Überlegungen zum Zeitgeist
Fritz Dittlbacher kann man beim besten Willen nicht als politischen Kommentator von Weltformat bezeichnen. Aber immerhin ist er zentraler Chefredakteur des ORF (und damit unmittelbarer Nachfolger unseres Mitherausgebers Walter Seledec) und somit so etwas wie das Sprachrohr des öffentlich-rechtlichen Fernsehens im Lande. Dieses öffentlich-rechtliche Fernsehen ist bekanntlich so wie der etablierte Medien- und Politikbereich insgesamt in jüngster Zeit weit nach links gerückt.
Dementsprechend war Dittlbachers Aussage in einem ORF-Kommentar unmittelbar nach dem Abgang von Ex-Kanzler Werner Faymann: Es sei immerhin möglich, so der ORF-Chefredakteur, dass nun durch das Chaos im Bereich der Bundesregierung und der Regierungspartei SPÖ die Bevölkerung gewissermaßen als Ausgleich bei den Präsidentschaftswahlen das Element der Stabilität wählen würde und allfälligen Abenteuern eine Absage erteilen könnten. Und dass sie nunmehr wohl oder übel den Grünen Alexander Van der Bellen wählen würden.
Ein gut in den Siebzigern stehender Altlinker also, als Jüngling bekennender Kommunist, dann Sozialist und schließlich Parteichef der Grünen, einer, für den der Schwarze Block der Anarchisten auf der Straße demonstriert, einer, der für die Freigabe leichter Drogen, die Schwulenehe und die EU-Sanktionen gegen Österreich eintritt, einer, dessen Partei bei zehn bis 15 Prozent herumkrebst. Dieser Mann soll also der Anker der Stabilität sein und im Gegensatz dazu soll Norbert Hofer für das politische Chaos, für unberechenbare politische Abenteuer stehen. Just der brave Familienvater, der vom Schicksal mit unfallbedingter Behinderung schwer geschlagene Norbert Hofer, wird hier indirekt zum Catilina der rot-weiß-roten Politik abqualifiziert.
Ob nun diese Hoffnung der zeitgeistigen Medienkommentatoren und der „Spin-Doktoren“ der etablierten Parteien tatsächlich aufgeht und ob die gelernten Österreicher den Altlinken – im Gegensatz zum jungen Freiheitlichen – als Anker der Stabilität betrachten werden, wissen wir spätestens in zehn Tagen. Ganz abgesehen davon aber ist diese Beurteilung ein weiterer Fall jener Gutmenschen-Arroganz und politisch korrekten Selbstgerechtigkeit, die das neue linke Spießertum zunehmend an den Tag legt. Jene, die da ständig von Demokratie und Toleranz sprechen, neigen dazu, am intolerantesten und am undemokratischsten zu sein, wenn etwas nicht ihrer Meinung und ihrem Weltbild entspricht.
An der Spitze stehen da in die Jahre gekommene Spät-68er wie der grüne Präsidentschaftskandidat. Und ihnen folgen völlig unkritische und zeitgeisthörige Jünger der Political Correctness, welche zu selbstständigem Denken und nonkonformistischer Beurteilung des Geschehens kaum mehr in der Lage sind. Der Hedonismus der „bourgeois bohemian“, also der sogenannten „Bobos“, und dieser politisch korrekte Konformismus haben im Bereich der veröffentlichten Meinung und bei der Hautevolee in Kunst, Kultur, Wirtschaft und etablierter Politik sowie in den Medien längst die Führungsposition übernommen. Die gängigen Meinungen, die man in diesen Kreisen vertritt, haben ebenso längst dogmatische Ewigkeits-Gültigkeit erlangt, da hat man jedenfalls „gegen rechts“ – was immer das auch sei – zu sein, überall Rassismus und Xenophobie zu wittern und die Masse der kleinen Leute als „Modernisierungsverlierer“ zu verachten. Wer für seine Familie, seine Heimat und seine Muttersprache eintritt, gilt da natürlich als verkappter Nazi. Leistungswille, Verantwortungsbewusstsein oder gar Wehrgesinnung im Sinne der Landesverteidigung gelten dort als faschistoid.
Selbst hingegen betrachtet man sich als weltoffen, tolerant, humanistisch und fortschrittlich, man gibt sich als glühender Europäer, begrüßt schrankenlosen Freihandel und Globalisierung, ist für massenhafte Zuwanderung und alle Varianten der Integration und als Weltbürger gegen jeden Provinzialismus und vor allem hat man recht, weiß alles besser und ist schlicht und einfach gut und auf der Höhe der Zeit.
Merkwürdig nur – und das ist das Verfluchte an der Demokratie –, dass die ganz normalen Menschen, die gelernten Österreicher, die viel zitierten kleinen Leute, Otto Normalverbraucher eben, das alles nicht so sehen und anders denken. Und unangenehmerweise bei Wahlen auch immer wieder anders stimmen und sich nicht so recht belehren lassen wollen und dann doch glatt irgendwelchen „rechtspopulistischen Hetzern“ auf den Leim gehen. Es ist also schon verwunderlich, dass die Freiheitlichen in Österreich, die Alternative für Deutschland bei unserem Nachbarn, der Front National in Frankreich, die Freiheitspartei in den Niederlanden, die italienische Lega Nord, dass all diese Gruppierungen, die nicht so recht in das politische Zeitgeistmodell passen wollen, Erfolg haben. Und da hört man dann immer wieder von den etablierten Wortspendern und Politikbeobachtern, dass die zeitgeistige Politik „näher an die Menschen heran“ müsse, dass man die „Bürger mitnehmen“ müsse, dass man „die Ängste der Menschen“ verstehen müsse und nur so den „rechten Hetzern“ den Wind aus den Segeln nehmen werde.
Allein die Selbstgerechtigkeit des linken Spießertums und ihrer medialen und politischen Repräsentanten ist viel zu groß, um solche wohlmeinenden Lehren wirklich berücksichtigen zu können. Auch wenn der grüne Präsidentschaftskandidat nunmehr Heimat plakatiert, wird man nicht vergessen, dass er und seinesgleichen in Wahrheit Heimat-Hasser sind. Und auch wenn man das Wort Österreich nunmehr gehäuft aus dem Munde der politisch korrekten Wortspendern vernimmt, wird man sich daran sehr wohl erinnern, mit welcher Verachtung gerade aus linken und sogenannten progressiven Kreisen immer wieder über dieses Land gesprochen wird.
Die Scheinwelt des linken Spießertums scheint derzeit Risse zu bekommen, und allein die Drohung, dass hierzulande ein freiheitlicher Nonkonformist in die Hofburg und damit den Sitz des Bundespräsidenten einziehen könnte, sorgt für Entsetzen.
Und das ist gut so.
Und so wächst das gegenseitige Unverständnis bis zur wirklichen Aversion, wenn nicht gar bis zum Hass. Der kalte Bürgerkrieg tobt also bereits. Und wenn man aus taktischer Klugheit von linker und politisch korrekter Seite auch vermeiden wird, die Auseinandersetzung mittels Großdemonstration auf die Straßen zu tragen, so tobt dieser kalte Bürgerkrieg eben zumindest in den sozialen Medien. Und leider wird der Wahltag, der 22. Mai, nicht das Ende dieser Polarisierung bedeuten, sondern allenfalls eine Zwischenstation. Und der Wahlsieger, der in die Hofburg einzieht, muss längst nicht der endgültige Gewinner dieser Auseinandersetzung sein. In Wahrheit stellt sich die Frage, wie man diese Polarisierung in Zukunft überwinden wird können und wie man wieder so etwas wie sozialen Frieden und einen gesamtgesellschaftlichen Konsens herstellen kann. Das wird die wahre Aufgabe der Zukunft sein.