Staatsoberhaupt ohne Legitimation?

Er habe gesiegt, das sei die Hauptsache, verkündete Alexander Van der Bellen am Wahlabend im Kreise seiner grünen Gesinnungsfreunde, Kogler, Gewessler und Zadic. Und tatsächlich ist es ihm ja gelungen, bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit zu erreichen. Mit 56 Prozent ein eher schwaches Ergebnis verglichen mit wieder gewählten Bundespräsidenten wie Heinz Fischer oder Rudolf Kirchschläger. Aber es ist tatsächlich nicht das schlechteste Ergebnis bei einer Wiederwahl, wie dies sein Konkurrent Gerald Grosz ebenfalls am Wahlabend vor laufender Kamera behauptete. Diesen hat man sofort entgegnet, dass seinerzeit Adolf Schärf und Franz Jonas bei ihrer Wiederwahl ebenso schwach abgeschnitten hätten.
Was man allerdings dabei verschwieg, ist, dass es zu Zeiten von Schärf und Jonas die Wahlpflicht gegeben hatte und dass es damit damals Wahlbeteiligungen von über 90 Prozent gab. Das heißt also, dass die beiden seinerzeit von einer weitaus größeren Anzahl von Österreichern gewählt wurden als heute Van der Bellen.
Dieser wurde nämlich nur von kaum einem Drittel der in Österreich lebenden Menschen gewählt. Von einer Wohnbevölkerung von etwa neun Millionen Menschen waren bekanntlich 6,4 Millionen wahlberechtigt, davon haben 65 Prozent gewählt, also etwas über vier Millionen. Und davon wiederum hatte Van der Bellen bekanntlich 56 Prozent, insgesamt also gute zwei Millionen Wähler. Und nahezu sieben Millionen, in Österreich lebende Menschen haben Van der Bellen nicht gewählt und ihm nicht das Vertrauen geschenkt – aus welchen Gründen auch immer.
Dazu kommt, dass die beiden großen alten staatstragenden Parteien, also die SPÖ und die Österreichische Volkspartei, keinen eigenen Kandidaten aufgestellt haben. Von der Sozialdemokratie kann man noch sagen, dass diese eben den linken Kandidaten und ehemaligen Grünen Parteichef unterstützen, wobei dies ideologisch und organisatorisch noch irgendwo einen Sinn ergibt. Dass aber die christlich-konservative ÖVP den alten Linken und Grünen, wenn schon nicht offiziell, so doch über diverse Granden unterstützt, ist schon ein ideologisches und politisches Armutszeugnis. Tatsache ist aber, dass die beiden staatstragenden Parteien der Zweiten Republik es nicht mehr für so wichtig halten, einen eigenen Kandidaten für das höchste Staatsamt aufzustellen.
Und so bleibt der ursprünglich nur von den Grünen, einer Zehnprozentpartei, und auch jetzt von ihnen finanziell unterstützte Kandidat Van der Bellen der Herr in der Hofburg.
Damit aber tragen Rot und Schwarz ihrerseits zur Delegitimierung des Amtes des Bundespräsidenten massiv bei. Wenn dann die Gegenkandidaten, mit Ausnahme des freiheitlichen, aus Kabarettisten, Internetbloggern, Möchtegern-Popstars und Sektenführern bestehen, ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass hier das höchste Staatsamt zum Spielball wenig seriöser Kräfte gemacht wird. Spaßkandidaten und Showkandidaten führen damit die Demokratie selbst ad absurdum.
Der FPÖ ist zu Gute zu halten, dass sie ihre demokratiepolitische Verantwortung als Opposition und Parlamentspartei wahrgenommen hat und einen seriösen Gegenkandidaten zum Amtsinhaber aufgestellt hat. Dass sie es taktisch nicht geschafft hat, dass dieser der einzige Kandidat des rechten Spektrums war, hat dazu geführt, dass dieser beim Wahlergebnis unter seinem Wert gehandelt wurde, wie wohl sein Ergebnis durchaus respektabel war.
Alles in allem ergibt sich aus diesen Tatsachen, dass der zweifellos gesetzeskonform und legal wiedergewählte Bundespräsident Van der Bellen eine sehr schwache Legitimation durch die Bevölkerung, aber auch durch die Parlamentsparteien sein Eigen nennen darf. Diese schwache Legitimation wird natürlich auch zu wesentlich geringerem moralischem Gewicht des wiedergewählten Staatsoberhauptes führen. Seine Möglichkeiten, positiv auf die Politik und auf die Bundesregierung im Sinne der Bevölkerung einzuwirken, sind damit natürlich auch nur mehr sehr gering.
Und daraus folgt wiederum denklogisch, dass man die Diskussion um Sinn und Unsinn, Notwendigkeit oder Unnotwendigkeit dieses höchsten Staatsamtes neuerlich zu führen hat. Vielleicht sollte die Idee, die die Haider-FPÖ zu Ende der Neunzigerjahre debattierte, wonach man die Ämter des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers zusammenlegen sollte erneut aufgegriffen werden. Einen bloßen Staatsnotar und einen Grüßaugust, der scheinbar das Flair des alten Kaiser Franz Joseph ausstrahlt, braucht die Republik nämlich wirklich nicht.

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