Wahlen als Herzstück der Demokratie

In diesen Tagen gibt es wieder eine Reihe von Wahlen. Hierzulande in der zweitgrößten Stadt des Landes, in Graz, die Wahl für den Gemeinderat, den Bürgermeister und im Bundesland Oberösterreich die Wahlen für den Landtag sowie ebenso die Wahl der jeweiligen Bürgermeister. Und – weltpolitisch wesentlich bedeutsamer – im stärksten Mitgliedstaat der Europäischen Union, in der Bundesrepublik Deutschland, wird das Parlament gewählt, ebenso wie vor wenigen Tagen im flächenstärksten Land der Erde, in Russland, wo die die Zusammensetzung der Staats­duma neu gewählt wurde.
Wahlen sind bekanntlich das Herzstück der Demokratie und das wichtigste Recht des Bürgers. Sie mischen die politischen Karten neu und bestimmen, wer die Menschen jeweils vertritt. Sie können aber so, wie zum Beispiel in Russland, auch zur Alibiaktion für autokratische Machthaber degradiert werden. Zur häufig manipulierten und verfälschten Alibiaktion, mit der diese Machthaber ihre undemokratische Machtausübung zu
legitimieren versuchen.
Die Wahlen in Graz sind also vielleicht wirklich nur für die Bürger der steirischen Landeshauptstadt von Bedeutung. Kurios sind sie allenfalls insofern, als die „Menschenrechtsstadt“ Graz die einzige Großstadt in Mitteleuropa ist, in der es noch eine kommunistische Partei mit 20 % Wählerstimmen gibt. Und das ist kein Ruhmesblatt für die steirische Landeshauptstadt, die zweifellos weiter vom tiefschwarzen Bürgermeister Nagl regiert werden wird – ob weiter mit den Freiheitlichen des wackeren Mario Eustacchio oder doch mit den politisch korrekten Grünen, wird sich weisen.
Schon von größerer politischer Bedeutung sind die Wahlen in Oberösterreich, da es sich dort um das wirtschaftlich wohl stärkste Bundesland der Alpenrepublik handelt. Auch dort wird sich weisen, ob der türkis–schwarze Landeshauptmann Stelzer, dessen Wahlsieg auch außer Frage steht, weiter mit den Freiheitlichen des Manfred Haimbuchner regiert oder eben mit den Grünen so wie auf Bundesebene. Die wohl spannendste Frage wird dabei sein, ob zwei Jahre nach Ibiza eine freiheitliche Landesorganisation wieder in der Lage sein wird, ein respektables Ergebnis jenseits der 20 % einzufahren – etwas, was Haimbuchner allen Umfragen zu Folge doch gelingen
dürfte.
Was schließlich die Wahlen in der benachbarten Bundesrepublik betrifft, so scheint sich so etwas wie ein rotes Wunder anzubahnen: Der trockene Hanseate Olaf Scholz könnte das Rennen um das Berliner Kanzleramt machen und sich somit in eine Reihe sozialdemokratischer deutscher Kanzler, zurückgehend auf Gerhard Schröder, Helmut Schmidt und Willy Brandt stellen. Ob hinter dem pragmatischen Sozialdemokraten Scholz dann allerdings ein brutaler Linksschwenk stattfindet, bleibt abzuwarten.
Und was schließlich die erwähnten Wahlen in Russland betrifft, so scheint auch der autokratische Machthaber Wladimir Putin ohne Bestätigung durch das Wahlvolk nicht regieren zu können beziehungsweise zu wollen. Dass sich da beim umstrittenen Wahlergebnis gewisse Verschleißerscheinungen seiner Kreml-Partei zeigen, beweist, dass auch die Bäume der Kreml-Herren nicht in den Himmel wachsen.
Wenn die Bürger also die Möglichkeit haben, an der Wahlurne ihre politische Meinung zu artikulieren, gibt es für die jeweiligen Inhaber der Regierungsfunktionen und der Macht häufig bange Stunden. Und das ist gut so. Niemandes Macht sollte unbeschränkt und unkontrolliert bleiben. Keine politische Persönlichkeit und keine politische Partei sollte ohne Bestätigung durch die Menschen regieren und agieren dürfen. Diese Errungenschaft pflegen wir nicht nur in den Demokratien westlichen Stils, sogar autoritäre, ja totalitäre Regime können nicht mehr umhin, sich der Mechanismen von Wahlen zu unterziehen, wenn auch unfrei, manipuliert und verfälscht.
Freie, direkte und geheime Wahlen sind also etwas, was wir gar nicht hoch genug einschätzen können. Das sollte uns in diesen Tagen angesichts der relativ unbedeutenden Wahlgänge in Österreich – aber auch angesichts jener von weltpolitischer Bedeutung wie in der Bundesrepublik und in Russland – wieder einmal klar werden.

1 Responses to Wahlen als Herzstück der Demokratie

  1. xxopak7832 sagt:

    Buchtipp für KPÖ- WählerInnen: „Der Archipel GULAG“ (Alexander Solschenyzin).

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