Vom Fluch der linken Heuchelei

Wie aus Pazifisten Kriegshetzer wurden

Wer die gegenwärtige Debatte um den Ukraine-Krieg analysiert, muss schnell zum Schluss kommen, dass die größten Kriegshetzer gegenwärtig aus den Reihen der europäischen Linken kommen. Der Ruf nach der Lieferung von schweren Waffen, nach immer stärkerem Engagement zu Gunsten Kiews und in manchen Fällen schon die Forderung nach einem aktiven Eingreifen in den Konflikt, kam in den letzten Wochen am heftigsten, ja am hysterischsten, von Seiten der linken Exponenten des politischen Spektrums.
Wer etwa die bundesdeutsche Grünen, angefangen von der größten Außenministerin aller Zeiten bis hin zum zottelhaarigen Vorsitzenden der bayrischen Grünen, hört, der weiß, dass sich hier eine Partei von veritablen Bellizisten gebildet hat, die den einstigen Pazifismus der 68er-Revolte und der Neuen Linken gründlich hinter sich gelassen hat. Damals hieß es „Pflugschare statt Schwerter“ und „Frieden schaffen ohne Waffen“ und man demonstrierte gegen den Vietnamkrieg und gegen die NATO-Nachrüstung. Heute sind es die Epigonen dieser einstigen Neuen Linken, die den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz massiv kritisieren, weil er nicht schwere Angriffswaffen in die Ukraine zu liefern bereit ist.
Wie ein solch radikaler Wandel in der grundlegenden Einstellung der Linken zu Krieg und Frieden erklärbar ist, bedarf der näheren Analyse. Zum einen liegt es natürlich am aktuellen Kriegsgegner. Wladimir Putin ist seit langem das idealtypische Feindbild der Linken, da er mit seinen wertkonservativen Positionen im Hinblick auf Patriotismus, Familie und die Einstellung gegenüber Homosexuellen all das verkörpert, was die Linke hasst und ablehnt. Da wird dann Wladimir Putin flugs mit Adolf Hitler verglichen und politikwissenschaftliche Wortspender sprechen leichterdings davon, dass die gegenwärtige Kremlherrschaft natürlich ganz realer Faschismus sei. Mäßigende Stimmen, die darauf hinweisen, dass Putin weder eine ethnische noch eine soziale Gruppe mit der Ausrottung bedrohe und dass zum Faschismus die organisatorische Durchdringung der Bevölkerung und aller Bereiche der Gesellschaft gehört, werden da ignoriert. Das Feindbild Putin und der böse russische Imperialismus reichen als Motiv für die neue linke Kriegsbegeisterung allemal.
Eine weitere Ursache für diesen ideologischen Paradigmenwechsel der Linken ist wohl die längst verinnerlichte Heuchelei, die man sich in diesem Bereich konkret in der Funktion des Gutmenschen angewöhnt hat. Dieses linke Gutmenschentum, das sich insbesondere in der Frage der Massenmigration der vergangenen Jahre herausgebildet hat, vermag natürlich locker in der selbstgefälligen Pose der moralischen Überlegenheit auch Urteile in Sachen Krieg und Frieden zu fällen. Da sind plötzlich die Ukrainer und deren Präsident Selenski, die zuvor noch als eines der korruptesten Länder mit einem überaus korrupten Staatspräsidenten gegolten haben, jene, die einen gerechten Krieg, nämlich einen Verteidigungskrieg führen, wohingegen Putin als verrückter, blutrünstiger Tyrann an der Spitze eines ebenso blutrünstigen Regimes und einer nicht minder blutrünstigen Armee dargestellt wird. Und dagegen ist dann der Einsatz von schweren Waffen das Mindeste.
In der bundesdeutschen Politik und Medienlandschaft trifft sich die kriegslüsterne Linke kurioserweise mit den Christdemokraten des Friedrich Merz und der publizistischen Polemik der „Bild-Zeitung“. Während die Sozialdemokratie unter Olaf Scholz bremst und sich im Hinblick auf die Lieferung schwerer Waffen zögerlich gibt, sind es diese beiden Bereiche, die sich geradezu als Kriegstreiber profilieren. Und jeder, der eine vorsichtige Haltung in Bezug auf die Parteinahme im Ukraine-Krieg setzt, wird da leichterdings als „Putin-Versteher“ diffamiert.
Zwar mehren sich in den Medien die Stimmen, die erkannt haben, dass eine totale militärische Niederlage der Russen schlicht und einfach undenkbar ist und dass jede weitere Eskalation und Ausweitung des Krieges hin zu einem europäischen Konflikt oder gar zu einem Weltkrieg um jeden Preis zu vermeiden ist, dennoch scheint die einzig logische Konsequenz aus dieser Erkenntnis, dass nämlich ein Verhandlungsfriede anzustreben ist, noch in weiter Ferne zu liegen. Gespräche zwischen Moskau und Kiew haben sich in den vergangenen Wochen als Scheinverhandlungen erwiesen und sind ohnedies ohne Ergebnis gescheitert.
Vermittlungsversuche wie etwa vom Türken Erdogan oder von Seiten Israels sind bisher im Sande verlaufen, und die kolportierten telefonischen Kontakte, die es etwa zwischen Macron und Putin oder Scholz und Putin geben soll, haben wohl auch kaum etwas gebracht. Gar nicht zu reden von den eher lächerlichen Versuchen des österreichischen Bundeskanzlers, mit dem Kreml-Herrn zu kommunizieren. Dennoch bleibt es eine Tatsache, dass es irgendwann einmal ernsthafte Verhandlungen geben muss. Und diese werden davon ausgehen müssen, dass ein möglicher Friedenskompromiss natürlich auch die russische Seite berücksichtigen wird müssen, sprich die russischen Geländegewinne im Osten und Südosten der Ukraine werden wohl auf Dauer erhalten bleiben müssen. Die linken Bellizisten im Westen wollen davon nichts hören. Und auch die Scharfmacher in Downing Street 10 und im Weißen Haus in Washington wollen uns bis zum heutigen Tag weis machen, dass nur eine völlige Niederlage der Russen den Krieg beenden könne. All dies ist allerdings illusorisch und birgt nur die Gefahr einer weiteten Eskalation bis hin zum nuklearen Weltkrieg.
Und so erweisen sich die linken Kriegsfreunde ebenso wie die angloamerikanischen Russenhasser als die wirklich große Gefahr für den Weltfrieden. Das ändert natürlich nichts daran, dass Wladimir Putin und Russland einen völkerrechtlich durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieg vom Zaun gebrochen haben. Nichtsdestotrotz bleiben Verhandlungen die einzige Möglichkeit, um diesen auch zu beenden. Und dazu wird man Putin ein Ausstiegs-Szenario eröffnen müssen. Mit Kriegsgeilheit, die man heuchlerisch als Verteidigung westlicher Werte tarnt, wie dies die Linke gegenwärtig tut, wird ein Kriegsende und eine friedliche Lösung jedenfalls unmöglich sein.

1 Responses to Vom Fluch der linken Heuchelei

  1. […] Andreas Mölzer: Der Fluch der linken Heuchelei ­Seite 38–39 […]

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