität ermöglichen dürfte, wird all das wohl mehr oder minder zum Dauerzustand werden. Und die neue politische Korrektheit in der Corona-Angst-Gesellschaft scheint kaum Widerstand gegen diese Entwicklung aufzubringen.


Wir Virologen – Der Lockdown als Realsatire

11. Februar 2021

Seit Jahr und Tag sind wir alle nunmehr vertraut mit dem einzigen und wahren Feind der Menschheit, dem Coronavirus. Anfangs im vergangenen Spätwinter, waren es nur die wissenschaftlichen Fachleute, die Virologen, die Epidemiologen, die Experten für öffentliche Gesundheit und die Vertreter ähnlicher Wissenschaftszweige, die Bescheid wußten. Indessen allerdings weiß Hinz und Kunz, wie es um das Virus steht. Wir kennen all seine Mutationen, die südafrikanische Variante, die britische Variante, wir wissen über die Virenlast Bescheid, die uns gefährdet, kennen die Zahl der Antikörper, die man benötigt, um immun zu sein, wir differenzieren ganz professionell zwischen PCR-Tests, Antigen-Tests und Antikörpertests. Und selbstverständlich wissen wir auch Bescheid über die verschiedenen Impfstoffe, auch deren Erzeuger, die Pharmakonzerne Pfizer-BioNTech, AstraZeneca bis hin zu Johnson & Johnson und Moderna, Sputnik und den chinesischen Mao Tse-tung-Impfstoff. Und selbstverständlich wissen wir auch über die verschiedenen Wirkungsweisen dieser Impfungen.
Wir Virologen wissen Bescheid. Und auf allen Fernseh- und Radiostationen, auf allen Stammtischen des Landes, in den Straßenmeistereien genauso wie in der Akademie der Wissenschaften, gibt es nur ein Thema, das Virus. Virologe ist somit zum Beruf, ja zur Berufung für die ganze Bevölkerung geworden.
Und mit Ausnahme der Coronaleugner, jener Ignoranten, Rechtsextremisten, Reichsbürger, Staatsgefährder und Soziopathen, sind wir alle als Experten für das Virus natürlich auch mit gehörigem Respekt, ja mit entsprechender Angst vor demselben erfüllt. Angefangen von den habilitierten Vertretern der hohen Wissenschaft, die uns tagtäglich in den Medien, Fernseh- und Radiostationen, die Alternativlosigkeit des Lockdowns erklären, dass wir Virologen – auch jene mit Hauptschulabschluss – wissen, dass die Inzidenz, die Infektionszahlen, die Anzahl der Hospitalisierungen und jene der belegten Intensivbetten zu hoch ist. Zu hoch um auch nur ansatzweise in das Leben zuvor, vor Corona, zurückzukehren.
Und wir wissen natürlich, dass wir uns spätestens nach dem morgendlichen Aufstehen aus dem eigenen Bett zu maskieren haben, dass wir beim Betreten irgendwelcher Geschäfte einen Umkreis von 20 m2 um die eigene Person freizuhalten haben, dass wir uns mit maximal zwei Erwachsenen aus nur einem zweiten Haushalt privat treffen dürfen, dass wir im Auto gegenüber den Mitfahrenden ebenso Maske zu tragen haben und tunlichst von 20 Uhr bis sechs Uhr zu Hause bleiben müssen.
An Kaffeehäuser, Restaurants und Auslandsreisen, all das Missstände aus vergangenen Zeiten, haben wir uns gefälligst gar nicht mehr zu erinnern und das einstige Gerede vom „grenzen­losen Europa“ haben wir gefälligst auch zu vergessen.
In unsere schönen neuen Welt haben wir nach den Verkündigungen des Innenminister, wonach Coronasünder mit drakonischen Strafen zur rechnen hätten, beifällig zu nicken, dem Gesundheitsminister pflichtschuldigst zuzustimmen, wenn er sagt, dass die nächste Woche die ausschlaggebendste des Jahrhunderts sein werde und dem gottgleichen juvenilen Kanzler, der über all dem steht, abgöttisch zu lieben. Besonders wichtig ist natürlich, voller Abscheu auf alle unbelehrbaren „Covidioten“ zu blicken, die es wagen, auf den Straßen und Plätzen des Landes gegen die weisen Maßnahmen der Regierung zu protestieren.
Wir Virologen wissen natürlich, dass bei einer Wohnbevölkerung von nahezu neun Millionen Menschen zwischen Bodensee und Neusiedler See etwa 14.000 Infizierte, wovon knapp zehn Prozent krank sind und der Spitalsbehandlung bedürfen, und kaum 300 belegten Intensivbetten das rot-weiß-rote Gesundheitssystem zusammenzubrechen droht. Und wir Virologen wissen natürlich auch, dass irgendwelche gefährliche Mutationen des Coronavirus mit Sicherheit auf uns zukommen: die kongolesische Mutation, die tasmanische und die turkmenische. Deswegen müssen wir das Land im Dauerlockdown halten. Was kümmert es uns, dass dieser Lockdown pro Woche etwa 1,7 Milliarden Euro kostet, dass die Arbeitslosenzahlen ungebremst auf etwa zehn Prozent der Wohnbevölkerung hinaufschnellen könnten, dass die Explosion der Staatsschulden bald einen De-facto-Staatsbankrott nach sich ziehen könnten.
Was kümmert uns die psychische Belastung unserer Kinder durch Kontaktverbot mit Gleichaltrigen, was kümmert uns das einsame Sterben unserer Greise in den Pflegeheimen.
Wir Virologen müssen über all das kaltlächelnd hinweggehen. Das gehört zu unserer neuen Normalität.


Vox populi – Volkes Stimme

4. Februar 2021

Die Menschen würden für ihre Freiheit demonstrieren, hieß es in den Medien – und gegen die polizeistaatlichen Maßnahmen einer Regierung, die ihre Rechte nicht respektiere. Tausende sind auf die Straße gegangen und es seien die größten regierungskritischen Maßnahmen seit langem, berichteten die österreichischen Medien mit klar erkennbar positivem Unterton.
Haben sie über die Anti-Corona-Demonstrationen vom vergangenen Sonntag berichtet? Nein, das waren Berichte über die regierungskritischen Demos für den Putin-Kritiker Alexei Nawalny in Russland. Über die Demos in Österreich wurde gleichzeitig in den Mainstream-Medien, angefangen vom Staatsfunk über die sogenannten Qualitätszeitungen bis hin zum Boulevard, fast ausschließlich negativ, aburteilend und kritisch berichtet. Auf den Straßen Wiens wären im Gegensatz zu den Straßen Moskaus Neonazis, Weltverschwörer und Staatsfeinde unterwegs gewesen. Und wenn man in Wien unter dem Motto „Freiheit“ demonstriert habe, sei das doch nur ein neonazistischer Code gewesen, so die Mainstreammedien unisono.
Ähnlich war nur die Optik bei den Demos in Moskau und bei jenen in Wien. Eine schwarzuniformierte, martialisch auftretende Polizei mit schwarzen Vollvisierhelmen und Schlagstöcken eskortierte bzw. bedrängte die Demonstranten. Und unserem Innenminister, an dessen Intelligenzquotienten man zunehmend nach jedem Medienauftritt zu zweifeln beginnt, blieb es vorbehalten zu erklären, dass die Wiener Demonstranten gar die Parlamentsrampe hätten stürmen wollen. Die Parallelen zum Sturm auf das Kapitol in Washington seien unübersehbar gewesen.
Tatsächlich waren es wohl an die 20.000 Menschen, die zu einem friedlichen Spaziergang in der Wiener Innenstadt aufgebrochen waren und das trotz massiver Warnungen und Verbote aller angemeldeten Demonstrationen, auch jener der Parlamentspartei FPÖ. Abgesehen davon, dass diese Verbote mit solch hanebüchenen Begründungen in einer Demokratie wohl undenkbar wären und der
Verfassungsgerichtshof diesbezüglich sicher noch ein entsprechendes Urteil fällen wird, zeigen diese Sonntagsspaziergänge, dass der zivile Ungehorsam in der Bevölkerung wächst. Und es war sicher nur die Spitze eines Eisbergs, wenn 10.000 in Wien spazieren gehen, sind es wohl Millionen, die mit der Regierungspolitik mehr als unzufrieden sind. Und die Mär von Neonazis und Rechtsextremisten, die diese Spaziergänge dominiert hätten, richtet sich von selbst, wenn man die Bilder von Familien mit Kinderwagen und älteren Herrschaften sieht, die hier zum Teil durchaus mit Maske und immer um Abstand bemüht durch die Wiener Straßen zogen.
Wenn die Regierung, allen voran der dummdreist argumentierende Innenminister, all diese Menschen zu Neo-Nazis erklärt, begeht sie einen schweren Fehler. Diese Leute müssen erkennen, wie schnell es geht, dass man ein Neo-Nazi ist und sie müssen wohl auch denken, dass dieses Urteil nicht nur ungerecht, sondern schlichtweg unzutreffend und idiotisch ist. Tatsache ist jedenfalls, dass dies alles nicht ohne Auswirkung auf die politische Landschaft in Österreich bleiben wird: Die Regierung rasselt in den Umfragen hinunter, die Freiheitlichen stabilisieren sich und sie können sich mit der Unterstützung dieser neuen Bürgerbewegung ein politisches Alleinstellungsmerkmal erarbeiten. Und noch etwas ist klar: Die Regierung wird Neuwahlen zum gegebenen Zeitpunkt scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Alle Gerüchte von einem Ende der Koalition, von der Bildung einer Konzentrationsregierung, dürften – da ein fliegender Wechsel ja mehr oder weniger ausgeschlossen ist – allein deshalb völlig gegenstandslos sein. Volkes Stimme wie sie sich beim Massenspaziergang äußerte, ist in der Demokratie nach wie vor der zentrale und wichtigste Faktor. Und noch ist Österreich eine solche Demokratie.