2020 – das verlorene Jahr

Ein Jahr geht zu Ende, das uns allen in denkbar schlechter Erinnerung bleiben wird. Gewiss, es war kein Kriegsjahr, es war auch kein Jahr großer Naturkatastrophen, aber es war ein Jahr einer weltweiten Pandemie namens­ COVID-19.
Nun war und ist diese Krankheit auch nicht die Beulenpest, auch nicht die Cholera und die Pocken. Das Virus, welches diese Krankheit hervorruft, ist aber heimtückisch und für alle jene, die – infiziert – einen schweren Krankheitsverlauf haben mit der Notwendigkeit, auf der Intensivstation künstlich beatmet zu werden, bis hin zum Tod, ist das Ganze alles andere als lustig. Nicht lustig aber ist auch, wie die Staaten und zwar nicht nur in Österreich, sondern insgesamt in Europa und weltweit darauf reagierten. Gerade jetzt zu Ende des Jahres befinden wir uns im dritten Lockdown, unser ganzes Gesellschaftsgefüge ist heruntergefahren, die Geschäfte geschlossen, ebenso die Wirtshäuser und Kaffeehäuser, die persönlichen Kontakte auf ein Minimum reduziert, die Schulen geschlossen.
Und damit sind wir beim wirklich Neuen dieser Pandemie. Niemals noch in der jüngeren Geschichte, auch nicht während der beiden Weltkriege, hat es so lang andauernde Ausgangsverbote gegeben, waren die Schulen so lange geschlossen, wurden die Wirtschaft und die individuelle Mobilität auf ein derartiges Minimum reduziert. Die ökonomischen Schäden des Ganzen sind überhaupt nicht abzusehen, die Firmenzusammenbrüche, die Konkurse kommen erst in ihrer wirklichen Dimension auf uns zu, ebenso die Arbeitslosigkeit. Und welche Folgen die explosive Erweiterung der Staatsschulden für uns alle haben wird, können wir nur erahnen. Massenarbeitslosigkeit, Vermögensverlust, galoppierende Inflation, breitflächige Verarmung, all das ist nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Und unsere Kinder, die Jugend des Landes, die Schüler, sie haben nahezu ein ganzes Jahr an Bildungsvermittlung, an Lernprozessen, an sozialen Kontakten verloren, sie mussten auf ihre Freunde verzichten, auf ihren Sport, weitgehend auf jeden Spaß und wurden in die Isolation des Internet­-Surfens getrieben.
Und die Alten, nicht nur jene, die isoliert und einsam auf der Intensivstation ohne letzten Kontakt mit den Lieben sterben mussten, auch jene, die möglicherweise durchaus gesund in den Alten- und Pflegeheimen leben, ihnen wurde eines jener wenigen Jahre, die ihnen noch bleiben, geraubt. Ohne zwischenmenschliche Kontakte, ohne Trost und ohne Beziehung zu ihren Verwandten und Lieben mussten sie dieses Jahr über sich ergehen lassen. Nun wäre es allzu leichtfertig, der Politik allein dafür die Schuld zuzuschieben. Mit Ausnahme der totalitären Staaten in Ostasien, wie China und Nordkorea, gibt es im globalen Maßstab kaum Beispiele für politisches Reagieren anderer Art auf die Epidemie. Und noch ist kein Ende abzusehen. Massentests und womöglich Zwangsimpfungen werden gegenwärtig als Lösungsansatz gepriesen. Ob wir uns damit wirklich aus dieser gesamtgesellschaftlichen Zwangslage, die mit der Epidemie verbunden ist, herausführen, ist auch ungewiss.
Was ist, wenn das Virus mutiert und die Impfung unwirksam wird, was ist, wenn ein neues Virus auftritt? Fragen über Fragen, die uns alle zum Jahreswechsel bange machen.
Und so bleibt nur die einigermaßen simple, wenn nicht gar törichte Erkenntnis: Das Leben ist lebensgefährlich und dennoch müssen wir es
leben.

1 Responses to 2020 – das verlorene Jahr

  1. […] Editorial: 2020 – das ­verlorene Jahr Seite 6–7 […]

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