Der Ball des Wiener Korporationsrings in der Hofburg, der Kaiser- und Residenzstadt gilt als der schönste Korporationsball Mitteleuropas – zu Recht. Und er gilt der linksextremen Szene – längst über die Stadtgrenzen Wiens hinaus bis weit nach Deutschland – als rechtsextremes Fest, in dessen Umfeld alljährlich Randale gemacht werden muss. Unterstützt von den heimischen Linksfraktionen, angefangen von der grünen Parlamentsriege bis hin zu irgendwelchen studentischen Links-Außen-Obskuranten hat sich so etwas wie ein Demo-Tourismus aus Deutschland entwickelt, im Zuge dessen gewaltbereite und vermummte Möchtegern-Anarchos nach Wien reisen, um sich mit der Polizei Straßenschlachten zu liefern.
So weit, so merkwürdig. Merkwürdig allzumal deshalb, weil hier Zwei-, Dreitausend hochbürgerliche, zweifelsfrei geradezu überkultivierte Menschen in langen Abendkleidern, Frack und Smoking von der linken Szene und ihren medialen Helfershelfern als faschistische Gefahr abgekanzelt werden und weil dieser Wiener Traditionsball, den es nunmehr seit nahezu sechs Jahrzehnten gibt, nur unter massivem Polizeischutz und weitläufigen Absperrungen der Hofburg über die Bühne gehen kann. Kein Wunder, dass sich viele Ballbesucher, allzumal solche aus der Bundesrepublik, abschrecken lassen, müssen sie aufgrund der Medienberichte doch fürchten, zum einen in den Geruch des Extremismus zu kommen, zum anderen gar Schaden an Leib und Leben zu erleiden.
Überdies aber ist seit Jahren ein Besucherrückgang bei diesem Ball zu beobachten, der auch Rückschlüsse auf den Zustand des koporationsstudentischen Lagers erlaubt. Und dieses ist immerhin der Kern des Dritten, des patriotischen, des national-freiheitlichen Lagers in Österreich. Eines Lagers, das über die größte Oppositionspartei des Landes drauf und dran ist, zu einer dominanten politischen Kraft im Lande zu werden. Zunehmend nämlich ist festzustellen, dass insbesondere die Angehörigen der Wiener Korporationen ihren Ball nicht mehr besuchen. Eine geradezu komfortabel spärlich besetzte Tanzfläche im Hauptsaal der Hofburg und nur schwach bevölkerte Nebenräume dokumentieren dies. Er sei zu teuer und zu aufwendig, insbesondere für jüngere, gerade erst ins Berufsleben eintretende Mitglieder der Korporationen. Der alte Smoking aus den Studententagen sei zu eng geworden, einen Frack könne man sich nicht leisten und alles in allem, die sündteuren Eintrittskarten, die überteuerten Getränke, das Taxi nach Hause, seien für ein jüngeres Paar einfach unerschwinglich.
Und so beißt sich die Katze in den Schwanz, weil immer weniger Besucher naturgemäß die enormen Kosten der Veranstaltung in der Hofburg durch immer höhere Preise finanzieren müssen. Dennoch werden sich Österreichs Korporierte überlegen müssen, ob sie eine dergestalt repräsentative wunderschöne öffentlichkeitswirksame Veranstaltung wie den WKR-Ball eingehen lassen wollen oder ob sie sich nicht in einer gemeinsamen Kraftanstrengung dazu aufraffen, diesen Ball zu stärken, zu einer Kultveranstaltung zu machen, die zeigt, dass Österreichs Waffenstudenten in der Mitte der Gesellschaft stehen und gesamtgesellschaftlichen Gestaltungswillen haben. So breit vertreten in einer Mittelpartei wie gegenwärtig in der FPÖ waren Österreichs Burschenschafter, Corpsstudenten usw. vielleicht seit der Zwischenkriegszeit nicht mehr. Obwohl sie in der Relation zur Gesamtzahl der Studenten und Akademiker wesentlich schwächer sind, stellen sie in einer Vielzahl Abgeordnete und politisches Personal. Gerade deshalb müssten sie auch im gesellschaftlichen Bereich zumindest punktuell beweisen, dass sie stilbildend und themensetzend wirken können. Der WKR-Ball wäre die Gelegenheit dazu.
Dazu bedürfte es aber auch einer klugen Ballorganisation, die in der Lage ist, wirkliche Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und nicht nur die Negativ-Berichterstattung zulässt. Einer Ballorganisation, die nicht in Pseudo-Exklusivität etwa einem Nationalratspräsidenten, der Industrielle aus der Bundesrepublik einladen will, repräsentative Plätze verweigert, einer Ballorganisation, die sich nicht schämt, politisch prominente Gäste – auch wenn diese von den politisch-korrekten Zeitgeistlern attackiert werden – entsprechend in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn der Brief des Rektors einer Wiener Hochschule – selbst war er natürlich nicht da, i wo – schon als heldenhafte Solidarisierung mit den Korporationen gilt und man es kaum wagt, Persönlichkeit aus den eigenen Reihen, die im politischen Bereich exponiert sind ans Eröffnungsrednerpult zu lassen, darf man sich nicht wundern, dass der Ball unter chronischem Bedeutungsverlust leidet. Er wäre es aber wert, zu neuen Höhen geführt zu werden. Der WKR-Ball ist vielleicht eine der wenigen gesellschaftspolitischen Nagelproben für Österreichs korporationsstudentisches Lager.