Die Linke in der Sackgasse

Ideologisch tot, soziologisch ­unnötig, aber konformistisch en vogue

Bereits in ihren Anfangsphasen, nämlich in der Französischen Revolution, zeigten linke Bewegungen, wohin sie führen und wo sie gewissermaßen zwangsläufig enden: im Terror und in menschenmordendem Irrsinn. Die zwanghafte Vision vom „neuen Menschen“ und das Streben nach dessen absoluter Gleichheit endete bekanntlich für Tausende auf der Guillotine.
Als Karl Marx und Friedrich Engels im Februar des Jahres 1848 das Kommunistische Manifest veröffentlichten, mochte dies dem damaligen vorrevolutionären Zeitgeist entsprochen haben und wohl auch der Notwendigkeit ,für die neue, im Zuge der Industrialisierung explosionsartig wachsende Arbeiterschaft entsprechende Rechte zu erkämpfen. Die ideologischen Dogmen aber, die der Marxismus in der Folge entwickelte, sollten sich im folgenden Jahrhundert samt und sonders als Irrwege erweisen.
Die Abschaffung des Privateigentums und erzwungene Einführung des Gemeinschaftseigentums samt der damit verbundenen Planwirtschaft, wie sie nach der Russischen Revolution in der Sowjetunion eingeführt wurde, erwies sich als garantierter Weg in die ökonomische Erfolgslosigkeit und in eine allgemeine Mangelwirtschaft. Wohingegen sich der Kapitalismus mit seinem allgemeinen Gewinnstreben und dem Prinzip des Privateigentums – entschärft durch soziale Reglementierungen – als Erfolgsrezept erwies.
Ein weiteres marxistisches Dogma, nämlich das Streben nach einer „klassenlosen Gesellschaft“ erwies sich ebenso als Illusion. Im real existierenden Sozialismus, wie er in der Sowjetunion praktiziert wurde, entwickelte sich vielmehr ein Kastensystem, in dem eine Funktionärsclique ein durchaus privilegiertes Leben führen konnte. Der Kampf gegen den Feudalismus und gegen historische Adelsprivilegien sowie die angestrebte Vernichtung der Bourgeoisie zeitigten keineswegs Wohlstand und Freiheit für die unterprivilegierten Schichten, speziell für die Arbeiterklasse.
Und die „Diktatur des Proletariats“, die das Ziel der sozialistischen und in der Folge kommunistischen Politik sein sollte, erwies sich als menschenverachtende, absolut freiheitsfeindliche Diktatur eines kleinen Kreises von Parteifunktionären. Dies kann man nunmehr keineswegs allein dem Sowjetkommunismus nachsagen, auch die österreichische Sozialdemokratie hatte in der ersten Republik in ihrem Parteiprogramm die Forderung nach eben dieser „Diktatur des Proletariats“. Dass eine solche das Gegenteil von parlamentarischer Demokratie ist, wie wir sie heute haben, steht außer Frage.
Was schließlich eine weitere zentrale Forderung linker Politik, speziell des Kommunismus betrifft, nämlich jene nach „internationaler Solidarität“, so sollte auch diese bloße Theorie bleiben. Zwar hatte bereits Karl Marx postuliert, „Proletarier aller Länder vereinigt euch“, in der realen Politik des 20. Jahrhunderts allerdings sollte diese internationale Solidarität sich primär in der imperialistischen Unterdrückung anderer Völker durch den Sowjetkommunismus äußern.
So kann man also mit Fug und Recht behaupten, dass linke Politik, wie sie der Marxismus theoretisch fordert und wie sie der Sowjetkommunismus realpolitisch umgesetzt hat, auf der ganzen Linie gescheitert ist. Er hat sich insgesamt als menschenverachtend, brutal, ineffizient und ökonomisch untauglich erwiesen. Dort wo er heute noch existiert, in Nicaragua, in Nordkorea und in Rot-China, repräsentiert er ebenso gesamtpolitisches Versagen oder er hat – wie im Falle Chinas – eine Mutation zu einem kollektivistischen, staatskapitalistischen System durchgemacht, das mit den Vorstellungen von Marx und Engels nur mehr sehr peripher zu tun hat.
Was nun die soziologische Basis für linke Politik betrifft, also die klassische Forderung nach Emanzipation der Arbeiterklasse, so kann man grosso modo feststellen, dass es eine solche nur mehr in Restbeständen gibt – zumindest in den westlichen Industriestaaten, speziell in EU–Europa.
Aus dem klassischen Proletarier, wie er die Zielgruppe herkömmlicher sozialistischer Politik dargestellt hat, ist längst ein Kleinbürger geworden, der seine sozialen und ökomischen Besitzstände verteidigt.
Sein Lebensziel ist es, für sich und seine Kinder möglichst gesellschaftlichen Aufstieg zu erlangen. Und wenn er im Konkurrenzkampf, wie er im Bereich des Wohnens und des Arbeitsmarktes in der multiethnischen Zuwanderungsgesellschaft existiert, vom Abstieg betroffen ist, sieht er die Rettung nicht in linken Parteien, sondern eher in den viel gescholtenen rechtspopulistischen Bewegungen. Die sogenannten „Veränderungsverlierer“ und große Bereiche des Prekariats bilden zwar gemeinsam mit einkommensschwachen Zuwanderern so etwas wie neues Subproletariat, dieses aber erweist sich keineswegs als elektorale Basis für linke Parteien.
Menschen mit Migrationshintergrund mögen zwar anfangs sozialistisch oder grün wählen, weil sie das Gefühl haben, dass diese Gruppierungen ihre Zuwanderung ermöglichen oder begrüßen. Letztlich aber sind sie ideologisch in den seltensten Fällen Linke, sondern stellen pro futuro eher die Basis für ethnisch definierte Parteien mit nationalistischer Ausrichtung oder im speziellen Fall auch für fundamentalistisch islamistische Gruppierungen dar. Wenn man die Struktur von Links-Wählern am österreichischen Beispiel betrachtet, so kann man feststellen, dass die ältere Generation eher die Traditionswähler der Sozialdemokratie stellt, dass zeitgeistige „Bobos“ und konformistische Besserverdiener Grün wählen und jüngere Hardliner, insbesondere viele politisch korrekte Studenten, ein Wählerpotenzial für die aufsteigenden Kommunisten darstellen könnten.
Linke Politik sozialistischer, kommunistischer aber auch öko-kommunistischer Prägung ist also in ideologischer Hinsicht historisch überholt. Und auch die soziologische Basis für linke Emanzipationsbewegungen im Dienste von unterprivilegierten Schichten ist im klassischen Sinne nicht mehr vorhanden. Die einst so stolze Arbeiterklasse gibt es nicht mehr, Kleinbürger wollen sich nicht von linken Pseudo-Intellektuellen vertreten lassen und das neue Subproletariat mit Migrationshintergrund hat mit Marxismus nichts am Hut.
Und dennoch ist die politische Linke in all ihren Facetten in den westlichen Industriestaaten, auch im deutschsprachigen Mitteleuropa, ein überaus starker, da und dort auch noch ein bestimmender Faktor. Und wenn sie auch in demokratischen Wahlen, beispielsweise in Österreich, alleine keine Mehrheit hat, so ist sie doch in den etablierten Medien und wohl auch in den meisten etablierten politischen Parteien dominant. Sie vermag den politischen Diskurs, das Kulturleben, die Kunstszene und auch die Unterhaltungsindustrie – mit all ihren Torheiten wie „me too“, „wokeness“ und “cancel culture“ – zu beherrschen.
Der tiefere Grund dafür liegt ganz offensichtlich im Konformismus der meinungsbildenden Schichten unserer Gesellschaft. Zwar sind die Alt-Achtundsechziger längst in die Jahre gekommen, sie haben aber den „Marsch durch die Institutionen“ derart effizient geschafft, dass nunmehr ihre links orientierten Epigonen mittels dieses konformistischen Effekts alle wesentlichen Bereiche der Gesellschaft dominieren. Die Medien, auch solche die ursprünglich als konservativ galten, die Kunst- und Kulturszene, aber auch die Justiz, die Universitäten und das Bildungswesen und sogar weite Bereiche der Wirtschafts-Eliten, sowie auch die Vertreter des etablierten Parteien-Spektrums sind diesem konformistische Druck erlegen und vertreten – zumindest in gesellschaftlichen Fragen – mehr oder minder linke Positionen.
So ist die Linke also ideologisch gescheitert, soziologisch überholt, aber durch den Konformismus gesamtgesellschaftlich – eigentlich als ein politisches Retrophänomen – dominant.

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