Auf zur lustigen Russenhatz

Jeder, der sich in diesen Tagen nicht schnell genug empört über Putins Angriffskrieg, wird an den Pranger gestellt. Jeder Mann, der irgendeinmal mit Putin im positiven Sinne zu tun hatte oder sich freundlich über den russischen Präsidenten geäußert hatte, diesen nicht flugs mit Adolf Hitler vergleicht, wird gleich zur Unperson erklärt. Und alle, die auch nur irgendwie verdächtig sind über Russland, und sei es nur in Facetten, positiv zu denken, werden aus der Gemeinschaft der Wohlmeinenden ausgestoßen. Die Mainstream-Medien sind da wieder einmal absolut gleichgeschaltet. Und sogar normalerweise differenziert argumentierende Meinungsmacher wie der Chef des Innenresorts der „Presse“, immerhin eine Qualitätszeitung, prangert in diesen Tagen jedermann an, der irgendwo einmal im Verdacht stand, zu den Putin-Verstehern zu gehören. Da werden die NEOS zwar gelobt, weil sie sich als erste klar für die Ukraine aussprachen, aber dann wird der Großfinanzier ebendieser NEOS, der Austro-Oligarch Haselsteiner getadelt, weil er sich seinerzeit für eine Kooperation mit den Russen ausgesprochen hatte. Da wird der ehemalige ÖVP-Wunderwuzi Sebastian Kurz getadelt, weil er irgendwann einmal von einer Freihandelszone von EU und Russland geträumt hatte. Und sogar der Bundespräsident wird getadelt, weil er angeblich seinerzeit Putin auch einmal anders und nicht nur als blutrünstigen Kriegsherren erlebt hatte.
Und die Freiheitlichen, das sind natürlich die ganz Bösen. Sie hatten ja mit der Putin-Partei einen Freundschaftsvertrag. Diese Freiheitlichen wagen es doch glatt, in der gegenwärtigen Debatte über den Ukrainekrieg und dessen Vorgeschichte auch das eine oder andere prorussische Argument zu bringen. Unerhört! Aber Ironie beiseite. Diese allgemeine Russen-Hatz quer durch Europa und den Westen treibt seltsame, ja ungustiöse Blüten: Da werden Künstler wie die Sopranistin Netrebko oder der russische Dirigent Georgiew diffamiert und ausgegrenzt, weil sie sich offenbar nicht entschieden genug gegen ihr Vaterland wenden. Da setzt man russische Künstler unter Bekenntnisdruck, auch solche, die völlig unpolitisch sind, sich doch klar zu positionieren, natürlich gegen Russland und gegen Putin. Da werden behinderte russische Sportler von der Behindertenolympiade ausgeschlossen. Und schließlich und endlich verbietet man russische Medien, die innerhalb der EU sendeten bzw. publizierten, wie etwa „Russia Today“, um den Menschen innerhalb der EU nur ja keine prorussische Stimme zuzumuten.
Damit erweist sich aber unsere Demokratie und unsere angeblich offene Gesellschaft schlechte Dienste. Gesinnungsdruck auf einzelne Menschen ist nämlich undemokratisch. Die Beschneidung der Meinungsvielfalt, und sei es auch Propaganda, ist ebenso wenig demokratisch. Die gleichgeschaltete Hetze gegen ein gesamtes Volk, wo doch der Krieg offenbar nur den Willen eines einzelnen, nämlich Putins, entstammt, ist auch abzulehnen.
Ach ja, da sind dann noch die Sanktionen. Sanktionen, die Russland massiv treffen sollen. Und sie sind auch treffsicher, treffsicher nämlich gegenüber dem Volk, gegenüber den einfachen Leuten. Putin selbst wird wohl kaum betroffen sein und die viel zitierten Oligarchen werden die zeitweise Behinderung in der Nutzung ihrer Villen an der Cote d‘Azur und ihrer Motorjachten zu verschmerzen wissen, aber die kleinen Leute, die 130 Millionen russischen Bürger, werden die Sanktionen spüren. So sind Sanktionen im Grund eine politische Waffe, die – natürlich wesentlich undramatischer – ähnlich wirken wie das Bombardement von Wohnvierteln der Zivilbevölkerung in einem Krieg. Es wird durch sie Druck aufgebaut, der von Seiten der geschundenen Bevölkerung auf die politische Führung zurückschlagen soll. Das funktioniert zumeist beim Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung nicht und das dürfte im Falle der Sanktionen auch in Russland in diesen Tagen nicht funktionieren. Eines ist klar: Der hoch moralische Westen sollte vom hohen Ross steigen. Wie viele militärische Konflikte haben die USA in den letzten Jahrzehnten vom Zaun gebrochen, mit wie vielen Lügen wurden diese begründet, man denke nur an Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen? Und wie werden bei uns Nonkonformisten, die gegen den Mainstream schwimmen behandelt?
Sie werden vielleicht nicht eingesperrt wie Nawalny in Russland, dafür aber sozial geächtet und vernichtet. Und wie groß ist die Meinungsfreiheit gerade in der aktuellen Frage hierzulande? Sind wir da wirklich soviel besser als die Russen?

1 Responses to Auf zur lustigen Russenhatz

  1. Peter sagt:

    Das letzte Mal, als wir vor etwa vor etwa 80 Jahren so eine Hatz hatten, ging das für uns nicht sehr gut aus. Wie wird es diesmal für die HETZER ausgehen?

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