Kriterium Kickl

Nachdem vor wenigen Tagen die Führungsorgane der heimischen Sozialdemokratie beschlossen hatten, eine Mitgliederbefragung und danach einen Sonderparteitag abzuhalten, um zu klären, wer denn an die Parteispitze treten und damit auch der Spitzenkandidat bei der kommenden Nationalratswahl sein solle, äußerten sich die beiden Kontrahenten vor den Medien.
Befragt, was denn der Unterschied zwischen ihr und dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sei, erklärte Pamela Rendi-Wagner gegenüber dem ORF-Interviewer, dass es in erster Linie ihre klare und unmissverständliche Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit mit dem FPÖ-Chef Herbert Kickl sei, die sie von ihrem Kontrahenten unterscheide. Und dieser wiederum meinte seinerseits, dass er mit dem blauen Gottseibeiuns der heimischen Innenpolitik nicht kooperieren wolle, eine Zusammenarbeit mit der FPÖ allerdings schloss er im Gegensatz zu Rendi-Wagner nicht dezidiert aus.
Aber nicht nur in der Sozialdemokratie, nein, auch im Kreise der ÖVP-Spitzenpolitiker scheint die Frage, wie weit man mit Kickl kooperieren dürfe, zum eigentlichen Hauptkriterium der politischen Zukunftsentwicklung zu sein. Nach dem Abschluss der türkis–blauen Koalition in Niederösterreich gab es massive Kritik an diesem Bündnis. Und das nicht nur von diversen linken Künstlern, von der Israelitischen Kultusgemeinde und von den linken Parteien, nein, auch aus dem Kreise der ÖVP. Und wieder war es einmal mehr der EU-Abgeordnete Othmar Karas, selbst auch aus Niederösterreich, der hier am lautstärksten protestierte.
Auf die Vorhaltung diverser Medien und politische Analytiker, dass Niederösterreich ein Probelauf für eine Neuauflage der schwarz–blauen Koalition auf Bundesebene sein könne, äußerten sich allerdings auch andere ÖVP-Spitzenpolitiker, dass das mit Kickl wohl sehr schwer denkbar sei. Jene allzu apodiktischen Absagen aber an jede Kooperation mit der FPÖ, die noch vor wenigen Wochen aus dem Munde von ÖVP-Chef und Bundeskanzler Nehammer gekommen waren, gehören nach dem niederösterreichischen Bündnis offenbar der Vergangenheit an. So scheinen die Strategen in den beiden Altparteien der Republik, also innerhalb der Volkspartei und der Sozialdemokratie, ihre politischen Zukunftsplanungen voll und ganz an Hand des Verhältnisses zu den Freiheitlichen und deren Parteichef auszurichten.
Von zentraler Bedeutung dürfte dies vor allem deshalb werden, weil den gegenwärtigen Umfragen zufolge eine Zweier-Koalition ohne Herbert Kickl und FPÖ nach den kommenden Nationalratswahlen keine Mehrheit haben dürfte. Eine Neuauflage der alten großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP käme keineswegs auf mehr als 50 Prozent, ebensowenig wie eine rot‑–grün–pinke Ampel aus SPÖ, Grünen und Neos.
Das bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger, als dass außer einer höchst instabilen Dreier-Koalition der beiden Altparteien mit einer der beiden kleinen Parteien nur eine wirklich tragfähige Zweier-Koalition unter Führung der FPÖ infrage käme. Und jene Erörterungen, die man gegenwärtig häufig hört, ob denn eine solche FPÖ-geführte Regierung ohne Kickl möglich wäre, ist von vornherein als Illusion, als bloßes Wunschdenken der FPÖ-Gegner zu betrachten. Herbert Kickl wird jenen Fehler, den sein Vorgänger Jörg Haider im Jahre 2000 machte, nämlich eine Regierung ohne seine Beteiligung, gewiss kein zweites Mal begehen.

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