Die ­vermaledeite toxische ­Männlichkeit

Über Machos, Verbalerotiker und Weicheier – ein Abgesang auf die Männlichkeit

Noch vor einer Generation hieß es, „ein Indianer kennt keinen Schmerz“, wenn Knaben einander hierzulande bei Raufereien einander irgendwelche Verletzungen zufügten. Noch eine Generation vorher beschwor man Jungen, die „hart wie Kruppstahl, flink wie Windhunde“ und dergleichen mehr sein sollten. Zu Kaisers Zeiten sang man „aufs Pferd Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd, in die Freiheit gezogen, im Felde, da ist der Mann noch was wert, da wird das Herz noch gelobt“. Schon die alten Lateiner wussten „pueri pueri sunt“. („Buben sind Buben“).
Doch die Zeit, in der Buben Buben sein durften und Männer Männer sein sollten, entschlossen, tapfer und hart, diese Zeiten sind längst vorbei. Die gesellschaftliche Entwicklung der letzten fünf Jahrzehnte, wohl in der Nachfolge der 68er-Revolte und des linken Aufbruchs, hat Schritt für Schritt ein völlig anderes Männerbild erzeugt. Und das nicht nur in unseren Breiten, sondern wohl in allen westlichen Industriestaaten, begonnen von den USA über Westeuropa bis hin in den postkommunistischen Osten unseres Kontinents.
Gewissermaßen als Kehrseite des Feminismus wurden die herkömmlichen Bilder von Männlichkeit und Mannesmut schrittweise stigmatisiert, ja sogar kriminalisiert. Betrachten wir uns die Entwicklung anhand der fünf Lebensstadien, welche der Mann üblicherweise zu durchleben beziehungsweise zu durchleiden hatte: am Beispiel des Knaben, des Jünglings, des jungen Vaters, des reifen Mannes und des Greises.
Es begann damit, dass Buben nicht mehr raufen durften. Wilde Spiele oder gar Kriegsspiele wurden verpönt, statt Lagerfeuerromantik gab es die Montessori-Schule und Mamas Liebling durfte das Lockenköpfchen unbeschnitten zur Schau stellen.
Der Jüngling, im rustikalen alpenländischen Bereich eher als Halbstarker anzutreffen, welcher dereinst seine spätpubertäre Unsicherheit mit Großspurerei und Kraftmeierei zu überspielen suchte, der sich vielleicht als James Dean-Verschnitt stilisierte oder wie der junge Hardy Krüger zur Fremdenlegion wollte, war spätestens mit Beginn der 70er Jahre primär von der Sorge erfüllt, wie er seine Wehrdienst-Untauglichkeit nachweisen könnte. Und da, wo früher bei der Landjugend oder bei der örtlichen Feuerwehr Unmengen an Bier vertilgt wurde, entdeckte man plötzlich die Kifferei und der eine oder andere kam mit oder ohne Nachhilfe darauf, dass schwul sein eigentlich recht chic sein kann.
Der junge Mann nunmehr, von dem es einst hieß, er strebe nach Verantwortung, suche seinen Platz im Leben, in der Berufswelt und wolle eine Familie gründen, um Frau und Kind ein Heim zu schaffen, dieser junge Mann pflegt heute sein zweites Postgraduate-Studium in den USA zu machen, ist möglicherweise bereits Investmentbanker oder zumindest einer der neuen Väter, der sein einziges, in vitro gezeugtes Kind im Papa-Monat betreut, frustriert darüber, dass er es nicht zu stillen vermag.
Der reife Mann dann, der früher am Höhepunkt seiner Karriere zu stehen hatte oder zumindest durch langjährige Arbeit bescheidenen Wohlstand für sich und seien Familie erkämpft hatte, dieser reife Mann befindet sich heute nach seiner zweiten Scheidung im Burn-out oder im Sabbatical-Jahr Unkraut jätend in einem israelischen Kibbuz. Bestenfalls zelebriert er seine Midlife-crisis, enttäuscht ob seinen schwachen Handicaps am Golfplatz und der allzu geringen Unterstützung seiner Freunde vom Lions Club bei der Bewerbung um den Posten eines Abteilungsleiters.
Der alte Mann schließlich, der Greis, der einst vom Kreise seiner Kinder und Kindeskinder geliebt und bewundert seine Lebenserfahrung weitergeben durfte, dieser betagte Mann ist heute als typisches Beispiel eines „weißen alten Mannes“ Ziel von Häme und Hass. Er und seinesgleichen seien schuld am Elend der Menschheit, an der Klimakatastrophe und der Miss­achtung der Menschenrechte in den Krisengebieten des Planeten.
Doch Ironie beiseite: Tatsächlich hat sich das Männerbild und das Bild, das sich die Männer von sich selbst machen, seit den 70er Jahren so massiv geändert wie nie zuvor seit der Jungsteinzeit. Vielleicht hat davor ja in vorhistorischen Perioden das Matriarchat geherrscht. Das Patriachat jedenfalls, das mit der Ausnahme von irgendwelchen Naturvölkern weitgehend die Menschheitsgeschichte seit Jahrtausenden bestimmt, wurde in diesen letzten Jahrzehnten gründlich und wohl endgültig abgeräumt. Die Rolle des Mannes als Familienvorstand, als Beschützer und Ernährer seiner Familie, gilt heute als atavistisches, zu überwindendes Relikt aus dunklen Zeiten.
Die Attitüde des Frauenhelden, des Casanovas, dem die Damenwelt schmachtend zu Füßen liegt, oder auch des Dr. Faustus, der das verführte Gretchen schmählich im Stiche lässt, diese Rolle ist der Lächerlichkeit preisgegeben. Der Macho gilt in der westlichen Welt als einigermaßen primitive Jammergestalt. Restbestände des früheren Machismo gibt es vielleicht noch für den „Latin Lover“ und für die als primitiv geltende Maskulinität, wie sie vielleicht noch in der islamischen Welt die Regel ist.
Die politisch korrekte Beziehung des modernen Mannes der emanzipierten Frauen gegenüber setzt für den sexuellen Bereich gewissermaßen schon einen vorhergehenden Notariatsakt voraus. Einst als rustikales Brauchtum geltende Verhaltensweisen wie Po-Tätscheln sind heute in eben jenem Maße geächtet wie Sexualmorde. Anzügliche Witze, ja sogar das, was man einst als Kompliment gegenüber Frauen verstanden hat, wird heute als massive sexuelle Belästigung, wenn nicht gar als Schändung gebrandmarkt. Testosterongesteuerte junge Männer und deren Verhaltensweisen bis hin zum sogenannten „Antanzen“ werden jedoch im Falle von minderjährigen Schutzsuchenden speziell aus dem islamischen Kulturkreisen als sozialadäquat betrachtet.
Nur noch im Kreise schlichter Gemüter können sich Restbestände von Machos in Form von Verbalerotik ausleben, wobei das Internet eine Überfülle von sexualisierten Inhalten bietet, die in einer zunehmend asexuellen Männerwelt vereinsamenden Ausgleich bietet.
Das Idealbild des neuen Mannes ist damit jenes des klassischen „softies“ geworden, der metrosexuell oder „divers“ sein Inneres möglichst augenfällig nach außen zu kehren hat, dieser neue Mann verabscheut natürlich jegliche Gewalt, ist aber andererseits natürlich sportlich gestählt.
Sein heißes Begehren gilt dem Klimaschutz, sein Engagement der „Black Lives Matter“-Bewegung und sein Weltbild ist natürlich „woke“. Er schwankt zwischen dem Erwerb eines Elektroautos und dem Modell von Car-Sharing, und wenn ihn primitive Zeitgenossen Sitzpinkler, Warmduscher oder dergleichen nennen, fühlt er sich in seinem Engagement gegen Rechts nur bestätigt.
Dieser neue Mann wird sich naturgemäß gegen Anmache seiner Frau oder Freundin etwa durch antanzende muslimische Jugendliche natürlich nicht zur Wehr setzten, da dies ja rassistisch wäre. Und seine einstige Teilnahme an Randale-Aktionen des Schwarzen Blocks hat er längst als Jugendtorheit verdrängt, ist er doch seit Jahr und Tag Gemeinderat der Grünen.
Und sollte sich da oder dort versteckt noch der eine oder andere Vertreter der alten Männlichkeit finden, einer, dessen Lebensziel es ist, seine Familie bestmöglich zu versorgen, der der Wehrpflicht genügt hat und dem das Leistungsprinzip im beruflichen Leben und in der Zivilgesellschaft am Herzen liegt, einer, der seine Söhne noch Buben sein lässt, der seine Vorväter nicht vergessen hat, dem sein Vaterland am Herzen liegt, der seine Heimat liebt und der Mut, Treue und Wahrhaftigkeit für selbstverständlich hält, einem solchen Exemplar antiquierter Männlichkeit sei ins Stammbuch geschrieben: Deine Zeit ist vorbei – oder?

1 Responses to Die ­vermaledeite toxische ­Männlichkeit

  1. Hans Horak sagt:

    Ich bin Jahrgang 1952 und solchermaßen bin ich zwischen den Zeiten „verortet“ (wie es neusprachlich so ´schön´ heißt). Meine Kindheit/ frühe Jugend war geprägt von der damals üblichen Lektüre des Karl May. Christine Nöstlinger und Konsorten waren zu dieser Zeit selbst erst „Twens“ und noch nicht im schreibfähigen Alter). Ich war ungeheur privilegiert, denn ich durfte eine katholische Privatschule besuchen, in der es zwar keine Fälle sexuellen Mißbrauchs gab, wohl aber wurden wir gedroschen wie die sprichwörtlichen Tanzbären. So ein Knödelreiter aus christlicher Nächstenliebe konnte schon manch technisches KO) mit Bodenkontakt nach sich ziehen. Fußball gespielt wurde auf einer betonierten Fläche, sodass ein Foul auch wirklich als solches „empfunden“ wurde. Weinen durfte man nicht, denn so ein Anfall unakzeptabler Schwäche wurde mit dem Lehrsatz: “ Ein Mann weint nicht!“ und einer erzieherisch wertvollen Faustwatschen quittiert. Dann aber kam das Jahr 1968 und in dessen Gefolge die Herrschaft des „Zeitgeistes“. Verletzlichkeit ist unsere größte Stärke, weiß Psychologe Oskar Holzberg: Denn nur, wer sich anderen gegenüber schwach zeigen kann, ist fähig, ein erfülltes Leben zu führen. Mit solchen Klugheiten gingen all die erzieherischen Bemühungen den Bach runter!

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