Wenn historische Vergleiche hinken

Wladimir Putin, der Kriegsherr, das sei der „neue Hitler“! Das müsse man endlich einmal sagen, so der Herausgeber des zweitgrößten Boulevardblattes der Alpenrepublik. Und der Präsident des Nationalrats merkt so nebenbei an, dass die Ukrainer jetzt im Kriegsfalle doch in ihrem Heimatlande bleiben müssten. Wo käme man da hin, wenn alle im Jahre 1945 aus Österreich geflüchtet wären, anstatt ihre Heimat dann wieder aufzubauen. Und das Ansinnen, er möge auf den Vorsitz im parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die ÖVP-Korruption doch verzichten, vergleicht er mit der Selbstausschaltung des Parlaments im Jahre 1933. Dass dann zuvor in den Anti-Coronamaßnahmen-protesten Menschen mit gelben Sternen demonstrierten, ist ein weiterer Fall von einigermaßen missglückten historischen Vergleichen.
Warum missglückt? Ob Wladimir Putin tatsächlich mit Adolf Hitler gleichgesetzt werden kann, muss dann doch hinterfragt werden. Zwar hat er auch wie der Braunauer im September 1939 einen Angriffskrieg gegen Polen, heute gegen die Ukraine entfesselt, ein Weltkrieg, allzumal ein nuklearer, wird daraus hoffentlich denn doch nicht werden. Und die industrielle Vernichtung, welches Volkes auch immer, in einem zweiten Holocaust scheint Putin vorläufig auch nicht vorzuhaben. So muss man also beim gegenwärtigen Stand der Dinge sagen, dass der Vergleich des Kremlherren mit dem NS-Diktator auf eine Verharmlosung des letzteren hinausläuft! So verabscheuenswürdig und katastrophal der gegenwärtige Angriff von Russland auf die Ukraine auch sein mag.
Und was die historischen Vergleiche unseres Nationalratspräsidenten betriff, so ist da ja eher homerisches Gelächter als Empörung angebracht. Er hat nämlich in der Hektik einer TV-Diskussion das gesagt, was die meisten Österreicher seiner Generation und jene der Zeitzeugen von 1945 empfunden haben dürften: Es sind nämlich damals die Kriegssieger, die Besatzer gekommen und nicht so sehr als „Befreier“, wie wir die einrückenden alliierten Truppen heute definieren.
Sein Vergleich aber mit der Selbstausschaltung des Nationalrates im Jahre 1933 lässt dann doch tief blicken. Da ist beim Herrn Sobotka, so wie bei seinem nieder­österreichischen Parteifreund, dem gegenwärtigen Innenminister, der bekanntlich so etwas wie der Kustos eines Dollfuß-Museums ist, eine subkutane Sympathie für den seinerzeitigen Ständestaat unseligen Angedenkens erkennbar.
Was nunmehr jene Anti-Coronamaßnahmen-Demonstranten betrifft, die sich da mit dem gelben Stern schmücken, so bedeutet das wohl einen ebenso verunglückten historischen Vergleich. Sie mögen sich als Ausgegrenzte und als „Corona-Leugner“ Diffamierte zwar zu Recht diskriminiert fühlen, dies aber mit der Situation der Juden im Dritten Reich zu vergleichen, ist mehr als geschmacklos. Zwar steht dahinter gewiss keine antisemitische Absicht.
Man sieht, dass historische Vergleiche nur mit höchster Vorsicht zu ziehen sind. Allzu leicht tritt man – wenn vielleicht auch unbeabsichtigt – in irgendein Fettnäpfchen.
Und so ist die Geschichte zwar insofern ein Lehrmeister, als sie uns gewissermaßen spezielle ­Lektionen erteilt. Sie bietet allerdings niemals real anzuwendende Parallelen auf gegenwärtige Probleme.

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