Eidgenossen und ­Neid­genossen

31. August 2022

Über zwei höchst ­unterschiedliche Alpen-Republiken

Es sind zwei Kleinstaaten, die den Kamm der Alpen, des höchsten Gebirgszuges im Zentrum Europas, besetzen. Die Schweiz in den Westalpen und Österreich in den Ostalpen. Oberflächlich betrachtet könnte man von beiden sagen, dass sie aus historischer Sicht Abspaltungsprodukte der deutschen Geschichte darstellen. Die Mehrheit ihrer Bewohner spricht Deutsch, wenn es auch sowohl in der Schweiz als auch in Österreich wichtige andere Ethnien gibt. In der Schweiz eben Franzosen, Italiener und Rätoromanen, in Österreich die autochthonen Volksgruppen, primär Kärntner Slowenen und Burgenland-Kroaten.
Der historische Entstehungsprozess dieser beiden Kleinstaaten ist aber ein höchst unterschiedlicher. Die Eidgenossen erkämpften sich ihre Unabhängigkeit in erster Linie gegen das Haus Habsburg. Bestätigt wurde diese Unabhängigkeit bereits im Westfälischen Frieden im Jahre 1648. Österreich hingegen war bis 1866 das machtpolitische Zentrum Deutschlands und wurde 1918 gegen seinen Willen in die Eigenstaatlichkeit gedrängt, die es 1945 bereitwillig wieder aufnahm. Und beide Alpenrepubliken sind militärisch und politisch neutral – zumindest auf dem Papier. Die Schweiz ist seit vielen Generationen neutral und hat mit ihrer Politik der Begriff Neutralität gewissermaßen geprägt. Österreich hingegen ist erst seit dem Staatsvertrag von 1955 neutral, deklariertermaßen nach dem Vorbild der Schweiz. Gerade in den aktuellen Entwicklungen, etwa am Beispiel des Ukrainekrieges, zeigt sich aber, dass Österreich dem Schweizer Begriff von Neutralität längst nicht mehr gerecht wird.
Und dann kommt da noch ein anderer ganz wesentlicher Unterschied dazu: Österreich ist seit bald drei Jahrzehnten Mitglied der Europäischen Union, wohingegen die Eidgenossenschaft sich einer solchen Mitgliedschaft bis zum heutigen Tage zu entziehen vermochte.
Diese Mitgliedschaft hat natürlich Vor- und Nachteile. Einerseits muss die Schweiz EU-Richtlinien nachvollziehen, ohne sie mitbestimmen zu können, andererseits ist Österreich an EU-Entwicklungen gebunden, auch wenn diese den Interessen des Landes widersprechen. Solchen Zwängen ist die Eidgenossenschaft natürlich nicht ausgeliefert. Das war auch der Grund dafür, dass alle Initiativen der letzten Jahrzehnte, die Schweiz in die EU zu bringen, nicht von Erfolg gekrönt waren.
Einer der großen Unterschiede zwischen beiden Alpenrepubliken ist es auch, dass die Schweiz sich aus zwei Weltkriegen heraushalten konnte, während Österreich sowohl den Ersten Weltkrieg als auch den Zweiten Weltkrieg mit verloren hat. Die ungeheuren menschlichen und materiellen Schäden, die diese beiden Weltkriege für Österreich, Land und Leute, verursacht haben, sind der Eidgenossenschaft erspart geblieben.
Und überdies hat es die Schweiz durch ihre Neutralität, aber auch durch die ökonomische Tüchtigkeit der Alemannen geschafft, so etwas wie der Banktresor der Welt, einer der wichtigsten Finanzplätze nicht nur Europas, sondern des Planeten insgesamt zu werden. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass die Schweiz im Zweiten Weltkrieg, als Hitler-Deutschland ganz Europa überrannt hatte, verschont geblieben war.
Überhaupt scheint die alemannische Mentalität, die wirtschaftliche Tüchtigkeit, der Erwerbssinn und die Sparsamkeit die eigentliche Basis für den historischen Erfolg der Eidgenossenschaft zu sein. So wie die sprichwörtlich sparsame „schwäbische Hausfrau“ in Baden-Württemberg und die Tüchtigkeit der Vorarlberger in Österreich ein Ausfluss dieser alemannischen Mentalität ist, so gründet darauf eben das Erfolgsmodell Schweiz. Wenn heute das Land In Zeiten der globalen Turbo-Inflation eine weit geringere Inflationsrate hat als alle anderen europäischen Staaten, wenn Bern stets ausgeglichene Staatshaushalte aufzuweisen hat, so ist dies kein Zufall. Nein, dies ist vielmehr typisch für die wirtschaftliche Tüchtigkeit der Alemannen.
Im Gegensatz dazu ist Österreich, die zweite kleine Alpenrepublik, mit einer ganz anderen Mentalität gesegnet. Hier sind die Einflüsse aus dem östlichen Mitteleuropa und vom Balkan unübersehbar. Während es bei den fleißigen Schwaben, auch Alemannen, heißt, „schaffe, schaffe, Häusle baue“, findet sich zwischen Bodensee und Neusiedlersee allzu häufig die Einstellung, dass man Leistung durch Freunderlwirtschaft und Fleiß durch Improvisation ersetzen kann.
Und dann gibt es da noch andere, eher unerfreulich Erscheinungen im Bereich der austriakischen Mentalität: den Neid, jene Form der Niedertracht, die dem Mitmenschen keinen Erfolg und nichts Positives gönnt. Zweifellos hat die österreichische Seele, wenn man das so pauschalieren darf, sehr viele positive Seiten: die Heiterkeit und Liebenswürdigkeit, die Musikalität und die barocke Lebensfreude. Sie hat aber eben auch ihre Schattenseiten: die Heuchelei und die Miesmacherei, den Zweckpessimismus und eben den Neid.
Und so könnte man Österreich überspitzt eben im Gegensatz zur Schweizer Eidgenossenschaft als rot–weiß–rote Neidgenossenschaft bezeichnen. Während man also in den Westalpen als Eidgenossen zusammenhält und das eigene Land und die eigenen Interessen verteidigt, neigt man in den Ostalpen und an der Donau allzu oft dazu, einander Wohlstand und Erfolg zu neiden.
Und der rot–weiß–rote Patriotismus beschränkt sich auf die Erfolge der heimischen Skifahrer, ist allerdings nicht bereit, die eigene Heimat auch zu verteidigen. Und das ist ein wesentlicher Unterschied zur Schweiz: Dort gibt es eine tatsächlich wehrhafte Neutralität mit einer ernstzunehmenden Armee, während die Neutralität in Österreich ein schöner Schein und zumeist nur der Vorwand ist, nicht Stellung beziehen zu müssen.
Allerdings schaffte es die Neutralität Österreichs auf diese Weise dennoch zum zentralen Identitätsmerkmal der östlichen Alpenrepublik zu werden. Eine Bevölkerung, die leidgeprüft zwei Weltkriege erleben musste, sieht nunmehr seit einem dreiviertel Jahrhundert, welche Vorteile es hat, ein neutraler Kleinstaat zu sein. Alle Großmachtträume, die Österreich einst im Rahmen der Donaumonarchie und des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hatte, sind ausgeträumt und die Österreicher kuscheln beglückt miteinander in ihrer neuen kleinstaatlichen Mentalität.
Die Schweiz hingegen hat von Anbeginn die Existenz als selbstbewusster Kleinstaat gewählt. Ja, ihre kantonale Verfassung neigt dazu, noch kleinere Einheiten als staatlichen Rahmen zu nützen. Diese kantonale Gliederung ermöglicht es der Eidgenossenschaft auch, einen Ausgleich zwischen der Deutschschweizer Mehrheit und der italienischen und französischen Minderheit zu finden. Und während der österreichische Vielvölkerstaat, die Habsburger Monarchie nämlich, vor mehr als einem Jahrhundert auseinandergebrochen ist, hat sich die multinationale Schweiz als Modell Europas im Kleinen bewährt. Und diese Modellfunktion ist es vielleicht auch, die einen Beitritt zum EU-Europa unnötig macht.
Von der Schweiz können nämlich nicht nur die Österreicher, sondern vielmehr die Europäer insgesamt lernen! An die Stelle der Brüsseler Neidgenossenschaft könnte so etwas wie eine europäische Eidgenossenschaft treten.


In der Strompreis-Falle

31. August 2022

Auf der Stromrechnung, die der Autor dieser Zeilen dieser Tage bekam, stand klein gedruckt vermerkt: „98 Prozent aus heimischer Wasserkraft“. Nun mag die Stromproduktion, die in den österreichischen Kraftwerken an unseren Flüssen erbracht wird, durch die Trockenheit der vergangenen Wochen auch gelitten haben. Aber eine Verdreifachung des Preises, wie sie uns offenbar ins Haus steht, wäre damit zweifellos nicht gerechtfertigt.
Dies liegt nun am gegenwärtig viel zitierten „Merit-Order-Prinzip“, welches besagt, dass das teuerste Kraftwerk, gegenwärtig eben die Stromerzeuger durch Gas, den Strompreis bestimmen. Und da fällt uns die große Liberalisierungswelle der Neunzigerjahre auf den Kopf, die unter anderem auch den Strommarkt liberalisiert und europäisiert hat. Hätten wir nämlich noch die Zustände davor, wonach die Stromerzeugung eine rein österreichische Sache war und die Elektrizitätskonzerne im Staatseigentum standen, könnten wir jetzt unsere Strompreise nehr oder weniger nach eigenem Gutdünken bestimmen. Und da wäre eben die dominierende Wasserkraft in keiner Weise von der gegenwärtigen Teuerungswelle betroffen. Durch diese Liberalisierung sind wir nunmehr hingegen europäischen Entwicklungen und dem Gewinnstreben multinationaler Energiekonzerne ausgeliefert. Und eben diesem unseligen Merit-Order-Prinzip, das für die gegenwärtige Vervielfachung der Energiepreise sorgt.
Nun hat der Herr Bundeskanzler dieser Tage zwar angekündigt, dass er mit aller Kraft auf europäischer Ebene dafür eintreten wolle, dass dieses Prinzip aufgehoben wird und dass die Koppelung des Strompreises an den Gaspreis beendet wird. Der gelernte Österreicher allerdings weiß ganz genau, wie schnell, beziehungsweise wie langsam die Dinge auf der europäischen Ebene geschehen. Bis sich da alle Mitgliedsländer geeinigt haben, ist die Hälfte der Österreicher in ihren ungeheizten Wohnungen bereits an Unterkühlung verstorben.
Doch Ironie beiseite, Tatsache ist, dass die Regierung nunmehr rasch und energisch handeln muss. Der bereits vor Wochen angekündigte Strompreisdeckel kann nicht ad infinitum diskutiert werden, er muss sofort eingeführt werden. Und die Politik der milden Gaben und Almosen in Form von Einmalzahlungen hat schnellstens beendet zu werden. Stattdessen bedarf es der energischen Bekämpfung der Inflation. Und die litaneiartig wiederholte Beschwörung, wonach man nur die sozial Schwachen durch Ausgleichszahlungen für die Inflation entlasten müsse, sollte auch beendet werden. Im Sinne der sozialen Gerechtigkeit geht es doch darum, alle Bürger vor der Inflation zu schützen und nicht jene, nämlich den Mittelstand zu bestrafen, die durch ihre Steuerleistung alles, auch alle Sozialleistungen finanzieren.
Natürlich hat der Staat dafür zu sorgen, dass die Bezieher der niederen Einkommen nicht verelenden. Er muss aber auch gegen die Verarmung aller anderen Bevölkerungsschichten ankämpfen, insbesondere auch jener, die für ihre Leistungsbereitschaft nunmehr bestraft werden, indem sie als Bezieher höherer Einkommen keinerlei Ausgleich für die Inflation und die dramatisch angestiegen Energiekosten erhalten sollen.
Insgesamt und längerfristig allerdings sollte man sich überlegen, ob Österreich nicht gut daran täte, in Sachen Energie – sowohl was Erdgas als auch was Stromerzeugung betrifft – vom Ausland wieder so gut wie möglich unabhängig zu werden.
Und das gilt nicht nur für eine Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen, sondern auch für eine Unabhängigkeit von diesen europäischen Netzwerken, die uns nunmehr gefangen halten und für den explosionsartig gestiegenen Strompreis sorgen.


„Volksverräter“

25. August 2022

Es war die Chefin der Neos, die dieser Tage die Freiheitlichen als „Volksverräter“ bezeichnete. Warum? Weil sie ein Ende der Sanktionen gegen Russ­land fordern und damit, laut Frau Meinl-Reisinger, Putin in die Hände spielen würden. Nun stellt sich natürlich die Frage, was Frau Meinl-Reisinger unter „Volk“ versteht. Offenbar nicht die autoch­thonen Österreicher, sondern eher die politische Klasse oder gar die Vertreter des Brüsseler Zentralismus.
Ein Verrat am österreichischen Volk wäre es nämlich gewiss nicht, wenn man die Ursache unserer gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Krise, die schlimmste seit 1945, nämlich die Sanktionen gegen Russland, beseitigen würde. Ein Verrat am österreichischen Volk ist es allerdings, was Parteien wie jene der Frau Meinl-Reisinger, aber natürlich auch die beiden Regierungsparteien Volkspartei und die Grünen, in diesen Tagen wieder zulassen oder sogar aktiv befördern. Nämlich die neuerliche unkontrollierte Massenzuwanderung von Scheinasylanten.
Bereits in der ersten Jahreshälfte waren es nämlich über 40.000 Asylanträge, die hierzulande wieder gestellt wurden. Und wie man hört an erster Stelle von Männern, die aus Indien und Tunesien kommen. Aus Ländern also, die als Urlaubsländer gelten. Zwar lässt uns der Innenminister wissen, dass die meisten von ihnen keinerlei Chance haben, Asyl gewährt zu bekommen, abgeschoben aber werden sie deswegen noch lange nicht.
Jetzt wissen wir, dass ohnedies seit Jahren und Jahrzehnten Zuwanderung nach Österreich stattfindet, die im Wesentlichen aus illegalen Scheinasylanten besteht.
Der Höhepunkt dieser Massenmigration in unser Land und unser Sozialsystem war zweifellos die Flüchtlingswelle von 2015. Allerdings ging diese Zuwanderungsbewegung in den Jahren danach weiter, vielleicht nicht so spektakulär wie 2015, aber doch.
Das Ergebnis kennen wir: Hunderttausende, ja Millionen von Menschen fremder Herkunft bevölkern unser Land.
Gerade in unseren Tagen beklagen die Mainstream-Medien, dass eineinhalb Millionen Menschen in Österreich sich bei der Präsidentschaftswahl nicht beteiligen dürften.
Das sind genau jene, die keine Staatsbürgerschaft haben und das Ergebnis dieser lang­anhaltenden Massen­migration darstellen.
Bedenkt man jetzt, dass es hunderttausende Menschen mit Migrationshintergrund gibt, die bereits Staatsbürger sind, dann weiß man, in welch hohem Maße das österreichische Volk, die autochthonen Österreicher, durch diese Massen­migration zurückgedrängt wurden.
Und jene politischen Kräfte, die dies zugelassen haben, beziehungsweise aktiv gefördert haben, das gilt vor allen für die Linke, haben ihr Volk verraten, das muss hier einmal gesagt werden.


Vom Sieg der Anarchie

25. August 2022

Das Phänomen des weltweiten Netzes

Seit rund drei Jahrzehnten gibt es nun schon das Internet, das weltweite Netz. Und irgendwie erscheint dieses Netz wie eine unsichtbare Wolke, bestehend aus Daten, Informationen und Meinungen, aus verschriftlichten Fakten, aus bewegten und stehenden Bildern, die schlichtweg das gesamte Wissen der Menschheit insgesamt umfassen. Es ist so als lägen das kollektive Denken, Fühlen und Wissen der Menschheit insgesamt wie ein unsichtbarer Schleier über unserem Planeten, ein Schleier allerdings, in den jedermann sein Denken und Wissen einzuspeisen vermag und ebenso jedermann auch wieder abrufen kann. So etwas also wie ein globaler Speicher allen menschlichen Denkens und Wissens.
Die ungeheure Vielfalt aber, die sich in diesem weltweiten Netz manifestiert, hat etwas Anarchisches, etwas absolut Unkontrollierbares an sich. Vielen ist das Netz daher der letzte Raum der Freiheit, der Freiheit der Meinung, des Denkens und auch der Information. Allerdings lädt dieser anarchische Charakter des weltweiten Netzes natürlich auch zum Missbrauch ein. Das Netz ist jene Plattform, in der Verschwörung und Lüge, Diffamierungen und jede Form von Abartigkeiten transportierbar sind. Es muss nicht das Darknet sein, um Verbrecherisches und Abartiges abzurufen oder selbst einzuspeisen, es ist dies auch im ganz normalen Netz möglich und auch gang und gäbe.
Von der Pornographie, die sicher einen Hauptanteil im Internet ausmacht, bis hin zum Drogenhandel, zum Waffenhandel, bis zur Anleitung zum Bau von Bomben für Selbstmordattentäter, alles findet sich im weltweiten Netz. Auf der anderen Seite aber ist es möglich, jeden Wissensbereich der Menschheit recherchieren zu können und jede wissenschaftliche Information zu erlangen. Das absolut Böse und das Gute, Edle und Schöne finden sich im Netz also gleichermaßen und massenhaft. Es ist wie beim menschlichen Denken, das so unglaublich vielschichtig und vielfältig ist. Und wie das menschliche Denken sind die Inhalte des Netzes und dessen Mechanismen auch anarchisch.
In einer Zeit, in der Big Brother, der Staat oder geheime Kräfte im Hintergrund alles zu kontrollieren, alles zu lenken und zu manipulieren vermögen, in einer solchen Zeit ist dieses weltweite Netz aber auch ein Ort der Freiheit, der Kreativität und der individuellen Selbstentfaltung für jeden seiner Nutzer. Und es ist auch ein Ort, in dem sich jede Verschwörungstheorie, jegliches Halbwissen schrankenlos entfalten kann. Und das ist eine der großen Gefahren des Netzes, weil es scheinbare Realität, scheinbares Wissen transportiert, seinen Nutzern die vermeintliche Gewissheit vermittelt, die letztgültige Wahrheit zu erfahren.
Und natürlich ist dieses weltweite Netz auch jener Ort, in dem sich die menschliche Niedertracht schrankenlos entfaltet. Die augenblickliche und allzu rasche Verfügbarkeit des Netzes, und die Möglichkeit, sofort und ohne nachzudenken zu reagieren, fördern offenbar das, was gegenwärtig als „Hass im Netz“ heftig diskutiert wird. Und natürlich auch die Anonymität, die Möglichkeit, Niederträchtiges und Widerwärtiges abzusondern, ohne die eigene Identität preisgeben zu müssen. Nun sind Eigenschaften wie Hass, Neid, eben die Niedertracht, offenbar nicht zu übersehende Eigenschaften, die dem Menschen innewohnen. Sie zu beherrschen ist ein Gebot des sozialen Lebens und wird von den gesellschaftlichen Konventionen, aber auch vom Strafrecht gefordert. Anders ist dies allerdings im Netz, wo niemand die Sorge haben muss, bestraft oder zur Rechenschaft gezogen zu werden, wenn er derlei Verhaltensweisen anonym auslebt.
Und da setzen natürlich jene Forderungen an, die Regulierung, Kontrolle oder gar Zensur des Netzes verlangen. Gewiss sind Forderungen wie die Verpflichtung, sich mit Klarnamen hinter jedes Posting zu stellen, berechtigt. Und natürlich würde damit auch vieles von dem, was gegenwärtig als Hass im Netz abgesondert wird, unterbleiben. Aber allzu häufig haben die Forderungen nach Zensur des Internets auch einen anderen Hintergrund, nämlich jenen, unliebsame Meinungen zu unterdrücken und politisch korrekte Denkverbote durchzusetzen. Und da ist dann natürlich eine Güterabwägung notwendig, wobei man entscheiden muss was wichtiger ist: Die Möglichkeit, völlig frei seine Meinung zu äußern und auch zu diskutieren, oder die Vermeidung von Hass im Netz. In einer Welt, die von völliger Kontrolle und von zunehmender Reglementierung aller Lebensbereiche geprägt ist, spricht allerdings viel dafür, die negative Begleiterscheinung der anarchischen Freiheit im Netz, nämlich den Hass im Netz, den es immer wieder gibt, in Kauf zu nehmen.
Abgesehen davon aber gibt es einen weiteren Faktor, der im Zusammenhang mit dem weltweiten Netz und seiner Nutzung für Bedenken sorgen muss. Es sind dies jene Kräfte im Hintergrund, jene Konzerne, die die großen sozialen Medien betreiben. Welche Interessen haben Konzerne wie Google, Facebook und Twitter? Und was machen sie mit jener unglaublichen Fülle an Daten, die sie über ihre Plattformen von den Nutzern bekommen?
In diesem Zusammenhang muss man sich wohl die Frage stellen, ob die vermeintliche anarchische Freiheit im Netz nicht nur eine Tarnkappe ist für ökonomische, möglicherweise aber auch globale gesellschaftspolitische Interessen, die mittels Algorithmen und ähnlicher Mechanismen absolute Macht über die Menschen anstreben oder sogar schon ausüben.
Wenn man dies zu Ende denkt, könnte man zur Ansicht kommen, dass dieses unglaublich beeindruckende Phänomen des weltweiten Netzes, an dem zunehmend alle Menschen Anteil haben, als Nutzer und als Einspeiser, nicht so sehr ein Ort der Freiheit und ein Triumph der Anarchie ist, sondern die elektronische und digitale Strategie zur Beherrschung und Lenkung und Manipulation der Menschheit darstellt. Und da muss man sich dann fragen, welche Kräfte stehen im Hintergrund und beherrschen das Netz und was sind die Ziele dieser Kräfte. Gewiss, man soll sich hüten, auch diesbezüglich in Verschwörungstheorien abzugleiten, vielleicht sind es ja nur ökonomische Interessen und das Streben nach Gewinn und wirtschaftlichem Erfolg, die dahinterstehen. Anzunehmen ist aber wohl, dass es weitreichendere Interessen sind, die hier im Mittelpunkt stehen.
Dieses weltweite Netz ist also ein unglaublich beeindruckendes Phänomen. Eine virtuelle Welt, die wie gesagt alles menschliche Wissen, Denken und Fühlen im Guten wie im Bösen umfasst und solcherart von jedermann, der über die Zugangsgeräte, die dazu notwendig sind verfügt, nutzbar ist. Und dieses weltweite Netz ist, wie ausgeführt Ein Ort der Freiheit im Guten wie im Bösen aber es bietet auch ultimative Möglichkeiten, die Menschen zu manipulieren und damit auch zu versklaven – das darf man nicht vergessen!


Götter­dämmerung

11. August 2022

Vom Herrenmenschen zum alten Weißen Mann

Als die Herren der Welt konnten sich die Europäer im 19. Jahrhundert, in jener Periode des Imperialismus, mit Fug und Recht fühlen. Alle europäischen Nationen, die Briten, Franzosen, Italiener, Portugiesen, Spanier und auch die Holländer verfügten über ein Kolonialreich. Die Deutschen, jene zu spät gekommene Nation, konnte sich ein spätes Kolonialreich erkämpfen. Naturgemäß unter hass-
erfüllter Konkurrenz mit den alten Kolonialmächten, den Briten und Franzosen.
Der weiße Mann, der Europäer also, beherrschte die Welt und das Bild dieser Welt, das Bild der Geschichte war eines, in dem Europa im Mittelpunkt stand. Man versuchte, die Welt und die Weltgeschichte also nur mittels eines eurozentrischen Weltbildes zu verstehen. Europäische Sitten und Gebräuche, all jene Errungenschaften zivilisatorischer Natur, auf die sich die Europäer so viel zugute hielten, wurden weltweit kopiert: Europäische Kleidung, europäische Staatsformen, europäisches Essen, all dies übernahm weltweit die Dominanz.
Und selbstverständlich herrschte bei den Europäern selbst die feste Überzeugung, in den von ihnen beherrschten Territorien den dort lebenden Menschen, den Eingeborenen also, auch Gutes zu tun, indem man ihnen das Christentum aufzwang und den europäischen Lebensstil. Und klarerweise nahm sich der weiße Mann gleichzeitig das Recht heraus, diese von ihm Beherrschten auch auszubeuten. In archaischen Zeiten geschah dies noch in Form der Sklaverei, später dann durch die unbeschränkte Nutzung der Rohstoffe und der Arbeitskraft der Kolonialvölker.
Den ideengeschichtlichen Hintergrund dieser Entwicklung bildete der Sozialdarwinismus und das Denken in rassischen Kategorien, Nietzsches Thesen über das Herrenmenschentum, die Auslassungen des Grafen Gobineau, Chamberlains Mythos des 20. Jahrhunderts und ähnliche Werke.
Die Europäer fühlten sich also als Herrenmenschen und tatsächlich beherrschten sie die Welt auch wirklich. Bei aller innereuropäischen Konkurrenz einte sie dieses Denken trotzdem. Deutlich wurde dies bei gemeinsamen imperialistischen Unternehmungen wie etwa jene, die Anfang des 20. Jahrhunderts im Falle des chinesischen Boxersaufstands durchgeführt wurde. Ein Aufbegehren gegen die europäische Dominanz und die Weltherrschaft der Kolonialmächte wurde nicht wirklich geduldet Die damals jungen Vereinigten Staaten von Amerika galten gewissermaßen als Ableger Europas. Nur Japan vermochte sich dem Zugriff Europäer zu entziehen, indem es das zaristische Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts militärisch besiegte.
Und dann kam die Epoche der beiden Weltkriege, die auch so etwas wie ein europäischer Bürgerkrieg waren. Darauf folgte das Ende der alten Kolonialreiche und die Teilung der Welt in einen westlichen und einen östlichen Einflussbereich. Die europäischen Flügelmächte, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion, übernahmen die Weltherrschaft. Beides waren ursprünglich auch Staatsgebilde, die vom weißen Mann dominiert waren, die US-Amerikaner als Kinder des britischen Weltreichs und die Sowjetunion als ein Imperium, das von den europäischen Russen beherrscht wurde.
Die mühsame europäische Integration nach dem Krieg konnte sich erst nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts und Sowjetrusslands gesamteuropäisch entfalten. Zwar wurde die Europäische Union zu einem der größten Wirtschaftsräume des Planeten, machtpolitisch aber standen die Europäer weiterhin im Schatten der USA. Parallel dazu kam es zum Aufstieg Chinas, das zum Konkurrenten der einzig verbliebenen Supermacht USA werden sollte. Während sich also mit Beginn des 21. Jahrhundert so etwas wie eine multipolare Weltordnung abzeichnete, scheint das alte Europa, dessen Einigung nach wie vor nicht vollendet ist, im Abstieg begriffen zu sein. Und mit ihm offenbar der weiße Mann insgesamt.
Das liegt zuallererst wohl an der Tatsache, dass sowohl die Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Europäische Union nur mehr bedingt als weiße Staaten angesehen werden können. Die Massenzuwanderung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte haben aus den meisten europäischen Staaten längst multiethnische und multikulturelle Gebilde gemacht. Und in den USA ist es die Zuwanderung aus dem lateinamerikanischen Bereich und das starke Anwachsen der afroamerikanischen Bevölkerung, was die weiße Dominanz grundlegend in Frage stellt.
Darüber hinaus gibt es im metapolitischen Bereich Entwicklungen, die die Dominanz des weißen Mannes als überholt, wenn nicht gar als verbrecherisch darstellen. All die politisch korrekten Modeerscheinung die in den vergangenen Jahren im Zuge der political correctness weltweit zum Tragen gekommen sind, wie etwa „Black Lives Matters“ oder „Wokeness“, haben indessen den sogenannten „alten weißen Mann“ zum zentralen Übeltäter der Weltgeschichte gemacht. Aus dem einstigen europäischen Herrenmenschen ist der böse „weiße alte Mann“ geworden.
In einer Welt, in der die machtpolitische und kulturelle Dominanz Europas längst außer Kraft ist, in dieser Welt ist naturgemäß auch unser altes eurozentrisches Weltbild hinfällig. Zwar sind es weiterhin die zivilisatorischen Standards Europas, die weltweit gelebt werden, selbst chinesische Kommunisten, afrikanischen Stammeshäuptlinge und lateinamerikanische Revolutionäre tragen europäische Anzüge und englisches Schuhwerk, Mercedes, BMW und Audi finden sich in den Fuhrparks aller Staatskanzleien quer über den Planeten. Und Englisch ist unangefochten weltweit Lingua Franca.
Machtpolitisch aber ist Europa längst in die zweite Liga abgestiegen und kulturell spielt es nur mehr eine geringfügige Rolle. All die positiven Errungenschaften, die der weiße Mann in Wissenschaft, Kultur aber auch in staatspolitischer Hinsicht, etwa in Sachen Demokratie, für die Menschen geleistet hast, sie sind offenbar nicht mehr sonderlich wichtig. Dass der Zustand des Planeten und auch die Sorge um die Zukunft desselben noch immer in jenen Breiten am besten und am intensivsten ist, die vom ach so bösen weißen Mann bewohnt und gestaltet werden, ist offenbar auch nur mehr von untergeordneter Bedeutung.
Dieser Abstieg der weißen europäischen Völker im globalen Geschehen wird aber auch durch eigenes Verschulden der Menschen auf dem alten Kontinent mit verursacht. Es sind nicht nur politisch korrekte Modeerscheinungen, die mittels political correctness aus den USA importiert werden, es ist auch eine zunehmende Dekadenz der europäischen Gesellschaft, die für diesen Abstieg mitverantwortlich ist. Insbesondere in West- und Mitteleuropa, also auch in Deutschland und in Österreich hat sich eine kinderlose überalterte Gesellschaft zunehmend dem Hedonismus und der individuellen Selbstverwirklichung verschrieben. Dem entspricht auch die Abkehr der meisten europäischen Völker vom historisch gewachsenen Christentum. Ausnahmen bilden dabei wohl nur die ostmitteleuropäischen Nationen in den Visegrad-Staaten.
Hand in Hand geht diese zunehmende Krise der europäischen Gesellschaft mit dem nicht zu übersehenden Unwillen, das eigene Gemeinwesen, also das jeweils eigene Volk zu verteidigen. Gerade in Zeiten des Ukrainekrieges wird deutlich, dass Europa selbst längst nicht mehr in der Lage wäre, sich zu verteidigen. Dies bedingt einmal mehr eine Unterordnung der europäischen Sicherheitspolitik unter den Nordatlantikpakt und die Führung der USA. Dementsprechend gering ist das machtpolitische Gewicht der Europäer im globalen Machtgefüge. Und dieses Europa ist eben nach wie vor jener Kontinent, dem der weiße Mann entstammt.
Wenn sich also die Europäer einst als Herrenmenschen, gewissermaßen als Halbgötter auf diesem Planeten gefühlt haben mochten, dann hat für sie längst die kulturelle und politische Götterdämmerung stattgefunden. Aus diesen Herrenmenschen sind also missachtete dekadente Jammergestalten geworden, die sich global als Ziel des gegenwärtig grassierenden antiweißen Rassismus der allgemeinen Missachtung preisgegeben sehen.


Dieses streitbare Dritte Lager

11. August 2022

Wieder einmal scheint es innerhalb des Dritten Lagers, konkret in der Freiheitlichen Partei, interne Konflikte und Differenzen zu geben. Da soll es Anzeigen gegen ganze Landesverbände aus den eigenen Reihen geben, da werden Mitarbeiter in die Wüste geschickt, die angeblich dafür verantwortlich sind. Und die gegnerischen Medien, befeuert wohl aus den Sekretariaten der etablierten Parteien, mutmaßen gar, dass der Parteiobmann selbst in all diese unerfreulichen Vorgänge involviert sein könnte.
Die nach außen hin geäußerte Solidarität erscheint ein wenig brüchig, wenn man weiß, dass doch die eine oder andere Landesgruppe mit dem Gesamtkurs, etwa in der vergangenen Corona-Zeit, nicht einverstanden war.
Zwist und Hader also, der von den politischen Gegnern genüss­lich aufgeblasen und kommentiert wird. Das hat es aber in diesem politischen Lager schon immer gegeben. Schon in der Habsburger Monarchie hieß es: „Der eine saß, der andere stand, der eine stimmte für, der andre wider, das war der Deutsche Nationalverband, stimmt an das Lied der Lieder“!
Die sprichwörtliche deutsche Zwietracht hat also dieses Lager über Generationen bis zum heutigen Tag begleitet. Und so war es: Otto Scrinzi gegen Friedrich Peter, Harald Ofner gegen Norbert Steger, Jörg Haider gegen Norbert Gugerbauer, Herbert Kickl gegen Norbert Hofer, etc. etc.
Das ist allerdings keineswegs nur eine Spezialität des nationalliberalen Lagers, auch in anderen Parteien gibt es derlei Art von Partei-Freundschaft. Man erinnere sich nur an Doskozil gegen Rendi-Wagner oder Kurz gegen Mitterlehner, an all diese Beispiele wahrer Parteifreundschaft.
Bei den Freiheitlichen allerdings nannte man sich gegenseitig in alten Tagen „Kamerad“, so wie es bei den Sozialdemokraten eben „Genosse“ geheißen hatte. Und da scheint doch eine gewisse Gesinnung verloren gegangen zu sein. Wenig kameradschaftlich ist es nämlich, wenn es gegenseitige Denunzierung gibt, Gespräche heimlich aufgezeichnet werden oder eben Parteifreunde bespitzelt werden.
Da scheint es tatsächlich das Gebot der Stunde zu sein, alles rund um den gegenwärtigen der FPÖ zugeschriebenen Skandal aufzuarbeiten und rücksichtslos offen zu legen.
Konkurrenz innerhalb einer politischen Bewegung ist legitim, auch gegen­seitige Intrigen sind menschlich, vielleicht allzu menschlich.
Die diesbezügliche Toleranz endet aber spätestens dort, wo eigene Parteifreunde oder gar ganze Landesorganisationen diffamiert und denunziert werden. Da gibt es offenbar innerhalb des Dritten Lagers derzeit einen gewissen Reinigungsbedarf. Politische Hygiene beginnt nämlich immer im eigenen Haus.


Eine ­Epoche multipler Krisen

5. August 2022

Längst hat die Menschheit die 8-Milliarden-Grenze überschritten. Der Planet ist überbevölkert und die Ernährung der Erdbevölkerung wird immer schwieriger. Indessen harren die Getreideschiffe im Hafen von Odessa ihrer Ausfahrt. Und nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden durch den Ukraine-Krieg rund 100 Millionen Menschen in extreme Armut fallen, wenn nicht gar realen Hunger leiden.
Soziale Spannungen, vielleicht sogar Bürgerkriege und Armutsrevolten werden die Folge dieser Entwicklung sein, wobei zuerst gescheiterte Staaten in Schwarzafrika, in Südostasien und in anderen Teilen der Dritten Welt betroffen sein dürften. Zu Jahresbeginn gab es schon Aufstände in Kasachstan wegen der explosionsartig angewachsenen Treibstoffpreise. Dann war es in jüngster Zeit Sri Lanka, das von solchen Unruhen betroffen war. Demnächst könnte es Pakistan sein, das offenbar vor einer Explosion steht. Und ähnlich wird es sich mit all jenen Staaten verhalten die, so etwa in Schwarzafrika, durch die ausfallenden Getreidelieferungen aus der Ukraine zunehmende Bedrängnis geraten.
In Schwellenländern, die durch die massiv steigende Energiekosten und ebenso explosiv anwachsenden Kosten für Lebensmittel, sowie durch desolate Staatshaushalte betroffen sind, steigt die Gefahr sozialer Spannungen und ganz realer gewalttätiger Konflikte. Wer nun glauben sollte, dass dies nur auf die Dritte Welt beschränkt, wäre der irrt. Auch in den westlichen Industriestaaten wird die tatsächlich hereinbrechende Verarmung breite Teile der Bevölkerung betreffen und das soziale Gefüge erschüttern, wenn nicht gar zerstören. Insbesondere in jenen Ländern, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten durch massive Massenzuwanderung destabilisiert wurden, wird es zwangsläufig zu Auseinandersetzungen zwischen der autochthonen Bevölkerung und den Zuwanderungsgruppen kommen. Spätestens dann, wenn die staatlichen Transferleistungen für die Bevölkerung mit Migrationshintergrund geringer werden oder gar gänzlich ausbleiben, sind veritable Verteilungskämpfe, die bis hin zu offenen Bürgerkriegen gehen könnten, unausbleiblich.
Jenseits der Sozialutopien, wie sie sich in der Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle gezeigt haben, wird es in der auf uns zukommenden Mängelgesellschaft zweifellos eine Verarmung, wenn nicht gar eine Verelendung breiter Gesellschaftsschichten geben. Aus sozialen Spannungen könnten bürgerkriegsähnliche Zustände bis hin zu Hungerrevolten werden. Und diese könnten durch ethnische Konflikte unter den Zuwanderer-Gruppierungen verstärkt werden, so wie wir es aus den Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden kennen, wie sie vor Jahr und Tag in Wien statt bereits stattgefunden haben.
Es wäre eine Illusion, anzunehmen, dass Europa von solchen Entwicklungen ausgenommen wäre. Nicht nur, dass der Krieg in Form des russischen Angriffs auf die Ukraine längst nach Europa zurückgekehrt ist. Konflikte, am Balkan etwa zwischen Kosovo und Serbien, drohen auch wieder aufzubrechen. Und dieser Bereich ist von Österreich, unserer Insel der Seligen, nur wenige Autostunden entfernt.
Und sogar in Friedensregionen wie etwa im Alpen-Adria-Bereich könnten durch die sozialen Probleme und deren Verschärfung alte, längst tot geglaubte Konflikte, die bislang verdrängt oder vergessen waren, wieder entflammen. Sogar längst historisierte Auseinandersetzungen wie etwa jene zwischen Österreichern und Italienern, zwischen Kärnten und Slowenien, zwischen Friulanern und ihren kroatischen und slowenischen Nachbarn könnten sich neuerlich entzünden. Dort, wo man sich noch vor drei Generationen zu zehntausenden dann gegenseitig hinmordete, etwa bei den Isonzo-Schlachten des Ersten Weltkriegs, wäre es auch nicht ausgeschlossen, dass alter Hass neu ausbricht.
Dies sind nun scheinbar doch weit hergeholte Horrorvisionen, ausgeschlossen jedoch ist das Aufbrechen alter Konflikte unter schwierigen sozialen Bedingungen keineswegs. Und dies nicht nur in Österreichs Nachbarschaft, sondern weltweit. Gerade in Osteuropa und in Südosteuropa gibt es eine derartige Fülle von alten ungelösten ethnischen, sozialen und ökonomischen Streitfällen, dass es ein Wunder wäre, wenn diese nicht im Falle dramatischer wirtschaftliche Entwicklungen wieder zum Tragen kämen. Die Auseinandersetzungen in der Ukraine, die natürlich nunmehr unter Kriegsbedingungen stattfinden, zeigen uns dies nur allzu deutlich.
Wenn überdies die wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen externer Mächte mitspielen, verschärft dies die Konflikte zumeist noch. So ist etwa die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine keineswegs uneigennützig.
Wenn Großmächte wie etwa die Vereinigten Staaten von Amerika oder auch Russland oder das ostasiatische China glauben, ihre Einflusssphäre ausdehnen oder auch nur bewahren, geht es zumeist zu Lasten der regionalen Staaten.
So ist etwa die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine gewiss nicht nur von freundschaftlichem Einsatz für die Souveränität des Landes motiviert, sondern zweifellos auch durch globale Großmachtinteressen.
Und wenn China in Schwarzafrika in gewaltigem Maße investiert, so ist dies wohl kaum durch den Einsatz für Völkerfreundschaft begründet, sondern durch ganz reale wirtschaftliche und machtpolitische Interessen.
Insgesamt scheinen der Planet und die Menschheit auf eine Epoche multipler Krisen zuzusteuern. Die Überbevölkerung und die Ernährungskrise, sowie die weltweite massive Verteuerung von Lebensmitteln und Energie erzeugen in zunehmendem Maße in vielen Staaten Versorgungskrisen und damit sich zuspitzende Verteilungskämpfe. In den bereits als gescheitert geltenden Staaten der Dritten Welt ist die Folge davon das totale Chaos, die völlige Anarchie und zumeist die Übernahme durch autoritäre Systeme. In Schwellenländern fördert diese krisenhafte Entwicklung ebenso die Entwicklung antidemokratischer Strukturen. Und in den westlichen Demokratien ist das, gepaart mit der Zuwanderung, einfach ein Faktor zunehmender Destabilisierung.
Es sind somit keine schönen Aussichten für die Menschheit, die sich da auftun. Die offenbar nunmehr auslaufende Coronakrise, der Ukraine-Krieg, die Inflation in den westlichen Industriestaaten und die globale Tendenz zu massenhafter Verarmung scheinen uns tatsächlich in eine Epoche des Chaos und der Krise zu stürzen.
Wo sind die Staatsmänner, wo sind die politischen Kräfte, die sich dem entgegenstemmen und Konzepte für die Bekämpfung dieser Multi-Krisen-Entwicklung haben?
Tröstlich ist nur, dass wir eines wissen: Wenn die Gefahr groß ist, wächst auch das Rettende. Hoffen wir, dass der Klassiker recht behält.


Österreich und Ungarn, verfreundete Nachbarn

5. August 2022

Da war nun also der ungarische Minister Präsident Viktor Orbán in Wien. Und die Mainstream-Medien und die linken Parteien haben natürlich aufgeheult. Da hieß es, er sei ein Autokrat, ein Putin-Versteher und ein notorischer EU-Querulant. Überhaupt sei sein Konzept von der illiberalen Demokratie der Weg in die Diktatur, und insgesamt müsse man sich fragen, ob dieser Orbán und seine Ungarn noch zu Europa gehören würden.
Jüngster Anlass für diese Orbán-Kritik war seine Rede, die er in Siebenbürgen gehalten hatte. Dabei habe er extreme und rassistische Positionen von sich gegeben, so hieß es in unseren Medien. Was aber hat Viktor Orbán dort wirklich gesagt. Eigentlich nur, dass die Ungarn Ungarn bleiben wollten, und nicht wie im übrigen westlichen Europa durch Massen Zuwanderung zu einer multiethnischen, multikulturellen Gesellschaft werden wollten.
Nachdem Orbán aber nun vor wenigen Tagen von Bundeskanzler Nehammer in Wien mit allen Ehren, die einem ausländischen Staatsgast gebühren, empfangen wurde, war die Kritik groß. Insgeheim mag Nehammer in Orbán durchaus ein Vorbild sehen, allein dafür ist er wohl zu schwach. Eines weiß Nehammer allerdings mit Sicherheit. Die Mehrheit der Österreicher, mit Sicherheit jedenfalls die Wähler der FPÖ und wohl auch die meisten Wähler der ÖVP dürften in Orbáns Politik auch für Österreich ein Vorbild sehen: Bedingungsloses Eintreten für das eigene Land und die eigene Bevölkerung, Erhaltung der eigenen Kultur, wenn es sein muss auch gegen die Vorgaben von Brüssel.
Insgesamt haben die Österreicher natürlich ein ambivalentes Verhältnis zu den Ungarn. Zwar lebten wir jahrhundertelang in einem gemeinsamen Staatswesen, die alten, durchaus zwischendurch auch überaus brutalen Konflikte sind aber deswegen nicht vergessen. Das begann schon bei der ungarischen Landnahme im 10. Jahrhundert. Zuerst fielen die Magyaren marodierend und plündernd bei uns ein, dann lehrten wir sie in der Schlacht auf dem Lechfeld Mores.
Später haben die Österreicher etwa nach der Revolution von 1848 tausende Ungarn, die den Aufstand gewagt hatten, an den Alleebäumen der Pußta hängen lassen. Und im Ersten Weltkrieg, so heißt es, haben die Ungarn den hungernden deutschen Österreichern kaum Lebensmittel geliefert. Andererseits aber haben wir nach dem Ungarnaufstand von 1956 wieder zehntausenden Ungarn Exil gewährt. Aber so ist das eben: Österreich und Ungarn sind so etwas wie verfreundete Nachbarn
Viktor Orbán jedenfalls dürfte weiterhin der Stachel im Fleisch des EU-Zentralismus bleiben. Er tritt als einsamer Rufer gegen die Russland-Sanktionen auf, er setzt sich als Einziger vehement gegen die anhaltende Massenzuwanderung nach Europa ein und er geißelt als einer der Wenigen die Dekadenz in den europäischen Demokratien westlichen Zuschnitts. Seine Familienpolitik ist beispielhaft, sein Patriotismus nicht zu leugnen und, was am wichtigsten ist, er hat die breite demokratische Zustimmung der ungarischen Bevölkerung. Also: Chapeau, Herr Orbán!