Der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Waldhäusl gilt nicht gerade als Intellektueller. Er pflegt aber offenbar als einigermaßen schlichtes Gemüt aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen und das zu sagen, was er sich denkt. Eine durchaus löbliche und für einen Politiker keineswegs selbstverständliche Eigenschaft.
Dieser Tage sollte ihm das aber zum Verhängnis werden. Als er in einer Fernsehdebatte auf die ganz offenbar inszenierte Anfrage eine Schülerin mit Migrationshintergrund meinte, Wien wäre noch Wien, wenn ihresgleichen, beziehungsweise ihre Eltern aufgrund schärferer Zuwanderungsgesetze nicht ins Land gekommen wären, brach der Shitstorm los. „Rassist“, „aufrechter Nazi“, „und jenseitige Dumpfbacke“, das waren noch die harmlosesten Attribute, die er sich gefallen lassen musste.
Und gleichzeitig waren nach der niederösterreichischen Landtagswahl die Gazetten des Landes voll von Berichten und Analysen über den offenbar unaufhaltsamen Aufstieg der Kickl-FPÖ. Wobei der Fokus natürlich darauf lag, wie man die FPÖ stoppen könnte. Und natürlich zeichnen sich die ersten Berichte über mutmaßliche Skandale in den blauen Reihen ab. Da wären angeblich russische Rubel geflossen, um die Freiheitlichen im Parlament zu Kreml-freundlicher Agitation zu bewegen und überhaupt wären Kickl und seine FPÖ so etwas wie die dritte Kolonne Russlands. Das Muster, das hinter dieser nun offenbar anhebenden Kampagne steht, ist wohlbekannt: Immer, wenn die Freiheitlichen zu stark werden, wenn sie durch Fundamentalopposition bedrohlich an Wählersympathie gewinnen und speziell dann, wenn sie vor dem Sprung in Regierungsverantwortung stehen, ertönt der Chor der politisch korrekten Jagdgesellschaft. Und es sind die üblichen Verdächtigen: Die linken und linksliberalen Medien „Standard“, „Falter“, „Profil“, die Wortspende der linken Parteien, allerdings auch die Vertreter der Regierungsparteien, die vollmundig und entschieden vor den Gefahren einer allzu starken FPÖ warnen.
Man darf gespannt sein, welche Skandale, „Einzelfälle“ nannte man dies während der letzten Regierungsbeteiligung der FPÖ, in den nächsten Monaten aus den medialen Wundertüten gezaubert werden. Die Konzepte für solche Anti-FPÖ-Kampagnen sind gewiss von den Spin-Doktoren der politischen Mitbewerber und in den Redaktionsstuben längst erarbeitet worden. Die zentralen Themen dieser zu erwartenden Kampagnen stehen auch schon fest: zu große Russland-Nähe, Geld von Putin, Rechtsradikalismus, Rassismus und gewisse Kontakte zu irgendwelchen Neonazis. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass den Gegnern der FPÖ nie etwas Neues einfällt. Nach demselben Muster hat man vor 25 Jahren schon gegen Jörg Haider kampagnisiert. Danach gegen Strache und nunmehr gegen Kickl. Erfolgreich waren all diese Kampagnen wie wir wissen nicht. Die Menschen im Lande, die freiheitlichen Wähler, gingen den Gegnern der FPÖ kaum auf den Leim. Ihr Ziel konnten sie nur erreichen, wenn die Freiheitlichen selbst zu schwach waren, dem zu widerstehen. Wenn sie sich eigene Leute herausschießen ließen und in die Falle der political correctness gingen. Gerade diesbezüglich allerdings dürfte der gegenwärtige FPÖ-Chef wesentlich hartleibiger sein als seine Vorgänger Strache und Haider.
Die Anti-FPÖ-Kampagne bricht los
10. Februar 2023Von Parteien, Korruption und Hypermoral
12. Mai 2022Die Demokratie, wie sie sich in der westlichen Welt entwickelt hat, ist im Wesentlichen als Parteienstaat organisiert. Politische Parteien stellen sozusagen die Gesamtheit an sozialen Schichten und ideologischen Einstellungen des jeweiligen Gemeinwesens dar. Das Wort „Partei“ kommt ja vom lateinischen Begriff „pars“ und bedeutet Teil.
Wenn es in Österreichs Parteienlandschaft ursprünglich drei große Lager gegeben hat – das christlich-konservative, das sozialdemokratisch-austromarxistische und das national-liberale –, so haben die entsprechenden Parteien damit mehr oder weniger die Gesamtheit des ideologischen und soziologischen Spektrums des Landes abgebildet. Dieses Spektrum hat sich natürlich im Laufe der historischen Entwicklung der letzten 100 Jahre in hohem Maße verändert. Dennoch haben die derzeit existenten politischen Parteien im Lande unausgesprochen jeweils den Auftrag, einen Teil der Gesellschaft zu vertreten. Und in den jeweiligen Wahlgängen wird immer aufs Neue überprüft, ob den Parteien dieser Vertretungsanspruch zuerkannt wird.
Konkret heißt dies für die österreichische Parteienlandschaft, dass sich immer aufs Neue die Frage stellt, ob beispielsweise die Volkspartei für konservative Werte eintritt, die Interessen ihrer Klientel und eben auch der Wirtschaft tatsächlich vertritt. Und ebenso stellt sich die Frage, ob die Sozialdemokratie tatsächlich effizient für die Rechte der Arbeiterschaft beziehungsweise der Arbeitnehmer eintritt. Und natürlich gilt es dann auch zu überprüfen, ob die Freiheitlichen noch immer nationale und liberale Belange, also die Interessen ihrer Wählerschaft vertreten. Dabei ist klar, dass sich der Charakter dieser Belange in unseren Zeiten anders darstellt als in der Ersten Republik oder in den Nachkriegsjahrzehnten.
So haben die Christlich-Konservativen ursprünglich unter ihrem Gründer Lueger vorwiegend die Interessen des kleinen Gewerbes vertreten, in der Folge auch jene des Großbürgertums und der Industrie. Heute sieht sich die Volkspartei über ihre Bünde als Vertreterin aller Schichten der Bevölkerung. Diesbezüglich vermag sie kaum mehr wirklich Glaubwürdigkeit zu erlangen. Auch die Sozialdemokratie dürfte im Hinblick auf ihre ursprüngliche Klientel ausgedient haben. Die Arbeiterklasse als solches gibt es nur mehr in Restbeständen. Die Sozialdemokratie ist heute eine Vertretung des Kleinbürgertums, aber auch der linken Pseudointellektuellen geworden.
Und was die Freiheitlichen betrifft, so ist nationale Politik heute natürlich nicht mehr das Streben nach einem politischen Anschluss an Deutschland, sondern schlicht und einfach das Eintreten für die Erhaltung und Weiterentwicklung der eigenen Kultur und der eigenen Muttersprache. Und während liberale Politik ursprünglich der Kampf um Verfassung und Rechtsstaat war, ist es heute zweifellos das Eintreten gegen die Aushöhlung der bürgerlichen Grundrechte, so wie wir es etwa im Zuge der Corona-Pandemie erlebt haben.
Sind die politischen Parteien nicht mehr in der Lage, dieser Überprüfung der Erfüllung ihrer Aufgaben standzuhalten, laufen sie Gefahr zu Allerweltsparteien zu werden. Sie stellen nicht mehr einen Teil der Gesellschaft dar, sie haben den Anspruch für alles und nichts einzutreten. Damit verlieren sie zwangsläufig auch das Vertrauen ihres Wählerpotenzials und werden über kurz oder lang in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken. Obwohl nun also die politischen Parteien theoretisch die Ideologie ihrer Wählerschaft vertreten, sind sie in ihrem inneren Wesen keineswegs idealistische Vereinigungen.
Gemäß dem „ehernen Gesetz der Oligarchie“, wie wir es seit Robert Michels kennen, herrscht in den politischen Parteien vielmehr ein ständiges Ringen um die Macht und um Positionen, also um Mandate. Und dies bedingt ein hohes Maß an Opportunismus und die Bereitschaft zu gnadenlosen Intrigen. Politische Parteien, beziehungsweise das Getriebe in ihnen, bringt also keineswegs das Gute, Edle und Schöne im Menschen hervor, es fördert vielmehr in zahlreichen Fällen das Mittelmaß oder sogar die Niedertracht.
Das sattsam bekannte Sprichwort „Feind, Todfeind, Parteifreund“ ist durchaus zutreffend. Dies lässt sich in allen Parteien des Landes, in der Sozialdemokratie ebenso wie in der Volkspartei und den Freiheitlichen, verifizieren. Das Ringen um Einfluss, um Funktionen und Mandate in den Parteien und damit aber auch im Staatsapparat und somit gleichzeitig der Kampf um die Futtertröge wird nicht nur hierzulande eben vorwiegend über die politischen Parteien ausgetragen.
Und überdies neigen die politischen Parteien, und zwar ausnahmslos, alle, wenn sie allzu lange an der Macht sind, zur Korruption. Wie heißt es im Sprichwort so zutreffend: Macht korrumpiert und totale Macht korrumpiert total! Jetzt gibt es in den westlichen Demokratien zwar genügend Kontrollmechanismen, welche den allzu starken Machtmissbrauch verhindern sollen. Dennoch ist es ein Leichtes für politische Parteien, die allzu lange an den Schalthebeln der Macht sitzen, diese Kontrollmechanismen zu unterlaufen. Ein Beispiel dafür ist sicherlich die Österreichische Volkspartei, die mehr als drei Jahrzehnte ununterbrochen in der Bundesregierung war und solcher Art eine Fülle von korruptionsverdächtigen Vorgängen zu verbuchen hat.
Allerdings ist Korruption in Österreich nicht nur eine Spezialität der Volkspartei, nein auch die Sozialdemokratie hat eine Fülle von Korruptionsfällen im Zuge der Geschichte der Zweiten Republik zu verbuchen. Dies liegt nicht zuletzt am System des Proporzes. Dieser hat dazu geführt, dass die zumeist in der Zweiten Republik regierenden politischen Parteien, also Volkspartei und Sozialdemokratie, im staatlichen und vorstaatlichen Bereich in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in der Kultur und sogar im Bereich des Sports alle Führungspositionen mit Parteigängern zu besetzen vermochten.
Gerechterweise muss man sagen, dass auch die zumeist in der Opposition befindlichen Freiheitlichen dann, wenn sie in Regierungsfunktionen waren, vor der Versuchung der Korruption nicht gefeit waren, wie die Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der „Buberl-Partie“ des Jörg Haider, etwa gegen den vormaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser oder Walter Maischberger beweisen.
Im Zuge der zweifellos notwendigen Korruptionsbekämpfung hat sich auch in den letzten Jahrzehnten so etwas wie eine Hypermoral entwickelt, welche einerseits Verhaltensweisen, die im geringsten Maße an Korruption denken lassen, kriminalisiert, andererseits aber Betrugs- und Bestechungsvorgänge größeren Ausmaßes kaum tangiert. So wird die Einladung zu einem Mittagessen bereits als „Anfüttern“, also als Bestechungsversuch gewertet, während etwa Preisabsprachen großen Ausmaßes oder verdeckte Kartellbildung, beispielsweise im Baugewerbe, kaum damit bekämpft werden können. Wenn die politischen Parteien in früheren Zeiten ihrer Klientel Arbeitsstellen und Wohnungen zu besorgen pflegten, gilt dies heute bereits als absolute Korruption.
Zusammenfassend darf also gesagt werden, dass die politischen Parteien ganz einfach zur Demokratie gehören und zweifellos unersetzbar sind. Die Frage, was man an ihre Stelle setzen könnte, welche Alternativen es also geben könnte, ist schlicht und einfach kaum zu beantworten. Ebenso muss aber gesagt werden, dass dem Parteienstaat ein hohes Maß an Korruptionsanfälligkeit innewohnt. Um diese zu bekämpfen ist es zweifellos notwendig, Transparenz durchzusetzen und die Kontrollmechanismen zu optimieren. Und dabei gilt es wiederum, die Entwicklung jener Hypermoral, dieser gewissen Scheinmoral, zu verhindern, die in beispielloser Heuchelei vorgibt, Korruption zu bekämpfen, die letztlich aber nur dazu dient, sie zu verschleiern.
Tatsache ist eben, dass der Mensch ein mit Fehlern und Schwächen behaftetes Wesen ist, das allzu leicht in Versuchung geführt werden. Und jegliches Menschenwerk ist selbst mit Schwächen und Fehlern behaftet. Dem Rechnung zu tragen obliegt sowohl dem Strafrecht als auch unserem Verfassungsgefüge.