Wir ­alten, ­weißen ­Männer

Vom Unglück dieser Welt und seinen Verursachern

Angefangen hat alles mit dem lieben Gott beziehungsweise Jahwe. So wie wir ihn von Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle kennen, ist er ein typischer alter, weißer Mann mit Bart und patriarchalischem Gehabe, der mittels Berührung seiner Fingerspitze Adam beseelt.
Dann ging es weiter mit den biblischen Patriarchen: Von Abraham bis Moses – lauter bärtige alte Männer. Desgleichen natürlich die biblischen Väter. Und dann erst die griechischen Philosophen: Sokrates, Platon, Aristoteles – samt und sonders bärtige alte weiße Männer. Und dann erst die römischen Caesaren, zumeist zwar ohne Bart, aber doch alte, weiße Männer. Von mittelalterlichen Potentaten gar nicht zu sprechen: Karl der Große, Friedrich Barbarossa, Heinrich der VIII., Ludwig der XIV., stets alte, weiße Männer. Sie hatten die Macht auf diesem Planeten in Händen, sie bestimmten die Entwicklung der Menschheit, und sie waren somit auch für all das Unheil und all das Unglück, das dem Menschengeschlecht im Lauf der Geschichte beschieden war, verantwortlich.
Heute sind sie diese alten weißen Männer in der zeitgenössisch politisch korrekten Debatte das Inbild des Bösen. Donald Trump, Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan – alte weiße Männer, die gewissermaßen menschenverachtende Machtpolitik betreiben. Skrupellos zumeist, rechtspopulistisch orientiert und immer demokratiegefährdend.
Nun kann nicht jeder alte, weiße Mann Staatspräsident oder Premiereminister sein und doch sind sie auch im gesellschaftlichen Alltag, im Kreise der ganz normalen Menschen, Verursacher allen Übels. Zuallererst waren sie einmal die Träger des Patriarchats und damit der Frauenunterdrückung, des Sexismus und allen möglichen Missbrauchs. Dann sind sie natürlich die eigentlichen treibenden Kräfte des sogenannten Alltagsrassismus. Allein die Tatsache, dass sie weiße Männer sind, ist schon rassistisch. Und dass sie in der Wirtschaft und der Politik der westlichen Industriestaaten nach wie vor alle Schlüsselpositionen innehaben, muss erst recht als Rassismus bezeichnet werden. Und schließlich sind sie auch die eigentlichen Verantwortlichen für einen menschenverachtenden und ausbeutenden Kapitalismus. Sie sitzen in den Chefetagen der Konzerne, dominieren die Vorstände der Industrie, der Banken und an den Börsen.
Und natürlich sind es eben diese alten, weißen Männer, die – gesellschaftlich jetzt einige Etagen tiefer angesiedelt – für Gewalt in den Familien, für Gewalt an Frauen, deren Unterdrückung und Kindesmissbrauch verantwortlich sind. Sie sind die Alkoholiker, arbeitsscheu und bildungsfern. Und sie sind es natürlich auch, die die Maximen des Umweltschutzes völlig negieren und durch ihr Konsumverhalten den Klimaschutz verunmöglichen – Automobilfetischisten und Plastikmüll-Produzenten.
Die Rezepte, die bislang gegen all diese von alten, weißen Männern verursachten Missstände entwickelt wurden, waren vorläufig noch wenig wirksam. Diese alten, weißen Männer durch junge, weiße Männer zu ersetzen, hatte den Nachteil, dass dieselben­ mit den Jahren auch zu alten, weißen Männern wurden. Besser ging es da schon, wenn man diese alten, weißen Männer durch junge, farbige Männer ersetzte. Seltsam nur, dass diese eben dieselben Allüren entwickelten wie die weißen Männer: Machogehabe und testosterongesteuerte Reaktionen. Und so bleibt natürlich nur eines: nämlich die alten, weißen Männer durch junge Frauen, möglichst nicht weißer Herkunft, zu ersetzen.
Wenn beispielsweise der gegenwärtige US-Präsident schon ein alter, weißer Mann sein muss, dann zumindest einer, der absolut politisch korrekt schön spricht, auch wenn er Luftangriffe in Syrien kommandiert, und einer, der zumindest eine farbige Frau als Vizepräsidentin aufzuweisen hat. In pectore darf man da hoffen, dass der alte weiße Präsident ehestmöglich das Zeitliche segnet und seine farbige weibliche Vizepräsidentin ihm nachfolgt.
Und überhaupt kann man erwarten, dass dort, wo Frauen ans Ruder kommen, alles besser, friedlicher und effizienter wird. Mutti Merkel und Röschen von der Leyen. Frau Bierlein in Österreich war auch ganz nett, trotz ihrer Neigung zum vormittäglichen Gläschen Prosecco. Und auch die Blondinentruppe von Sebastian Kurz in der Bundesregierung ist keineswegs nur Behübschung, sondern sorgt gewiss für nachhaltige Politik der österreichischen Bundesregierung. Und die Infineon-Vorständin Herlitschka ist gewiss Garantin für so etwas wie eine humane Halbleiter-Produktion.
Am Weltfrauentag – gemäß sowjetkommunistischer Tradition am 8. März jedes Jahres – erfahren wir bedauerlicherweise, dass Frauen noch immer weniger verdienen in diesem Lande. Dass ihnen, trotz großer medizinischer Fortschritte, die Last des Kinderkriegens nach wie vor nicht erspart wird. Gleichzeitig aber wissen wir, dass ohnedies die Universitätsabsolventinnen in größerer Zahl weiblich sind als die männlichen und dass der Vormarsch des weiblichen Elements in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur unaufhaltsam zu sein scheint. Auf diesem Wege werden wir den Planeten und die
Menschheit zweifellos retten.
Wir alten, weißen Männer hingegen sind ohne jeden Zweifel ganz sicher ein Auslaufmodell, zum Aussterben verurteilt, wie der Tyrannosaurus nach dem mutmaßlichen Kometeneinschlag. Und man wird uns keine Träne nachweinen. Und wer wird sich noch daran erinnern, dass wir es waren, die nicht nur Kriege geführt, sondern auch Frieden gemacht haben, dass wir nicht nur polarisiert haben in der Politik, sondern auch Kompromisse schließen konnten, dass wir nicht nur recht haben wollten, sondern auch andere Meinungen zugelassen haben, dass wir nicht nur Atombomben entwickelt haben, sondern auch Impfstoffe? Dass wir diese alten weißen Männer waren, die über Jahrtausende der Menschheitsgeschichte ihre Familien beschützt haben, für sie gearbeitet und gekämpft haben.
Dass wir die Ausbildung unserer Kinder finanziert haben, und sie – so recht und schlecht – auch erzogen haben. Dass wir, diese alten, weißen Männer, es waren, die den Frauen in den Mantel geholfen und die Tür aufgehalten haben. Dass wir ihnen das Feuer für die Zigaretten gegeben, sie mit Geschenken und Schmuck überhäuft haben. Dass wir die Dreckarbeit gemacht haben, die Bäume gefällt, die Äcker gepflügt und die Kohlen geschaufelt haben. Dass wir im Schnitt um zehn Jahre früher starben als unsere Frauen, weil uns der Herzinfarkt oder der Lungenkrebs hinwegraffte. Und dass wir nie resignierten und immer wieder von Neuem aufbauten, wenn alles in Trümmern lag – vielleicht auch oft durch unsere eigene Schuld.
Wahrscheinlich wird es uns alten weißen Männern nicht vergönnt sein, nach unserem Abtreten, aus der Hölle – wohin uns die hohen Priester der politischen Korrektheit zweifellos verbannen oder womöglich aus Walhalla – zuzusehen, wie diese Welt ohne uns besser wäre. Wir werden nicht sehen können, wie man den Hunger in der Dritten Welt mittels Gender-Sprech bekämpft, wie man mittels Zwangs-Matriarchat eine völlig gewaltfreie Gesellschaft herstellt. Wie digitalisierte Samenbanken den einstigen Familienvater überflüssig machen und wie metrosexuelle Mischwesen sich dem schrankenlosen Hedonismus hingeben. Wir alten, weißen Männer müssen all das – Gott lob – nicht mitmachen und nicht erleben.

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