Willkommens-Abfuhr

28. September 2015

Zur gleichen Zeit, da am vergangenen Sonntag die Oberösterreicher zu den Wahlurnen strömten, zog die Flüchtlingskarawane zu Tausenden vom Salzburger Hauptbahnhof in Richtung der Grenzübergänge Freilassing und Walserberg. Weitgehend junge Männer belagerten dort die Polizeisperren, um dann über kurz oder lang doch von deutschen Polizeibussen abgeholt zu werden. Auf nach München, um das Gutmenschen-Zeremoniell der Willkommenskultur über sich ergehen zu lassen.

Das zur gleichen Zeit zustande gekommene oberösterreichische Wahlergebnis zeitigte indessen so etwas wie eine „Willkommens-Abfuhr“: Ein gutes Drittel der Wahlbürger im Lande ob der Enns erteilten den etablierten politischen Parteien, insbesondere den schwarz-grünen Koalitionären, einen verheerenden Denkzettel. Die biedere und durchaus gutbürgerliche FPÖ des jungen Manfred Haimbuchner konnte einen wahren Erdrutschsieg für sich verbuchen und wird wohl in Hinkunft zum einzig wirklich gestaltenden Element der oberösterreichischen Landespolitik aufsteigen. Dem sachpolitisch durchaus maßvollen, in den blauen Kernthemen aber durchaus konsequenten Jungstar Haimbuchner ist dies zuzutrauen. Und eine Negierung des Wählerwillens wie sie etwa in der Steiermark nach einem ähnlichen freiheitlichen Wahlerfolg beschlossen wurde, indem man die freiheitlichen Herausforderer weiterhin ausgegrenzt, wird in Oberösterreich wohl unmöglich sein.

Ganz abgesehen aber von der landespolitischen Dimension dieses Erdrutschsieges stellt dieses Wahlergebnis ein wahres Menetekel für die kommenden Wiener Wahlen dar: Michael Häupl wird sich warm anziehen müssen. Das Votum von 1,2 Millionen oberösterreichischen Wahlbürgern wird den Wiener Blauen, wo HC Strache ja der unmittelbare Spitzenkandidat ist, zweifellos noch weitere Schubkraft verleihen. Und die rote Hochburg Wien könnte ebenso wie die schwarze Hochburg Oberösterreich gehörig ins Wanken geraten. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen im Duell Häupl-Strache wird ja bereits allenthalben prognostiziert. Und genauso einig sind sich die politischen Kommentatoren und Wortspender darüber, dass vorrangig das Asylchaos und die Flüchtlingssituation Ursache für diese Wahlergebnisse sind. Im Gegensatz zur offenbar akkordierten und medial durchgeschalteten veröffentlichten Meinung, wonach das gesamte Land in der Euphorie der viel zitierten Willkommenskultur verharrt, scheinen die Menschen schlicht und einfach das Gegenteil zu denken. Sie sind offenbar entsetzt beim Gedanken, welche sozialen, kulturellen und politischen Folgen der unkontrollierte Massenzustrom von weitgehend muslimischen Flüchtlingen für unser Land und unser Gesellschaftssystem haben werden. Und sie ahnen, was auf sie an Belastungen und insgesamt auf das Land an potentiellen Konflikten zukommen wird.

Somit hat der Wähler den regierenden Parteien und den etablierten Medien des Landes wahrlich so etwas wie eine Willkommens-Abfuhr erteilt. Und mit einem geradezu brutalen Votum deutlich gemacht, dass er künftig seine Stimme zum guten Teil jenen politischen Kräften geben wird, die sich dem Asylchaos und der unkontrollierten Massenzuwanderung entgegenstelle. Die Verantwortung, die sich aus diesen Wahlergebnissen für Manfred Haimbuchner in Oberösterreich, aber auch für Heinz-Christian Strache in Wien ergibt, stellt aber die Kehrseite dieser Medaille dar. Sie werden beweisen müssen, dass sie in der Lage sind, die katastrophalen Entwicklungen zu stoppen oder zumindest einzudämmen und in der Flüchtlingsfrage alternative politische Strategien entwickeln zu können. Angesichts der gewaltigen Schwierigkeit dieser Aufgabe muss man sich fragen, ob beide für ihre Wahlsiege wirklich zu beneiden sind.


Meltingpot Österreich?

25. September 2015

Die gegenwärtige Flüchtlingswelle wird das Gesicht Europas verändern, heißt es. Zweifellos auch das Gesicht Österreichs, da allein in diesem Jahr geschätzte 100.000 Menschen, Kriegsflüchtlinge aus Syrien, aber auch Wirtschaftsflüchtlinge aus allen anderen Teilen der Welt, ins Land kommen. Und möglicherweise war das erst der Anfang, und die globalen Migrationsströme bescheren uns auch in den kommenden Jahren auf ähnliche Weise einen gewaltigen Bevölkerungszuwachs. Zusammen mit dem darauf zwangsweise folgenden Familiennachzug wird das für die kleine Alpenrepublik eine völlige Neustrukturierung der ethnisch-kulturellen Zusammensetzung der Bevölkerung nach sich ziehen. Syrer, Iraker, Afghanen, Pakistani, sie werden in größerer Zahl zur Wohnbevölkerung der Republik zählen als die Angehörigen der autochthonen Minderheiten wie etwa die Kärntner Slowenen oder die burgenländischen Kroaten.
Nun hören wir, dass Österreich schon immer multikulturell war. Was sei da seit dem Ende des Römischen Reiches nicht alles an Völkern durchgezogen durch den Alpen- und Donauraum. Nach den Kelten und Romanen seien die diversen Völkerwanderungsethnien germanischen Ursprungs, schließlich die alten Slawen, die Awaren und dann eben auch die Bayern gekommen. Später dann, in der jüngeren Vergangenheit, kam die Donaumonarchie: War das nicht ein Schmelztiegel der alpendeutschen Bevölkerung mit romanischen und slawischen Völkerschaften, mit Magyaren und dem jüdischen Element? Und erst seit 1945, als hunderttausende Vertriebene ins Land kamen, Volksdeutsche zwar aus dem Sudetenland, vom Balkan, aber sicher auch Zuwanderer, ist Österreich also ein klassisches Einwanderungsland?
Richtig ist jedenfalls, dass es in den zweieinhalbtausend Jahren unserer fassbaren Geschichte zahlreiche Überschichtungsprozesse, Zuwanderungs- und Verdrängungsprozesse gab, die schließlich den Homo Austriacus schufen, jenes grantelnde, künstlerisch jedoch hochbegabte, zwischen Opportunismus und Pessimismus schwankende Wesen, das sich mit Fug und Recht als gelernter Österreicher bezeichnen darf. Warum sollten da also nicht jetzt auch orientalische, afroasiatische Elemente hinzukommen, die nach ungarischem Gulasch, böhmischen Knödeln, nach Ćevapčići eben auch Hammelaugen und Couscous hinzufügen werden?
Aber ganz abgesehen von solchem Multi-Kulti-Optimismus gibt es zwischen der aktuellen Zuwanderungswelle – die Asylsuchenden sind letztlich ebenso wie Wirtschaftsflüchtlinge Zuwanderer – und den genannten historischen Migrationsströmen der jüngeren Zeit große Unterschiede: Die Vertriebenen der Kriegs- und Nachkriegsjahre waren großen Teils volksdeutsche Altösterreicher und solcher Art gewissermaßen Angehörige der eigenen Kultur, die im Zuge nationaler Solidarität integriert werden konnten. Und was in der Ära der Habsburger Monarchie die Zuwanderung aus den Kronländern betrifft, so erfolgte diese aus benachbarten, kulturell und konfessionell nahestehenden Gebieten, die durch die gemeinsame Dynastie und eine gemeinsame Staatsidee miteinander verbunden waren.
Heute ist es Massenzuwanderung aus außereuropäischen Bereichen mit völlig fremder Sprache und Kultur, wobei das Faktum, dass die meisten der Zuwanderer Moslems sind, im Hinblick auf eine zukünftige Integration erschwerend hinzu kommt. Überdies sind die Masse der gegenwärtigen Zuwanderer und die Schnelligkeit des Migrationsprozesses selbst in unseren Tagen so dramatisch, dass sich die Frage stellt, ob die autochthone österreichische Gesellschaft noch die Kraft hat, integrativ zu wirken. Sollten nämlich die Integrationsfähigkeit und auch die Integrationsbereitschaft der angestammten Bevölkerung nicht mehr entsprechend gegeben sein, muss sich zwangsläufig so etwas wie eine multiethnische Kasten- und Ghettogesellschaft bilden. Diese wäre weniger durch Multikultur als durch Multikonflikt-Situationen geprägt und ähnlich wie in den Banlieues von Paris oder in den Farbigen-Vierteln der englischen Industriestädte bestünde die Gefahr eines latenten permanenten Bürgerkriegs. Die herkömmliche europäische Rechtsstaatlichkeit, die parlamentarische Demokratie und unsere gewachsenen Sozialsysteme mit Generationenvertrag und gesellschaftsübergreifenden Solidarität müssten in einer solchen Situation nach und nach zusammenbrechen. Sie wären den damit verbundenen Belastungen wohl nicht gewachsen.
Wenn Zuwanderung soziokulturell verträglich sein soll, muss sie quantitativ auf ein vernünftiges Maß beschränkt bleiben, getragen vom Respekt vor den Menschenrechten der Migranten ebenso wie vom Respekt vor der Kultur und dem Gesellschaftsmodell des Ziellandes. Gesellschaftliche Veränderung bringt Zuwanderung allemal. Ethnische Homogenität ist ein ideologischer Traum aus dem 19. Jahrhundert. Die Haltung aber einer gewissen Leitkultur, in unserem Falle also einer österreichischen, ist das legitime Recht der autochthonen Bevölkerung. Und verantwortungsvolle österreichische Politik muss sich in erster Linie diesem legitimen Ziel verpflichtet fühlen.


Ein Untoter namens Jörg

23. September 2015

Inzwischen wäre er über 65, dem Alter nach also Pensionist. Oder doch in Sachen Hypo Kunde des heimischen Strafvollzugs – mit Fußfessel etwa? Oder doch nach wie vor politischer Grenzgänger, der sich listenreich als Volkstribun im gegenwärtigen Asylchaos ein weiteres Mal zu profilieren verstünde?
Wie auch immer, nunmehr ist Jörg Haider, vormals nahezu ein Jahrzehnt Landeshauptmann von Kärnten, jedenfalls schon sieben Jahre tot. Und doch geistert er immer wieder durch die Medien, ein politischer Untoter gewissermaßen. Nicht nur, weil seine parteipolitischen Epigonen am Ort seines Unfalls alljährlich zu einem einigermaßen skurrilen Memorialritual laden. Sondern auch als Protagonist in Film- und Druckwerken, Vorgeführt zu guter Letzt von Möchtegern-Witwe Petzner, der in Buchform vorgibt, seinen Lebensmenschen entzaubern zu wollen und sich doch nur selbst entblödet, den geläuterten Warner vor dem bösen Rechtspopulisten zu spielen.
Oder davor vom ehemaligen ORF-Anchorman, der nunmehr im Straßburger EU-Parlament in Vergessenheit gerät, in einem nicht minder feindlichen Kriminalroman „Der Tod des Landeshauptmanns“, verursacht von kroatischen Mafiosi, israelischen Mossad-Agenten – wer weiß. Und davor all jene Elaborate der diversen Verschwörungstheoretiker, die den verunfallten Phaeton-Lenker zum Attentatsopfer stilisierten. Oder auch in einem Kinofilm einer belgischen Filmemacherin, die nahezu naiv „Fang den Haider“ postuliert, um den Bärentaler politisch absolut korrekt in der über weite Strecken lächerlich anmutenden Filmreflexion als Schutzherrn des Kärntner Blondviehs und als Warnung vor anderen zeitgenössischen europäischen Rechtspopulisten an den Pranger zu stellen.
Dass Haider so etwas wie eine catilinarische Persönlichkeit war, ist heute ziemlich unbestritten, ebenso aber auch, dass er ein politisches Talent mit unerhörtem Ideenreichtum und großer Tatkraft war. Ohne ihn ist es in der Kärntner Politik jedenfalls ziemlich langweilig geworden – was viele allerdings auch als Segen empfinden. Gewiss, in seinem Umfeld tummelten sich auch Glücksritter und Korruptionisten, die nicht nur dem Land im Zuge vieler halbseidener Projekte großen Schaden zufügten, sondern gesamtösterreichisch auch nachhaltig großen Schaden für Haiders ursprüngliche politische Heimat, das national-freiheitliche Lager, verursachte.
Er war aber auch einer, der die andauernde Diffamierung des Landes, die De-facto-Bankrotterklärung Kärntens, nicht kampflos hingenommen hätte. Auch wenn er sich in der Wahl seiner Mittel durch Kleinigkeiten wie Gesetz und Moral kaum beeinflussen ließ, versuchte er zweifelsfrei für Kärnten Visionen zu realisieren: Fluglinie, Fußballstadion, Seebühne und dergleichen mehr, und sei es auch nur zum höheren Ruhm seiner selbst. Zum Pflichtprogramm der heutigen Landespolitik gehört es, all diese Projekte zu demontieren.
Angesichts der Eintönigkeit und Einfallslosigkeit eben derselben Landespolitik könnte er einem heute beinahe abgehen. So ist er ein Untoter in der Kärntner Landespolitik, aber ein Untoter, der – vielleicht Gott sei Dank – keinen Wiedergänger gefunden hat. Jörg Haider, Langzeitlandeshauptmann von Kärnten, Schrecken des rot-schwarzen Proporzsystems, erfolgreicher Oppositionsführer und Prototyp des europäischen Rechtspopulisten, verunfallt vor sieben Jahren in der Nacht nach den Feiern zum Kärntner 10. Oktober, der Kranzniederlegung in Annabichl, der Feier im Landhaushof, dem Besuch eines Schwulenlokals und einer überschnellen Autofahrt mit mordsmäßig Alkohol im Blut. Auch ein Kärntner Schicksal …


Quartiermacher

20. September 2015

Christian Konrad, einst allmächtiger Raiffeisen-Boss und nunmehr im Auftrag der Bundesregierung Flüchtlingskoordinator, lässt uns in seiner neuen Funktion als Quartiermacher für die Asylsuchenden wissen, dass „das Boot noch längst nicht voll“ sei und, dass wir „das stemmen werden“. Von jährlich etwa 80.000 Zuwanderern ist die Rede, die unser Land dem Vernehmen nach verkraften könnte. Eine Anzahl, die angesichts des gegenwärtigen Flüchtlings-Tsunamis vielleicht sogar zu nieder gegriffen ist. Von den mindestens 200.000 Menschen, die dem Vernehmen nach gegenwärtig auf der Balkanroute von Griechenland aus unterwegs in Richtung Mitteleuropa sind, könnten nämlich weit mehr in Österreich hängen bleiben, allzumal wenn Deutschland die Grenzen wirklich dicht machen sollte.

Ganz abgesehen davon, dass diese 80.000 jährlichen Zuwanderer auf ein Jahrzehnt gerechnet auch nahezu eine Million Menschen wären, muss uns aber klar sein, dass hier aufgrund des mit Sicherheit auf uns zukommenden Familiennachzugs eine Vervielfachung an Zuwanderern auf uns zukäme.

Auch wenn die Medien sich mit Vorliebe bemühen, im Flüchtlingsstrom vorzugsweise Familien, Frauen und Kinder abzubilden, ist es, wie die Nahostexpertin Karin Kneissl im ORF erklärte, eine Tatsache, dass etwa 80 Prozent der Flüchtlinge junge Männer seien. Und diese werden in den allermeisten Fällen von ihren Familien, ja von ganzen Sippen aus Syrien, dem Irak und anderen Krisengebieten nach Mitteleuropa, vorzugsweise nach Deutschland entsandt, um gewissermaßen als Quartiermacher zu fungieren. Die ganze Großfamilie steuert entsprechend Geld bei, um dem jungen Mann die kostspielige Reise nach Europa zu bezahlen, die Bezahlung der Schlepper, des Handys und diverser Transportmittel zu finanzieren. Dafür hat er dann den Familiennachzug zu bewältigen.

Kanzler Faymann betonte auch nach seinem jüngsten Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel, dass jeder, der Asyl wolle, kommen könne. Er verschwieg uns natürlich, dass jene, deren Asylgesuch abgelehnt wird – also der weitaus größte Teil der gegenwärtigen Flüchtlinge – auch im Land bleiben dürften. Abschiebungen gibt es nämlich de facto nicht mehr, und schon gar nicht wird man in den kommenden Jahren Zehntausende, ja Hunderttausende abschieben. Massenabschiebungen sind politisch-psychologisch und auch organisatorisch im heutigen Europa schlicht undenkbar. Auch jene, die ohne wirklichen Asylgrund ins Land kamen, werden also als Quartiermacher für ihre Familien und Sippen fungieren können. Ob Herr Konrad und andere Schönredner des gegenwärtigen Asylchaos uns auch dann noch sagen werden, dass das Boot nicht voll sei, bleibt abzuwarten.


Und Orbán hat doch Recht

18. September 2015

Was musste sich der immerhin von zwei Drittel seiner Bevölkerung demokratisch legitimierte ungarische Regierungschef in den vergangenen Tagen und Wochen nicht alles anhören: Er sei ein „Rechtsnationalist“ mit fragwürdigem Demokratieverständnis, er verachte die europäischen Werte, und den Vogel schoss dabei der Herr vom Wiener Ballhausplatz ab – seine Flüchtlingspolitik erinnere an die düstersten Zeiten des Kontinents. Sprich, das ungarische Auffanglager Röszke erinnere an Auschwitz.
Und auch wenn diese einigermaßen einfältige Gleichsetzung – im Grunde eine grobe Verharmlosung des Holocaust – rundum auf Ablehnung stieß, bleibt Viktor Orbán bis auf Weiteres der Buhmann Europas. Vereinzelte Stimmen, wie etwa jene der bayrischen CSU, die darauf hinweisen, dass er nur geltendes EU-Recht umgesetzt habe, finden bislang noch wenig Gehör. Und tatsächlich sind die Maßnahmen Viktor Orbáns jene, die der deutsche Innenminister De Maizière vor wenigen Tagen bei der Bekanntgabe der Schließung der deutschen Grenzen lautstark verlangte: Dass nämlich die EU-Außengrenze gesichert werden müsse und dass Asylsuchende gemäß den Dublinbestimmungen ordnungsgemäß im ersten EU-Land, das sie betreten, registriert werden müssen. Und auch die Forderung nach einem rechtsstaatlichen, möglichst raschen Asylverfahren, um reine Wirtschaftsflüchtlinge von tatsächlich Asylberechtigten zu trennen, wie sie Orbán in Ungarn zu realisieren versucht, ist längst Konsens quer durch Europa. Dass er aber im Gegensatz zur gängigen Praxis in Österreich und in Deutschland nicht zögern wird, abgelehnte Asylsuchende abzuschieben, wird bei uns politisch und medial schon wieder mit Empörung registriert. Ebenso wie die Einführung des Straftatbestandes des illegalen Grenzübertritts.
Da darf man dann allerdings schon fragen, ob es nicht sinnvoll ist, unkontrollierte Flüchtlingsströme mit ordnungspolitischen Maßnahmen des Staates – von der Straßenverkehrsordnung bis hin zum Strafrecht – unter Kontrolle zu bringen. Fußmärsche auf Autobahnen, die Besetzung von Eisenbahnzügen ohne Ticket sind ebenso gesetzeswidrig wie das unerlaubte Überschreiten von EU-Außengrenzen oder Schengengrenzen. Wenn das der biedere EU-Bürger tut, käme er naturgemäß mit Polizei, Grenzschutz-, Zoll- oder Verwaltungsbehörden in Konflikt und müsste mit Strafe rechnen. Warum Asylsuchende nicht? Inwiefern widerspricht Orbán den Werten des europäischen Rechtsstaates, wenn er solches nicht duldet?
Ganz abgesehen davon ist Orbáns politischer Ansatz, dem Wohl und Wehe des ungarischen Volks verpflichtet zu sein, und nicht generell den Beladenen und Armseligen des ganzen Planeten eine Ansicht, auf die sich auch Spitzenrepräsentanten anderer EU-Staaten, etwa Österreichs oder Deutschlands, rückbesinnen sollten. Auch Frau Merkel ist auf das „Wohl“ des deutschen Volkes vereidigt und nicht auf jenes der weltweiten Migrationsströme. Viktor Orbáns Argumentation, dass er dem ungarischen Volk, seiner Kultur, seiner christlichen Religion verpflichtet ist und daher gegen Massenzuwanderung und Islamisierung kämpft, ist demgemäß nur logisch. Und der von Orbán-Kritikern immer wieder ins Treffen geführte nationalistische Impetus ungarischen Regierungschefs, er agiere antieuropäisch und eben in der Flüchtlingsfrage auch xenophob, ist angesichts der ungarischen Geschichte auch nicht ganz unverständlich: Zuerst waren es die Türken, dann die Habsburger und schließlich die Sowjetkommunisten, welche das Volk der Magyaren fremdbestimmten. Da ist man da und dort ein wenig übersensibel gegenüber vermeintlichem oder tatsächlichem Diktat aus Brüssel.
Wie auch immer: Unbestreitbare Tatsache ist es, dass Viktor Orbán seine dominierende politische Stellung dazu genutzt hat, Einfluss auf die Medien seines Landes zu nehmen. Die Regierungsparteien tun das in Österreich – man denke an den ORF – ja überhaupt nicht! Tatsache ist auch, dass Viktor Orbán auf die Besetzung der ungarischen Höchstgerichte Einfluss genommen hat. Österreichs Verfassungs- und Verwaltungsrichter haben ja von den politischen Parteien noch nie etwas gehört! Und Tatsache ist, dass er Verfassungsreformen und Wahlrechtsänderungen zum Nutzen seiner Partei Fidesz vorgenommen hat. Dafür wurde er aber auch vom ungarischen Volk absolut demokratisch mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattet. Und in seiner Flüchtlingspolitik, für die er quer durch Europa von den zeitgeistigen Medien geprügelt wurde, ist er nun durch das Vorgehen Deutschlands glänzend bestätigt. De Maizière forderte nämlich genau das, was Orbán längst entschieden für Ungarn umgesetzt hat. Tatsache …


Balkanroute zwo: Spielfeld und Tarvis im Visier

17. September 2015

Der ungarische Grenzzaun zu Serbien ist nunmehr also fertig, die ursprüngliche Balkanroute für die Flüchtlinge blockiert. Nach wie vor aber kommen tägliche Tausende per Schiff von der Türkei nach Griechenland, wo sie von den Inseln Lesbos, Rhodos und anderen auf das Festland gelangen, mit dem Traumziel Deutschland, Österreich und Schweden. Die neue restriktive Politik der Deutschen und die halbherzigen Grenzkontrollen der Österreicher dürften dabei nur wenig abschreckende Wirkung zeitigen. Allzugut ist man bis in die Flüchtlingslager im Libanon und im grenznahen Raum vor Syrien via Smartphon und Internet unter dem Motto „welcome refugees“ über die neue deutsche Willkommenskultur informiert.

Viktor Orbáns Politik der harten Hand, wonach illegaler Grenzübertritt mit Gefängnisstrafen oder sofortiger Abschiebung geahndet wird, wird auf jeden Fall Wirkung zeigen und die Flüchtlingsströme werden sich Alternativrouten auf dem Balkan suchen: Zwangsläufig über Kroatien oder Bosnien, die bekanntlich nicht dem Schengenraum angehören, um dann über Slowenien in denselben nach Mitteleuropa zu gelangen. Die alte Gastarbeiterroute von Belgrad über Zagreb herauf an die steirische Grenze nach Spielfeld bzw. auch über Laibach oder Triest in Richtung Tarvis zur Kärntner Grenze wird somit unweigerlich in den Mittelpunkt des Migrations-Geschehens rücken.

Ob die österreichischen Behörden und das im Assistenzeinsatz befindliche Bundesheer in der Lage sein werden, die dort zu erwartenden Flüchtlingsströme entsprechend zu kontrollieren, ist eine Frage. Die andere Frage ist, ob und wohin dieselben weiterreisen, wenn die Deutschen zunehmend zur Ansicht kommen, dass ihr Fassungsvermögen erschöpft ist. Dann könnten jene Erstaufnahmelager, die gegenwärtig im Villacher Raum und im südsteirischen Raum entstehen, zur Dauereinrichtungen werden, deren Zustände den Traiskirchens in nichts nachstehen. Und die Debatten der vergangenen Monate um ein Dutzend Asylanten in jenem Dorf ein Dutzend Asylanten oder in einem Städtchen ein-, zweihundert untergebracht werden, werden vergleichsweise mit den Problemen, die auf uns zukommen, idyllisch sein.

Österreich wird also wohl auch an der Südgrenze dicht machen müssen, in eben jenem Maße, wie Deutschland dies tut. Und sehr rasch wird die EU eine gemeinsame Strategie entwickeln müssen, die bereits im grenznahen Raum zu Syrien ansetzt. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang gestellt wurde, ist nämlich die, warum man nicht die Türkei dazu bewegt, die Flüchtlinge daran zu hindern, sich in Richtung EU und Griechenland aufzumachen. Die Türkei als EU-Beitrittskandidat, der immerhin jedes Jahr hunderte Millionen als Heranführungshilfe erhält, könnte sehr wohl von Brüssel dazu verpflichtet werden, den illegalen Grenzübertritt von Migranten zu verhindern. Überdies müsste man die Türkei, genauso wie Jordanien und den Libanon, bei der Erhaltung von Flüchtlingscamps oder Sicherheitszonen hin zur syrischen Grenze massiv in finanzieller Hinsicht zu unterstützen. Das wäre zweifellos eine sinnvollere Ausgabe, als die immensen Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge in Europa selbst.

Und wenn es die Menschen doch von der Türkei bis nach Griechenland bzw. auf die ägäischen Inseln schaffen, müsste zuallererst gemäß den Dublin-Vereinbarungen Griechenland dazu bewegt werden, die Registrierung der Flüchtlinge vorzunehmen. Gegenwärtig scheint es ja so etwas wie eine klammheimliche Rache der Griechen für ihre finanzielle Disziplinierung zu sein, die Flüchtlingsmassen einfach in Richtung Norden durchzuwinken. Da könnte man die nächsten Sanierungs-Milliarden für Athen durchaus mit dem Wunsch verbinden, sich in der Migrantenproblematik EU-rechtskonform zu verhalten.