Ohnmächtiges Europa

28. Februar 2011

Die nordafrikanische Mittelmeerküste, das ist unmittelbare europäische Nachbarschaft und dort brennt es gegenwärtig. Die Explosionen, die da hochgegangen sind, zuerst in Tunesien, dann in Ägypten, nunmehr in Libyen, haben ihre Hitzewellen längst nach Europa geschickt. Zehntausende Flüchtlinge sind bereits gekommen, Hunderttausende stehen Gewehr bei Fuß. Der Brand droht also überzugreifen. Und in Europa diskutiert man, ob man die Feuerwehr einberufen soll, ob es nicht viel zu früh wäre, den Befehl „Wasser marsch“ zu geben und ob es überhaupt legitim wäre, die Löschfahrzeuge ausrücken zu lassen.

Solche Vergleiche mögen hinken, Tatsache ist jedenfalls, dass sich Europa angesichts der krisenhaften Entwicklung in Nordafrika und der schweren Kämpfe in Libyen wieder einmal als ohnmächtig erweist. Allzu zaghaft hat man zuerst einmal zugewartet, was passiert, um schließlich halbherzig abtretende Diktatoren zu verurteilen, mit denen man sich allzu lange arrangiert hat. Alle Welt, insbesondere auch die Europäer, waren mit Herrn Mubarak verhabert, der ja als absolut akzeptabler politischer Partner galt – nicht zuletzt im Hinblick auf den Nahost-Friedensprozess. Die Franzosen haben sich mit dem tunesischen Diktator vielfach ins Bett gelegt und insbesondere Italiener, aber auch wir Österreicher, waren mit den Libyern gut Freund. Gaddafis Konten dürften quer durch Europa und natürlich auch in den USA unter den diversen Namen gestreut sein und er selbst war mehrfach schlagzeilenträchtiger Gast in den europäischen Hauptstädten. Zuletzt erst schlug er sein Zelt in der ewigen Stadt Rom auf, um vor Berlusconi-affinen jungen Damen über den Islam zu plaudern.

Angesichts so intensiver Kameraderie ist es ja gerade verständlich, dass man sich nur langsam und bislang auch halbherzig dazu durchringen konnte, die Stimme gegen Gaddafi zu erheben. Nun da er Tausende in den Tod schickt, sein Land in Blut und Chaos versinken lässt, fällt den Europäern auch nicht mehr ein als die Drohung, seine Konten einfrieren zu lassen. Sanktionen gegen den Diktator oder gar militärisches Eingreifen, dazu sind die Europäer viel zu ängstlich.

Und für die Zukunft weiß man noch immer nicht, wie man sich gegenüber derlei Diktatoren verhalten soll. Und in Libyen heißt es, die US-Amerikaner – und da wird Brüssel dann nicht weit sein – erwägen die arabischen Könige in den Golfstaaten und insbesondere in Saudi-Arabien massiv zu stützen. Ganz so, als wären dieselben nicht ebenso antidemokratische und hoch korrupte Diktatoren. Man hat also offenbar nichts dazugelernt. Man legt sich mit den Autokraten ins politische Bett, um dann, wenn das Volk aufsteht, schwer überrascht zu sein und hilflos den revolutionären Ereignissen zuzusehen.

Insgesamt zeigt dies einmal mehr, wie ohnmächtig Europa nach außen hin ist. Allenfalls ist man bereit und fähig, als Zahler für alle Welt nunmehr auch für die nordafrikanischen Revolutionsstaaten einzuspringen, viel zu spät und viel zu halbherzig versucht man mit Milliardenzahlungen kommende Flüchtlingsströme abzuwenden, eine wirklich entschiedene Politik zur Durchsetzung europäischer Interessen und zur Unterstützung der betroffenen Völker bringt man jedoch nicht zustande.

Und einmal mehr erweist sich also, dass die Europäische Union ein merkwürdiges Gebilde ist, das zwar nach innen hin, gegenüber den Mitgliedsstaaten und den eigenen Bürgern, zunehmend paternalistisch, zentralistisch und intolerant agiert, das nach außen hin aber ein kraftloser Eunuch ist, unfähig zu entschlossenem Handeln, ignoriert von den wirklich starken Mächten und verachtet von den außereuropäischen Völkern. Ein wirklich trauriger Befund.


Die sogenannten EU-Battlegroups sind Zukunftsmusik

25. Februar 2011

Die derzeit laufende Evakuierung von EU-Bürgern aus Libyen zeigt das Chaos in der Europäischen- sowie teilweise auch Einzelstaatlichen-Verteidigungspolitik. Es gibt keine Koordination, sondern nur nationale Doppelgleisigkeiten.

Bei den sogenannten EU-Battlegroups handelt es sich nur um Zukunftsmusik.
Wieder einmal ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Die Europäische Union träumt davon, militärisch den USA ebenbürtig zu sein, tatsächlich aber herrscht in der Verteidigungspolitik blankes Chaos.

Insbesondere die aktuellen Ereignisse in Libyen nähren erhebliche Zweifel am Funktionieren der Battlegroups. Österreich hat auf Malta eine Herkules-Transportmaschine des Bundesheers stationiert, um seine Staatsbürger aus dem Krisenstaat herauszuholen. Und andere EU-Mitglieder haben eigene Maßnahmen gesetzt, um ihre Staatsbürger im Notfall zu retten. Von Koordination ist keine Spur, vielmehr macht jeder das, was er für richtig hält.

Gemeinsam Rettungspläne auszuarbeiten wäre wesentlich sinnvoller, anstatt vom weltweiten Einsatz der EU-Kampftruppen zu phantasieren. Jedes Land kocht zur Zeit sein eigenes Süppchen, von einer EU-weiten Koordination ist weit und breit weder etwas zu sehen, noch zu hören!
Wenn die Battlegroups nicht einmal in der Lage sind, in Krisenfällen für den Schutz von EU-Bürgern zu sorgen, dann sind sie entweder bloß reine Papiertiger oder von vornherein dafür vorgesehen, Handlangerdienste für die USA zu leisten. Beides ist nicht im Sinne einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik und sollte schleunigst bereinigt und geklärt werden.


Solidarität unter Schurken?

23. Februar 2011

Es mag irgendwo verständlich sein, wenn die Ausgegrenzten für andere Ausgegrenzte Sympathien haben. Wer wie die ach so bösen Rechtspopulisten im europäischen Bereich zu Schmuddelkindern der jeweiligen Innenpolitik erklärt wird, hat möglicherweise gegenüber den Schmuddelkindern der internationalen Politik mehr Verständnis als andere. So verwundert es nicht, dass einer der letzten europäischen Politiker, der mit Saddam Hussein gesprochen hat, Jörg Haider war. Er, der einer der Ersten war, der wirklich gute Beziehungen zu Gaddafi entwickelte, tat sich insofern auch leicht, da er damit scheinbar auf den Spuren Bruno Kreiskys, des Altmeisters der österreichischen Politik, wandelte. Wenn Bruno Jassir Arafat küssen konnte, so mochte Haider – warum auch nicht – zumindest Gaddafis Sohn Saif herzen. Dies brachte Medienpräsenz und überdies – so die Gerüchte stimmen – die eine oder andere Million auf Liechtensteiner Konten.

Und natürlich ist es auch für die freiheitliche Fundamentalopposition unserer Tage eine reale Verlockung als die gefährlichen Schurken, zu denen sie von den etablierten Meinungsmachern abgestempelt werden, sich mit gefährlichen Schurken auf dem internationalen Parkett zu solidarisieren. Da mag der Serbe Nikolić, dessen Vorgänger Seselj immerhin seit Jahren in Den Haag sitzt, noch ein relativ harmloser Zeitgenosse sein, den HC Strache getrost treffen darf. Gefährlicher ist da schon ein Ahmadinedschad, dessen Holocaust-Konferenzen man denn doch lieber den Obskuranten überlässt. Und die lateinamerikanischen National-Sozialisten Chavez und Morales mit ihrem rigiden Antiamerikanismus beklatscht man allenfalls diskret aus der Ferne. Die Nordkoreaner – welcher Kim ist gerade an der Macht? – sind selbst den ach so bösen europäischen Rechtspopulisten zu bizarr. Interessanter sind da schon die ultraorthodoxen jüdischen Siedler im Westjordanland, die international ja auch als Parias gelten.

Aber es ist nicht nur die Solidarität der Ausgegrenzten und der allzu opportune Versuch, wenigstens irgendwelche internationalen Gesprächspartner zu haben, die hier zu tragen kommen. Nein, es ist auch die vermeintliche Gemeinschaft mit vermeintlichen Revolutionären, die sich an diesem Phänomen erweist. Gaddafi kam ja als Revolutionär an die Macht. Haider sah sich auch als ein solcher. Und Ahmadinedschad, Chavez und andere nehmen das selbe für sich in Anspruch: Revolutionäre zu sein gegen das jeweilige Establishment, gegen die US-amerikanisch dominierte Weltordnung, gegen die politisch korrekten Medien.

Kritisch wird’s dann allerdings, wenn die vormaligen Revolutionäre zu kruden Machterhaltern mutieren und diesen ihren Machterhalt gegenüber dem eigenen Volk und dessen Aufbegehren mit Gewalt und Terror durchsetzen wollen. Welcher europäischer Rechtspopulist, und mag er eine noch so radikale Fundamentalopposition betreiben, mag sich heute noch mit dem libyschen Tyrannen solidarisieren, nachdem dieser in die Menge schießen ließ? Und welcher rechte Radikaldemokrat, dessen politisches Lebenselixier das permanente Plebiszit ist, mag sich mit den auf lebenslange Präsidentschaft abzielenden Verfassungsänderungen des Herrn Chavez solidarisch erklären? Und wer mit den Nuklearplänen und der antiisraelischen Brachial-Rhetorik des Herrn Ahmadinedschad? Da hört sich das Kuscheln unter Schurken dann auf und kritische Analyse ist angesagt. Analyse, ob es wirklich legitim ist, sich mit Autokraten und Gewaltherrschern zu solidarisieren. Ob die politische Provokation und die mediale Aufmerksamkeit das Gemeinmachen mit politischen Gewalttätern rechtfertigt.

Diese Frage aber müssen sich nicht nur die ach so bösen Rechtspopulisten, sondern wohl auch die etablierten politischen Kräfte quer durch Europa stellen. Haben nicht sie, die diversen Regierungsspitzen, genauso mit den islamischen Potentaten kooperiert und paktiert, wenn es das wirtschaftliche oder politische Interesse erforderte? Waren sie nicht stets bereit, politische Kumpanei mit jenen zu üben, wenn es um Öl-Liefermengen, um Rohstoffsicherung und um hartes machtpolitisches Interesse ging? Es sind also nicht nur die politischen Schmuddelkinder, die sich in diesen Tagen des – hoffentlich – demokratischen Umsturzes in der arabischen Welt die Frage der Moral zu stellen haben.


EU hat auf klare Distanz zu allen arabischen Despoten zu gehen

21. Februar 2011

Aufgrund der jüngsten politischen Entwicklungen ist es an der Zeit der opportunistischen Haltung der Europäischen Union zum Nahen Osten und zu Nordafrika ein Ende zu setzen. Auf der einen Seite predigt die Europäische Union die Einhaltung der Menschenrechte, und auf der anderen Seite hofiert sie verschiedene Machthaber in der Region, welche gerade die Menschenrechte mit Füßen treten. Wenn die EU glaubwürdig sein will, dann muss sie aber auf klare Distanz zu allen arabischen Despoten gehen, weil die dortigen politischen Systeme mit den unseren keinesfalls kompatibel sind.

Zudem verlange ich als EU-Mandatar, dass die EU-Außenminister den Erpressungsversuch des libyschen Machthabers Gaddafi, der gestern damit gedroht hatte, keine weiteren Flüchtlinge nach Europa mehr abfangen zu wollen, entschieden zurückweisen müssten. Die EU muss ihre Interessen verteidigen, und dazu zählt insbesondere die Bekämpfung der illegalen Massenzuwanderung aus Afrika. Ich möchte mich an dieser Stelle erneut für eine Stärkung der EU- Grenzschutzagentur Frontex aussprechen.

Ob die Ereignisse in Nordafrika den betroffenen Ländern dauerhaft Demokratie bringen werden, ist ungewiss. Fest steht aber, dass der Sturz von Diktatoren, wie etwa im Falle Tunesiens, anscheinend die illegale Zuwanderung anheizt, nicht zuletzt weil die Menschen in ständiger Angst leben und oft wohl keinen anderen Ausweg sehen als illegal nach Europa zu kommen. Daher ist es ein Gebot der Stunde, Frontex sowohl personell als auch finanziell zu stärken, damit der Schutz der EU-Außengrenzen im Mittelmeerraum gewährleistet ist.


Torheit – bei Regierenden und Regierten

16. Februar 2011

In Tunesien und Ägypten ist bekanntlich in den letzten Tagen die Demokratie ausgebrochen – so hört man es zumindest von der etablierten Politik und aus den etablierten Medien. Kurios nur, dass im neuerdings so demokratischen Tunesien sich Abertausende aufmachen, um den gefahrvollen und auch teuren Weg – die Schlepper kosten eben – nach Europa einzuschlagen. Bekanntlich wird die italienische Insel Lampedusa gegenwärtig von Flüchtlingen gestürmt. Flüchtlinge aber wovor, vor welcher Gefahr? Wenn das mit der Demokratie stimmt, dann gibt es keine Gefahr. Es sind also keine Flüchtlinge, sondern Wirtschaftsmigranten, die die europäischen Sozialsysteme und die Benefizien unseres Systems schlicht und einfach für aussichtsreicher und ergiebiger halten als jene ihres Heimatlands.

Was folgt daraus? Zuerst einmal, dass das Rückführungsabkommen zwischen Italien und Tunesien rigoros umzusetzen ist. Dass jeder dieser vermeintlichen Flüchtlinge von Lampedusa nicht aufs italienische Festland und damit auf das Territorium der Europäischen Union transferiert werden darf, sondern schnurstracks retour nach Nordafrika. Darüber hinaus aber bedeutet das, dass die Europäische Union mit ihrer Grenzschutzagentur Frontex insgesamt tätig werden muss. Italiens Außenminister Maroni hat schon recht, wenn er sagt, dass der Maghreb dabei ist zu explodieren. Und das darf nicht zu Lasten Europas geschehen.

Die Torheit der Regierenden ist hierzulande so groß, dass sie die Ereignisse in Ägypten, Tunesien und in der arabischen Welt insgesamt bejubelt, als Wende zu Demokratie lobpreist und dabei übersieht, dass es vorerst nur eine Wende hin zum Chaos ist, die wir da erleben.

Aber auch die Torheit der Regierten ist groß. Diese lassen sich in großer Zahl einreden, dass ordnungspolitische Maßnahmen, wie etwa die zuvor verlangte Rückführung von Wirtschaftsflüchtlingen oder – um in die Innenpolitik zu wechsel – beispielsweise das jüngst in Österreich debattierte Bettelverbot, von Übel seien. Zumindest der eher zeitgeistige und linksorientierte Teil der Bevölkerung teilt diese Torheit.

Nehmen wir das Bettelverbot, das dieser Tage in der Steiermark und in Kärnten, aber auch darüber hinaus debattiert wurde. Bettelei, wenn sie organisiert ist durch mafiose Strukturen unter Missbrauch von Kindern und Behinderten, ist zweifellos verbrecherisch. Da sind wir uns doch hoffentlich alle einig. Und unorganisierte Bettelei, die wirklich aus der Not entspringt, ist eine Schande, die in einem Lande mit sozialer Mindestsicherung einfach nicht notwendig ist und auch nicht toleriert werden muss. Bettler aus wirklicher Not sind schlicht und einfach von der Gesellschaft und vom Sozialstaat zu versorgen. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass Bettelei ein Unding ist, das es sie schlicht und einfach nicht geben darf in unserem Land, einem der reichsten des Planeten.

Solch simple Logik ist angesichts der Torheit der Regierten, also breiter Bevölkerungsschichten, die sich vom Zeitgeist lenken lassen und von der medialen Manipulation, offenbar nicht vermittelbar. Da gibt es dann Proteste in den Medien, unter Hinweis auf die Menschenrechte und Ähnliches. Absurd!

Das sind nur zwei relativ geringfügige Beispiele aufgrund gegenwärtiger Aktualitäten. Sie zeigen aber, dass die Dummheit jene grassierende Seuche ist, die vor Niemandem Halt macht: Nicht vor den Regierenden und nicht vor den Regierten, nicht vor den Mächtigen und nicht vor den Ohnmächtigen.

Wenn wir uns mit dem Aufbruch der arabischen Welt beschäftigen und diesen in Relation zu anderen Revolutionen der jüngeren Geschichte setzen, so stochern wir im Grunde im Nebel. Natürlich wissen wir genauso wenig, wie dieser arabische Aufbruch ausgehen wird, wie andere politische Beobachter. Wir sind uns nur nicht ganz so sicher, dass das Ganze in eitel Wonne, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat münden wird. Dass ausgerechnet in der islamischen Welt, die von ihrem spirituell-religiösen Hintergrund her gewissermaßen in voraufklärerischen Verhältnissen lebt, mit den einigermaßen simplen Mechanismen des Internet von Facebook und Twitter nunmehr Pluralismus, Toleranz und Demokratie ausbrechen soll, ist denn doch einigermaßen unwahrscheinlich. Und ohne jetzt gleich den gewerbsmäßigen Miesmacher zu geben, darf man diesbezüglich doch große Skepsis anmelden: Verlass ist nämlich nur auf eines, auf die Dummheit der Regierten und der Regierenden. Leider!


…die im Dunkeln sieht man nicht

14. Februar 2011

Revolutionen und wer – mutmaßlich – dahinter steht

Die Französische Revolution, die Urmutter aller europäischen Revolutionen, ist ein Ereignis über das es bis heute kein einheitliches Geschichtsbild gibt. Den einen ist sie der Quell von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, den anderen der große Startschuss einer masonischen Weltverschwörung, die Gleichmacherei und das Ende des Göttlichen eingeleitet hat. Wer dahinter steht, ob es wirklich eine großangelegte Konspiration der Freimaurerlogen war, welche diese Revolution auslöste und steuerte, oder ob es eben bloß die in den Massenmord abgleitende Revolte des Dritten Stands gegen das alte französische Feudalsystem war? Was weiß man. Man kennt die Akteure, Danton, Maret etwa oder Robespierre. Wir wissen vom Treiben der Jakobiner und vom Terror des Wohlfahrtsausschusses. Wir kennen die Berichte über die Mordlust des Mobs und dessen Begeisterung über die Effizienz der Tötungsmaschine des Doktor Guillotine. In welchen Zirkeln aber diese Revolution im Geheimen konzipiert wurde, das können wir uns nur aus der Lektüre der Romane von Alexandre Dumas ausmalen. Aber nehmen wir einmal getrost an, es wären die Freimaurerlogen gewesen. Dann haben wir zumindest eine greifbare Kraft als Motor der revolutionären Veränderung, als Triebfeder für die Abschaffung des Christentums, des Feudalsystems, des Adels und der Monarchie und für die Ausrottung der gesamten aristokratischen Oberschicht und aller kritischen Geister.

Schreiten wir voran in der europäischen Geschichte: Sechs Jahrzehnte später bringt das Sturmjahr 1848 Revolutionen quer durch Europa. Ausgehend von Frankreich, übergreifend auf Italien, auch auf Deutschland zwischen Berlin und Wien. Eine Revolution zwar, der die mörderische Energie der Pariser Ereignisse ein Menschenalter zuvor fehlt, die aber dafür klar an einem Stand, am Bürgertum eben, festzumachen ist. Eine Revolution, die geradezu bieder Verfassungsstaat, Republik und Rechtsstaat zum Ziel erkoren hat. Wir können in Hinblick auf 1848 den einmaligen Vorzug genießen, den politischen Umsturz am Beispiel des eigenen Landes analysieren zu können: Also fragen wir uns: Wer stand hinter den Wiener Ereignissen des Frühjahrs 1848? Gewiss, auch in unserem Fall kennen wir die Akteure, wir kennen die Köpfe der akademischen Legion, wir wissen um das Wirken Erzherzog Johanns als Reichsverweser in der Frankfurter Paulskirche und das der verschiedenen Paulskirchen-Abgeordneten. Wir wissen, was Adolf Fischhof bewirkte und Wenzel Messerhauser. Wir kennen die Geschichte um die Füsilierung Robert Blums und viele andere Details.

Wer aber stand hinter den Ereignissen, wer war die treibende Kraft. Waren es wirklich jene aus Deutschland nach und nach eingesickerten Krypto-Burschenschaftler die sich dann – idealistische Jünglinge – in der Wiener Akademischen Legion sammelten? War es insgesamt jene politische Bewegung, die aus der Ur-Burschenschaft hervor wuchs, kenntlich gemacht beim Hambacher Fest und dem Frankfurter Wachensturm, die hinter der deutschen bürgerlichen Revolution standen? Waren es die sogenannten Demagogen, jene romantischen und idealistischen Professoren, die an den deutschen Hochschulen über Freiheit und Einheit philosophierten, inspiriert von Herder, Fichte und Arndt, die die Väter der 48-er Revolution waren? Wir können es nur vermuten, bzw. im geistesgeschichtlichen Bereich Kausalitäten herausarbeiten. Eine Verschwörung im eigentlichen organisatorischen Sinne wird man dabei wohl kaum nachweisen können.

Doch schreiten wir weiter in der europäischen Geschichte voran: In die Jahre 1917 bis 1919, also rund um das Ende des Ersten Weltkrieges, als nach dem Zusammenbruch der europäischen Kaiserreiche die roten Revolutionen ausbrachen. Nach den Theorien von Marx und Engels hätte die kommunistische Revolution bekanntlich in Deutschland stattfinden müssen oder in einem anderen hochindustrialisierten europäischen Land, in dem der Kapitalismus sich durch das zwangsläufige Anwachsen des Proletariats selbst auszuhebeln gehabt hätte. Stattgefunden hat die kommunistische Revolution im eigentlichen Sinne allerdings dann im zaristischen Russland, das ein unterentwickelter, feudaler Agrarstaat war. Die relativ gemäßigten Menschewiki wurden nach der ersten Phase der Revolution von den radikalen Bolschewiki des Wladimir Uljanow / Lenin hinweggefegt. Und es war zweifelsfrei die deutsche Heeresleitung unter Ludendorff und Hindenburg, welche Lenin mittels Reichsbahn im plombierten Wagon von der Schweiz quer durch Deutschland nach St. Petersburg schaffte.

Deswegen ist allerdings noch niemand auf die Idee gekommen, die russische Oktoberrevolution auf eine Verschwörung des preußisch-deutschen Generalstabs zurückzuführen. Dafür aber wurde und wird im einschlägigen Kreise der Verschwörungstheoretiker viel von den Weisen von Zion gemunkelt und vom zweifellos vorhandenen starken jüdischen Anteil an der Oktoberrevolution. Man denke nur an Trotzky, der zuvor unter seinem bürgerlichen Namen Bronstein sein Exil in den Wiener Kaffeehäusern verbrachte. Es mag nun NS-Argumentation sein, wonach die bolschewistische Revolution eine jüdische gewesen sei und daher die sogenannte nationale Revolution in Deutschland sich zentral auch gegen das Judentum zu richten habe, bis hin zum industriell organisierten Genozid am europäischen Judentum. Realität ist jedenfalls, dass rote Revolutionsherde, die dem Vorbild der russischen Oktoberrevolution nacheiferten, sei es nun jener in Budapest des Béla Kun oder jener in München der Räte-Republikaner um Kurt Eisler, auch in einem gewissen Maße jüdische Mitstreiter zu verzeichnen hatten. Was wiederum die Obsessionen der nationalen Revolutionäre, genährt durch den quer durch Europa zur psychischen Massenseuche gewordenen Antisemitismus, stärkte. Obskure Machwerke wie die legendären „Protokolle der Weisen von Zion“ schufen jedenfalls vermeintliche Realitäten, welche in den Köpfen der Veränderungsverlierer nach dem Ende des Ersten Weltkriegs das manichäische Weltbild der durch eine jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung bedrohten europäische Völker schuf.

Doch auch die nationale Revolution, im Wesentlichen der Aufstand der geschlagenen Offiziere und der absteigenden Eliten des alten Regimes, verkörpert in den Freicorps und anderen Heimkehrer-Verbänden, hat angeblich Hintergründe, über die man nur mutmaßen kann. Wer oder was war denn jene Thule-Gesellschaft, die angeblich hinter der Gründung der Hitler-Partei stand? Waren die altösterreichischen Kirchenväter des Hitler‘schen Antisemitismus, etwa ein Lanz von Liebenfels wirklich nur Narren und Obskuranten, oder gab es ein konspiratives Netzwerk, welches später den Aufstieg des Nationalsozialismus und den sektoiden Hintergrund von Himmlers Schutzstaffel bestimmte? Auch in diesem Falle gibt es ebenso viele Verschwörungstheorien wie mehr oder minder stichhaltige Mutmaßungen.

Doch weiter im Verlauf der europäischen Geschichte. Ein Menschenalter nach den Ereignissen von 1917 fegt eine Revolution den Kommunismus quer durch Osteuropa hinweg. Der osteuropäische Völkerfrühling des Jahres 1989 lässt den real existierenden Sozialismus des Sowjetregimes zusammenbrechen. „Wir sind das Volk“ skandieren die demonstrierenden DDR-Bürger zuerst, um schließlich in den Ruf „wir sind ein Volk“ überzugehen. Und die Völker sind es zwischen Baltikum und Balkan, die innerhalb weniger Monate den Warschauer Pakt zerbrechen lassen, aber auch die Sowjetunion. Polen, Esten, Letten und Litauer, Ukrainer, Tschechen und Slowaken, Ungarn, Rumänen, Bulgaren, sie alle demonstrieren für ihre nationale Identität und für ihre nationalstaatliche Souveränität. Doch wer stand dahinter?

Es heißt Ronald Reagans Strategie des Totrüstens der Sowjetunion durch einen gnadenlosen Rüstungswettlauf und Carol Woytilas moralische Unterstützung für die katholischen Polen seien der Ausgangspunkt für den Zusammenbruch des Sowjet-Kommunismus gewesen. Dennoch wäre es natürlich ein Unsinn davon zu sprechen, dass die osteuropäische Revolution von 1989 aufgrund einer US-kapitalistischen-katholischen Verschwörung zustande gekommen wäre. Es mag zwar sein, dass die polnische Solidarnosc-Bewegung von Papst Johannes Paul II inspiriert war. Und zweifelsohne dürften westliche Geheimdienste, allen voran der CIA, hinter den Kulissen der aufständischen osteuropäischen Metropolen manchen Faden gezogen haben. Insgesamt aber waren es zweifellos die Völker Osteuropas, deren spontane Erhebung durch den gleichzeitigen sozioökonomischen Zusammenbruch des Sowjetkommunismus Erfolg haben konnte. Wieweit Glasnost und Perestroika durch die konspirative Tätigkeit westlicher Geheimdienste, oder gar des sowjetischen KGB selbst möglich wurden, kann man nur vermuten. Einer, der heute nahezu ein Viertel-Jahrhundert danach vielleicht darüber Auskunft geben könnte, ist der gegenwärtige starke Mann Russlands Wladimir Putin als ehemaliger hochrangiger KGB-Offizier.

Doch nun zur aktuellen Revolution in der arabischen Welt – wenn es denn überhaupt zu einer solchen wird. Längst ist nämlich nicht gesagt, dass der tunesische Umsturz und die Dauer-Demonstrationen in Ägypten gegen Mubarak wirklich zu einem Flächenbrand in der arabischen Welt führen. Möglicherweise bleibt es bei einem revolutionären Aufflackern zwischen Riad und Damaskus, zwischen Algerien und dem Jemen. Ob die korrupten, zweifellos unfähigen, dafür aber klar westlich orientierten Monarchien auf der arabischen Halbinsel, in Jordanien oder in Marokko überleben, ist ungewiss. Vorläufig deutet nichts wirklich darauf hin, dass ihr Sturz unmittelbar bevorstünde. Und die sich selbst als revolutionär definierenden Regime in Syrien, in Libyen oder gar im Iran scheinen durchaus in der Lage zu sein, oppositionelle Bestrebungen bereits im Keim zu ersticken.

Doch widmen wir uns den Hintergründen dieser arabischen Revolten: Wer hat sie konzipiert, wer zieht die Fäden? Diesmal kann man weder irgendwelche Freimaurer, noch die Weisen von Zion, geschweige denn die Jesuiten oder westliche Geheimdienste verdächtigen. Den israelischen Mossad schon gar nicht, da speziell die ägyptischen Ereignisse diametral gegen die Interessen Israels laufen. Wenn es so etwas wie Drahtzieher hinter den arabischen Revolten gibt, dann ist es das Internet, Twitter und Facebook. Ironisch könnte man anmerken, dass es die Revolution des jüdischen US-Amerikaners Zuckerberg ist, der bekanntlich Facebook gegründet hat.

Bereits die oppositionellen Regungen der vergangenen Jahre im Iran konnten sich nur durch die neuen elektronischen Kommunikationswege entwickeln. Vollends scheint dies nunmehr in der arabischen Welt der Fall zu sein, wo trotz autoritärer Regime, trotz mangelnder Demokratie und des Fehlens einer freien Medienlandschaft die neuen Kommunikationstechniken über das Internet schlicht und einfach nicht verbietbar sind. Das könnte aber auch so etwas wie die Schwäche dieser arabischen Revolte sein: Das Internet mit Facebook und Twitter sind eben nur Medien ohne Inhalt und ohne Ideologie, ohne gesellschaftliches Substrat. Über sie kann man einen Aufstand vielleicht organisieren, sie bieten einem solchen aber weder ein politisches Ziel, noch eine inhaltlich-ideologische Ausrichtung.

Man wird sehen, ob Kräfte im Hintergrund, wie etwa die Moslembruderschaft in der Lage sein werden, sich der über das Internet organisierten Revolte für eigene revolutionäre Zwecke, zu bedienen. In Ägypten war es bisher ja nicht mehr als eine lang anhaltende Massendemonstration, die in erster Linie das alte Regime beseitigt wissen will und zum Abgang des Langzeit-Diktators führten. Und überaus vage von Demokratie, Freiheit und Wohlstand spricht. Dass dies weder so etwas wie eine bürgerliche Revolution, noch eine proletarische Revolution ist, nach der sich die entsprechende Klasse dann in den Besitz der Macht bringen könnte, weiß man. Ob es so etwas wie ein arabischer Völkerfrühling sein wird, der hier begonnen hat, eine Freiheitsbewegung für die arabische und dann vielleicht für die gesamte islamische Welt, bleibt abzuwarten. Möglich wäre es!


All zu schneller Jubel über den Umsturz in Ägypten – Kommen nach der Militär-Übergangsregierung die Moslembrüder?

12. Februar 2011

Der allgemeine Jubel und die europäischen Reaktionen über die vermeintliche Demokratisierung Ägyptens, nach dem Rücktritt des ägyptischen Diktators Hosni Mubarak, könnte möglicherweise etwas zu vorschnell sein.
Wenn wieder einmal das Militär im volkreichsten Land des arabischen
Raumes die Macht übernommen habe, müsse dies keineswegs bedeuten,
dass bald demokratische Wahlen zu erwarten seien und selbst wenn es zu solchen käme, könnten die westlichen Jubelperser übersehen, dass damit die Chance für die Machtübernahme der Moslembruderschaft relativ hoch wäre.

Was dies aber für die Stabilität im Nahen Osten insgesamt und auch für die Sicherheit Israels bedeuten würde, müsse allen klar sein. Daher gehe es für die europäische Seite nunmehr darum, vom politisch korrekten Bejubeln einer nach wie vor nicht vorhandenen Demokratie abzusehen und den Ägyptern klare Hilfestellungen beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen einer freie Marktwirtschaft und einer pluralistischen Gesellschaft anzubieten.

Man darf also gespannt sein, wie es nun weiter gehen wird!


Slowenien hat Diskriminierung der Altösterreicher zu beenden

9. Februar 2011

Wenn der slowenische Staatspräsident Danilo Türk von einem gemeinsamen slowenischen Kulturraum spricht, der auch die slowenischen Minderheiten im Ausland umfasst, dann ist dies durchaus akzeptabel. Allerdings muss Laibach umgekehrt auch anerkennen, dass es einen deutsch-österreichischen Kulturraum gibt, der die in der Republik Slowenien lebende Restminderheit der Altösterreicher in der Gottschee und in der Untersteiermark umfasst. Die Rechte, die Laibach für die
slowenischen Minderheiten fordert, muss es auch den im eigenen Land lebenden Minderheiten gewähren. Diese Gerechtigkeit würde so manchen Konflikt zwischen Österreich und Slowenien als Vorbild dienen.

Ich möchte die slowenische Regierung darauf hinweisen, dass es endlich an der Zeit ist, dass Slowenien die Diskriminierung der deutschen Altösterreicher beendet. Aber obwohl in dieser Frage akuter Handlungsbedarf besteht, versucht Laibach unentwegt, sich als Signatarmacht des Staatsvertrags darzustellen, obwohl Slowenien bekanntlich kein Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien ist. Verhandlungen auf einer solchen Fehlinformation von slowenischer Seite aufzubauen wird dem bestehenden Problem wohl kaum dienlich sein.

In den laufenden Diskussionen um die Ortstafelfrage muss man zu einer vernünftigen Lösung kommen, die sowohl für die slowenische Minderheit als auch für die deutsche Mehrheit tragbar ist. Diese Lösung sollte sich an der sogenannten Kärntner Konsensgruppe orientieren, in der der Kärntner Heimatdienst eine hervorragende Arbeit geleistet hat. Und selbstverständlich ist bei der endgültigen Lösung der Kärntner Ortstafelfrage jedweden großslowenischen Träumereien eine klare Absage zu erteilen. Diese Forderungen der slowenischen Seite sind auf keinen Fall zu erfüllen.


Ereignisse in Ägypten zeigen das Versagen der EU-Außenpolitik

7. Februar 2011

Die Ereignisse in Ägypten zeigten der Welt ein weiteres Mal eindrucksvoll, wie bedeutungslos die Außenpolitik der Europäischen Union ist. Zuerst hüllt sich die britische Baronin Catherine Ashton, die den klingenden Titel der „Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik“ trägt, in vornehmes Schweigen. Und dann, nachdem die USA auf eine Position festgelegt haben, folgt die Europäische Union Washington. Was wieder einmal deutlich zeigt, dass die EU der Übermacht USA auf keinen Fall gleichgestellt ist wie sie es immer beteuert. Die oft versprochene eigenständige europäische Außenpolitik sieht wahrlich anders aus. Die Außenpolitik der EU streckt sich nach der Decke und weht wie Getreidehalme im Wind, immer in die selbe Richtung wie die USA.
Insbesondere ist es für die Europäische Union zu wenig, in offiziellen Stellungnahmen die Gewalt „aufs Schärfste“ zu verurteilen und freie und faire Wahlen zu verlangen. Das sind die üblichen diplomatischen Platitüden, die unterm Strich gesehen nichts aussagen und keine Meinung darstellen. Allein die Aussage Gewalt zu verurteilen, stiftet nämlich noch lange keinen Frieden.

Wichtiger wäre es,dass sich Brüssel aktiv in den Transformationsprozess in Ägypten einbringt und als ehrlicher Makler zwischen den Parteien auftritt. Und ehrlicher Makler zu sein bedeutet auch, dass nicht versucht wird, Ägypten ein bestimmtes Modell der Demokratie überzustülpen. Vielmehr muss den Ägyptern sowie den anderen Völkern in der Region Respekt entgegengebracht werden, damit sie ihren eigenen Weg zur Demokratie finden.


Arabischer Völkerfrühling?

3. Februar 2011

Zweckoptimisten und mediale Schönredner des Weltgeschehens sehen schon so etwas wie einen arabischen Völkerfrühling heraufdämmern. Angesichts der Ereignisse in Tunesien und nun in Ägypten erwarten sie einen Flächenbrand in der arabischen Welt, der die diversen Diktaturen, Despotien und im besten Falle Halbdemokratien hinweg fegt, um neue pluralistische und demokratische Gesellschaften entstehen zu lassen. Nicht das iranische Modell mit der Machtübernahme muslimischer Fundamentalisten, sondern das türkische Modell mit einem demokratisch eingebundenen und vorgeblich gemäßigten Islamismus werde sich durchsetzen. Und darüber hinaus könne man erwarten, dass das, was die Arabische Liga in Jahrzehnten von oben nicht geschafft hat, nämlich die Etablierung einer arabischen Staatengemeinschaft, sich nun in einer gesamtarabischen, demokratischen Revolution durchsetzen werde.

So weit so schön und wünschenswert, von den Realitäten aber doch ziemlich entfernt. Für die Etablierung demokratischer und pluralistischer Systeme, wie wir sie etwa in Europa kennen, bedarf es nämlich strukturierter, politischer Landschaften und konkreter demokratisch orientierter, politsicher Bewegungen. Und wo gibt es solche wirklich in der arabischen Welt? Keineswegs zufällig haben sich sowohl in Tunesien als auch in Ägypten kaum politische Köpfe und klar umrissene politische Bewegungen in den Tagen der revolutionären Umwälzungen durchsetzen können. Internet, Facebook und Twitter mögen neue Kommunikationsschienen eröffnen, um Massenproteste zu organisieren. Demokratische Parteien oder zumindest klar umrissene politische Bewegungen vermögen sie aber keineswegs zu ersetzen.

Das was neben den jeweiligen Staatsparteien und ihren mehr oder weniger despotischen Führern in den arabischen Staaten Nordafrikas und in den arabischen Königreichen von Saudi-Arabien über Jordanien bis nach Marokko erkennbar ist, sind allenfalls mehr oder minder fundamentalistische islamische Bewegungen, wie im Falle Ägyptens die Moslem-Bruderschaft. Es mag zwar sein, dass auch diese von den mittels Facebook und Twitter motivierten Massendemonstrationen auf den Straßen überrascht wurden, es liegt aber in der Natur der Dinge, dass sie mit fortschreitendem Umsturz die Gunst der Stunde zu nützen versuchen werden. Und damit könnte sich nach einer in Ansätzen demokratischen Zwischenphase dieser revolutionären Umwälzungen denn doch das Iranische Modell durchsetzen. So wie bei Wahlen im Gaza-Streifen und im Libanon könnten sich in einem Großteil der arabischen Staaten die radikalen Kräfte, die fundamentalistischen Moslems als Nutznießner des Umsturzes erweisen. Sie sind die einzigen, die neben den gestürzten Staatsparteien der alten langgedienten Diktatoren über Organisation, politische Strukturen und klare ideologische Ziele verfügen. Ihre erklärte Absicht ist es, islamische Gottesstaaten zu errichten.

Eine Horrorvorstellung für den Westen, nicht nur für die US-Amerikaner, auch für die EU-Europäer. Solche Gottesstaaten und das wissen wir spätestens seit der Errichtung des Mullah-Regimes im Iran, sind natürlich um nichts demokratischer als die bisherigen pro-westlichen Diktaturen. Sie sind vielleicht weniger korrupt aber sie werden zweifellos in strikter Gegnerschaft gegenüber dem Westen und zwar eben auch gegenüber den Europäern ihre Politik gestalten. Dass damit der kalte Frieden im Nah-Ost-Konflikt, der ja eher ein Waffenstillstand zwischen Israel und der arabischen Welt war, wieder in eine heiße Phase der Auseinandersetzung übergehen würde, steht auch außer Zweifel. Und dass es damit zu einer weiteren Radikalisierung auch des Zuwanderungs-Islams in Europa käme, ist auch anzunehmen.

Was also könnten die Europäer tun, um den Veränderungsprozess in der arabischen Welt so zu beeinflussen, dass es zu einer solchen verhängnisvollen Entwicklung nicht kommen kann. Ratlosigkeit herrscht gegenwärtig ja in Brüssel und in den europäischen Staatskanzleien vor. Soll man den pro-westlichen Mubarak zumindest verbal noch unterstützen oder voll auf die demonstrierenden Volksmassen setzen? Wer wie die Europäer ständig von Demokratie und Freiheit spricht, kann auf Dauer schwer auf Diktaturen setzen, das steht außer Zweifel. Und auf die Moslem-Brüder noch viel weniger. Da bleibt dann also nur noch strikte Nichteinmischung oder – und das wäre vielleicht eine interessante Denkvariante –beim Aufbau demokratischer, pluralistischer Polit-Strukturen behilflich zu sein.

So wie sich nach 1989 die ehemaligen kommunistischen Parteien Osteuropas mit westlicher Hilfe in sozialdemokratische Bewegungen umwandelten, so wie konservative Parteien ihre Schwesterbewegungen im Osten unterstützen, so wie Liberale und Grüne neue Bewegungen initiierten, so könnte man bei einigem Optimismus dies auch in der arabischen Welt unterstützen: Die bisherigen Staatsparteien der vormaligen Diktatoren könnten sich schrittweise in demokratische, konservative, pro-westliche Bewegungen umwandeln. Es könnten sozialdemokratisch orientierte Parteien entstehen, auch Liberale und zweifelsohne – sicher mit einer gewissen Stärke – auch islamistische.

Die Entwicklung von Rechtsstaat und freier Marktwirtschaft, jener beiden Elemente ohne die Demokratie nicht wirklich funktionieren kann, müsste seitens der Europäer natürlich auch gefördert werden. Entwicklungen also, die nicht in wenigen revolutionären Tagen eingeleitet werden können, sondern die über Jahre wenn nicht gar über Generationen vorangetrieben werden müssten. Angesicht der arabischen Realitäten gehört schon sehr viel Optimismus dazu, um an die Realisierung einer solchen Option zu glauben.