Österreich schafft sich ab

Vor 77 Jahren ist die Republik Österreich aus den Trümmern des Großdeutschen Reiches im Chaos der letzten Kriegstage wiedererstanden. Der Staat, den niemand wollte, an dessen Lebensfähigkeit in der Ersten Republik jedermann zweifelte und der schließlich der „bessere deutsche Staat“ sein wollte, konstituierte sich wieder. Einerseits aufgrund des Willens der Sieger, die Deutschland naturgemäß schwächen und auseinanderreißen wollten, andererseits aus der Einsicht der Bevölkerung, dass der Anschluss an eben dieses Deutschland keine Option mehr für die Zukunft sein konnte. Und diese Zweite Republik darf nun zweifellos als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Frieden, Freiheit und Wohlstand sind die Parameter diese Erfolgsgeschichte.
Nach den schweren Nachkriegsjahren und selbst in den langen Zeiten des Kalten Krieges konnte sich Österreich diesen Frieden, nicht zuletzt durch die ursprünglich dem Lande aufgezwungene „immerwährende Neutralität“ erhalten. Frieden in jenem Sinne, dass man in keinerlei kriegerische Ereignisse verwickelt wurde, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass der innere Frieden damit gleichzeitig gewährleistet ist. Auch die kollektive Freiheit, die sich zu allererst in der Souveränität des eigenen Staatswesens äußert, muss noch lange nicht individuelle Freiheit für den einzelnen Staatsbürger, insbesondere im Bereich der Meinungsfreiheit bedeuten.

Dennoch, im Vergleich zu anderen historischen Epochen und anderen Weltgegenden ist Österreich, ist die Zweite Republik eine Erfolgsgeschichte. Österreich ist nach wie vor eines der reichsten Länder der Erde, verfügt wohl über die relativ höchste Lebensqualität, eine hohe Lebenserwartung der Bevölkerung und einen hohen Bildungsstand, sowie weitgehend sozialen Frieden und nach wie vor ein hohes Maß an innerer Sicherheit. Dennoch zeigen alle aktuellen Indikatoren in Hinblick auf Frieden, Freiheit und Wohlstand nach unten. Im zwischenstaatlichen Bereich wissen wir, dass der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist. Die Illusion vom ewigen Frieden zwischen den europäischen Nationen müssen wir uns abschminken. Und der innere Frieden ist längst gefährdet durch eine Massenzuwanderung illegaler Migranten, die nicht in unser Rechtssystem integrierbar sind, und durch die Bildung von Parallelgesellschaften, die eine Konflikt- und Ghetto-Gesellschaft erzeugen.

Was die Freiheit betrifft, so, so haben uns die staatlichen Maßnahmen während der Corona-Zeit bewiesen, wie schnell Bürgerrechte außer Kraft gesetzt werden können. Die in weiten Bereichen Europas, insbesondere in Deutschland und in Österreich, regierenden Grünen sind jene politische Kraft, die zunehmend für Verbote, Vorschriften und ein paternalistisches Gesellschaftssystem mit autoritären Tendenzen eintreten. Unter dem Vorwand der Klimakrise, der Pandemie und nunmehr der Energiekrise setzen sie es durch, dass die freie Marktwirtschaft durch planwirtschaftliche Eingriffe außer Kraft gesetzt wird, dass die Bürgerrechte durch polizeistaatliche Kontrollsysteme eingeschränkt werden und die Meinungsfreiheit durch eine zunehmend totalitär auftretende political correctness unterbunden wird.

Im Falle Österreichs nunmehr ergibt sich so etwas wie ein europäischer Sonderfall, da die Zweite Republik ja erst in den Nachkriegsjahren die Entstehung einer eigenständigen ethnisch und kulturell unabhängigen Nation, der „österreichische Nation“ also, betrieben hat. Wenn die Staatsräson der Ersten Republik die Behauptung war, der „bessere deutsche Staat“ zu sein, so sollte die eigentliche Staatsräson der Zweiten Republik die Feststellung sein, alles andere nur kein deutscher Staat zu sein. Zwar sprachen und sprechen die historischen und die ethnisch kulturellen Faktoren, aber auch die ökonomischen und kommunikatorischen Bindungen gegen eine solche Behauptung – man könnte sogar sagen, Österreich war nie so deutsch wie heute – dennoch fand in den letzten Jahrzehnten so etwas wie „nation building“ statt. Im Bewusstsein breiter Teile der österreichischen Bevölkerung ist die Existenz einer „österreichischen Nation“, die eben nicht mehr Teil der deutschen Nation ist, ein Faktum.

Geradezu skurril ist es allerdings, dass die staatstragenden Kräfte der Zweiten Republik, die so vehement für die Existenz einer eigenständigen „österreichischen Nation“ eingetreten sind, nunmehr seit langen Jahren deren Zerstörung zulassen oder sogar aktiv unterstützen. Da ist einmal die von Brüssel aus betriebene Europäisierung, die die Souveränität der Republik massiv untergräbt, und zum anderen ist da die Globalisierung, die die ökonomische Eigenständigkeit unseres Landes relativiert hat und die Auflösung unserer kulturellen Identität vorantreibt. Und dazu kommt die Massenzuwanderung außereuropäischer Menschen, die die ethnische und kulturelle Substanz der autochthonen Bevölkerung nicht nur massiv verändert, sondern sogar zu zerstören droht. In ethnischer und demographischer Hinsicht also bleibt von der eigenständigen „österreichischen Nation“ in wenigen Generationen nicht mehr viel übrig.

Aber die Kultur, könnte man einwenden, in kultureller Hinsicht bleibt Österreich doch eine Großmacht. Im Bereich der Hochkultur verfügen wir noch immer über die besten Theater und über spektakuläre Festspiele. Was die Volkskultur betrifft, gibt es ja nach wie vor quer übers Land Chöre und Blaskapellen, Trachtengruppen und Volkstänzer. und in Hinblick auf die zeitgenössische Kultur sind wir doch noch immer ein Land kreativer Köpfe, hervorragender Architekten, bedeutender Maler und noch großartigerer Musikschaffender.

Gut und schön, muss man nunmehr skeptisch einwenden: Im Bereich der Hochkultur ist der Direktor des Burgtheaters, immerhin einst das deutsche Nationaltheater, ein Kärntner Slowene. Und der Direktor der Staatsoper, angeblich das beste Opernhaus der Welt, ist ein aus Serbien stammen da Ö3-Disk-Jockey. Auf den Bühnen des Landes dominiert ein allzu zeitgeistiges Regietheater und die vielgepriesenen Festspiele sind zumeist Jahrmärkte der Eitelkeit. Was die Volkskultur betrifft, so ist sie halt oft nur mehr folkloristisches Spektakel und Touristenattraktion. Das zeitgenössische Kunstschaffen oszilliert zwischen Provinzialismus und Großmannssucht. So bleibt also auch von der kulturellen Identität Österreichs weniger, als es auf den ersten Anschein aussieht.
Was schließlich die politische Identität der Republik betrifft, so ist man gerade gegenwärtig dabei, deren primäres Identitätsmerkmal, nämlich die immerwährende Neutralität, vollends auszuhebeln. Einerseits wurde uns diese natürlich von den Siegermächten, insbesondere von der Sowjetunion, im Staatsvertrag von 1955 aufgezwungen. Andererseits wurde sie Jahrzehnte später, als sie längst ein verinnerlichter Teil der österreichischen Identität geworden ist, durch den Beitritt zur Europäischen Union bereits ganz wesentlich aufgeweicht. Und nunmehr, im Zuge des Ukrainekrieges, müssen wir feststellen, dass die Bundesregierung trotz verbaler Bekenntnisse zu eben dieser Neutralität de facto als Trittbrettfahrer der NATO und der USA die Sanktionen der Europäischen Union einigermaßen sklavisch nachvollzieht. Eine Neutralität nach Schweizer Muster, wie sie Österreich immer ihr Eigen nennen wollte, sieht anders aus.

Insgesamt also scheint es so, als würde sich Österreich gegenwärtig abschaffen. Die Zweite Republik, die für sich in Anspruch nehmen konnte, ein Garant für Frieden, Freiheit und Wohlstand der Bevölkerung zu sein, scheint auf dem besten Wege zu sein, genau diese Errungenschaften preiszugeben. Der äußere Frieden ist gefährdet, der innere längst dahin. Die Freiheit wird uns von grünen ultralinken Sektierern eingeschränkt. Und der Wohlstand wird von der drohenden Rezession und einer massiven Inflation aufgefressen.

Unsere kulturelle Identität ist durch Massenzuwanderung und Nivellierung massiv gefährdet, unser Sozialsystem ist längst nicht mehr finanzierbar und unsere staatliche Souveränität scheint auch nur mehr Makulatur zu sein. Was bleibt also von Österreich, von diesem Land, das wir lieben, für das unsere Ahnen über Generationen mit Blut, Schweiß und Tränen gearbeitet, gelitten und gekämpft haben, für das wir lebenslang Steuern gezahlt haben und das wir für unsere Kinder erhalten müssen? Was bleibt davon?

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