Wir Kellernazis

Die Empörung über die relativ unerwartet zustande gekommene schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich war – in linken Kreisen, versteht sich – überaus groß. Da protestierten allerlei zeitgeistige Kunstschaffende, wobei sich einer unserer Groß-Schriftsteller, ein vielfach geförderter Staatskünstler, besonders hervortat: So formulierte Robert Menasse in der Wochenendausgabe der „Presse“, er höre schon „das Schenkelklatschen der freiheitlichen Wähler, aufgegeilt von den Hormonen aus den FPÖ-geförderten Schweins­braten“.
Den Vogel abgeschossen hat dann allerdings der Vorsitzende einer hierzulande anerkannten Religionsgemeinschaft. Er erklärte nämlich in Richtung auf die Landeshauptfrau von Niederösterreich, es sei unerhört, mit der FPÖ zu koalieren, da die meisten Freiheitlichen „Kellernazis“ seien. Nun ist unser Land gottlob noch kein Gottesstaat und die Vertreter irgendwelcher Religionsgemeinschaften können nicht bestimmen, was die Österreicher zu wählen haben und wie die entsprechenden Regierungskoalitionen – sei es auf Landes- oder Bundesebene – auszusehen haben.
Die Diffamierung einer Gruppe von immerhin einem guten Viertel der österreichischen Wähler als „Kellernazis“ scheint aber durchaus akzeptabel zu sein. Immerhin schloss sich der Vizekanzler der Republik – allerdings der Grünen-Chef Kogler – dieser Klassifizierung an und bezeichnete die nieder-
österreichischen Freiheitlichen auch ganz pauschal als „Kellernazis“.
Und der Bundespräsident entblödete sich nicht, bei der Angelobung der Landeshauptfrau vor dem Nationalsozialismus zu warnen, anstatt derlei Beschimpfungen der freiheitlichen Wähler zurückzuweisen.
Nazi zu sein, beziehungsweise nationalsozialistische Wiederbetätigung, ist hierzulande bekanntlich ein schwerer Straftatbestand, der vor Geschworenengerichten mit hohen Freiheitsstrafen geahndet wird.
Der betreffende Vorsitzende einer einheimischen Kultusgemeinde, im Verein mit dem Herrn Vizekanzler, unwidersprochen vom Staatsoberhaupt, bezichtigt also die freiheitlichen Wähler – zumindest in Niederösterreich – oder auch nur die freiheitlichen Funktionäre, Verbrecher zu sein, beziehungsweise einer verbrecherischen Ideologie anzuhängen. Eben dieselben Personen, beziehungsweise jene Kreise, für die sie repräsentieren, beklagen immer wieder lauthals und larmoyant die tiefe Spaltung unserer Gesellschaft. Insbesondere der Bundespräsident hat vielfach die Überwindung dieser Spaltung beschworen. Und dann tut man dies, dann qualifiziert man ein Viertel, bundesweit sind es nach Umfragen schon nahezu ein Drittel der heimischen Bürger, derart ab.
Derartige Entgleisungen kann man nun nicht mehr entschuldigen, indem man auf den ins Haus stehenden Wahlkampf verweist oder eben auf die Ängste vor der zunehmend erstarkenden FPÖ. Aggressive verbale Ausfälle dieser Art muss man wohl bereits als Beginn eines virtuellen Bürgerkriegs verstehen. Wenn der politische Konkurrent nicht mehr als demokratischer Mitbewerber verstanden wird, sondern als Verbrecher stigmatisiert wird, liegt dieser Schluss geradezu zwingend nahe.
Für die politische Auseinandersetzung vor den nächsten Nationalratswahlen lässt dies Schlimmes erahnen. Wenn die Freiheitlichen tatsächlich stärkste Partei werden sollten und wenn sich im Wahlkampf die Gegensätze derart verschärfen, wie wir es nunmehr in Niederösterreich erleben mussten, könnte das, was wir bislang in Österreich als politische Kultur kannten, einen Kollaps erleiden. Da wäre nun also schnellstens verbale Abrüstung angesagt.

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