Frühstücksdirektor, Staatsnotar oder Ersatzkaiser?

Welches Staatsoberhaupt braucht unsere Republik?

Als Hans Kelsen in den Gründerjahren der Ersten Republik seinen Verfassungsentwurf vorlegte, war es klar, dass man als Staatsoberhaupt alles andere als einen Ersatzkaiser wollte. Die Monarchie abgeschafft, der Adel verboten und die Republik wollte sich bewusst republikanisch geben. Infolgedessen war das Amt des Bundespräsidenten keines, das sich durch eine herausragende Stellung auszeichnen sollte.
Ein Jahrzehnt später war dies dann anders: Quer durch Europa dominierten autoritäre Tendenzen die Politik, und auch in Österreich wurde der Ruf nach einem starken Mann an der Spitze des Staates laut. Es sollte der Nationalliberale Johannes Schober sein, der als Bundeskanzler eine Verfassungsreform zustande bringen musste, die die Stellung des Bundespräsidenten solcherart neu gestalten sollte. Dass Schober dann diesen Auftrag nicht zur Gänze zu erfüllen vermochte und stattdessen mit den Sozialdemokraten einen Kompromiss aushandelte, zog ihm den Unwillen des rechten Spektrums, insbesondere der Heimwehren zu.
Dennoch wurde aus dem Staatsnotar, wir es der Bundespräsident im ersten Jahrzehnt der Republik war, nunmehr so etwas wie ein Ersatzkaiser. Die Befugnisse des österreichischen Bundespräsidenten sind nämlich seit der Verfassungsreform von 1929 stärker, als dies allgemein bekannt ist. Primär ist es seine Befugnis, die Regierung zu ernennen und zu entlassen. Diese wird nicht wie in anderen westlichen Demokratien vom Parlament gewählt, sondern eben vom Staatsoberhaupt ernannt.
Dazu kam mit der Verfassungsnovelle von 1929 die Volkswahl des Bundespräsidenten. Damit ist er der einzige politische Funktionär der Republik, der vom gesamten Staatsvolk in geheimer und freier Wahl persönlich und individuell gewählt wird. Dies schafft ihm naturgemäß eine herausgehobene und besonders legitimierte Position.
Trotz dieser relativen Machtfülle war der Bundespräsident in der Zweiten Republik primär so etwas wie ein politischer Frühstücksdirektor. Zum einen waren die Bundespräsidenten fest in einer der beiden großen staatstragenden Parteien verankert, deren Willen sie politisch naturgemäß auch ohne große Schwierigkeiten umzusetzen hatten. Zum anderen scheute man sich nach den Erfahrungen der Ersten Republik und der nur allzu begründeten Absage an alle autoritäre Tendenzen nach 1945 davor, wieder so etwas wie den starken Mann zu geben. Es reichte den Herren in der Hofburg nach 1945, angefangen von Karl Renner bis Rudolf Kirchschläger, so etwas wie eine moralische Autorität zu sein. Da war Kirchschlägers Ansage, dass man die sauren Sümpfe trockenlegen müsse, schon die ultimative politische Aktivität, die denkbar war. Erst mit der Wahl Kurt Waldheims wurde das Amt des Bundespräsidenten in den Fokus der politischen Auseinandersetzung gerückt. Und vollends politisch wurde es, als Thomas Klestil im Jahr 2000 versuchte, eine durch demokratische Mehrheitswahl ermöglichte Rechtsregierung zu verhindern. Dies gelang ihm bekanntlich ohnedies nicht, es zeigte vielmehr auf, wo trotz theoretischer staatsrechtlicher Möglichkeiten die Grenzen der Macht des Bundespräsidenten liegt.
Erst der nunmehr amtierende Bundespräsident Van der Bellen ist ein Staatsoberhaupt, das nicht aus den beiden Gründungspartei der Zweiten Republik, aus SPÖ und ÖVP stammt. Ihm war es vorbehalten, aufgrund der politischen Krisen nach dem Skandal von Ibiza erstmals eine Experten-, beziehungsweise Beamtenregierung anzugeloben. Er demonstrierte damit, dass es sehr wohl möglich ist, gegen den Willen der Parlamentsparteien zumindest für eine Übergangszeit eine Regierung zu schaffen, die nicht den Parlamentsparteien entspringt. Dass diese nach relativ kurzer Zeit von der parlamentarischen Mehrheit aus dem Amt gejagt werden kann, ist eine andere Sache.
Ob die Österreicher nunmehr eher einen Staatsnotar, der nur die Gesetze beglaubigt, oder einen Ersatzkaiser mit wirklich politisch administrativen Befugnissen wollen, ist indessen klar. Die Meinungsforschung hat gerade im Zuge des aktuellen Präsidentschaftswahlkampfes ergeben, dass die Mehrheit der Österreicher sehr wohl einen aktiven und tätigen Präsidenten wollen, dass sie aber davon ausgehen, dass dieser sein Amt überparteilich und objektiv ausübt. Etwas, was man vom gegenwärtig amtierenden Staatsoberhaupt nicht unbedingt behaupten kann.
Einen reinen politischen Frühstücksdirektor, der nur mit angenehmen Umgangsformen das diplomatische Corps bewirtet und Staatsgäste empfängt, wollen die Menschen im Lande ebenfalls nicht. Sie meinen schon, dass die Staatsspitze mit einer integren Persönlichkeit besetzt sein soll, die insbesondere im Krisenfall in der Lage ist, moralische Autorität auszuüben. Dazu gehören politische Erfahrung, ein menschliches und charakterliches Format und die Fähigkeit, wirklich über den Parteien zu stehen. Dass gerade eine Reihe der Gegenkandidaten des amtierenden Bundespräsidenten in der gegenwärtigen Wahl diesen Ansprüchen nur in geringem Maße entspricht, ist keinesfalls ein Argument gegen diese Ansprüche. Fest steht jedenfalls, dass neben dem Amtsinhaber in der aktuellen Wahl zum höchsten Staatsamt wohl nur ein einziger Kandidat, nämlich der freiheitliche, diesen Ansprüchen genügt. Er verfügt sowohl über die politische Erfahrung als auch über das Bildungsniveau und die charakterliche Festigkeit, um das Amt in der Hofburg auszuüben. Den anderen Gegenkandidaten fehlt zumindest die politische Erfahrung, über ihre charakterliche Eignung soll an dieser Stelle nicht gerichtet werden.

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