Gewinner und Verlierer einer Krise

Da haben die Grünen also den Kanzler – vorläufig zwar nur – abgeschossen. Diese Grünen, die eine Kleinpartei mit rund um die zehn bis zwölf Prozent darstellen, die auf der Woge des Zeitgeists, keineswegs aber auf der Woge der Wählerzustimmung, reiten, werden sich nunmehr also als Sieger der jüngsten Regierungskrise fühlen. Und der Herr Bundespräsident, der wohl ganz im Sinne seiner grünen Parteifreunde die türkis geführte Volkspartei ob ihrer korruptionsverdächtigen Umtriebe schilt, fordert die Regierung auf, unverzüglich weiter an ihren Projekten zu arbeiten. Wie gesagt, ganz im Sinne seiner grünen Freunde, da diese Projekte – Klimaticket, Plastikflaschenpfand, ökologische Steuerreform – samt und sonders grüne Projekte sind.
Und die ÖVP fügt sich. Ihr Nach-wie-vor-Parteiobmann Sebastian Kurz „tritt zur Seite“ und nimmt es zähneknirschend hin, der Verlierer dieser Regierungskrise zu sein. Dass Kurz aber nach wie vor der Chef der bei weitem stimmenstärksten Partei ist, etwa drei Mal so stark wie die Grünen, dass er als Klubobmann nach wie vor an den Schalthebeln der Politik sitzt, eingebunden im Ministerrat und in alle Parteigremien und dass sein Nachfolger Schallenberg vielleicht zwar nicht seine Marionette, aber doch sein loyaler Mitstreiter bleiben wird, wird da offenbar vergessen und wohl auch, wie die wirkliche Stimmungslage in dieser Volkspartei sein dürfte. Und welche Meinung Sebastian Kurz von seinem Regierungspartner, dem Grünen Werner Kogler und seinen ultralinken Mitstreitern hat, das bedenkt man gegenwärtig offenbar nicht.
Gewiss, nun wird weiterregiert. Der Herzenswunsch der Grünen, doch an den Futter­trögen der Ministerien zu bleiben, wird erfüllt. Doch wie lange? Vorläufig gibt es keinerlei Anzeichen, dass Sebastian Kurz in die Vorstandsetage irgendeines Glückspielkonzerns wechseln möchte oder irgendwo in Brüssel den weißen EU-Elefanten zu spielen gedenkt. Folglich also will er im politischen Spiel bleiben, rehabilitiert werden und zurück ins Kanzleramt kommen. Und mit jeder Faser seines Herzens dürfte er auf politische Revanche sinnen. Und gewiss auch auf Rache. Und auch wenn altgediente ÖVP-Landeshauptleute nunmehr im biedersten Steirisch erklären, der neue Kanzler bleibe auf Dauer und Rache sei kein politisches Thema, dürften auch die meisten ÖVP-Granden genau auf diese hoffen.
Was heißt das aber für die kurz- bis mittelfristige politische Entwicklung der Republik? Die vermeintlichen Sieger, die Grünen, könnten vielmehr die eigentlichen Verlierer dieser Regierungskrise sein. Neben Sebastian Kurz versteht sich, der ist kurz- bis mittelfristig auf jeden Fall ein Verlierer dieser Krise.
Und sollten die Handy-Chats seines ehemaligen Intimus, des feinen Herrn Schmid, noch ein bisschen mehr an Winkelzügen und Beschimpfungen hergeben, wird er es wohl auf Dauer bleiben. Wobei dies vielleicht auch für die Grünen gelten könnte, wenn ihnen eine auf Rache sinnende ÖVP nach sicher bald ins Haus stehenden Neuwahlen eine Neuauflage der Koalition verweigert. Und wenn sich eine linke Mehrheit zusammen mit den Sozialdemokraten nach wie vor nicht ausgeht. Und auch wenn der alte Herr in der Hofburg seine grünen Freunde um jeden Preis in der Regierung halten möchte, dürfte dies dann aufgrund des Wählerwillens schwer werden.
Gewinner hingegen könnten die Sozialdemokraten sein, da nach dem türkis–blauen und dem türkis–grünen Experiment die gute alte schwarze ÖVP zur Ansicht kommen könnte, dass die weniger gute, aber ebenso alte große Koalition zwischen Schwarz und Rot doch noch das bequemste Regierungsmodell war. Man mochte sich zwar nicht, man blockierte sich gegenseitig, aber man saß mehr oder weniger ungefährdet an den Futtertrögen der Macht.
Und ein weiterer Gewinner dieser jüngsten Regierungskrise ist zweifellos Herbert Kickl mit seiner FPÖ. Er, der Gottseibeiuns der österreichischen Innenpolitik, war auf einmal gesuchter Gesprächs- und Verhandlungspartner für Rot, für Neos und sogar für die Grünen, als es kurzzeitig darum ging, eine Anti-Kurz-Koalition aller anderen Parteien zu schmieden. Da zählte sogar die alte Vranitzky-Doktrin, dass die SPÖ niemals mit der FPÖ gehen dürfe, und der einschlägige Parteitagsbeschluss der Sozialdemokraten nichts mehr. Diese Gesprächs- und Paktfähigkeit wird der FPÖ im Falle von strategisch kluger Politik Herbert Kickls auch niemand mehr bestreiten können. Und die FPÖ ist damit auch in einem zweiten Sinne Gewinner der Krise: Auch in der ÖVP dürften sich die Stimmen mehren, die nostalgisch daran denken, wie harmonisch und sachpolitisch übereinstimmend das Regieren doch mit den Freiheitlichen war. Und jenseits des Kurz-Kickl-Antagonismus dürfte sich somit die schwarz-blaue Alternative für die Zukunft durchaus wieder auftun. Und was schließlich das blaue Image in der Öffentlichkeit und die Glaubwürdigkeit der FPÖ betrifft, die ja in Folge des Ibiza-Skandals massiv gelitten hatte, müsste den Wählern klar geworden sein, dass es nicht die Freiheitlichen sind, die in diesem Lande Korruption und Freunderlwirtschaft betreiben, sondern ganz andere politische Kräfte. Jene nämlich, die wirklich an den Schalthebeln der Macht sitzen.
So hat also diese jüngste Regierungskrise nur wenige Tage gedauert, und es scheint so, als könne man zur türkis–grünen Tagesordnung der Innenpolitik zurückkehren. Wobei die einen sich als Gewinner fühlen dürfen, die anderen Verlierer ihre Wunden lecken.
Bei näherem Hinschauen allerdings erkennt man eben, dass vermeintliche Gewinner mittelfristig Verlierer sein könnten, die vermeintlichen Verlierer, denen es nicht gelungen ist, eine Anti-Kurz-Regierungskoaliton zu bilden, doch die eigentlichen Gewinner dieser Krise sind.

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