Österreichs Bundespräsident heißt, wie bereits in den letzten Jahren, Heinz Fischer. Er hat bei der sonntäglichen Wahl das für einen Amtsinhaber zu erwartende Ergebnis erzielt. Wegen der katastrophal niedrigen Wahlbeteiligung aber ist Heinz Fischer gerade noch von einem Drittel der Österreicher in die Hofburg entsandt worden. Eine überaus schwache Legitimation für ein direkt gewähltes Staatsoberhaupt und ein Armutszeichen für die rot-weiß-rote Demokratie insgesamt. Alarmglocken müssen da läuten, wenn bei bundesweiten Wahlgängen wie im Vorjahr bei der Europawahl und jetzt bei der Präsidentschaftswahl nicht einmal mehr die Hälfte der Bürger zu den Urnen geht: Ist das Gemeinwesen den Bürgern gleichgültig geworden? Hat sich die Demokratie überlebt? Ist die politische Klasse nicht mehr in der Lage, die Menschen im Lande zu motivieren?
Ernste Fragen, die ehrlicher Diskussion und schonungsloser Analysen bedürften. Fragen auch, die sich alle politischen Parteien im Lande stellen müssen. Auch die sozialistische, deren Kandidat zwar gewonnen hat, die aber genauso wenig Mobilisierung im Bereich ihrer Wähler und Sympathisanten zustandebrachte. Und was die Volkspartei betrifft, so war deren widersprüchliche Haltung im Präsidentschaftswahlkampf ganz besonders unglücklich. Ihr Aufruf, doch weiß zu wählen, erwies sich vollends als Unsinn, den die Österreicher schlicht und einfach zum großen Teil ignorierten. Und für Heinz Fischer wollten in der Wolle gefärbte Christdemokraten eben auch nicht stimmen. Wissen sie doch, dass der „rote Heinzi“ eben wirklich ein sozialistischer Ideologe ist, ohne Berührungsängste hin zum Marxismus. Die Entscheidung der Volkspartei, keinen Kandidaten aufzustellen, war somit strategisch falsch.
Was die Freiheitlichen betrifft, so konnte von gegnerischen Medien der Eindruck erweckt werden, als stünde die Parteiführung nicht wirklich geschlossen hinter der Kandidatin. Dieser Eindruck mag falsch sein, sicher aber wurde zuwenig getan, um ihn in der Öffentlichkeit auszuräumen. Kritiker der freiheitlichen Wahlkampfführung können somit behaupten, man habe den Wahlkampf nicht wirklich entschieden genug und inhaltlich nicht gründlich genug vorbereitet und organisatorisch eher halbherzig durchgezogen. Viele verunsicherte Bürger etwa fragten sich, ob die großen Wahlplakate mit dem Konterfei des Parteichefs in den Bundesländern und den kaum lesbaren kleinen Hinweis auf die Präsidentschaftskandidatin, wirklich sinnvoll waren. In Wien mag es für den FPÖ-Chef ein sinnvoller Vorwahlkampf gewesen sein. Was aber ist in Kärnten, in Salzburg, in Oberösterreich vorgesehen? Das freiheitliche Ergebnis ist dennoch respektabel, zeigt es doch, dass Kandidaten aus dem Dritten Lager von Burghard Breitner über Wilfried Gredler und Heide Schmidt bis hin zu Barbara Rosenkranz bei Wahlen für das höchste Staatsamt, eben genau auf solche Prozentsätze um die 15-, 16-, 17% kommen.
Barbara Rosenkranz war gewiss eine respektable, eine glaubwürdige und kämpferische Kandidatin. Und sie ist während dieses Wahlkampfes einen ehrenvollen, aber schweren Weg, gegangen. Dafür gebührt ihr unser Respekt.
Die Grünen waren in diesem Wahlkampf bekanntlich nicht vorhanden. Sie sind einfach Teil der vereinigten Linken im Lande gewesen. Und der durchaus sympathische, aber doch unter der Rubrik Obskuranten einzureihende Christen-Kandidat war natürlich nicht mehr und nicht weniger als ein Instrument des politisch-medialen Establishments, um einen freiheitlichen Erfolg zu verhindern.
Und genau darum geht es bei den Wahlgängen der jüngsten Zeit und bei jenen, die noch ins Haus stehen: Alle politischen Analytiker sind sich einig, dass die Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache ungebrochen im Aufschwung begriffen sind. Seit der Spaltung der FPÖ vor fünf Jahren durch die orange Haider-Gründung haben die totgesagten Freiheitlichen angefangen von der Wiener Wahl des Jahres 2005, über die beiden Nationalratswahlen der Jahre 2006 und 2008, weitere Landtagswahlen und die Europawahl stets zugelegt, sich zumeist zumindest verdoppelt. Und in Umfragen liegt die FPÖ konstant rund um die 20%, und in Wien deutlich darüber. Dennoch muss man davon ausgehen, dass die blauen Bäume nicht in den Himmel wachsen, weil die politischen Gegner eben nicht schlafen. Weil sie ihre gewaltigen finanziellen. medialen und organisatorischen Möglichkeiten nützen, um Gegenstrategien gegen den Aufschwung der Strache-FPÖ zu entwickeln. Der von der „Kronenzeitung“ so massiv gestützte Hans-Peter Martin bei den vergangenen EU-Wahlen verhinderte einen allzu großen Höhenflug der FPÖ. Diese konnte sich zwar mehr als verdoppeln, aber mehr war nicht drinnen gegen die „Krone“-Materialschlacht.
Barbara Rosenkranz wurde gleich zu Beginn ihres Wahlkampfstarts durch das konzertierte Feuer aller Medien gnadenlos auf das unpopuläre Verbotsgesetz festgenagelt und konnte ihren Werte-Wahlkampf niemals richtig entfalten und damit ihr volles Erfolgspotential nicht einmal annähernd ausschöpfen. Und – darauf darf man hohe Summen wetten – auch bei den ins Haus stehenden Landtagswahlen in Wien und in der Steiermark wird sich der etablierte politisch-mediale Komplex einiges einfallen lassen, um die freiheitlichen Erfolge nicht zu groß werden zu lassen. Kostproben gibt es ja schon: Da versuchen jene Medien, die den journalistischen Substandard im Lande verkörpern, bereits heute die blauen Reihen auseinanderzudividieren und zu spalten. Der FPÖ-Chef werde nach einem Flop bei den Präsidentschaftswahlen die Partei säubern und auf ein „Haider-Image“ setzen, die bösen Rechten entmachten (wer auch immer das sein soll) und so weiter, und sofort.
So dumm wird in der freiheitlichen Parteiführung wohl kaum jemand sein. Stattdessen allerdings ist Analyse, strategische Kreativität und kameradschaftlicher Zusammenhalt gefragt.