Kaiser-Land oderKickl-Land?

24. Februar 2023

Nach Niederösterreich ist nun also Kärnten an der Reihe – mit den Wahlen zum Landesparlament. In Nieder­österreich war es bekanntlich ein veritabler blauer Triumph, da die FPÖ die dort über Jahrzehnte dominierende Volkspartei abräumen konnte. In Kärnten ist die Lage anders. Da gibt es nur eine schwache ÖVP, von der man wohl nur mehr dann Stimmen generieren könnte, wenn man die letzte Pfarrerköchin umstimmen würde. Da heißen die Mitbewerber der Freiheitlichen Gerhard Köfer und Peter Kaiser. Das Team Kärnten und die SPÖ sind die politischen Bewegungen, gegen die sich die FPÖ in Kärnten behaupten muss.
Nun war Kärnten bekanntlich über lange Jahre unter Jörg Haider und zuletzt unter Gerhard Dörfler die freiheitliche Hochburg schlechthin in Österreich. Bei den letzten Wahlen vermochte die FPÖ allerdings nur mehr 23 Prozent zu erlangen, ein Stimmenanteil, den ihr die Umfragen gegenwärtig auch zuschreiben. Im Lande selbst tritt mit Erwin Angerer ein hochanständiger Politiker als FPÖ-Spitzenkandidat an, der allerdings bislang noch nicht jene Strahlkraft zu entwickeln vermochte, wie sie seinerzeit etwa ein Jörg Haider hatte. Und nachdem der rote Landeshauptmann eigentlich keine schweren Fehler gemacht hat – mit Ausnahme vielleicht seiner Haltung in der Corona-Pandemie –, und nachdem mit Köfer ein überaus listenreicher Populist als Konkurrent auftritt, hat es die FPÖ In Kärnten derzeit eben schwer.
Allerdings gibt es da nunmehr einen politischen Bundestrend, der die freiheitlichen Wahlchancen auch im südlichsten Bundesland entsprechend erhöht. Als FPÖ-Chef Herbert Kickl dieser Tage auf Wahlkampftour in Kärnten weilte, kam es zu regelrechten Volksaufläufen. Nach eigenem Bekunden versucht er, in Gegenden zu gehen, die von der Politik normalerweise außer Acht gelassen werden. So drängten sich etwa in Stall im Mölltal an die 400 Menschen in und um ein Wirtshaus, in dem Kickl eine Kundgebung abhielt. Und nachdem die FPÖ gegenwärtig in allen Umfragen österreichweit die stärkste Partei zu sein scheint, dürfte sich dies auch im Kärntner Wahlergebnis niederschlagen.
Dabei allerdings spielen landespolitische Themen offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr ist das Unbehagen der Bürger über die vormaligen Corona-Maßnahmen, die Sorge vor der Massenmigration und ihren Folgen, sowie die soziale Problematik infolge von Inflation und Energiekrise das eigentliche Wahlmotiv für die Menschen im Lande. Und in all diesen Bereichen der multiplen Krise, unter der wir gegenwärtig leiden, sind die Freiheitlichen die einzige politische Kraft im Lande, die eine klare und stringente Haltung haben.
Demgemäß ist die Sorge der gegenwärtig in Kärnten regierenden Parteien, also der SPÖ und der ÖVP, groß, dass der kommende Wahlgang doch gravierendere Verluste für sie bringen könnte, als ursprünglich angenommen. Peter Kaisers Sozialdemokraten, die bei den letzten Wahlen knapp an der absoluten Mehrheit standen, könnten doch dramatischer verlieren als ursprünglich gedacht, und mit einer gestärkten FPÖ, einem über zehn Prozent kommenden Team Kärnten und der ÖVP ginge sich sogar eine Landtagsmehrheit gegen die Sozialdemokratie und damit ein anderer Landeshauptmann aus.
Nach wie vor dürfte die SPÖ die stärkste Partei in Kärnten bleiben und das Land wird im Vergleich zu anderen Bundesländern wohl nicht mehr als schlechthin die freiheitliche Hochburg gelten können. Wenn selbst im traditionell für die FPÖ schwierigen Nieder­österreich die blaue Riege stärker oder nahezu gleich stark wie die Kärntner FPÖ ist, kann man das klar erkennen. Der freiheitliche Aufwärtstrend dürfte aber anhalten, da nach Kärnten wenige Wochen später in Salzburg gewählt wird. Und dort ist die Ausgangsposition wieder eine wesentlich andere, da die FPÖ unter der sehr talentierten Marlene Svazek dort wiederum den Landeshauptmann-Partei ÖVP beerben könnte.


Kärnten ist ­anders

24. Februar 2023

Vom Grenzland zum ­Alpen-­Disneyland

„Urlaub bei Freunden“, heißt es in der Kärnten-Werbung, wenn es in unseren Tagen darum geht, touristische Besucher in Österreichs südlichstes Bundesland zu locken. Badeurlaub an den sommerlich warmen Seen oder Schiurlaub in den Nockbergen, in den Hohen Tauern oder den Karnischen Alpen. Und das eben bei Freunden, in freundlicher Atmosphäre mit freundschaftlicher Bewirtung und Behausung.
Das Wort „Kärnten“, basierend auf der alten Bezeichnung „Karantanien“, dürfte tatsächlich vom keltischen Wort „Karant“ kommen, was nicht weniger als „Freund“ oder „Verwandter“ bedeutet. Und dieses Karantanien war im Frühmittelalter – noch vor dem Eindringen der Bajuwaren – eben ein slawisches Fürstentum, eine frühe territoriale Entität in der Nachfolge der römischen Provinz Binnen-Noricum und des alten keltischen Königreichs Norikum, der ersten Staatlichkeit auf österreichischem Boden.
Und das ist es schon einmal, was zuallererst Kärntens Besonderheit im Vergleich mit den anderen österreichischen Bundesländern ausmacht. Es hat die älteste Geschichte als staatliche oder quasistaatliche Einheit auf dem Gebiet der heutigen Republik, weit älter als die Babenberger Mark, älter als das Erzbistum Salzburg und das Herzogtum Steiermark. Offenbar hatten die norischen Kelten bereits so etwas wie eine gemeinschaftliche Verwaltung. Nach ihnen war die römische Provinz mit der großen Metropole Virunum bereits ein festgefügtes Gemeinwesen. Und auch das slawische Fürstentum Karantanien verfügte über administrative Strukturen, die im übrigen Ostalpenraum ihresgleichen suchten.
Die Ursache für diese frühe zivilisatorische Entwicklung des Kärntner Raumes liegt naturgemäß in seiner landschaftlichen und klimatischen Vorzugslage. Das Klagenfurter Becken als größtes inneralpines Becken der Ostalpen, in geschützter Lage mit natürlichen Grenzen und noch dazu klimatisch begünstigt, bot optimale Bedingungen für eine frühe Besiedlung und damit für die Entwicklung staatlicher Gemeinwesen. Die wichtigen Ostalpen-Übergänge und die alten Handelswege, die von der Ostsee, der Bernsteinstraße bis hin zur Adria, zur Balkan-Halbinsel und zur Apenninen-Halbinsel führten und die Vorkommen wichtiger Bodenschätze, des Salzes und des norischen Eisens, taten das Übrige.
Und dann war Kärnten seit dem Jahre 976 natürlich auch das älteste Reichsherzogtum auf dem Territorium des heutigen Österreich. Kein Stammesherzogtum allerdings wie Bayern, Schwaben, Sachsen oder Franken, sondern eben so etwas wie ein Amtsherzogtum, dessen Verwalter vom deutschen König und römischen Kaiser direkt gemäß seines Vertrauens eingesetzt wurden.
Und dennoch war Kärnten bis herauf ins 20. Jahrhundert tiefste Provinz. Dies deshalb, da es Mitte des 14. Jahrhunderts eben von den Habsburgern übernommen wurde und seitdem über lange Jahrhunderte immer von außen, von Wien, Graz oder sogar von Laibach reagiert und verwaltet wurde. Es konnte sich neben der alten und immer relativ bescheidenen Herzogstadt Sankt Veit und der ständischen Hauptstadt Klagenfurt keine wirkliche Großstadt entwickeln, es hatte keine Universität und eine höhere Beamtenschicht gab es mangels Regierung auch nicht.
Kärnten besaß also eine uralte eigene Staatlichkeit, es hatte neben den keltoromanischen Ursprüngen trotz der bajuwarischen Landnahme überaus prägende slawische Wurzeln und es war tiefste Provinz. Dieser eigenwillige Provinzialismus und die einzigartige Mischung am Schnittpunkt zwischen romanischer, slawischer und germanischer Welt, auf keltischem Urgrund, bedingte die Entwicklung der einzigartigen Kärntner Mentalität.
Um Klischees zu bemühen: keltische Trinkfreude, romanischer Kunstsinn, slawisches Gemüt und bajuwarische Schaffenskraft formten unter südlicher Sonne zwischen Karawanken und Hohen Tauern jenen Menschenschlag, der gemeinhin zwar als eigenwillig, aber auch als sangesfreudig, gesellig und frohgemut gilt.
Aber nicht immer im Lauf ihrer Geschichte konnten die Kärntner jedermanns Freund sein. Im Zuge des Nationalitätenstreits des 19. Jahrhunderts und des Zerfalls der Habsburger Monarchie wurde Kärnten schlagartig Grenzland. War es bis 1918 inmitten der Donaumonarchie gelegen, umgeben vom Herzogtum Steiermark, dem Herzogtum Krain, dem benachbarten Friaul und Tirol, lag es nunmehr plötzlich an der Grenze. Und zwar an einer höchst umstrittenen, blutig umkämpften Grenze.
Und es musste nahezu ein Jahrhundert vergehen, mit zwei Weltkriegen, einem Abwehrkampf, dem Überfall Nazi-Deutschlands auf den SHS-Staat und den territorialen Ansprüchen Tito-Jugoslawiens bis hin zum EU-Beitritt Österreichs, bis das Land diese Grenzland-Situation zu überwinden vermochte.
Erst jetzt liegt Kärnten wieder inmitten des Alpen-Adria-Raums im Zentrum der Europäischen Union und kann somit seinem eigentlichen Schicksal, nämlich jedermanns Freund zu sein, wieder gerecht werden. Damit ist aus dem Grenzland Kärnten das Tourismusland Kärnten geworden, so etwas wie ein Alpen-Disney-Land, in dem sich die Reichen und Schönen rund um die Seen tummeln.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist Kärnten, das einst schlechthin als das Bergbauland der Monarchie galt – mit Eisenerz, Blei, Magnesit und anderen Bodenschätzen – nach dem dramatischen Bauernsterben der letzten Jahrzehnte und der nicht minder dramatischen Reduktion von Handwerk und Gewerbe doch auf dem Wege, neben dem Tourismus so etwas wie ein innovatives Hightech-Eldorado zu werden. Leitbetriebe wie Infineon in Villach sorgen überdies in einem über lange Jahre durch Abwanderung geprägten Land für so etwas wie einen positiven „Braindrain“, also die Zuwanderung höchst qualifizierter Fachleute aus dem Ausland. Auch aus dieser Perspektive vermag Kärnten also wieder jenes Land zu sein, in dem man eben Freund ist.
Wobei man dies sogar in Hinblick auf das politische Klima im Lande zu sagen vermag. Nachdem der Volksgruppen-Konflikt, die Auseinandersetzung zwischen der Deutschkärntner Mehrheitsbevölkerung und der slowenischen Volksgruppe weitestgehend beigelegt ist und nur mehr in marginalisierten Restbeständen dahinglost, spielt der aus dem 19. Jahrhundert tradierte Nationalitätenstreit keine wirkliche Rolle mehr. Allenfalls gilt es, Sorge dafür zu tragen, dass die slowenische Sprache und Kultur im Zuge der Nivellierungsprozesse im Zeitalter der Globalisierung nicht völlig im Lande verschwindet.
Und nachdem die Folgen der ökonomischen Abenteuer, die nach den Jahren des auch immer wieder catilinarischen Regiments des Bärentalers für Milliarden–Belastungen des Landes sorgten, überwunden sein dürften, schließen sich auch diesbezüglich die Gräben zwischen den politischen Konkurrenten. Und so ist es im heutigen Kärnten offenbar tatsächlich möglich, auch über ideologische und tagespolitische Differenzen hinweg „Freund“ des Andersdenkenden zu sein, „Karantaner“ eben, wenn man so will.


Die Wiederkehr des deutschen Militarismus

10. Februar 2023

Satte 100 Milliarden Euro will die rot–grün–gelbe Regierung der Bundesrepublik Deutschland in ihre Armee pumpen. So ließ es uns Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges wissen. Man werde die in den letzten Jahrzehnten nahezu totgesparte Bundeswehr massiv aufrüsten und solcherart in der NATO, beziehungsweise in deren europäischem Teil, wiederum zum stärksten militärischen Partner werden.
Und abgesehen von dieser bisher nur als Ankündigung erfolgten Aufrüstung der bundesdeutschen Armee hat sich in der politischen Landschaft Deutschlands so etwas wie eine allgemeine Kriegsbegeisterung breitgemacht. Allen voran die einst als Pazifisten geltenden Grünen, gefolgt aber auch von der christdemokratischen Opposition, ist man für massive Waffenlieferungen an die Ukraine und damit für eine weitere Eskalation des militärischen Konflikts in Osteuropa. Zuvor hatte es insbesondere von linker Seite immer geheißen, von deutschem Boden dürfte kein Krieg mehr ausgehen, nunmehr möchte man am liebsten neben den Leopard-Panzern auch Jagdflugzeuge, Kriegsschiffe und möglicherweise auch Kampftruppen für den Krieg gegen Russland stellen. Am zurückhaltendsten war diesbezüglich noch Bundeskanzler Olaf Scholz mit seiner SPD. Doch auch auf ihn war letztlich der Druck so stark, dass er sich diesem allgemeinen neuen deutschen Bellizismus fügen musste.
Kritische Beobachter fragen sich nun, ob der alte gefürchtete deutsche Militarismus nunmehr im grünen Gewande fröhliche Urständ feiert. Tatsächlich sind es vor allem führende Grün-Politiker, die sich in Deutschland als Kriegstreiber profilieren. Die Außenministerin Frau Baerbock erklärt den Russen leichterhand gleich den Krieg, der grüne Star Habeck plädiert für massive Waffenlieferungen, und der bayerische Grüne Hofreiter würde am liebsten offenbar bereits in Uniform vor die Kameras treten. Die einstigen friedensbewegten Ostermarschierer und deklarierten Pazifisten scheinen plötzlich eine merkwürdig vertraute deutsche Freude für Militär und Krieg entwickelt zu haben.
Tatsächlich hat der deutsche Militarismus ja eine glorreiche, aber auch höchst fatale Geschichte, eine Geschichte, die in hohem Maße mit Preußen und dem Preußentum zu tun hat. Und genau das war wohl auch der Grund, warum die alliierten Kriegssieger den Staat Preußen nach 1945 für aufgelöst erklärten. Der Große Generalstab, Stechschritt, Pickelhauben und feldgraue Uniformen sollten jedenfalls der Vergangenheit angehören.
Begonnen hatte alles mit den „langen Kerls“, die der erste König von Preußen als Kern seiner neuen schlagkräftigen Armee um sich sammelte. Und weiter ging’s mit dieser preußischen Armee und ihren glorreichen Siegen unter Friedrich dem Großen, vorwiegend gegen Österreich und Maria Theresia. Und dann kamen die Befreiungskriege gegen Napoleon und die Reformen eines Clausewitz und die Entwicklung des preußischen Generalstabs, der über nahezu zwei Jahrhunderte eine schier unüberwindliche Militärmaschinerie befehligte. Die triumphalen Siege von Königgrätz und dann bei Sedan bildeten wohl die Höhepunkte in der Erfolgskette dieser Militärmaschinerie. Im Ersten Weltkrieg allerdings sollte diese dann unter der Führung von Hindenburg und Ludendorff trotz opferreicher Siege letztlich erfolglos bleiben. Und im zweiten großen Krieg sollte dieser preußisch-deutsche Militarismus trotz der beeindruckenden Erfolge in den Blitzkriegen schließlich seine finale welthistorische Niederlage erleiden. Und das war’s dann….
Alles, was an deutscher Militärgeschichte danach kam, war eigentlich dem Kalten Krieg zwischen den Supermächten geschuldet. Die Neuaufstellung der Bundeswehr – zum großen Teil wohl mit gedienten Wehrmachtsoffizieren – zeitigte den „Bürger in Uniform“ mit „innerer Führung“. Und diese Bundeswehr war eine Armee mit massiven Legitimationsproblemen und ebenso großen Identifikationsproblemen. Die alte deutsche Tradition des Soldatentums und des Militarismus galten als Tabu, die Rolle der Armee in der neuen deutschen Demokratie war ungeklärt.
Eine klare Aufgabenstellung für die Bundeswehr gab es im Grunde nur im Rahmen des nordatlantischen Militärbündnisses NATO. Dort sollte die Armee der Bundesrepublik Deutschland so etwas wie den Festlandsdegen der US-Amerikaner gegen den Warschauer Pakt spielen. Klar war jedenfalls, dass im Falle einer wirklichen militärischen Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt Deutschland der Kriegsschauplatz gewesen wäre und die Armeen in der beiden deutschen Staaten, in die Bundeswehr und die Nationale Volksarmee der DDR, an vorderster Front gegeneinander gestanden wären.
Mit dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts und dem Ende der sowjetischen Hegemonie über Osteuropa, sowie der darauffolgenden kleindeutschen Wiedervereinigung war diese Aufgabenstellung der Bundeswehr hinfällig. Zwar war sie dann mit der Frage konfrontiert, ob sie legitimerweise an internationalen Einsätzen der NATO, etwa bei den Balkankriegen oder in Afghanistan, teilnehmen dürfe, letztlich aber erlitt sie dann über Jahre einen permanenten Niedergang. Sie wurde totgespart im Glauben, dass inmitten von EU-Staaten und NATO-Partnern auf die Bundesrepublik Deutschland eine unmittelbare militärische Herausforderung gar nie mehr zukommen könnte. Und dann kam der Ukraine-Krieg …
Sollte also nun tatsächlich seitens der aktuellen Linksregierung in Berlin eine massive Aufrüstung der Bundeswehr beschlossen und finanziert werden, wird die deutsche Armee wohl auch vor der Aufgabe stehen, sich ein neues Selbstbewusstsein und eine neue Zielrichtung zu erarbeiten. Wie weit dabei die Traditionen des preußisch-deutschen Militarismus – zumindest subkutan – wieder eine Rolle spielen werden, bleibt abzuwarten. Erinnert muss in diesem Zusammenhang daran werden, dass es auch positive Traditionen des preußischen Soldatentums gibt. Ohne patriotische Hingabe, ohne Disziplin und ohne Pflichtbewusstsein wird auch eine moderne deutsche Armee nicht existieren können.
Und überdies stellt sich natürlich die Frage, wie eine solche hochgerüstete neue deutsche Armee in ein europäisches Sicherheits- und Verteidigungssystem eingefügt wird und welche Rolle sie künftig innerhalb der NATO spielen soll. Die Antwort darauf hängt natürlich von der zukünftigen Positionierung der Europäischen Union gegenüber der westlichen Supermacht USA ab. Wenn die Europäer weiterhin nur die machtpolitischen Trittbrettfahrer der USA im Rahmen der NATO bleiben und die militärische Führung vorbehaltlos dem Pentagon überlassen, wird auch die erneuerte deutsche Bundeswehr letztlich nur eine Hilfstruppe der US-Army bleiben. Ob sie damit gemäß ihrem Fahneneid ausschließlich dem Wohl und Wehe des deutschen Volkes dient, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.


Die Anti-FPÖ-Kampagne bricht los

10. Februar 2023

Der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Waldhäusl gilt nicht gerade als Intellektueller. Er pflegt aber offenbar als einigermaßen schlichtes Gemüt aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen und das zu sagen, was er sich denkt. Eine durchaus löbliche und für einen Politiker keineswegs selbstverständliche Eigenschaft.
Dieser Tage sollte ihm das aber zum Verhängnis werden. Als er in einer Fernsehdebatte auf die ganz offenbar inszenierte Anfrage eine Schülerin mit Migrationshintergrund meinte, Wien wäre noch Wien, wenn ihresgleichen, beziehungsweise ihre Eltern aufgrund schärferer Zuwanderungsgesetze nicht ins Land gekommen wären, brach der Shitstorm los. „Rassist“, „aufrechter Nazi“, „und jenseitige Dumpfbacke“, das waren noch die harmlosesten Attribute, die er sich gefallen lassen musste.
Und gleichzeitig waren nach der niederösterreichischen Landtagswahl die Gazetten des Landes voll von Berichten und Analysen über den offenbar unaufhaltsamen Aufstieg der Kickl-FPÖ. Wobei der Fokus natürlich darauf lag, wie man die FPÖ stoppen könnte. Und natürlich zeichnen sich die ersten Berichte über mutmaßliche Skandale in den blauen Reihen ab. Da wären angeblich russische Rubel geflossen, um die Freiheitlichen im Parlament zu Kreml-freundlicher Agitation zu bewegen und überhaupt wären Kickl und seine FPÖ so etwas wie die dritte Kolonne Russlands. Das Muster, das hinter dieser nun offenbar anhebenden Kampagne steht, ist wohlbekannt: Immer, wenn die Freiheitlichen zu stark werden, wenn sie durch Fundamentalopposition bedrohlich an Wählersympathie gewinnen und speziell dann, wenn sie vor dem Sprung in Regierungsverantwortung stehen, ertönt der Chor der politisch korrekten Jagdgesellschaft. Und es sind die üblichen Verdächtigen: Die linken und linksliberalen Medien „Standard“, „Falter“, „Profil“, die Wortspende der linken Parteien, allerdings auch die Vertreter der Regierungsparteien, die vollmundig und entschieden vor den Gefahren einer allzu starken FPÖ warnen.
Man darf gespannt sein, welche Skandale, „Einzelfälle“ nannte man dies während der letzten Regierungsbeteiligung der FPÖ, in den nächsten Monaten aus den medialen Wundertüten gezaubert werden. Die Konzepte für solche Anti-FPÖ-Kampagnen sind gewiss von den Spin-Doktoren der politischen Mitbewerber und in den Redaktionsstuben längst erarbeitet worden. Die zentralen Themen dieser zu erwartenden Kampagnen stehen auch schon fest: zu große Russland-Nähe, Geld von Putin, Rechtsradikalismus, Rassismus und gewisse Kontakte zu irgendwelchen Neonazis. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass den Gegnern der FPÖ nie etwas Neues einfällt. Nach demselben Muster hat man vor 25 Jahren schon gegen Jörg Haider kampagnisiert. Danach gegen Strache und nunmehr gegen Kickl. Erfolgreich waren all diese Kampagnen wie wir wissen nicht. Die Menschen im Lande, die freiheitlichen Wähler, gingen den Gegnern der FPÖ kaum auf den Leim. Ihr Ziel konnten sie nur erreichen, wenn die Freiheitlichen selbst zu schwach waren, dem zu widerstehen. Wenn sie sich eigene Leute herausschießen ließen und in die Falle der political correctness gingen. Gerade diesbezüglich allerdings dürfte der gegenwärtige FPÖ-Chef wesentlich hartleibiger sein als seine Vorgänger Strache und Haider.


Vom Ende der Solidar­gemeinschaft

1. Februar 2023

Unser Sozialsystem ist längst dramatisch überfordert. Die Solidargemeinschaft, die dieses Sozialsystem trägt, existiert im Grunde nur mehr in Restbeständen. Und der Generationenvertrag, der zur Erhaltung dieser Solidargemeinschaft notwendig ist, droht auch, obsolet zu werden. Die Ursachen für diese unselige Entwicklung sind vielfältig. Zum einen ist es natürlich die Überalterung, die daran schuld ist. Es gibt einfach im Vergleich zu den zu erhaltenden Pensionisten zu wenig jüngere Menschen im Arbeitsprozess als Einzahler ins Sozialsystem. Zum anderen ist es das allgemeine Sinken der Leistungsbereitschaft in unserer Gesellschaft und der ständig wachsende Hedonismus, das Streben nach egoistischer Selbstverwirklichung und der mangelnde Altruismus, der dazu führt. Und zu all diesen Dekadenzerscheinungen kommt dann noch die Massenzuwanderung von Menschen, die bislang nicht in unser Sozialsystem eingezahlt haben und mangels Integration und Brauchbarkeit für den Arbeitsprozess keine Leistungen in dieses System einbringen, sondern dieses vielmehr massiv belasten.
Das bislang bei uns geltende Sozialsystem mit all seinen Facetten, der Krankenversicherung, der Pensionsversicherung und der allgemeinen Absicherung von sozial Schwachen, Erkrankten und Erwerbsunfähigen, stammt bekanntlich aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Im wilhelminischen Deutschland war es die Bismarcksche Sozialgesetzgebung und sowohl dort als auch in der Habsburgermonarchie war natürlich die junge Sozialdemokratie eine treibende Kraft beim Entstehen dieses Sozialsystems.
Seine vollständige Ausformung fand dieses Sozialsystem sowohl in Deutschland als auch in Österreich erst in den Jahren der Republik nach dem Ersten Weltkrieg. Einen weiteren Schub erlebte die Sozialgesetzgebung während des Dritten Reichs, das sich explizit auf die Volksgemeinschaft bezog. Diese romantische Idee der Volksgemeinschaft, geboren im Nationalismus, der Zivilreligion des 19. Jahrhunderts, war es, die genuin die Basis für unsere Sozialsysteme schuf. Die Idee von einem geschlossenen Volkskörper, in dem alle gleichermaßen so etwas wie eine Basisversorgung erhalten sollten, die Leistungsstarken ebenso wie die sozial Schwachen, Kranken, Behinderten und Bedürftigen, ermöglichte die Entwicklung einer Solidargemeinschaft, die ein solches Sozialsystem ermöglichen und vor allem finanzieren sollte.
Dazu war eben nicht nur eine alle sozialen Schichten übergreifende Solidarität notwendig, sondern auch so etwas wie ein Generationenvertrag. Diesem entsprechend sollten Generationen in die Sozialkassen einzahlen, wobei die Eltern die Kindererziehung finanzieren sollten und die Jungen die Renten der älteren Generation. Das damit mögliche Versicherungssystem, wonach jede Generation in die Kassen einzahlen und jede Generation gleichzeitig die vorherige finanziert, funktioniert eben nur über Generationen.
Mit der Diskreditierung der Idee von der Volksgemeinschaft, die wegen der Verbrechen des Nationalsozialismus wohl zwangsläufig erfolgte, brach die Basis für diese generationenübergreifende Solidargemeinschaft eigentlich schon zusammen. Mit der zuvor geschilderten Entwicklung hin zu einer hedonistischen Gesellschaft und der parallel dazu erfolgten Massenzuwanderung von Menschen, die niemals adäquate Leistungen für die Sozialkassen erbrachten oder erbringen werden, war diese Solidargemeinschaft im Grunde hinfällig geworden. Nunmehr existiert sie gewissermaßen nur mehr in ihren Ausläufern und wird nach dem Motto „Loch auf, Loch zu“ über die kritischen Jahre gerettet. Und überdies ist sie nur mehr durch massive Zahlungen des Staates aus dem Steueraufkommen lebensfähig, aus ihrer eigenen Finanzierungskraft längst nicht mehr.
Die logische Folge dieses indessen offenbar unabänderlich gewordenen Endes der Solidargemeinschaft ist die Rückkehr zu einem Klassen- und Kastensystem im Bereich des Sozialwesens. Ähnlich wie in den USA wird es bestenfalls eine rudimentäre Basisversorgung geben und wirklich aufwendige und den wissenschaftlichen Standards der Zeit entsprechende Leistungen und Behandlungen wird es nur mehr für jene geben, die es sich leisten können, die dafür bezahlen. So etwas wie eine Zwei- oder Drei-Klassen-Medizin ist die logische Folge dieser Entwicklung.
Und natürlich wird es auch im Bereich der Altersversorgung maximal eine überaus geringfügige Basispension geben und darüber hinaus gehende, bis hin zum wirklichen Luxus reichende Pensionen wird es nur für Menschen geben, die dafür im Laufe ihres Arbeitslebens massiv bezahlen konnten. Selbstversorgung und Eigeninitiative in Hinblick auf Lebensversicherungen und ähnliches werden die einzige Möglichkeit sein, dieses heruntergefahrene Sozialsystem für die individuelle Versorgung aufzubessern.
In der multiethnischen Konflikt- und Ghetto-Gesellschaft, auf die wir offenbar auch im deutschsprachigen Mitteleuropa zusteuern, wird es also Sozialsysteme, die auf einer Solidargemeinschaft und einem Generationenvertrag basieren, im gesamtstaatlichen Bereich wohl nicht mehr geben. Ersetzt werden könnten diese bislang bestehenden Sozialsysteme vielleicht durch ein Wiederbeleben familiärer Verbände oder Sippenverbände oder durch einen sozialpolitischen Tribalismus, in dem gewisse Gruppen die Versorgung ihrer Mitglieder in sozialer Hinsicht übernehmen. Und dazu kommt eben die Selbstversorgung entsprechend begüterter Menschen und reicher Familien. In den Elendsvierteln und Parallelgesellschaften der Zukunft wird es so etwas wie gesamtstaatliche Volksgemeinschaft nicht mehr geben können
Was dieses Wegfallen der bisherigen, mit unserem Sozialsystem verbundenen Gefühle der sozialen Sicherheit für die Menschen in unserem Lande bedeuten wird, ist noch nicht abzusehen. Sicher ist jedenfalls, dass ein solches Wegbrechen der sozialen Sicherungssysteme den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt noch weiter schwächen wird. In einer fragmentierten und gespaltenen Gesellschaft wird es damit zweifellos zusätzlich zu Verteilungskämpfen und zu Auseinandersetzungen im Bereich des Arbeitsmarkts, des Wohnungsmarktes und der Bildungschancen kommen müssen.
Mit dem Zusammenbruch und Obsoletwerden der als nationalsozialistisch stigmatisierten Volksgemeinschaft sind auch die anderen Nebenerscheinungen derselben, nämlich gesamtgesellschaftliche Solidarität in allen eben genannten Bereichen, weggefallen. Ein Verlust, der durch die Klassen-Solidarität, wie sie die Sozialdemokratie und der Marxismus predigten, längst nicht mehr ausgeglichen werden kann, da es eben kein Klassenbewusstsein und keine Arbeiterklasse mehr gibt.
So könnte es sein, dass die Sozialsysteme, wie wir sie jetzt über ein Jahrhundert im deutschsprachigen Mitteleuropa genießen konnten, nur eine kurzfristige Episode in der Sozialgeschichte Europas darstellen. Davor war es eben der Feudalismus und danach wird es ein System sozialer Ungleichheit sein, und die Solidargemeinschaft wäre nur eine historische Erinnerung.