„Stadt der Volksverblödung?“

30. September 2021

Was hat Graz, die steirische Landeshauptstadt, nicht schon an Attributen, Klassifizierungen und Charakterisierungen hinnehmen müssen. Früher galt Graz als „Pensionopolis“, als verschlafene Stadt, in der sich k. u. k. Pensionäre einen beschaulichen Lebensabend gönnten. Dann hatte es die zweifelhafte Ehre, als „Stadt der Volkserhebung“ in der NS-Zeit zu glänzen. Danach in den Siebzigerjahren war es die erste Landeshauptstadt mit einem freiheitlichen Bürgermeister, dem Gentleman alter Schule, Alexander Götz, schließlich unter dessen roten Nachfolgern ernannte sich Graz selbst zur „Stadt der Menschenrechte“. Nunmehr, nach dem jüngsten Wahltag, an dem die Kommunisten immerhin nahezu ein Drittel der Wähler für sich verbuchen konnten, darf die steirische Landeshauptstadt fragwürdige Kosenamen wie „Stalingraz“ und ähnliches hinnehmen.
Wenn man das Wahlergebnis analysiert, kann man natürlich sagen, dass die überaus niedrige Wahlbeteiligung – nur die Hälfte der Grazer ging zur Urne – mit schuld am Erfolg der Kommunisten war. Und man kann weiter analysieren, dass politisch korrekte Wählerschichten und insbesondere die zahlreichen Studenten der steirischen Landeshauptstadt das Ihre dazu beigetragen haben. Man kommt aber nicht darum herum, dass hier eine Partei, eine politische Bewegung, über die die Geschichte längst ihr Urteil gesprochen hat – ein vernichtendes Urteil nämlich – einen überraschenden Erfolg eingefahren hat und dass die steirische Landeshauptstadt somit wohl zur einzigen größeren Stadt in Mitteleuropa mit einem kommunistischen Bürgermeister zu werden droht. Die Kommunisten, das sind immerhin jene politischen Kräfte, die die Diktatur des Proletariats anstreben, für die Religion Opium fürs Volk ist und Besitz Diebstahl und eben diese Kommunisten sind jene politische Kraft, die mehrere der menschenmordensten Systeme des 20. Jahrhunderts zu verantworten haben. Den sowjetischen Stalinismus mit seinen millionenfachen Opfern, den Steinzeitkommunismus eines Pol Pot in Kambodscha, die maoistische Kulturrevolution in China mit Millionen Opfern und auch den Tito-Kommunismus mit hunderttausenden Nachkriegsopfern in Jugoslawien.
Sind die Grazer KP-Wähler sind angesichts dieser kommunistischen Schreckensgeschichte nicht hochgradig verantwortungslos? In diesem Fall müsste man Graz wohl die „Stadt der Volksverblödung“ nennen – was wir an dieser Stelle natürlich nicht tun wollen.
Und eines sei noch hinzugefügt: Der Erfolg der Grazer Kommunisten, der vor mehr als 20 Jahren mit dem damaligen KP-Chef Kaltenegger begonnen hat, gründete darauf, dass man armen Leuten vermeintlich selbstlos materielle Hilfe zukommen ließ. Etwas, was nur deshalb möglich war, da die KP in Österreich ja eher ein Wirtschaftsbetrieb ist als eine Partei. Ein Wirtschaftsbetrieb, dessen Vermögen die Hinterlassenschaft der sowjetischen Besatzungsmacht ist, ein Wirtschaftsbetrieb, von dem man mutmaßen kann, dass er noch aus der DDR unseligen Angedenkens, jenem Arbeiter- und Bauernstaat, der seine Bürger an der Staatsgrenze zu erschießen pflegte, mit erheblichen Mitteln subventioniert wurde. Legendäre Gestalten wie die „Rote Fini“ und der SED-Auslandsbonze Schalck-Golodkowski dürften mutmaßlich dafür gesorgt haben, dass die KPÖ hierzulande, insbesondere in Graz, den charitativen Wohltäter zu spielen vermochte.
Wie auch immer, wenn Graz nunmehr „Stalingraz“ genannt werden darf, wenn es statt dem mitteldeutschen Chemnitz nunmehr den fragwürdigen Ehrentitel „Karl-Marx-Stadt“ tragen darf, werden nicht nur die beiden scheidenden Stadtväter, der schwarze Nagl und der blaue Eustacchio ihre Häupter verhüllen, sondern auch der alte Erzherzog Johann, der als Statue am Grazer Hauptplatz steht.
Eine echte Schande, dieses Wahlergebnis.


Stalin-Graz und Rabl-Wels

30. September 2021

Zwei Städte haben am vergangene Wahlsonntag von sich reden gemacht: Graz, von dem alle Welt mutmaßt, demnächst in Karl-Marx-Stadt umbenannt zu werden, und Wels, das seit einer Periode vom freiheitlichen Bürgermeister Andreas Rabl regiert wird. Denn in Wels, der zweitgrößten oberösterreichischen Stadt, wurde Rabl nahezu
triumphal bestätigt.
Während Wahlsieger derzeit gemeinhin froh sind, wenn sie zwischen 20 und 30 Prozent der Wählerstimmen lukrieren können, hat Rabl 60 Prozent seiner Gemeindebürger für sich gewinnen können. Die derzeit in allen Medien hochgejubelte Grazer Kommunistenchefin Kahr beispielsweise bekam kaum
30 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen, und das bei einer Wahlbeteiligung von kaum 50 Prozent. Dies bedeutet also, dass sie im Grunde kaum 15 Prozent der Grazer für sich verbuchen kann, damit allerdings behauptet, dass „die Menschen das wollen“. Eigentlich ein Ausdruck von völlig unreflektierter Hybris.
Andreas Rabl hingegen ist es in der traditionell eher roten Stadt Wels gelungen, sein Ergebnis, das er bei der vorhergehenden Wahl wohl auch aufgrund der Migrationskrise von 2015 zu erzielen vermochte, zu halten und zu steigern. Und nicht nur bei der Bürgermeisterwahl reüssierte er, auch die FPÖ hat in Wels rund 50 Prozent für sich verbuchen können.
Der politisch pragmatische, allerdings ideologisch fest im nationalliberalen Lager verwurzelte Rabl, ein sympathischer Anpacker, zeigt also, wie es gehen kann. Und im Gegensatz zu den Grazer Wählern der KPÖ, denen man entweder völlige Geschichtsvergessenheit oder moralische Verkommenheit attestieren muss – die Kommunisten sind immerhin für viele der größten Menschheitsverbrechen des 20. Jahrhunderts verantwortlich –, haben die Welser Wähler durchaus vernünftig und verantwortungsbewusst gewählt. Andreas Rabl jedenfalls ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie bürgernahe freiheitliche Politik realisiert werden kann und auch Erfolg hat. Und all das ohne den primitiven Almosen-Populismus, wie ihn die Vertreter der im Hintergrund millionenstarken KPÖ, die ja mehr ein Wirtschaftskonzern ist als eine Partei, in Graz übt.


Europa muss umdenken!

30. September 2021

Die europäische Integration und die nationale Souveränität

Es ist eines der zentralen Dogmen der Europäischen Union, dass Gemeinschaftsrecht vor nationalem Recht gehen müsse. Und demgemäß vermag der Europäische Gerichtshof mit seinen Urteilen und Sprüchen auch die letztinstanzlichen und höchstgerichtlichen Entscheidungen der Mitgliedstaaten zu brechen oder zu relativieren. Ein Dogma und ein Mechanismus, der in vielfältiger Hinsicht, insbesondere in vitalen Überlebensfragen Europas, unselige Wirkungen zeitigt. Etwa in der Asylpolitik, wo der Europäische Gerichtshof, der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, Entscheidungen gefällt hat, die eine restriktive Asylpolitik und die Verhinderung der illegalen Massenmigration nahezu verhindern oder zumindest massiv behindern.
Nun sind es insbesondere die Visegrád-Staaten-Staaten, allen voran Ungarn und Polen, welche dieses Dogma, wonach europäisches Recht vor nationalem Recht gehen müsse, in Frage stellen. Der starke Mann der polnischen PiS-Partei, Jaroslaw Kaczynski, wurde in der Vergangenheit ebenso heftig gescholten wie Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Beide gelten gewissermaßen für die „glühenden Europäer“ aller Mitgliedstaaten und für die Eurokraten in Brüssel als europapolitische Schmuddelkinder. Nun allerdings gesellte sich ein Eurokrat vom höchsten Grade, nämlich der französische konservative Präsidentschaftskandidat Michel Barnier, zu ihnen, indem er seinerseits auch forderte, dass in wesentlichen Fragen wie etwa der Asylproblematik und der Migrationsproblematik nationale Entscheidungen, nämlich jene Frankreichs, vor den EU-Entscheidungen stehen müssten. Barnier, der sich als aussichtsreicher Kandidat für die französische Präsidentschaft und offenbar bereits im Wahlkampfmodus sieht, geht noch weiter, in dem er einen absoluten Zuwanderungsstopp für längere Zeit und eine lückenlose Schließung der EU-Außengrenzen fordert und diesbezüglich im Falle seiner Wahl auch ein Referendum in Frankreich
ankündigt.
Insgesamt zeigt sich aber jenseits aller Wahlkampfrhetorik diesbezüglich generell die Frage, wie weit die europäische Integration und die Brüsseler Institutionen die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten außer Kraft stellen können. Ein anderes Grundprinzip der Europäischen Union, nämlich jenes der Subsidiarität, verweist allerdings darauf, dass es sehr wohl so etwas wie konzentrische Kreise der politischen und damit wohl auch der rechtlichen Entscheidungsfindung quer durch Europa geben müsse. Subsidiarität bedeutet bekanntlich, dass politische Entscheidungen im jeweils engstmöglichen Bereich zu treffen sind. Zuerst einmal im kommunalen Bereich, dann im regionalen Bereich, darüber hinaus im nationalstaatlichen und erst zuletzt in all jenen Fragen, die nicht kommunal, regional und nationalstaatlich behandelt und gelöst werden können, auf der europäischen Ebene. Demgemäß hätte auch Rechtsprechung im engeren Bereich, also etwa auf der nationalstaatlichen Ebene, den Vorrang vor der europäischen Ebene. Demgemäß müsste auch nationales Recht stärker wiegen als europäisches Recht.
Dafür spräche auch die Tatsache, dass die nationale Rechtsetzung tatsächlich auch demokratisch unmittelbar durch die Wähler der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten legitimiert ist. Die Gesetze der einzelnen Mitgliedstaaten werden durch die Parlamente, die in den EU-Mitgliedstaaten ja alle frei, unmittelbar und geheim gewählt werden, beschlossen. EU-Recht hingegen kann sich nicht in diesem Maße auf eine demokratische Legitimation berufen, da es zumeist Produkt jenes seltsamen Gefüges von Institutionen ist, das das Brüsseler System kennzeichnet. Die mangelnde Gewaltenteilung, die sich im Dreieck zwischen dem Rat, der ja von den Regierungen der Mitgliedstaaten gebildet wird, der EU-Kommission und einem EU-Parlament, das ja bekanntlich keine wirklichen parlamentarischen Befugnisse hat, zusammensetzt, vermag dem EU-Recht keine wirkliche demokratische Legitimation zu verleihen.
Letztendlich äußert sich in der Priorität des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht auch der Dominanz-Anspruch des Brüsseler Zentralismus. Jene Kräfte, die offen oder unausgesprochen die „Vereinigten Staaten von Europa“ anpeilen, treten selbstverständlich für das Vorrecht des Gemeinschaftsrecht ein, jene politischen Kräfte hingegen, die für ein Europa der Vaterländer sind, werden logischerweise für die Priorität des nationalen Rechts sein. Die Auseinandersetzung zwischen beiden Denkschulen ist gegenwärtig noch offen und nicht wirklich entschieden.
Wenn nunmehr, so wie es der Präsidentschaftskandidat Barnier geäußert hat, der so wichtige EU-Staat Frankreich auf die Linie der Souveränisten einschwenkt, hätte dies naturgemäß großes Gewicht. Tendenzen, die es immer auch im bundesdeutschen Höchstgericht, in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht, gegeben hat, sich nicht dem Vorrecht des Gemeinschaftsrechts zu beugen, könnten damit wesentlich gestärkt werden. Und die Kräfte im östlichen Bereich der Europäischen Union, in den Visegrád-Staaten, in Polen, Ungarn, aber auch in den anderen Ländern, die um die Erhaltung ihrer nationalen Souveränität im Rahmen der europäischen Integration kämpfen und damit auch für das Vorrecht ihrer eigenen Rechtssysteme, würden durch eine solche Entwicklung natürlich immens gestärkt werden.
Letztlich hängt diese Frage auch damit zusammen, welche Vision die jeweiligen Kräfte und die jeweiligen Staaten von der europäischen Zukunft haben. Wenn man einen europäischen Meltingpot, bestehend aus einem Amalgam der Reste der europäischen Völker und aus Zuwanderungspopulationen sieht, resultiert daraus natürlich auch ein Eintreten für einheitliches, zentral von oben gelenktes Rechtssystem, in dem regionale oder nationale Rechtssetzung nur mehr einen untergeordneten Rang einnehmen dürfte. Politische Kräfte allerdings, die eine Vision von einem Europa der nationalen kulturellen sowie sprachlichen Vielfalt haben, müssen vernünftigerweise auch für einen größtmöglichen Erhalt der nationalen Souveränität der Mitgliedstaaten und
damit natürlich auch für die Priorität der nationalen Rechtsetzung eintreten. Entscheiden wird sich diese Frage also erst dann, wenn sich diese grundsätzliche Frage klärt, wohin Europa in Zukunft gehen wird. Wird es ein zentralistisch regierter Meltingpot oder bleibt es ein Staatenverbund souveräner Mitgliedstaaten mit eigenständigen Kulturen, gesellschaftlichen und rechtlichen Systemen? Das ist die zentrale Frage.


Eine national­liberale Volks­partei

23. September 2021

Am Beispiel der oberösterreichischen Freiheitlichen

eder historisch einigermaßen Gebildete weiß, dass jener politische Bereich, der heute als „Drittes Lager“ bezeichnet wird, dogmengeschichtlich eigentlich das erste politische Lager war. Hervorgegangen aus der Revolution von 1848, zersplittert, aber doch vereint im Bereich der deutsch-freiheitlichen Parteien im Reichsrat der Habsburger-Monarchie, stand dieses Lager an der Spitze der Entwicklung des Parlamentarismus in den deutschen Erblanden Altösterreichs.
Georg Ritter von Schönerer war gewissermaßen Lehrmeister und Ziehvater der beiden Gründer der österreichischen Sozialdemokratie, Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer, genauso wie des Gründers der christlich-sozialen Vereinigung, Karl Lueger. Eben dieser Ritter von Schönerer aber versäumte es durch seine Radikalität, aber wohl auch persönliche Sprunghaftigkeit, eine breite, geeinte nationalliberale Massenbewegung zu formen. Stattdessen blieb dieses deutsch-freiheitliche Lager bis zum Ende der Monarchie bei den Reichsratswahlen von 1911 die stärkste politische Kraft. Deshalb stand es auch an der Wiege der Republik im Herbst 1918, um bei den darauf folgenden Wahlgängen hinter den Christlich-Sozialen und der Sozialdemokratie zum Dritten Lager herabgestuft zu werden.
Nun ist die Geschichte dieses politischen Bereichs reich an Verdiensten, aber auch an höchst verhängnisvollen Irrwegen – man denke an die Verquickung mit dem Nationalsozialismus. Fest steht allerdings, dass es bis zum heutigen Tag einen integrierten Bestandteil der politischen Landschaft Österreichs bildet. In wechselnder Stärke, prägend in der Ersten Republik, marginalisiert am Anfang der Zweiten Republik, im Zuge des Populismus eines Jörg Haider und eines HC Strache wiederum in Regierungsverantwortung vorstoßend, vertritt die Partei, die dieses Lager repräsentiert, die Freiheitliche Partei Österreichs nämlich, tendenziell plus/minus 20 Prozent der Alpenrepublikaner.
Wenn diese FPÖ in ihrer frühen Phase eine nationalliberale Honoratiorenpartei war, so wurde sie dann im Zuge des Haiderschen Populismus zu einer „Arbeiterpartei neuen Typs“ (© Professor Plasser) und ist heute nach ihrer vierten Regierungsbeteiligung zwischen 2017 und 2019 wiederum eine Fundamental-Oppositionspartei, die primär die Unzufriedenen gegenüber den Regierungsparteien und dem politischen Establishment vertritt.
Regional allerdings gibt es in dieser Partei, die nunmehr vom ehemaligen Innenminister und Parteistrategen unter HC Strache, nämlich von Herbert Kickl geführt wird, große Unterschiede. So war die FPÖ zu Jörg Haiders Zeiten in Kärnten eine Mehrheitspartei und ist nunmehr trotz politischer Erfolglosigkeit immer noch die zweitstärkste Kraft im Lande. In Wien hingegen war die FPÖ in ihren besten Zeiten von der Führungsspitze her durchaus eine national orientierte Honoratiorenpartei, die allerdings von der Masse ehemaliger SPÖ-Wähler gewählt wurde. Und nunmehr, zwei Jahre nach dem Aufkommen des Skandals von Ibiza, in einer Phase, in der die Freiheitlichen flächendeckend schwere Verluste und einen großen Vertrauenseinbruch hinzunehmen hatten, bleibt nur noch die FPÖ Oberösterreich als politische Kraft mit starker Verankerung in allen Bevölkerungsschichten.
Das hat im Land ob der Enns natürlich auch Tradition. Das nationalliberale Lager war dort immer schon stark verankert, und in der nunmehr bald 70-jährigen Geschichte der FPÖ waren es immer wieder politische Persönlichkeiten aus Oberösterreich, die die gesamte Partei prägten. Nicht umsonst war der Gründungsobmann der FPÖ, Anton Reinthaller, Oberösterreicher, ebenso wie sein Nachfolger Friedrich Peter. Auch Jörg Haider kam aus Oberösterreich, wenn er auch dann seine politische Hausmacht in Kärnten hatte. Aber auch die oberösterreichischen Landesparteiobleute der jüngeren Zeit, insbesondere Hans Achatz, Lutz Weinzinger und nunmehr Manfred Haimbuchner sind freiheitliche Spitzenpersönlichkeiten von besonderer Güte und besonders großem innerparteilichen Gewicht. Sie standen und stehen aber auch an der Spitze einer Partei, die wie kaum eine andere Landespartei strukturiert und organisiert ist. Da gibt es funktionierende Orts- und Bezirksgruppen, da findet sich eine entsprechende Repräsentanz in allen Bevölkerungsschichten, von den Bauern über die Arbeiterschaft, von der Jugend bis zu den Senioren und auch im Bereich der Freiberufler und der Unternehmer.
So gesehen ist die oberösterreichische FPÖ einerseits eine klassische nationalliberale Honoratiorenpartei, die im akademischen Bereich und im Bereich der Freiberufler und der mittelständischen Unternehmen gut verankert ist, sie ist aber auch eine Partei, die stark in den bäuerlichen Bereich hineinwirkt und auch bereits seit den Tagen des VdU in der Arbeiterschaft punkten konnte. Bereits der VdU konnte bei Betriebsratswahlen der Linzer Voest große Erfolge zu erzielen, und dieses Erbe vermag die FPÖ Oberösterreich bis zum heutigen Tag erfolgreich zu verwalten.
Überdies war und ist die Freiheitliche Partei im Lande ob der Enns immer wieder in Regierungsverantwortung, und sie kann diese Regierungsverantwortung auch durchaus erfolgreich und wählerwirksam umsetzen. Einerseits also wirkt sie sehr wohl oppositionell gegenüber den Mainstreammedien und gegenüber dem politischen Establishment, andererseits aber ist sie auch selbst Teil dieses politischen Establishments. Und sie beweist mit ihrer Politik, dass es auch durchaus möglich ist, eine patriotische, nationalliberale und wertkonservative Volkspartei in etwa jenem Maßstabe zu sein, der ein Viertel bis zu einem Drittel der Bevölkerung anspricht. Dies ist auch der Grund, weswegen die oberösterreichischen Freiheitlichen durchaus Vorbildwirkung für die gesamte freiheitliche Gesinnungsgemeinschaft haben, sowohl in inhaltlich-sachpolitischer Hinsicht als auch im Organisatorischen.
Ein Problem mag es allenfalls darstellen, dass die gegenwärtig mitregierende FPÖ Oberösterreich politisch naturgemäß anders agiert als die im Moment auf Fundamentalopposition getrimmte Bundes-FPÖ. Dies besonders deshalb, da Kickl und die Bundespartei die schärfsten Kritiker der türkisen Bundesregierung unter Sebastian Kurz sind, während Manfred Haimbuchner in Oberösterreich mit dem schwarz-türkisen Landeshauptmann Stelzer gemeinsame Sache machen muss. Gerade diesbezüglich ist aber auch bemerkenswert, dass es Haimbuchner meisterhaft schafft, kritische Haltungen gegenüber den Maßnahmen der türkis-dominierten Bundesregierung zu kommunizieren, und gleichzeitig konstruktive Sachpolitik mit seinem schwarz–türkisen Koalitionspartner auf Landesebene zu betreiben vermag.
Gerade eine nähere Betrachtung der Freiheitlichen in Oberösterreich zeigt allerdings, dass der von politischen Mitbewerbern immer wieder mehr oder weniger offen gezeigte Wunsch nach einer Auslöschung bzw. Vernichtung der Freiheitlichen Partei nur bloßes Wunschdenken darstellt. Eine politische Kraft vom Zuschnitt der FPÖ, wie sie sich in Oberösterreich darstellt, entspricht offenbar nicht nur den Wünschen eines breiten Teils der Wähler, sondern auch den Bedürfnissen der Republik insgesamt: Eine patriotische Bewegung mit wertkonservativer Grundierung, wirtschaftsliberal, aber entschieden sozial orientiert, was die Schwächeren der Gesellschaft betrifft, und all das auf der Basis des historisch gewachsenen Bewusstseins um die Zugehörigkeit zur „German speaking world“, zum deutschen Kulturkreis eben. All dies lässt mit einiger Spannung, aber auch mit berechtigtem Optimismus auf das Abschneiden der oberösterreichischen Freiheitlichen bei der diesjährigen Landtagswahl blicken. Auch wenn das sensationelle Ergebnis des Jahres 2015 aufgrund der damaligen Massenmigration nicht mehr erreichbar sein dürfte, wird das Abschneiden der FPÖ Ober­österreich diesmal ein klares Zeichen für die Existenzberechtigung und die Zukunftsstärke der Freiheitlichen in Österreich insgesamt setzen.


Rotes Revival in Europa?

23. September 2021

Die Sozialdemokratie gibt ein Lebenszeichen von sich

Gegenwärtig wird die politische Ampel offenbar wieder einmal auf Rot geschaltet. Bei den norwegischen Parlamentswahlen konnte die Sozialdemokratie einen Erfolg verbuchen. Möglicherweise wird sie so wie in den anderen skandinavischen Länderm
(Schweden, Finnland, Dänemark) Regierungsverantwortung übernehmen. Und im benachbarten Deutschland scheint sich ein rotes Wunder anzubahnen. Die über Jahre darniederliegende SPD hat sich unter ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz auf die Spitze der Umfragewerte hinaufgearbeitet und den Merkel-Nachfolger Armin Laschet hinter sich gelassen. Knapp zwar, aber doch, könnte die alte und so traditionsreiche deutsche Sozialdemokratie wieder einmal in das Kanzleramt einziehen. Olaf Scholz könnte in der Nachfolge eines Willy Brandt, eines Helmut Schmidt und eines Gerhard Schröder die Geschicke des größten und bedeutendsten EU-Mitgliedstaats leiten.
Gibt es also nach den langen Jahren des politischen Niedergangs und der Misserfolge, nach der glücklosen Sinnsuche für die alte Arbeiterbewegung im 21. Jahrhundert endlich wieder so etwas wie einen Wiederaufstieg? Werden sozialdemokratische und sozialistische Parteien quer durch die Europäische Union und darüber hinaus wieder prägewirksam für die politische Landschaft?
Nun wissen wir zwar, dass der dritte Weg, wie ihn der britische Labourchef Tony Blair versucht hat einzuschlagen, letztlich keinen Erfolg brachte und wir wissen auch, dass die Arbeiterbewegungen im klassischen Sinne allein durch den Wegfall des soziologischen Substrats, nämlich der Arbeiterklasse, kaum wiederbelebt werden können. Allerdings scheint es so, dass die Sozialdemokratie dort, wo sie sich durchringen kann, nicht für zeitgeistkonforme Randgruppen und Schickeria-Cliquen Politik zu machen, sondern eben für den Durchschnittsbürger, für die einfachen Menschen mit ihren alltäglichen Sorgen, wieder Zukunft hat.
Wenn sie sich die soziale Gerechtigkeit und damit die Bewältigung der Alltagssorgen der Menschen auf ihr Panier schreibt und nicht so sehr die politisch korrekten Dogmen der Willkommenskultur und anderer zeitgeistiger Modeerscheinungen, scheint sie wieder Zuspruch zu bekommen. Vor allem dann, wenn sie sich im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik so wie etwa in Dänemark auf einen pragmatischen und realitätsbezogenen Standpunkt zu einigen vermag. Die Themen der sozialen Gerechtigkeit, eines pragmatischen und vernünftigen Umwelt- und Klimaschutzes (im Gegensatz zu den diesbezüglich dogmatischen Grünen) und eine klar zuwanderungskritische Position können der Sozialdemokratie offenbar quer durch Europa zu so etwas wie einem Revival zu verhelfen.
Für Österreich kann man dies noch nicht behaupten. Die zwar sympathische und als Medizinerin mutmaßlich kompetente Pamela Rendi-Wagner, mit dem Charisma einer Vorzugsschülerin, die sich zur Klassensprecherin wählen lässt, ist wahrscheinlich doch eine politische Fehlbesetzung. Und die Antipathien des linken Parteiflügels gegenüber dem Doskozil-Kurs verunmöglichen eine Kurskorrektur der heimischen SPÖ im zuvor zitierten Sinne. Vorläufig. Sollte sich aber mittel- bis längerfristig herausstellen, dass auch die Bäume der türkisen Buberlpartie des Sebastian Kurz nicht in den Himmel wachsen, könnte auch die Stunde der österreichischen Sozialdemokratie wieder schlagen. Allerdings nur dann, wenn sie ihre politisch korrekte Populismusphobie abzulegen im Stande ist und wenn pragmatische Exponenten wie etwa der burgenländische Landeshauptmann das Sagen haben.
Vorläufig aber muss die SPÖ neidisch nach Berlin, nach Oslo, nach Stockholm und nach Kopenhagen blicken. Insbesondere aber der Blick in die dänische Hauptstadt könnte sie lehren, wie es auch hierzulande gehen könnte.


Wahlen als Herzstück der Demokratie

23. September 2021

In diesen Tagen gibt es wieder eine Reihe von Wahlen. Hierzulande in der zweitgrößten Stadt des Landes, in Graz, die Wahl für den Gemeinderat, den Bürgermeister und im Bundesland Oberösterreich die Wahlen für den Landtag sowie ebenso die Wahl der jeweiligen Bürgermeister. Und – weltpolitisch wesentlich bedeutsamer – im stärksten Mitgliedstaat der Europäischen Union, in der Bundesrepublik Deutschland, wird das Parlament gewählt, ebenso wie vor wenigen Tagen im flächenstärksten Land der Erde, in Russland, wo die die Zusammensetzung der Staats­duma neu gewählt wurde.
Wahlen sind bekanntlich das Herzstück der Demokratie und das wichtigste Recht des Bürgers. Sie mischen die politischen Karten neu und bestimmen, wer die Menschen jeweils vertritt. Sie können aber so, wie zum Beispiel in Russland, auch zur Alibiaktion für autokratische Machthaber degradiert werden. Zur häufig manipulierten und verfälschten Alibiaktion, mit der diese Machthaber ihre undemokratische Machtausübung zu
legitimieren versuchen.
Die Wahlen in Graz sind also vielleicht wirklich nur für die Bürger der steirischen Landeshauptstadt von Bedeutung. Kurios sind sie allenfalls insofern, als die „Menschenrechtsstadt“ Graz die einzige Großstadt in Mitteleuropa ist, in der es noch eine kommunistische Partei mit 20 % Wählerstimmen gibt. Und das ist kein Ruhmesblatt für die steirische Landeshauptstadt, die zweifellos weiter vom tiefschwarzen Bürgermeister Nagl regiert werden wird – ob weiter mit den Freiheitlichen des wackeren Mario Eustacchio oder doch mit den politisch korrekten Grünen, wird sich weisen.
Schon von größerer politischer Bedeutung sind die Wahlen in Oberösterreich, da es sich dort um das wirtschaftlich wohl stärkste Bundesland der Alpenrepublik handelt. Auch dort wird sich weisen, ob der türkis–schwarze Landeshauptmann Stelzer, dessen Wahlsieg auch außer Frage steht, weiter mit den Freiheitlichen des Manfred Haimbuchner regiert oder eben mit den Grünen so wie auf Bundesebene. Die wohl spannendste Frage wird dabei sein, ob zwei Jahre nach Ibiza eine freiheitliche Landesorganisation wieder in der Lage sein wird, ein respektables Ergebnis jenseits der 20 % einzufahren – etwas, was Haimbuchner allen Umfragen zu Folge doch gelingen
dürfte.
Was schließlich die Wahlen in der benachbarten Bundesrepublik betrifft, so scheint sich so etwas wie ein rotes Wunder anzubahnen: Der trockene Hanseate Olaf Scholz könnte das Rennen um das Berliner Kanzleramt machen und sich somit in eine Reihe sozialdemokratischer deutscher Kanzler, zurückgehend auf Gerhard Schröder, Helmut Schmidt und Willy Brandt stellen. Ob hinter dem pragmatischen Sozialdemokraten Scholz dann allerdings ein brutaler Linksschwenk stattfindet, bleibt abzuwarten.
Und was schließlich die erwähnten Wahlen in Russland betrifft, so scheint auch der autokratische Machthaber Wladimir Putin ohne Bestätigung durch das Wahlvolk nicht regieren zu können beziehungsweise zu wollen. Dass sich da beim umstrittenen Wahlergebnis gewisse Verschleißerscheinungen seiner Kreml-Partei zeigen, beweist, dass auch die Bäume der Kreml-Herren nicht in den Himmel wachsen.
Wenn die Bürger also die Möglichkeit haben, an der Wahlurne ihre politische Meinung zu artikulieren, gibt es für die jeweiligen Inhaber der Regierungsfunktionen und der Macht häufig bange Stunden. Und das ist gut so. Niemandes Macht sollte unbeschränkt und unkontrolliert bleiben. Keine politische Persönlichkeit und keine politische Partei sollte ohne Bestätigung durch die Menschen regieren und agieren dürfen. Diese Errungenschaft pflegen wir nicht nur in den Demokratien westlichen Stils, sogar autoritäre, ja totalitäre Regime können nicht mehr umhin, sich der Mechanismen von Wahlen zu unterziehen, wenn auch unfrei, manipuliert und verfälscht.
Freie, direkte und geheime Wahlen sind also etwas, was wir gar nicht hoch genug einschätzen können. Das sollte uns in diesen Tagen angesichts der relativ unbedeutenden Wahlgänge in Österreich – aber auch angesichts jener von weltpolitischer Bedeutung wie in der Bundesrepublik und in Russland – wieder einmal klar werden.


Bewahranstalt für Analphabeten?

9. September 2021

Das dritte Schuljahr im Zeichen der Corona-Pandemie hat begonnen, und das – vorläufig noch – ganz real in der Schule ohne Homeschooling und Online-Unterricht. Um jeden Preis müsse man die Schulen offenhalten, sind sich Regierung und Oppositionsparteien einig, wenngleich unterschiedliche Vorsichtsmaßnahmen gefordert werden: Vom bloßen Lüften der Klassenzimmer über die Forderung nach permanenten Tragen von Schutzmasken und ständigen Tests bis hin zum Ruf nach einer 1G-Regelung, also einem mehr oder weniger direkten Impfzwang, reichen hier die Forderungen. Dabei gibt es allenthalben Übereinstimmung, dass Österreichs Schüler in den letzten beiden Jahren katastrophale Versäumnisse erleiden mussten.
Versäumnisse im Bereich der Vermittlung des Unterrichtsstoffs, Versäumnisse auch, was die sozialen Kontakte betrifft und damit die allgemeine Entwicklung der jungen Menschen. Abgesehen davon aber erreichen uns in puncto Schule wenig erfreuliche Nachrichten: Bundesweit sind es mehr als ein Drittel der Schüler, in Wien gar mehr als 50 Prozent, deren Umgangssprache nicht Deutsch ist.
Und das sind in den allermeisten Fällen wohl solche Kinder, die keineswegs den Segen eines zweisprachigen Aufwachsens bekommen, sondern vielmehr, da sie zumeist auch aus bildungsfernen Schichten stammen, die Defizite des „Bilinguismus“ zu erleiden haben. Das heißt also, dass sie weder die Sprache ihres Herkunftslandes bzw. die ihrer Eltern noch die Staatssprache Österreichs in Wort, Schrift, Grammatik, Syntax und Wortschatz perfekt erlernen.
Überdies haben die vergangenen Corona-Schulzeiten dazu beigetragen, dass lernschwache Schüler durch das verordnete Homeschooling überhaupt weitgehend auf der Strecke geblieben sind. Zu glauben, dass die Sprösslingeaus den genannten bildungsfernen Schichten und jene aus den Zuwanderungs- Communities alle über den besten Laptop verfügen, mit diesem perfekt umzugehen wissen und sich den Lehrstoff mehr oder weniger in Eigenverantwortung aneignen, ist mehr als illusionär. Vielmehr dürfte ein tendenzieller Anstieg des Analphabetismus quer durchs Land zu verzeichnen sein. Was früher die Grundschule zu vermitteln hatte, unsere deutsche Muttersprache in Wort und Schrift, Schreiben und Lesen also, sowie die Grundrechnungsarten und über „Heimatkunde“ ein Basiswissen über unser Land, wird längst nicht mehr vermittelt.
Wer kann heute noch Kopfrechnen, wo er doch mit ein paar Berührungen des Zeigefingers am Handy alles ausrechnen kann? Welches Kind erlernt wirklich noch so etwas wie eine schöne Handschrift, wo doch nur mehr mit WhatsApp und SMS kommuniziert wird? Und all das in rudimentären Kurzmeldungen ohne Satzbau und Grammatik. Dieser tendenzielle Analphabetismus dürfte also weit über die Kinder aus diesen sogenannten bildungsfernen Schichten hinausgehen und längst auch die Sprösslinge besser situierter Österreicher erreicht haben.
Apropos besser situiert: Diese – das betrifft natürlich grün- und linksorientierte Eltern genauso – können ihre Kinder ohnedies nicht mehr in die öffentlichen Schulen geben, zumindest nicht in den Ballungsräumen und in der Bundeshauptstadt Wien. Dort müssen teure Privatschulen oder konfessionelle Schulen frequentiert werden, um noch irgendwo die vorgeschriebenen Bildungsziele des österreichischen Schulwesens für die Kinder erreichbar zu machen. Die öffentlichen Schulen mit ihren hohen Ausländeranteilen und den gesamten sozialen und kulturellen Problemen, die damit verbunden sind, sind längst so etwas wie Rest-Schulen geworden. Übertrieben und gespitzt gesagt könnte man also meinen, dass Österreichs traditionelles Schulwesen, über das wir seit Maria Theresias Tagen verfügen, Gefahr läuft, zu Bewahranstalten für tendenzielle Analphabeten zu werden.
Die Bildungsschichten und die begüterten Menschen des Landes bilden ihre Kinder in teuren Privatschulen aus, und der kleine Prozentsatz an intellektuellen Ambitionierten hat elitäre Bildungsmöglichkeiten, die er in Anspruch nehmen kann. Und die Masse der Bevölkerung darf, bewaffnet mit Handy und Tablet, im multikulturellen Paradies der Zuwanderungsgesellschaft verblöden und eine gewisse Zeit seines Lebens, eben vom sechsten bis zu 15. Lebensjahr, verbringt man zeitweise in öffentlichen Gebäuden, die man früher Schulen nannte. Eine traurige Vision.