Butscha, Srebrenica, Katyn

Dieser Tage erreichten uns Nachrichten von einem Massaker, das die abziehenden russischen Truppen in Butscha, einem Vorort von Kiew, verursacht haben sollen. Hunderte Leichen, vorwiegend von Männern, die angeblich auch gefoltert und dann mit Kopfschüssen hingerichtet wurden, seien in Massengräbern aufgefunden worden.
Die Vertreter der Ukraine, voran Kiews Bürgermeister Klitschko, sprechen von einem Genozid, also von geplantem und systematisch durchgeführtem Völkermord und die Erinnerung an vergleichbare historische Metzeleien, wie sie beispielsweise im bosnischen Srebrenica im Jahre 1995 und 1940 im ostpolnischen Katyn stattgefunden haben, werden wach.
Das Grauen, das solche Massaker beziehungsweise die Funde der Opfer verursachen, ist allgemein und weltweit. Dieses Grauen lässt sich natürlich auch trefflich zu Propagandazwecken missbrauchen. 1942 versuchten die deutschen Okkupanten nach dem Auffinden der Opfer von Katyn diese propagandistisch gegen das Sowjetsystem einzusetzen. Und nach 1945, immerhin bis 1990, verbreitete der Kreml die Mär, dass die Nationalsozialisten für das Katyn-Massaker verantwortlich seien.
Was wenig bekannt ist: Im Jahr 2010 gedachte Putin gemeinsam mit polnischen Politikern der etwa 8.000 polnischen Offiziere, die in Katyn ermordet wurden. Srebrenica im Jahr 1995 wiederum bleibt ein Kainsmal für die serbische Seite der jugoslawischen Zerfallskriege. Und zu Recht wurde der dafür verantwortliche serbische Befehlshaber Mladic vor einem internationalen Gericht zur Verantwortung gezogen.
Was nun in der ukrainischen Stadt Butscha wirklich geschehen ist, ob tatsächlich ein von oben befohlenes Massaker an Zivilisten stattgefunden hat, muss rasch und unter internationaler Aufsicht geklärt werden.
Der derzeit allgegenwärtige Christian Wehrschütz reagierte zutreffend auf die Nachrichten über Butscha, indem er meinte, eine solche objektive Klärung sei deswegen rasch und gründlich nötig, um keine Verschwörungstheorien aufkom­men zu lassen. Der Kreml weist jede Verantwortung für das Massaker von Butscha von sich, und die ukrainische
Seite spricht eben von Völkermord.
Sollten russische Militärs oder gar die oberste politische Führung tatsächlich ein solches Massaker befohlen beziehungsweise zu verantworten haben, wird man sie irgendwann einmal, so wie seinerzeit den Serben Mladic, vor ein internationales Kriegsverbrechertribunal stellen müssen, denn ein Kriegsverbrechen ist die gezielte und geplante Tötung von Zivilisten allemal. Und sollte die Verantwortung bis hinauf an die Kreml-Spitze reichen, wird der Name Butscha für Wladimir Putin selbst zum Kainsmal werden.
Butscha ist also ein Verbrechen, aber es ist noch mehr, es ist eine schreckliche politische Dummheit.
Zynisch gesprochen könnte man nämlich sagen, dass man der ukrainischen Seite einen größeren Gefallen von Seiten der Russen kaum hätte machen können. Die internationale Solidarität, die Hilfsbereitschaft und die konkrete waffentechnische, wenn nicht gar militärische Hilfe für die Ukrainer wird nämlich dadurch sprunghaft ansteigen und, die Russen stehen als Menschheitsverbrecher da – wenn, ja, wenn objektiv unter internationaler Aufsicht nachgewiesen wird, dass sie dieses Massaker tatsächlich geplant und durchgeführt haben.
Und eines sollte uns im nach wie vor friedlichen EU-Europa auch klar werden: Wer da geglaubt hätte, dass so etwas wie ein unblutiger Cyber-Krieg stattfände, mit präzisen Luftschlägen gegenüber ausschließlich militärischen Einrichtungen, der war naiv, der hat sich Illusionen gemacht. Krieg ist – gerade mit modernen Waffensystemen – brutal, grausam und blutig.
Und er betrifft keineswegs nur die kämpfende Truppe. Nein, er betrifft Zivilisten, Alte, Frauen und Kinder und er entfesselt das Böse im Menschen, die Fähigkeit zur Vergewaltigung, zur Folter und Mord.

1 Responses to Butscha, Srebrenica, Katyn

  1. gmccar sagt:

    Zu Srebrenica sollte der Autor mal bei der leider verstorbenen Missses Albright nachfragen. Da wurde der Welt ein Trugbild vermittelt, wie es gerade in Butscha stattfindet. Die Fakten sind und waren andere.

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