Links, rechts, Mitte – wo steht Österreich?

Über den Wandel in der ­politischen ­Landschaft

Die alte parlamentarische Gesäß-Geografie, die wir seit der Französischen Revolution kennen – konservative und reaktionäre rechts des Königs, progressive und fortschrittliche zur Linken – sei überholt, das wurde uns schon oft gepredigt in den vergangenen Jahrzehnten. Und doch blieb dieses Schema bei entsprechend präziser Definition der Begrifflichkeiten ein aufschlussreiches Erklärungsmuster. Um diese Definition an dieser Stelle kurz zu repetieren, sei hier festgehalten, was links und rechts für den Autor dieser Zeilen bedeuten.
Links, das heiß egalitär, die Unterschiedlichkeit des Menschen in seiner genetischen Verschiedenheit in seiner sexuellen Prädisposition leugnend, die Utopie eines „neuen Menschen“ anstrebend. Links, das heißt internationalistisch, die Überwindung der national-kulturellen Identität anstrebend. Links, das heißt auch staatsdirigistisch und eine freie Marktwirtschaft und Auswüchse des bösen Kapitalismus bekämpfend. Und so ist Links für Multi-Kulti und Massenmigration, für verstaatlichte Planwirtschaft und kollektivistische Gesellschaftsmodelle.
Rechts hingegen akzeptiert den Menschen in seiner biologischen genetischen Vielfalt und sieht die nationalkulturelle Verschiedenheit als großen kulturellen Wert. Rechts ist für freie Marktwirtschaft, weil man das Besitzstreben der menschlichen Natur akzeptiert, und Rechts steht für das Freiheitsstreben des Individuums und der Gemeinschaften von der Familie bis hin zu den Nationen.
Die Geschichte der Ersten und der Zweiten Republik ist relativ klar von der Unterscheidung von rechten und linken Kräften geprägt. In der Zweiten Republik kann man – zwar mit einiger Unschärfe – Freiheitliche und Volkspartei als weitgehend rechts, Sozialdemokraten, Grüne und Kommunisten als eher links stufen. Vorausgeschickt sei allerdings, dass es natürlich ideologische Überschneidungen gibt.
Wenn man aber die politische Landschaft der Zweiten Republik nach diesem Links-Rechts-Schema zu analysieren versucht, muss man von Anbeginn die Dominanz einer eher rechten, bürgerlich-bäuerlich und wirtschaftsorientierten Österreichischen Volkspartei konstatieren und auf der anderen Seite die Sozialdemokratie als Repräsentantin der traditionellen Arbeiterbewegung. Im Gegensatz zur Links-Rechts-Polarisierung zwischen diesen beiden politischen Lagern in der Zwischenkriegszeit bis hin zum Bürgerkrieg war es aber in der frühen Phase der Zweiten Republik der schwarz–rote Proporz, basierend auf der Sozialpartnerschaft und auf Regierungsebene in Form der großen Koalition zusammenarbeitend, der die politische Landschaft prägte. Im Linksaußen-Bereich gab es da noch die Kommunisten, die bald marginalisiert wurden, und ab 1947 den Verband der Unabhängigen bzw. dann die Freiheitliche Partei auf der rechten Seite, die auch außerhalb des Machtgefüges stand.
Dann gab es zwischen 1966 und 1970 die kurze Phase der ÖVP-Alleinregierung, also einer rechten Dominanz, auf die dann in Folge des 68er-Jahres die Ära des Sozialdemokratismus – nicht nur in Österreich, sondern wohl europaweit – folgte. Bruno Kreisky schaffte es hierzulande, dass entsprechende Teile des Wahlvolkes mit ihm ein Stück des Weges gingen, was ihm über nahezu über eineinhalb Jahrzehnte eine absolute Mehrheit, also eine linke Dominanz im Lande ermöglichte.
Und dann, nach dem kurzen Zwischenspiel unter Sinowatz und Steger kam Jörg Haider. Er, der erste Rechtspopulist, schaffte es ab Mitte der 80er Jahre, weite Bereiche der vormaligen sozialdemokratischen Wählerschaft aus dem einstigen Arbeitermilieu für sich und seine Politik und seine Partei zu vereinnahmen. Seitdem gibt es strukturell in Österreich so etwas wie eine rechte Mehrheit.
Obwohl die alte große Koalition bis zum Jahr 2000 unter sozialdemokratischer Führung stand, konnten die rechtspopulistischen Freiheitlichen und die gewissermaßen kunst-bürgerliche Volkspartei nunmehr einen Überhang an Wählerstimmen generieren, die es ihnen zwei Mal ermöglichte, mit einer Mitte-Rechts-Regierung – von 2000 bis 2006 unter Haider und dann von 2017 bis 2019 unter Strache – eine Regierungskoalition zu bilden, die die rechte Dominanz im Lande auch abbildete. An diesem rechten Überhang änderte auch die Wiedererrichtung der einstig großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP zwischen 2006 und 2017 nichts, ebenso wenig wie die jüngste Regierungskoalition zwischen den Türkisen und den Grünen.
Die gesellschaftspolitische Entwicklung allerdings, die die politische Mitte im Laufe der letzten zwei, drei Jahrzehnte zunehmend nach links hatte wandern lassen, führt nun allerdings zu einer gegenläufigen Entwicklung, die sich etwa in Partei­gründungen wie den Neos äußert. Diese als Partei der sogenannten Bobos, von Leuten also, die ursprünglich aus dem bürgerlichen Milieu kommen, in wirtschaftspolitischer Hinsicht vielleicht auch noch dort stehen, allerdings in gesellschaftspolitischer Hinsicht völlig dem Zeitgeist erlegen sind, sorgen dafür, dass es für künftige Regierungskoalitionen eher tendenziell linke Mehrheit geben könnte. .
So sehen wir also im Hinblick auf die Entwicklung der politischen Landschaft in der 2. Republik in den letzten Jahren und Jahrzehnten zwei gegenläufige Entwicklungen: Einerseits gelang es der von ihren Kritikern als rechtspopulistisch bezeichneten FPÖ, Bereiche der einstigen sozialdemokratischen Wählerschaft aus dem alten Arbeitermilieu gewissermaßen nach rechts zu ziehen, andererseits sind viele Wähler aus den einstigen bürgerlichen Kreisen im Umfeld der ÖVP dem politisch korrekten Zeitgeist erlegen und tragen nun politische Parteien wie die Neos, welche tendenziell eher die Linke stützen.
Doch haben hierzulande jene beiden Parteien, die als rechts oder als mitte-rechts zu klassifizieren sind, also die Volkspartei und die Freiheitlichen, eine Mehrheit. Politisch wirksam wird diese nach dem Koalitionsbruch nach Ibiza allerdings nicht, und persönliche Aversionen sowie durch den unterschiedlichen politischen Stil implizierte Konflikte zwischen den Führern der Parteien selbst, scheinen – zumindest gegenwärtig – eine Kooperation zu verunmöglichen. Neuwahlen hingegen nach dem offensichtlichen Scheitern der türkis–grünen Kooperation, die gegenwärtig nur mehr von wechselseitigem Hass zusammengehalten wird, könnten diesbezüglich neuerlich ein Zeitfenster öffnen. Ob dieses genutzt wird und ob man im Gegensatz zur kurzen Koalition 2017 – 2019 gemeinsam so nachhaltige Politik betreiben könnte, dass der Bürger und Wähler auch weiterhin wertkonservativen, marktwirtschaftlichen, patriotischen Parteien das Vertrauen schenkt, weiß man nicht.
Und dazu kommt ein weiter Faktor, nämlich die Veränderung des Elaborats durch die Zuwanderung der letzten Jahre. Dadurch werden nämlich zunehmend Wähler generiert, die sich ganz anderen Wertvorstellungen verpflichtet fühlen als österreichischem Patriotismus, der christlich-abendländischen Kultur und der sozialen Marktwirtschaft. Zwar mögen diese Wähler neuen Typs nur vordergründig für die heimischen Linksparteien stimmen, sind sie doch in Wahrheit Verfechter von archaischen Gesellschaftmodellen, vom Patriachat, von der Scharia und dergleichen, keinesfalls werden sie aber hierzulande die rechten oder bürgerlichen Parteien, also FPÖ und ÖVP stärken. Vielmehr dürften sie nach einer Zwischenphase, in der sie eher die Linksparteien stärken, eigene ethnische politische Gruppierungen gründen, wo dann auch in Österreich afghanische Schiiten und türkische Graue Wölfe und viele andere Gruppen dieser Art eine Rolle spielen könnten. Damit wäre aber in einem multiethnischen Österreich der Zukunft oder sogar auf europäischer Ebene die historisch gewachsene Differenzierung der politischen Landschaft ebenso wie das traditionelle Links-Rechts-Schema ohnedies obsolet.

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