Der Homo austriacus

23. Oktober 2015

Unzeitgemäße Betrachtungen von Andreas Mölzer

Das Denken in Völkern ist ziemlich aus der Mode gekommen. Und wer es gar noch wagt, von „Rassen“ zu sprechen, läuft vollends Gefahr, nicht nur mit dem herrschenden Zeitgeist, sondern sogar mit dem Strafgesetz in Konflikt zu kommen. Gemäß dem schönen Motto „Menschen samma olle“ darf man tunlichst keine Unterscheidungen mehr treffen und schon gar keine Wertungen. Der Egalitarismus, wie er seit der Französischen Revolution gepredigt wird, triumphiert.

Wurden die Völker noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts als „Gedanken Gottes“ bezeichnet und die Einteilung in Nation gewissermaßen als Höhepunkt der kulturellen Evolution der Menschheit betrachtet, so scheint in unseren Tagen die Globalisierung, bzw. in der alten Welt die Europäisierung, gemeinsam mit den großen Flüchtlingsströmen und den Massentourismus für eine Auflösung der nationalen Identitäten – insbesondere Europa – zu sorgen. Die Ausdifferenzierung der Sprachen der Menschheit in einzelne Nationalsprachen und die Entwicklung territorialer Einheit hinzu Nationalstaaten waren noch vor wenigen Jahren unbestritten die primäre Maxime des kulturellen und politischen Lebens des Spezies Mensch. Begriffe wie „Völkerrecht“ oder auch die „Vereinten Nationen“ erinnern uns daran. Im Gegensatz dazu scheint der heutige Zeitgeist vom Streben nach „One World“, bewohnt von „Weltbürgern“, zu dominieren.

In der wiedergegründeten Republik Österreich war man nach dem Sturz NS-Diktatur und dem Ende des Zeiten Weltkrieges noch bemüht, eine eigenständige, ethnische und kulturelle Nation zu konstituieren. Während sich die Erste Republik als „deutscher Staat“ verstand und die Österreicher sich über alle ideologischen und Parteigrenzen hinweg als Deutsche definierten, wollten man nach 1945 alles sein, nur nicht deutsch. Die „österreichische Nation“ mit „Österreichischem Wörterbuch“ und „Unterrichtssprache“ statt Deutsch in den Schulen, basierend auf einem eigenständigen „österreichischen Volk“, sollte im Gegensatz zum altehrwürdigen Traum von der deutschen Einheit Eigenstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Alpenrepublik untermauern. Da gab es zwar Rückgriffe auf die alte Habsburger Monarchie mit dem Hinweis, dass sich diese neue österreichische Nation aus einem multinationalen Völkergemisch entwickelt habe, das mehr oder weniger zufällig Deutsch spricht. Und natürlich konnte man die wirtschaftlichen Verflechtungen mit der neuen Bundesrepublik Deutschland nicht ignorieren und auch die gemeinsame Geschichte nicht völlig verleugnen, es sollte aber partout eben eine eigenständige „österreichische Nation“ sein.

Die Flüchtlingswellen in den ersten Nachkriegsjahren, von denen auch die Zweite Republik betroffen war, passten da eigentlich eher ins Schema. Die Volksdeutschen, die unmittelbar nach 1945 ins Land strömten, waren sprachlich und kulturell ja ohnedies zumeist Altösterreicher. Die Ungarn-Flüchtlinge von 1956 und die tschechischen Flüchtlinge von 1968, ja sogar die bosnischen Flüchtlinge in der Folge der Jugoslawienkriege der 90er Jahre stammten auch aus dem benachbarten, weitgehend altösterreichisch beeinflussten Bereich. Sie waren dazu geeignet, der These von der „österreichischen Nation“ als einem mitteleuropäischen-balkanesischen Mischvolk eher zu stützen. Das Gleiche galt für die vom Balkan kommenden Gastarbeiter, für Kroaten und Serben. Überdies waren und sind diese aufgrund der kulturellen Nähe und der gleichen christlichen Religion relativ leicht in die österreichische Gesellschaft integrierbar.

Dies änderte sich erst mit dem massenhaften Zuzug türkischer Gastarbeiter. Sie stammen bekanntlich aus einem Bereich, der eher die historische Antithese zur Donaumonarchie darstellt, die zwei Türkenbelagerungen Wiens sind eben jeden österreichischen Schulkind ein Begriff. Überdies sind die Türken eben Moslems, was die soziokulturelle Integration nahezu unmöglich macht und zur Bildung von Parallelgesellschaften entscheidend beitrug.

Auch die massenhafte Zuwanderung von Menschen aus anderen Bereichen der Dritten Welt, aus Schwarzafrika, aus Südostasien und aus anderen Bereichen der islamischen Welt war mit dem ideologischen Konstrukt einer eigenständigen österreichischen Nation nicht mehr vereinbar. Gegenwärtige Massenzuwanderungswellen, vorwiegend aber nicht nur aus dem Nahen Osten und aus dem syrischen Bereich, werden wohl zwingend zu einer entsprechenden Verstärkung des islamischen Elements im Lande führen.

Diese Verstärkung wird eine Integration des mohammedanischen Bevölkerungsanteils nahezu unmöglich machen, sondern vielmehr eine starke islamischen Parallelgesellschaft erzwingen. In dieser wird es zwar zweifellos jede Menge von Konfliktlinien und Gegensätzen geben – Schiiten gegen Sunniten, Türken gegen Kurden, Syrer gegen Irakis – insgesamt aber wird es ein islamisches Österreich gegen das autochthone, katholische und protestantische Österreich geben. Das kommt auf uns zu, so sicher wie das Amen im Gebet.

Der Homo austriacus als Träger einen eigenständigen „österreichischen Nation“ wurde also von seinen Erfindern, von den Kräften im Hintergrund der etablierten Parteien, mehr oder minder aufgegeben. Die geistige Globalisierung, die sozioökonomische Europäisierung und die Massenzuwanderung haben die Fiktion einer eigenständigen „österreichischen Nation“ ad absurdum geführt. Diese „österreichische Nation“, die sich stets als Antithese zur deutschen definierte, könnte nur mehr auf den autochthonen Teil der Bevölkerung angewandt werden, der wohl in wenigen Jahren und Jahrzehnten zur ethnischen Minderheit im Land werden wird. Wir allen kennen Apercues: Was uns und die Deutschen trennt, ist die gemeinsame Sprache. In Deutschland ist die Lage ernst, aber nicht hoffnungslos, bei uns ist es umgekehrt, da ist sie hoffnungslos, aber nicht ernst. Die Deutschen, meinen was sie sagen, die Österreicher meinen stets das Gegenteil davon. Der Opportunismus eines „Herrn Karl“ sei für die Piefke schlicht und einfach unverständlich, bei uns sei er eine erprobte Überlebensstrategie und dergleichen mehr.

All das hat ausgedient. Sollte sich jemals nach Generation und womöglich längeren Zeiträumen aus der multiethnischen und multireligiösen Massenzuwanderungsgesellschaft mit ihren verschiedenen Ghettos, Kasten und Konfliktbereichen, die wohl einen latenten Bürgerkrieg darstellen werden, eine neue homogenisierte, einheitliche Gesellschaft – das Wort Volk ist wohl unpassend – herausbilden, so wird es mit der „österreichischen Nation“ der frühen Zweiten Republik wohl kaum mehr was zu tunen haben. Vorläufig aber wird es sich um eine Gesellschaft der Segregation handeln, eben um eine Multi-Konflikt-Gesellschaft mit Ghettos, Kasten und latenter Bürgerkriegsatmosphäre. Die Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols und der Kontrolle über die eigenen Grenzen, das Aussetzen der Gültigkeit von Gesetzen deutet klar und deutlich darauf hin. Der Homo austriacus war wohl nicht mehr, als der zu spät gekommene Versuch, Eigenstaatlichkeit und Souveränität der Republik auch ethnisch-kulturell abzusichern. Die Ereignisse haben diesen Versuch überholt.


Das blaue Experiment

22. Oktober 2015

Nun wird es also in einem weiteren österreichischen Bundesland eine gemeinsame Landesregierung mit den Freiheitlichen geben. Nachdem im Burgenland die SPÖ unter Niessl mit der FPÖ koaliert, wird dies die ÖVP unter Pühringer in Oberösterreich tun. Im Burgenland funktioniert diese Kooperation bislang offenbar friktionsfrei, in Oberösterreich sind dem Vernehmen nach die schwarz-blauen Gemeinsamkeiten in der Sachpolitik durchaus beachtlich.

Heinz-Christian Strache und seine freiheitlichen Strategen dürften sich jedenfalls die Hände reiben, hat man doch solcherart die Chance, bis 2018, bis zum Datum eines mutmaßlichen freiheitlichen Wahlsieges bei den nächsten Nationalratswahlen, die eigene oft bezweifelte Regierungsfähigkeit zu beweisen. Und tatsächlich wird es für die Spindoktoren der beiden „staatstragenden“ Parteien damit schwieriger, ihre bisherigen Strategien gegenüber der unbotmäßigen „rechtpopulistischen“ Opposition aufrecht zu erhalten.

Die SPÖ vertritt in ihrer Mehrheit bekanntlich nach wie vor die auf Franz Vranitzky zurückgehende Faymann/Häupl-Linie der Ausgrenzungspolitik gegenüber der FPÖ: Mit ihr könne und wolle man nicht kooperieren, geschweige denn Koalitionen eingehen. Die ÖVP hingegen tendiert zu der bereits von Wolfgang Schüssel formulierten Politik der Entzauberung der FPÖ durch Einbindung in Regierungsverantwortung. ÖVP-Chef Mitterlehner hat diese Strategie erst jüngst wieder zitiert. Die Bereitschaft zu einer vorbehaltlosen, den Wählerwillen respektierenden Zusammenarbeit und zu gemeinsamer Übernahme von Regierungsverantwortung mit den Freiheitlichen scheint es im politischen Establishment gegenwärtig nirgendwo zu geben.

Bevor die Freiheitlichen unter Jörg Haider und später und Heinz-Christian Strache zu einer immer erfolgreicher werdenden Fundamental-Opposition wurden, in den Zeit, da sie noch unter Friedrich Peter, Alexander Götz und Norbert Steger eine kleine und kalkulierbare national-liberale Honoratiorenpartei waren, einmal mehr national orientiert , dann wieder mehr liberal orientiert, waren die Strategien der damaligen Großparteien nicht minder von taktischem Vorteilsstreben dominiert. Die ÖVP wollte die Freiheitlichen schlicht „inhalieren“, die SPÖ nützte sie als Druckmittel und Mehrheitsbeschaffern gegenüber den „Schwarzen“. Beide Wege sind heute längst nicht mehr gangbar, sowohl im Burgenland als auch in Oberösterreich könnte sich in unseren Tagen erweisen, dass Christ- und Sozialdemokraten auf Grund der gewaltigen Probleme des Landes zwangsläufig eher der freiheitlichen Themenführerschaft folgen müssen. Und sowohl der freiheitliche Koalitionspartner im Burgenland als auch jener in Oberösterreich werden zeigen, dass sie Vertreter einer durchaus maßvollen und lösungsorientierten Politik sein können. Die gerade in diesen Tagen geäußerte Hoffnung, dass sich Strache „zu Tode an Siegen“ werde, könnte sich somit als Illusion erweisen.


Die Bäume wachsen nicht in den Himmel

16. Oktober 2015

Thesen zum politischen Wandel in Österreich

I. Das politische System, das seit 1945 die Zweite Republik getragen hat, ist nicht mehr tragfähig. Das Proporzsystem, getragen von zwei großen etablierten Parteien, der christlich konservativen Volkspartei auf der einen Seite und der Sozialdemokratie auf der anderen, wird vom österreichischen Wähler längst nicht mehr in ausreichendem Maße gestützt. Nach dem längst erfolgten Verlust der verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit stehen die beiden Parteien gemeinsam vor der Tatsache, dass sie auch keine relative Mehrheit mehr zustande bringen werden. Die Durchdringung des vorpolitischen Raums durch dieses Proporzsystem, die Aufteilung der Republik in einen schwarzen und einen roten Sektor, ist somit ebenfalls hinfällig bzw. historisch überholt.

II. Die Freiheitlichen stellen die einzige politische Alternative zum etablierten System dar. Auf der Basis des traditionsreichen nationalliberalen Lagers wurden sie von Anbeginn ihrer politischen Tätigkeit in den Nachkriegsjahren aus dem Grundkonsens der Zweiten Republik ausgegrenzt. Daher waren sie Zeit ihres politischen Weges sui generis Gegner der Umerziehung des Pflichtantifaschismus und in der Folge der heute zur Zivilreligion aufgestiegenen political correctness. Einerseits im Kern nationalliberale Honoratiorenpartei von der tagespolitischen Wirksamkeit, aber andererseits seit der Ära Haider eine populäre und plebiszitär abgestützte Fundamentalopposition, waren sie immer wieder die eigentliche treibende Kraft der österreichischen Innenpolitik.

III. Die anderen „neuen“ politischen Bewegungen sind allesamt Mitläufer und Mitprofiteure des etablierten politischen Systems. Die aus der neuen Linken und der Antiatombewegung herausgewachsenen Grünen haben sich längst als etablierter Verschnitt der diversen linken Bewegungen erwiesen. Der in der Folge der 1968er-Revolution behauptete revolutionäre Anspruch ist längst dem strukturkonservativen Streben nach Machtbeteiligung, Einfluß und Pfründen gewichen. Die Grünen repräsentieren also keine Systemalternative, sie sind vielmehr die prototypische Ausprägung des herrschenden Zeitgeists und stellen von der politischen Taktik her nicht mehr dar als so etwas wie eine Reservearmee für die im Proporzsystem wohl verankerte und wohletablierte Sozialdemokratie.

Ähnlich verhält es sich um Neugründungen im sogenannten bürgerlichen Bereich: Bewegungen, wie die in den letzten Jahren tätig gewordenen NEOS stehen in keinerlei Gegnerschaft zum etablierten System. Sie wollen dieses vielmehr übernehmen bzw. davon profitieren. Abgesehen von politisch nicht relevanten und parlamentarisch nicht existenten radikalen Kleingruppen an den politischen Rändern bleibt es somit dabei: Die Freiheitlichen sind die einzige Systemalternative in Österreich.

IV. Die etablierten Parteien und ihre Strategen in den Parteisekretariaten und Medien-Redaktionen haben im Lauf der Jahre alles versucht, um diese Systemalternative freiheitliche Bewegung zu neutralisieren oder zu vernichten. Von christlich konservativer Seite glaubte man ursprünglich, die FPÖ „inhalieren“, also schlicht aufsaugen zu können. Von sozialistischer Seite versuchte man seit der Ära Kreisky, die FPÖ als willfährigen Mehrheitsbeschaffer zu instrumentalisieren und sie durch eine gewisse Kameraderie im Hintergrund zu korrumpieren. Ausfluß dieser Strategie war schließlich in den 80er-Jahren die rot-blaue Koalition unter Fred Sinowatz und Norbert Steger.

Der Wandel der FPÖ zu einer sogenannten „rechtspopulistischen“ Partei unter Jörg Haider, die mittels Fundamentalopposition zunehmenden Wählerzuspruch generierte, zeitigte gleichzeitig auch eine Verstärkung der Abwehrreaktion des Establishments. Von der Ausgrenzung bis zur Dialogverweigerung, wie sie Franz Vranitzky propagierte, bis zu ihrer Entzauberung als unprofessioneller, ja teils korrupter Partner in einer Bundesregierung, wie man es in der Ära Wolfgang Schüssels versuchte, reichen die Anti-FPÖ-Strategien. Und immer war es natürlich die Faschismuskeule, der stets wiederkehrende Verweis auf die NS-Hypothek, mittels derer man die blauen Herausforderer anzuschwärzen versuchte. In den letzten Jahren versuchte man zusätzlich von etablierter Seite so etwas wie Parallel-Parteien ins Leben zu rufen, die einerseits thematisch die gleichen Anliegen zu vertreten schienen wie die Freiheitlichen, die andererseits aber indirekt und im Hintergrund vom politischen Establishment gesteuert wurden. Ein Unterfangen, das – siehe Team Stronach – bislang auch von mäßigem Erfolg begleitet war.

V. An diese Strategien hat man gegen die Haider-FPÖ, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts bereits einmal angetreten ist, das politische Establishment der Zweiten Republik zu kippen, angewendet. Mit dem Erfolg, dass die Haider-FPÖ in der Regierung scheiterte, auseinanderbrach und in Zwist und Hader unterzugehen drohte. Die Verschärfung der krisenhaften Entwicklung Europas und damit auch der Republik Österreich, der drohende Zusammenbruch der heimischen Sozialsysteme, die Staatsschuldenkrise und die apokalyptische Dimensionen annehmende Massenzuwanderung haben allerdings gemeinsam mit der Tatsache, dass die freiheitliche Gesinnungsgemeinschaft über ein festgefügtes soziologisches Fundament in Form einer überzeugten Kernwählerschaft verfügt, dazu geführt, dass die FPÖ nach dem Scheitern unter Haider und seinen Epigonen eine unglaubliche Renaissance feiern konnte. Der anfangs als bloßer Haider-Imitator abgetane Heinz-Christian Strache hat sich indessen als charismatischer Oppositionsführer etabliert und vermochte von Wahlsieg zu Wahlsieg zu eilen. Gegenwärtig hat die FPÖ in allen Umfragen rund ein Drittel der Wähler hinter sich. Politische Beobachter und Demoskopen gehen längst davon aus, dass sie bei den nächsten Nationalratswahlen die stärkste Kraft im Lande stellen wird.

VI. Von Seiten der etablierten Medien und den meisten politischen Analytikern wird allerdings bezweifelt, dass eine „rechtspopulistische Kraft“ wie die FPÖ über die nötige sachpolitische Kompetenz und die nötige Expertise verfügen würde, um die von ihr als Opposition aufgezeigten Probleme der res publica auch wirklich zu lösen bzw. den Staat insgesamt auf Reformkurs zu bringen. Dabei verweist man auf das Scheitern der Haider-FPÖ in der Regierungskoalition mit der Volkspartei ebenso wie auf das mäßige Abschneiden der Steger-FPÖ in der seinerzeitigen sozial-liberalen Koalition. Gebetsmühlenartig wird da auf die Hypo-Pleite und die De-facto-Insolvenz des Bundeslands Kärnten verwiesen. Das seien die typischen Resultate rechtspopulistischer Regierungsparteien.

Übersehen wird dabei allerdings, dass die Strache-FPÖ aus den Fehlern der Haider-FPÖ zu lernen und sicher nicht gewillt ist, als Juniorpartner wie seinerzeit unter Wolfgang Schüssel in eine Bundesregierung einzusteigen. Denn die Tatsache, dass man als deutlich stärkster Faktor der heimischen Innenpolitik über einen ganz anderen Handlungsspielraum verfügen würde als seinerzeit als Juniorpartner, verbunden mit der Annahme, dass aus einer solcherart dominanten politischen Bewegung auch die entsprechend kompetenten Technokraten zuwachsen würden, berechtigt die Annahme, dass die Strache-FPÖ sehr wohl die nötige Reformkraft aufbringen könnte, und zwar auf der Basis eines grundlegend anderen, nämlich alternativen Zugangs zur Regierung des Landes.

VII. Politik braucht allerdings einen langen Atem – auch in Zeiten großer und epochaler Umbrüche. Zu glauben, dass man durch Erdrutsch-Wahlsiege an die Regierung gelangen könnte, erweist sich immer wieder als Wunschträume. Zuletzt in diesen Tagen  bei der Wiener Landtagswahl, die einerseits einen überaus beeindruckenden Gewinn für die FPÖ zeitigte, andererseits aber eine Bestätigung des politischen Status quo in Form des Weiterwurschtelns der etablierten Parteien erbrachte. Wer da gehofft hatte, die seit Ende des Ersten Weltkrieges – mit Ausnahme der Jahre der Diktatur – in Wien absolut regierenden SPÖ so mir nichts, dir nichts den Bürgermeistersessel entreißen zu können, der sollte sich geirrt haben. Politik ist eben, wie uns der Altmeister der Soziologie, Max Weber, wissen ließ, das unentwegte Bohren harter Bretter. Und die Bäume wachsen nicht in den Himmel – auch nicht jene einer fundamental oppositionellen und systemkritischen Bewegung wie der FPÖ.

Bereits die Ära Haider hat die Freiheitlichen gelehrt, dass das Aufbrechen des etablierten politischen Systems Jahre der Anstrengung, der Überzeugungsarbeit und vielfacher Wahlkämpfe bedarf und dass insbesondere die Überzeugung der Österreicher nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Die gelernten Österreicher sind strukturkonservative Wähler, deren Opportunismus nur durch ihre Angst vor wirklicher Veränderung übertroffen wird. Nachdem die Freiheitlichen zur dominierenden Kraft in der restlichen Arbeiterschaft des Landes geworden sind, werden sie sich nun im Bereich der Meinungsbilder und Leistungsträger verstärkt durchsetzen müssen. Dort, wo bislang der Spätlinke und post-bourgeoise dekadente Zeitgeist regierte, wird man ein Bewußtsein für die Überlebensprobleme des Landes wecken müssen. Erst wenn dies gelingt, haben die Freiheitlichen eine wirkliche Chance auf den politischen Durchbruch. Hoffentlich ist es bis dahin für das Land und das Volk nicht zu spät.


Es ist noch nicht schlimm genug

15. Oktober 2015

Große Erleichterung beim linken Establishment, Aufatmen in der politisch korrekten Gutmenschenszene: Die Wien-Wahl ist gerade noch einmal gut gegangen. Das alte Schlachtross Michael Häupl hat nur so viel verloren, dass er gerade noch einmal weiterregieren kann. Und die Freiheitlichen haben respektabel dazugewonnen, Erdrutsch allerdings war es keiner. Alles bleibt beim Status quo, die Altparteien dürfen weiterwurschteln, die Willkommenskultur gegenüber zehntausenden, ja hunderttausenden Wirtschaftsmigranten wurde vom Wähler abgesegnet – dieser Tatsache muss man ins Auge schauen.
Aber wann hätte es einen Erdrutsch geben sollen, wenn nicht diesmal? Haben zwei Drittel der Wähler noch immer nicht begriffen, was auf sie zukommt? Offenbar nicht! Die Lage ist scheinbar noch nicht schlimm genug, und die Bürger spüren es noch nicht direkt, was die nunmehr schon über Jahre anhaltende Staatsschuldenkrise und das Asylchaos für sie bringen wird. Nur zum Nachdenken: Die Eurokraten erwägen eine Sondersteuer, getarnt als „Solidaritätsabgabe“ für die Migranten. In Berlin wurden angeblich schon Privathäuser zwangsrequiriert um Migranten unterzubringen. In Italien gibt es angeblich mehrere Dutzend aus Schwarzafrika importierte Fälle von Ebola. Und in Österreich traut sich von Regierungsseite niemand mehr, die wahren Kosten für Unterbringung, für Gesundheitsversorgung, für die schulische Integration der Zuwandererkinder und die Ausbildung der zum größten Teil unterqualifizierten Migranten auch nur zu benennen.
Aber die Lage ist noch nicht schlimm genug: Erst wenn unser Sozialsystem, die Krankenversorgung, das Pensionssystem und all das zusammengebrochen sein wird, erst wenn unsere Pflichtschulen nur mehr die Verwahrungsstätte von Analphabeten sein werden, erst wenn in den muslimischen Parallelgesellschaften Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen Kurden und Türken, zwischen Inder und Pakistani toben wird, erst wenn Frauen, Kinder und Alte nirgendwo auf die Straße gehen können, erst wenn Österreicherinnen ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit massenhaft angepöbelt werden und der Druck, christliche Symbole und christliche Bräuche verschwinden zu lassen, immer größer wird, erst dann wird die Mehrheit der Österreicher wirklich aufwachen und dann wird es zu spät sein.
Der Österreicher ist ein strukturkonservativer Wähler mit einem starken Hang zum Opportunismus, nach dem Motto: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“. Man glaubt, sich schon irgendwie durchwurschteln zu können, irgendwann aber ist der Spaß zu Ende und der Herr Karl muss den Offenbarungseid leisten.


Erdogans wahre Interessen

7. Oktober 2015

Die Türkei ist zum Schlüssel-Staat in der gegenwärtigen europäischen Flüchtlingskatastrophe geworden. Sie beherbergt Millionen syrischer Bürgerkriegskriegsflüchtlinge, und über ihr Territorium führen alle Flüchtlingsrouten aus dem Nahen und Mittleren Osten. Pakistani und Afghanen, Iraner, Iraker, Jemeniten und andere, sie alle müssen über türkisches Territorium, um das europäische El Dorado oder gar Deutschland, das Land, in dem vermeintlich Milch und Honig fließen, zu erreichen. Die Türkei ist also zum großen Einfallstor nach Europa geworden und die Türkei, das ist in unseren Tagen Recep Tayyip Erdogan.

Nationen haben keine Freunde, sondern Interessen und nationale Führer wie Erdogan einer ist. Aufgrund von Osteuropa-Freundlichkeit oder gar Deutschen-Liebe werden die Türkei und ihr Führer Erdogan also gar nichts im gegenwärtigen Flüchtlingschaos unternehmen, sondern nur zur Wahrung ihrer Interessen. Und welche Interessen sind dies?

Erdogans Interesse besteht zuallererst zweifellos darin, seine Position als Führer der Türkei zu stärken und unangreifbar zu machen. Weiters will er nicht nur von seinen Landsleuten verehrt, sondern von den internationalen Partnern, nicht zuletzt von jenen in Europa, akzeptiert oder gar hofiert werden. Nach einigen Rückschlägen in den vergangenen Jahren, als man seinen autokratischen Stil auch in den westlichen Medien kritisierte, scheint ihm Letzteres nunmehr sehr gut zu gelingen. In Brüssel hat man ihm dieser Tage von Seiten der Spitzen-Eurokraten geradezu die Füße geküßt. Man braucht ihn nämlich. Man braucht ihn und die Türkei, um das Flüchtlingschaos einigermaßen unter Kontrolle zu bringen.

Die Idee, an der syrischen Grenze gewaltige Flüchtlingscamps mit europäischer Finanzierung zu errichten und die Türkei dazu zu bewegen, ihre Grenzen, insbesondere die Seegrenze in der Ägäis abzuriegeln, ist nämlich die wohl einzige Möglichkeit, des Problems Herr zu werden. Wenn nämlich die angeblich Schutzsuchenden erste auf europäischem Boden, etwa in Griechenland, sind, scheint sie nichts mehr stoppen zu können auf ihrem Weg nach Mitteleuropa. Der türkischen Armee hingegen und der türkischen Marine traut man dies offenbar sehr wohl zu. Aber warum sollte Sultan Erdogan dies für Europa tun?

Zuerst einmal wegen des Geldes. Die Türkei bekommt ja bereits seit Jahren von der EU eine Heranführungshilfe von tendenziell einer Milliarde Euro. Sie wird für die Errichtung und Unterhaltung der Flüchtlingscamps wohl noch viel mehr wollen. Und dann will die Türkei die Visafreiheit in Richtung EU und natürlich uneingeschränktes Wohlwollen bei den nach wie vor laufenden Beitrittsverhandlungen des Landes gegenüber der Europäischen Union. Man kann sich vorstellen, mit welch günstigen Bedingungen das Land der Osmanen ins integrierte Europa aufgenommen werden wird.

Schließlich aber will die EU aus türkischen Lagern ohnedies eine halbe Million Syrer – einmalig oder pro Jahr, das wissen wir nicht – aufnehmen. Und damit wird ein weiteres Interesse der Türken bzw. Erdogans erfüllt. Vergessen wir nicht, dass Erdogan die graue Eminenz einer islamistischen Partei ist, der AKP nämlich, und dass es ihm und seiner Partei sehr wohl recht sein dürfte, wenn Millionen zusätzlicher Moslems nach Europa strömen und damit die Islamisierung des alten Kontinents vorangetrieben wird. Gewiss, zwischen Türken und Kurden, zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen den syrischen Bürgerkriegsparteien gibt es genug Unterschiede und Konfliktpotential. Zuletzt aber sind sie doch alle Moslems und ist ihnen der Koran und der Bart des Propheten näher als das bürgerliche Gesetzbuch und das christliche Abendland.

Und schließlich kann Erdogan durch eine zumindest vordergründig restriktive Flüchtlingspolitik seine machtpolitischen Interessen im Nahen Osten befördern. Als regionale Großmacht, die nicht nur im Bereich der zentralasiatischen Turkstaaten, sondern insgesamt in jenen des ehemaligen Osmanischen Reiches, also bis weit nach Nordafrika hinein wirkt, wird Europa, wird die EU, werden die Amerikaner und die NATO kaum eine Gefälligkeit versagen. Und natürlich wird man auch den türkischen Kampf gegen die kurdische Nationalbewegung weiter unterstützen. Die kurdischen Peschmerga, die bisher die Hauptlast des Bodenkrieges gegen den Islamischen Staat trugen, werden vom Westen wohl schmählich im Stich gelassen werden, gilt es doch, Sultan Erdogan bei Laune zu halten. Und das wird – wie gesagt – einen hohen politischen und finanziellen Preis erfordern und Europa letztlich auch nicht vor Millionen illegaler Zuwanderer bewahren.