Über rechtsextremen, linksextremen und Zuwanderungs-Antisemitismus
Der tätliche Angriff auf den Präsidenten der Israelitische Kultusgemeinde in der steirischen Bundeshauptstadt Graz zeitigte eine spontane Welle politischer Entrüstung. Vom Bundespräsidenten, über den Bundeskanzler, bis hinab zu den Stadtgewaltigen von Graz zeigte man sich entsetzt darüber, dass es zu Attacken gegen die Grazer Synagoge und sogar zu einem tätlichen Angriff gegen den Präsidenten Elie Rosen gekommen sei. Speziell in der Menschenrechts-Stadt Graz sei dies absolut inakzeptabel und die Gazetten des Landes waren voll von Berichten über diesen Vorfall, die von allgemeiner Abscheu getragen waren.
Grotesk war allerdings die Berichterstattung in den beiden größten Boulevard-Zeitungen des Landes, die offenbar noch erstellt wurden, bevor bekannt war, dass der Urheber des Grazer Anschlags ein Syrer sei. In Krone und Kurier wurde nämlich primär auf die antisemitische Einstellung und Untaten rechtsextremer Provenienz hingewiesen. Dass es sich beim Grazer Anschlag hingegen um eine Manifestation des Zuwanderungs-Antisemitismus handelte, passte dann nicht so recht ins Bild.
Und dabei sind wir mit einem Phänomen konfrontiert, das in Sachen Antisemitismus von politisch korrekter Seite und den Mainstream-Medien entweder ignoriert oder schamhaft klein geredet wird: Das Anwachsen des Antisemitismus in Europa ist in erster Linie das Resultat der Zuwanderung aus der islamischen Welt. Einerseits ist er dort religiös motiviert, andererseits durch den Hass und Vernichtungswillen, insbesondere der arabischen Gesellschaften, gegenüber dem Judenstaat Israel.
Der Antisemitismus in Europa, insbesondere in Österreich hat natürlich auch eine unselige und lange Tradition. Beginnend mit dem christlichen Antisemitismus gegen die „Christusmörder“ mit seinem mittelalterlichen Pogromen, mit der Judenverbrennung im 15. Jahrhundert in Erdberg bei Wien, den Ritualmord-Legenden und den Schaudermären von Brunnenvergiftungen und dergleichen, wirkte dieser christliche Antisemitismus lang fort und auch bis hinein in den Antisemitismus des christlich-sozialen Lagers und seines Begründers Karl Lueger. In diesem Bereich war allerdings auch so etwas wie ein wirtschaftlicher Antisemitismus wirkmächtig, wobei der Wiener Bürgermeister Lueger das Kleinbürgertum der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt, Gewerbetreibende, kleine Kaufleute und Handwerker und deren Ablehnung jüdischer Großunternehmer politisch instrumentalisierte. Und dann gab es da natürlich den in erster Linie von Georg Ritter von Schönerer politisch genützten Rassen-Antisemitismus, der zurErbsünde des deutschnationalen-liberalen Lagers in Österreich wurde und seine schrecklichen Auswirkungen in den Vernichtungslagern des Dritten Reiches finden sollte.
In den letzten Jahren der k.u.k. Monarchie und in der Ersten Republik war der Antisemitismus in seinen verschiedenen Ausprägungen nahezu so etwas, wie ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Die deutschnationalen Parteien hatten ebenso Arierparagraphen in ihren Programmen, wie die christlich- sozialen und sogar in der Sozialdemokratie, die auf Viktor Adler über Otto Bauer bis hin in der Zweiten Republik zu Bruno Kreisky und Bruno Pittermann Politiker mit jüdischen Wurzeln an prominenter Stelle aufzuweisen hatten, waren von antisemitischen Tendenzen nicht frei. So galt es in der Ersten Republik in der Sozialdemokratischen Deutschen Arbeiterpartei als ungeschriebenes Gesetz, dass im Parteivorstand nur ein gewisser Prozentsatz von Juden vertreten sein sollte und nach 1945 wehrte sich die SPÖ unter Adolf Schärf und Oskar Helmer vehement gegen die Rückkehr von jüdischen Sozialdemokraten aus dem Exil. Doch all diese Haltungen waren durch den Holocaust in einem Maße diskreditiert, dass in der Zweiten Republik jeder Ansatz von Antisemitismus – zumindest in den offiziellen politischen Äußerungen als absolut inakzeptabel galt. ÖVP-Wahlslogans, wonach ihr Kandidat ein „echter Österreicher“ im Gegensatz zu Kreisky und Pittermann wäre, oder Bruno Kreiskys Aussage „Wenn die Juden ein Volk sind, dann sind sie ein mieses Volk“, sind da heute schlicht und einfach nicht mehr zu akzeptierende Ausrutscher.
Dass es aber latenten Antisemitismus in weiten Bereichen der österreichischen Gesellschaft gab, steht außer Zweifel. Und nicht zu leugnen ist auch, dass in rechtsextremen Randbereichen der Gesellschaft solche Haltungen – zumeist subkutan – bis heute nachwirken. Die erst kürzlich gefallenen Äußerungen jener jungen Flugbegleiterin, die für das Team Strache in Wien kandidiert, („Soros muss weg, Rockefeller muss weg, …“) mögen sich zwar expressis verbis gegen Börsenspekulation und Großkapitalismus richten, sie werden aber – wohl nicht ganz zu Unrecht – von politisch korrekter Seite stets als antisemitisch grundiert verstanden. Und gewiss mag es in manchen Bereichen des traditionellen national-liberalen Lagers ebenso subkutan auch Restbestände des alten schönerianischen Antisemitismus geben, der allerdings ganz bewusst und demonstrativ von der israelfreundlichen Politik der FPÖ, wie sie unter Heinz-Christian Strache über mehr als ein Jahrzehnt geübt wurde, konterkariert wird. Dabei wurden solche Reste von Antisemitismus in diesem traditionellen Bereich des Dritten Lagers deklaratorisch ganz klar geächtet und abgelehnt. Unleugbar ist aber, dass im rechten Narrensaum – insbesondere auf der anarchischen Spielwiese der sozialen Medien unter der Tarnkappe der elektronischen Anonymität – immer wieder Spuren dieses rechten Rest-Antisemitismus zutage treten. Und natürlich gab und gibt es auch einen linksextremen Antisemitismus, der sich zumeist im Mäntelchen anti-israelischer Haltungen darstellt. Da wird beim absolut legitimen Eintreten für die Lebensrechte der Palästinenser und mit der ebenso legitimen Kapitalismuskritik unterschwellig antisemitisches Ressentiment mittransportiert. Insbesondere dann, wenn es in Israel rechte, oder sogar ultrarechte Regierungen, wie etwa jene des Benjamin Netanjahu zu kritisieren gibt, erhebt dieser linke Antisemitismus mehr oder weniger offen sein Haupt.
Dieser sozusagen genuin österreichische Antisemitismus von rechtsextremer oder auch linksextremer Seite ist jedoch nur mehr in Restbeständen der Gesellschaft vorhanden und zeigt sich eher verschämt oder anonym in radikalen politischen Randbereichen. Sehr offen und sehr offensiv hingegen erhebt sich die sehr hässliche Fratze des Antisemitismus in weiten Bereichen der Zuwanderer-Populationen. Insbesondere dann, wenn die Migranten aus dem arabischen und dem islamischen Bereich kommen, sind antijüdische, antiisraelische, insgesamt eben antisemitische Haltungen nicht nur weit verbreitet, sie sind in den islamischen Parallelgesellschaften gewissermaßen sozial adäquat und in den fundamentalistischen Bereichen dieser islamischen Parallelgesellschaften nimmt dieser Zuwanderungs- Antisemitismus natürlich auch fundamentalistische Dimensionen an, die bis hin zur Gewaltbereitschaft gehen – siehe Graz.
Es ist zwar, um bei diesem Einzelbeispiel zu bleiben, eine Frage der kriminalistischen Ermittler, die genaue Motivation des Grazer Attentäters zu erforschen, fest dürfte aber stehen, dass im Falle des Angriffs des Präsidenten der Grazer Kultusgemeinde ganz generell Antisemitismus festzustellen ist.
Und da sollten die Grazer Ereignisse und das darauf folgende allgemeine Entsetzen quer durch die politische Landschaft unserer Republik einmal Anlass sein, sich den Realitäten dieses Zuwanderungs-Antisemitismus zu stellen. Es ist wenig hilfreich in diesem Zusammenhang, stets zuerst mit erhobenem Zeigefinger nach Rechts zu zeigen. Dies mag zwar im Zuge des längst zur politisch korrekten Zivilreligion gewordenen „Kampfes gegen Rechts“ für die etablierte Politik und die Mainstream-Medien recht angenehm erscheinen, es hilft aber nicht, das Problem des Zuwanderungs-Antisemitismus zu erkennen und zu bekämpfen. Wenn die gleichen etablierten politischen und medialen Kräfte im Zeichen der „Willkommenskultur“ Zuwanderung weiter begrüßen und fördern, werden sie sich eingestehen müssen, dass sie damit auch eben diesen Zuwanderungs- Antisemitismus in Kauf nehmen. Sicherlich nicht billigend, aber in der Realität doch.
Fest steht natürlich, dass man im Zuge der Integration muslimischer Zuwanderer klar machen muss, dass für Antisemitismus kein Platz in Österreich ist, dass man historisch, theologisch und ganz allgemein gesellschaftspolitisch Erziehungsarbeit leisten muss, um diesen Neubürgern oder auch Asylanten deutlich zu machen, dass es zu den grundlegenden zivilisatorischen Standards unserer österreichischen, aber insgesamt der europäischen Kultur gehört, dass Antisemitismus ganz generell geächtet ist. Dies mag schwierig sein, da man natürlich nicht gleichzeitig ganz generell die Politik Israels gegenüber den Palästinensern oder der arabischen Welt exkulpieren und gutheißen kann. Diesbezüglich zu differenzieren, dürfte gegenüber arabischen Migranten, beispielsweise Syrern oder Palästinensern notwenig sein. Aber all dies wird nur möglich sein, wenn von den politisch Verantwortlichen und von den großen Medienorgeln das Problem dieses Zuwanderungs-Antisemitismus erkannt und angesprochen wird. Wer hier den Kopf in den Sand steckt, beispielsweise angesichts eines syrischen Anschlags auf einen Funktionär der Israelitischen Kultusgemeinde mit moralisch erhobenem Zeigefi nger auf irgendwelche rechtsextreme Randbereiche deutet und dabei ganz nebenbei noch den unliebsamen Freiheitlichen Verantwortung oder gar Schuld zuschieben möchte, hat den Kern des Problems nicht erkannt.