Ein Kanzler und sein Todfeind

Als Sebastian Kurz, von den Göttern und vom Schicksal vermeintlich glücksverwöhnter Jungpolitiker, im Frühjahr des Jahres 2019 den Weiterbestand der türkisblauen Bundesregierung von der Abberufung des damaligen Innenministers, des FPÖ-Strategen Herbert Kickl, abhängig machte, ahnte er nicht, dass er sich damit einen Feind, ja einen Todfeind schuf, der für ihn und seine Karriere zum schwerwiegendsten Problem werden sollte. Wenn die Coronamaßnahmen-Kritiker in den vergangenen Monaten bei ihren Demos „Kurz muss weg“ skandierten, so mochte das politisches Wunschdenken gewesen sein. Als Herbert Kickl bei einer dieser Demos als Redner in den Ruf „Kurz muss weg“ einstimmte, war dies mehr. Es war und ist politisches Programm.
Nun mag es zwar sein, dass in diesen Tagen der Vorstoß des freiheitlichen Klubobmanns zur Bildung einer Allparteienregierung gegen die Kurz-ÖVP von den angesprochenen Partnern zurückgewiesen wird. Die Versuchung aber, den übermächtigen türkisen Strahlemann gemeinsam von der politischen Bühne zu fegen, den Keim dieser Versuchung, den hat Herbert Kickl, der Mephisto der österreichischen Innenpolitik, zweifellos ausgepflanzt. Und wenn der linkslinke Wohlfahrtsausschuss, der hierzulande unter dem Namen WKStA agiert, mit seiner juristischen Wühlarbeit erfolgreich ist und es tatsächlich zu einer Anklage gegen den Kanzler käme, dann dürften diese Keime aufgehen und für die türkise ÖVP-Spitze höchst unangenehme Früchte tragen.Nun mag es zwar sein, dass der Vorwurf der falschen Zeugenaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu wenig sein könnte, um eine solche Anklage gegen den Kanzler zu zeitigen. Die politische Konstellation aber – hier der türkise Kanzler, dort der blaue Oppositionsführer – ist bereits heute Realität. Zwar gibt es da die SPÖ-Chefin und die NEOS-Tante, der eigentliche Stoßtruppführer aber gegen die Bundesregierung ist zweifellos der freiheitliche Klubobmann Kickl. Und dieser hat an mehreren Fronten zu kämpfen, nicht zuletzt auch an einer innerparteilichen, da der gewählte FPÖ-Chef Norbert Hofer Kickls konfrontative Politik wenig goutiert und der starke blaue Landesfürst Haimbuchner, dem alle Meinungsumfragen ein veritables Erfolgserlebnis für seine Landtagswahlen prophezeien, ebenso wenig. Haimbuchner will beweisen, dass blaue, konstruktive Regierungspolitik möglich ist, und Hofer will die Gräben gegenüber der ÖVP für eine künftige Zusammenarbeit nicht zu breit werden lassen. Beides sind nicht nur legitime, sondern politisch auch sinnvolle Unterfangen.
Dennoch bleibt es Tatsache, dass der Todfeind des Sebastian Kurz, Herbert Kickl, der einzige gefährliche Herausforderer des juvenilen türkisen Bundeskanzlers ist. Seine rhetorische Brutalität, die er im Parlament brillant einzusetzen vermag, und die analytische Präzision, mit der er den Finger in die Wunden der Regierungspolitik zu legen vermag, garantieren dies. Wenn Kickl – nach Ansicht mancher seiner Kritiker auch in überzogener Art und Weise – die Freiheitsbeschränkungen der Regierungsmaßnahmen in der Corona-Krise an den Pranger stellt, wenn er nunmehr wieder verstärkt die Gefahren der illegalen Zuwanderung nach Europa und nach Österreich in den Fokus seiner Politik rücken wird, trifft er damit zentrale Probleme der Republik. Er bedient damit aber auch die ideologischen Grundanliegen des freiheitlichen Lagers: den Kampf für die Freiheit der Bürger und das Eintreten für unsere nationalkulturelle Identität gegen Massenzuwanderung und Überfremdung.Und im Zuge dieses Kampfauftrags sieht Kickl die Langzeit-Regierungspartei ÖVP offenbar wie den mythischen Drachen Fafner, der über den Nibelungenschatz wacht, so wie die ÖVP über der Republik. Und diesem Drachen den Kopf – im übertragenen Sinne versteht sich – abzuschlagen, nämlich dem Kanzler den politischen Todesstoß zu versetzen, das ist Kickls zentrale Motivation. Diesen Eindruck erhält der kritische Beobachter der politischen Landschaft des Landes jedenfalls in diesen Tagen.

2 Responses to Ein Kanzler und sein Todfeind

  1. Waltraut Kupf sagt:

    Allgemein wird so getan, als hätte sich Kurz die Todfeindschaft einer beleidigten Leberwurst oder eines Giftzwerges zugezogen, der ihn nun aus persönlicher Rachsucht in die Bredouille gebracht hätte.Es wird hier die Eitelkeit und Eigennützigkeit, die den meisten Politikern innewohnt, auf Kickl projiziert, der allerdings nach der Überzeugung vieler diesbezüglich die große Ausnahme ist. Es geht ihm um die Sache, und zwar um die, daß ein wortbrüchiges Jüngelchen, das aus vielerlei Gründen im Visier der Justiz steht, nicht fortfahren sollte, ein ehemals florierendes Land zugrundezurichten. Daß man mit einem Partner, dessen Klüngel seit Jahren das praktiziert, wovon sein späterer Vize lediglich geträumt hatte und zum Drüberstreuen einen völlig untadeligen Minister abservierte, nur weil dieser weitere Unregelmäßigkeiten aufzudecken im Begriff war, nicht koalieren und nach dessen Pfeife tanzen will, liegt auf der Hand. Zu Kurz fällt mir nur ein „es san scho Hausherrn g’sturbn“. Vorausgesetzt, die Justiz ist wirklich noch unabhängig, was wir hoffen wollen.

    • Kasermandl sagt:

      Zitiere: Vorausgesetzt, die Justiz ist wirklich noch unabhängig, was wir hoffen wollen. Ganz so einfach ist die Sache wohl nicht! Unabhängig- in des Wortes ursprünglicher Bedeutung- sollten (Konjunktiv!) die Gerichte in ihrer Rechtssprechung agieren, demnach sind die Richter nicht weisungsgebunden! Schon bei den Staatsanwälten trifft dies nicht zu, diese sind sehr wohl weisungsgebunden. So gesehen ist es auch eine untalentierte Selbstinszenierung, wenn sich die Justizministerin für eine Rechtssprechung „entschuldigt“, welche den zu dieser Zeit geltenden Gesetzen entsprochen hat!

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