Abschied von der Neutralität

Nun haben sich also Schweden und Finnland entschlossen, die Neutralität aufzugeben und dem Nordatlantikpakt beizutreten. Die jeweiligen Regierungsparteien haben dies beschlossen, und die Parlamente der beiden Staaten werden es absegnen. Zwar gab es keine Volksabstimmung dazu, Umfragen besagen aber, dass sowohl die schwedische als auch die finnische Bevölkerung in der breiten Mehrheit für den NATO-Beitritt ist.
Die Ursache dafür ist natürlich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Im Falle Finnlands ist der Entschluss wohl verständlich, die Erinnerung an den finnisch-sowjetischen Winterkrieg ist da wohl noch sehr präsent. Was Schweden betrifft, das seit den Napoleonischen Kriegen bündnisfrei beziehungsweise neutral ist, sieht es schon anders aus. Für die Schweden war die Neutralität eine Frage der Identität – ähnlich wie es heute bei uns in Österreich ist.
Apropos Österreich: Nun sind wir als neutraler Staat innerhalb der Europäischen Union ziemlich einsam. Nur noch der kleine Inselstaat Malta und Irland sind so wie wir in der EU neutral. Aber von wegen neutral, spätestens seit dem EU-Beitritt sind wir durch die Verpflichtung, solidarische Beistandspflicht im Falle eines Angriffs auf ein anderes EU-Land zu üben, ohnedies nicht mehr wirklich neutral.
Und so stellt sich die Frage, ob diese unsere immerwährende Neutralität, für die Umfragen zufolge mehr als 70 Prozent der Österreicher ganz entschieden eintreten, nicht doch so etwas wie eine Lebenslüge der Republik darstellt. Eine Lebenslüge war es zweifellos in den Zeiten des Kalten Krieges. Hätte es nämlich damals einen Angriff des Warschauer Pakts es auf Österreich gegeben, wären wir militärisch wohl ziemlich hilflos gewesen.
In militärischer Hinsicht ist es heute wohl kaum anders. Das Österreichische Bundesheer ist in einem derart desolaten Zustand, dass eine wirkliche militärische Landesverteidigung kaum denkbar wäre. Kaum denkbar ist allerdings auch ein Angriff eines Nachbarlandes auf Österreich. Zum einen handelt es sich dabei samt und sonders um EU-Mitgliedstaaten, zum anderen sind sie mit Ausnahme der Schweiz und Liechtenstein auch alle NATO-Mitglieder.
So dürften die Österreicher also in ihrer breiten Mehrheit hoffen, sich auch künftig genüsslich der immerwährenden Neutralität hinzugeben, während die anderen Kriege führen mögen. Und auch die gegenwärtigen Beteuerungen, dass man nunmehr dem Bundesheer endlich entsprechende Mittel zuführen wolle, könnten sich im Zuge dieser Einstellung bald wieder in Wohlgefallen auflösen.
Aus historischer gesamtpolitischer Sicht allerdings scheinen die Österreicher so etwas wie ein gutes Gespür zu haben. Ein NATO-Beitritt würde nämlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich die Unterwerfung unter die US-amerikanischen militärischen Interessen bedeuten. Die NATO ist ja nach wie vor absolut am Gängelband Washingtons, so etwas wie eine Emanzipation des europäischen Teils der NATO hat noch nicht stattgefunden und wird wohl auch in näherer Zukunft nicht stattfinden. Und nur wenn es die NATO als eigenes und souveränes Sicherheitssystem für Europa gäbe, könnte man der Alpenrepublik mit Fug und Recht raten, diesem beizutreten.

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