Der Wahlkampf zum Nationalrat läuft nunmehr langsam an. Ein wenig träge noch, da noch Schulferien sind und das Sommerloch noch dominiert. Die ersten Wahlkampfauftritte im Fernsehen sind zu sehen. Die Oppositionspolitiker von den Kleinparteien mehr oder weniger angriffig, mehr oder weniger interessant, der Chef der großen freiheitlichen Oppositionspartei eher staatsmännisch und für seine Verhältnisse überau seriös und zurückhaltend. Die Regierungsvertreter natürlich auf ihre Verdienste pochend. Der Herr Kur mit seiner scheinbar grunderneuerten ÖVP, mühsam die Triumphgefühle wegen der exorbitant hohen Umfragewerte verbergend und der Kanzler müde und ausgelaugt wirkend, ohne jeden Kanzlerbonus.
Interessant ist, dass der in Wahlkämpfen sattsam bekannte Wettlauf in Sachen Populismus nunmehr offenbar einen schwarzen Führungsoffizier hat und einen roten Adjutanten, während der blaue Oppositionschef auf Berechenbarkeit, Seriosität und Sachlichkeit setzt. Allein die Präsentation der ÖVP-Bundesliste mit jenem Rudel an Quereinsteigern zeigt, dass hier nur populäre, sprich populistische Signale gesetzt werden sollen. Und die rote Reichshälfte scheint ausschließlich auf Klassenkampf und auf die Neidgesellschaft zu setzen.
„Nimm, was dir zusteht. Hole dir, was du glaubst verlangen zu dürfen. Nimm von den Reichen und gib den vermeintlich Armen.“ So die ziemlich einfallslose rote Wahlpropaganda.
Bei den Freiheitlichen hingegen ist es schon überraschend, dass hier keinerlei marktschreierische Töne zu vernehmen sind und dass auf allzu simplen Populismus in der Tat verzichtet wird. Das in der Vorwoche präsentierte Wirtschaftsprogramm ist nach Ansicht vieler Fachleute ein hervorragendes. Und selbst die FPÖ-kritischen Medien verzichten weitgehend darauf, es in der Luft zu zerfetzen.
Das Motto „Fairness für Österreich“, mit dem die Freiheitlichen in die Wahl ziehen, ist auch ein bemerkenswert maßvolles. Darüber hinausführend heißt es zwar „Österreich zuerst“, aber auch dieses Motto wird keineswegs aggressiv und angriffslustig gegenüber den politischen Gegnern vorgetragen.
So scheint es also die blaue Wahlkampfstrategie zu sein, sich als regierungsfähiger und regierungswilliger politischer Partner für eine Regierungstätigkeit zu präsentieren.
Die natürlich trotzdem kommenden Angriffe vom politischen Gegner, etwa den Versuch, eine Antisemitismusdebatte zu starten, oder die untergriffige Broschüre des sogenannten Mauthausenkomitees, versucht man nach Möglichkeit zu ignorieren. Nach zwölf Jahren Parteiobmannschaft gibt Heinz-Christian Strache ganz den staatstragenden Oppositionsführer, der nunmehr den logischen Sprung in die Regierungsverantwortung plant.
Ob es allerdings so kommen wird, ist eine ganz andere Frage, denn der bequemste Weg für die bisher regierenden Parteien ist es nach wie vor, diese Partnerschaft des Stillstands und der gegenseitigen Blockade fortzusetzen. Diesmal, wenn die Umfragen recht haben, aber unter umgekehrten Vorzeichen und der Herr Kurz wird sich mit dem Herrn Doskozil von der SPÖ zweifellos einen willfährigen Partner einhandeln. Dass man einander davor in Regierungsverhandlungen mit der blauen Karte möglichst erpressen will und die eigene Position möglichst verstärken will, ist klar.
Eine schwarz–blaue oder rot–blaue Koalition ist dennoch unwahrscheinlich, da der bequemere Weg in das rot–schwarze bzw. schwarz–rote Faulbett allemal vorgezogen werden dürfte. Dass das dem Land nicht gut tut und dass das weiter den Weg der Reformverweigerung bedeutet, steht auf einem völlig anderen Blatt.
Dass das von der FPÖ präsentierte Wirtschaftsprogramm weder von Fachleuten noch von Medien kritisiert wurde, liegt daran, dass es sich weitgehend am Gängelband des Neoliberalismus‘ orientiert. Während die ÖVP das von der FPÖ völlig richtige gesellschaftspolitische Programm kopiert, schreibt die FPÖ von der ÖVP geradezu das Wirtschaftsprogramm ab. Meines Erachtens wäre es sinnvoller gewesen wie einst und nach Vorbild des FN in Frankreich stärker den „kleinen Mann“ der eigenen Leute, der von der Zuwanderung wesentlich stärker betroffen ist als Besserverdienende, in den Vordergrund zu rücken. Da der Wähler nun mit ÖVP, NEOS, FPÖ und Grüne vier neoliberale Parteien zu Auswahl hat könnte diesmal der Einbruch in die arbeitende Bevölkerung der tatsächlich SPÖ wieder ein wenig besser glücken. Abgesehen davon wäre eine Partei mit gesellschaftspolitisch rechter- und wirtschaftspolitisch linker Ausrichtung als NEOS-Gegenpol eine interessante Konfiguration.
Eines sollte klar sein. Rot ist unwählbar, für Türkis sollte man sich aber schon gar nicht entscheiden. Daß die von Blau zwecks Stimmenmaximierung geliehene Migrationspolitik reinste Camouflage und fauler Zauber ist, kann man anhand des von Strache öffentlich gemachten Strategiepapiers unschwer erkennen, was übrigens auch ohne Kenntnis dieses Dokuments schon offensichtlich war. Nach der Wahl wird die alte ÖVP hervorkommen, zu Unrecht gestärkt. Es ist mir unklar, wie so viele Leute auf Kurz hereinfallen können, der die kühle türkisfarbene Ausstrahlung eines gechlorten Schwimmbades hat.
Mit Blau hat es eine andere Bewandtnis. Sie bezeichnet sich als soziale Heimatpartei. In diesem Zusammenhang kristallisiert sich aber zunehmend ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem heraus. Hier war für mich eine am 30.8. stattgehabte Veranstaltung im Hotel Intercontinental (auf die ich nur durch Zufall aufmerksam wurde) sehr erhellend. Der Hausherr, der Investor DDr. Tojner, hielt gleich eingangs eine Lobeshymne auf das liberale Wirtschaftsprogramm der FPÖ, das ebensogut von der FDP stammen könne und streute Strache Rosen in fast jeder Hinsicht. „Ein bißchen böse“ sei er ihm aber, weil die Freiheitlichen des 3. Bezirks geschlossen gegen Tojners Bauprojekt am Heumarkt gestimmt hatten. Er brachte dann noch seinen Draht zu Dichand ins Spiel. Zum Thema Heumarkt und dem voraussichtlichen Verlust des Welterbeprädikats (der wohlbegründet ist, was aber an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden kann) hat man seitens der FPÖ in der letzten Zeit kaum etwas vernommen und läßt die wackeren Bezirkspolitiker wie auch einige Gemeinderäte und die Stadträtin Stenzel mit Beginn des Wahlkampfes anscheinend im Regen stehen. Selbst in Unzensuriert wurde offenbar ein diesbezüglicher Maulkorberlaß verhängt, jedenfalls wurden ein paar markante Punkte wie etwa die skandalösen Umstände um die Abstimmung im Gemeinderat (hier ist einiges bereits bei der Staatsanwaltschaft anhängig) weitgehend ausgespart. Wenn eine Heimatpartei toleriert, daß die Initialzündung zur weiteren Verhunzung der Heimatstadt klaglos vor sich gehen kann, so drängen sich einige Vermutungen auf. Aber: Honni soit qui mal y pense. Das Vertrackte ist, daß man Strache dennoch wählen muß, da der Beelzebub, mit dem der Teufel ausgetrieben wird, allemal noch das kleinere Übel ist. Leider.