Drehbuch Wolfgang Schüssel 2002

5. Juni 2019

Neuwahlen stehen vor der Tür, nachdem die schwarz–blaue Koalition zerbrochen ist. 2002 war es Knittelfeld, dieses Mal ist es Ibiza. Der feine Unterschied ist allerdings, dass auch der schwarze Bundeskanzler mittels Misstrauensantrag in die Wüste geschickt wurde. Dennoch dürfte das politische Drehbuch für Sebastian Kurz „Wolfgang Schüssel 2002“ heißen. Erinnern wir uns: Damals traten die freiheitlichen Minister zurück und die FPÖ stürzte ins Chaos.
Politische Beobachter sprachen allgemein von einer blauen Implosion. Die Partei war zerrissen und zerstritten. Klubobmann Westenthaler sagte Adieu, um gleich darauf bei Stronach – oder war’s die Bundesliga? – anzuheuern. Susanne Riess-Passer, die freiheitliche Vizekanzlerin, sollte bald darauf bei Wüstenrot anfangen, ihr damaliger Gatte erhielt einen lukrativen Konsulentenvertrag bei Frank Stronach und der Kurzzeit-Parteichef und Spitzenkandidat Mathias Reichhold wurde gar Weltraumbeauftragter bei Stronach. Und der bisherige Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die Nachwuchshoffnung der Freiheitlichen, wechselte flugs ins schwarze Lager, um in der nächsten Periode noch einmal Finanzminister von Schüssels Gnaden zu werden. Die FPÖ war fertig und wurde vom wackeren Herbert Haupt am Wahltag gerade noch mit zehn Prozent der Wählerstimmen abgefangen. Wolfgang Schüssels Volkspartei hingegen erlangte 42 Prozent.
Das wäre es, was in den schwülen Träumen des Sebastian Kurz auch im Jahr 2019 Realität werden sollte. Dazu müsste man allerdings den Vernichtungsfeldzug gegen die Freiheitlichen weiterführen, so nach dem Muster des Jahres 2002. Und erste Ansätze, Zwietracht in die blauen Reihen hineinzutragen und Streit und Spaltung herbeizuführen, gibt es ja. Da werden Gerüchte gestreut, dass es eine Parteispaltung geben werde, wenn H.-C. Strache das EU-Mandat annehme und er von der Wiener Landesgruppe unterstützt würde. Daher wird kolportiert, die oberösterreichische FPÖ würde ein Ausschlussverfahren gegen Strache anstrengen. Da wird in die neue freiheitliche Parteispitze ein Zwist hineingeheimnist, der zwischen Herbert Kickl und Norbert Hofer existieren sollte. Und natürlich versucht man auch, Leute herüberzuziehen. Man sollte nicht vergessen, dass die parteifreie, aber auf FPÖ-Ticket gewesene Außenministerin Karin Kneissl den gemeinsamen Rücktritt nicht mitgemacht hatte.
Und so wird man sicher von Seiten der schwarzen Spindoktoren das Schüssel-Drehbuch von 2002 auf die heutigen Gegebenheiten umzusetzen versuchen. Allein, die politische Realität sieht anders aus. Da ist einmal die freiheitliche Stammwählerschaft, die sich offenbar vom zum Megaskandal hochstilisierten Ibiza-Video nicht so sonderlich beeindrucken lässt. Sie hat bei der EUWahl weitgehend die Treue gehalten. Und dann ist da eine Bundespartei, unterstützt von neun Landesgruppen, die weitgehend geschlossen und in kameradschaftlicher Verbundenheit politisch agiert. So wie ein Parlamentsklub von gut 50 hochqualifizierten Abgeordneten, die die politische Linie der Partei auch ohne den langjährigen Bundesobmann weitertragen. Kein Wunder also, dass die Umfragen auch nach Ibiza für die FPÖ 20 Prozent plus vermelden.
Da wird es also für die politischen Gegner der FPÖ nicht ganz so leicht sein, den Vernichtungsfeldzug zu einem fröhlich-brutalen Ende zu führen. Auch wenn natürlich die großen Medienorgeln des Landes – angefangen vom ORF – Begeisterung, und mit Leidenschaft unermüdlich ins FPÖ-Bashing einstimmen. Und am brutalsten ist die größte Tageszeitung des Landes, über deren Verkauf auf Ibiza ja geplaudert wurde und die ja zum Teil tatsächlich von einem Kurz-Intimus gekauft wurde. Sie schreibt nunmehr täglich gegen die Blauen an und hofft, solcherart den politischen Exitus herbeiführen zu können. Claus Pándi und Konsorten vergessen dabei allerdings, dass sie dabei auch gegen einen guten Teil der eigenen Leserschaft anschreiben. Eine gute Million des freiheitlichen Elektorats dürfte nämlich auch traditionell „Krone“-Leser sein und sieht sich nunmehr mit einer täglichen Beschimpfungsorgie konfrontiert. Dass diese Partei – und damit auch ihre Wähler – moralisch und ethnisch letztklassig seien, dass sie eine Gefährdung für die Demokratie darstellten, regierungsunfähig wären und überhaupt niemals mehr in politische Verantwortung dürften. Ob diese runde Million an „Krone“-Lesern auch tatsächlich nur auf die Parteiführung gemünzt versteht – oder sich nicht doch selbst dadurch attakkiert fühlt? Die Auflage des größten Kleinformats des Landes könnte es vielleicht demnächst spüren.
Dennoch ist die Republik nach der nahezu zur Staatskrise hochgeputschten Affäre wieder in ruhigerem Fahrwasser gelandet. Eine Beamtenregierung wird das Land mehr oder weniger kompetent regieren. Sie ist streng großkoalitionär Schwarz–Rot zusammengesetzt, wobei alibimäßig auch ein FPÖ-naher Minister agieren darf.
Wenn es bei der Zusammensetzung dieser Regierung tatsächlich politische Ausgewogenheit gegeben hätte, müsste zumindest ein Viertel der Regierungsmitglieder freiheitlich sein. Aber was heißt schon Ausgewogenheit, politische Fairness und demokratische Gerechtigkeit, wenn es gegen die FPÖ geht.
Da ist gegenwärtig alles erlaubt.


Hypo: Der Haider war’s…

17. Februar 2014

Der neue Finanzminister, ÖVP-Chef Spindelegger, hat verlauten lassen „Kärnten kann sich nicht abputzen“ wenn es um die Finanzierung des Hypo-Desasters geht. Und seitens der Regierung wurde bei der jüngsten Sondersitzung des Nationalrats zu diesem Thema natürlich ständig wiederholt, dass die FPÖ das Ganze ausgelöst habe. Haider habe die wahnwitzige Milliardenhaftung des Landes Kärnten verursacht und damit die irrwitzige Expansion der Hypo auf dem Balkan. Zwischen 13 und 19 Milliarden Euro werde die Abwicklung kosten und wer war’s – der Haider und die Freiheitlichen…

Nun ist zweifellos richtig, dass der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider uns ein Bankiers-Helfershelfer Kulterer am Beginn der Bank-Tragödie standen. Gemeinsam mit seinen roten und schwarzen Regierungspartnern in der Landesregierung hat Haider die Landeshaftung beschlossen. Die Partei für die Haider damals allerdings stand hieß „Bündnis Zukunft Österreich“. Im April 2005 hat sich Haider bekanntlich von der FPÖ abgespalten, weil diese seine politischen Abenteuer nicht länger mittragen wollte. Und der schwarze Partner auf Bundesebene unter Führung von Wolfgang Schüssel war es, der Haider’s Kärntner Politik gedeckt hat mit dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Die zurück gebliebenen Freiheitlichen – übrigens mit einem Millionenschuldenberg versehen, für den auch Haider verantwortlich war – waren von der ÖVP-BZÖ Bundesregierung missliebige, ausgegrenzte Miesmacher. Ihre Warnungen vor finanziellen Abenteuern à la Hypo wurden als lächerlich und destruktiv dargestellt. Haider und das Kärntner BZÖ gedeckt von der schwarz-orangen Bundesregierung standen also am Anfang des Hypo-Desasters.

Dass es Haider allerdings dann 2007 / 2008 gelungen ist, eine schlecht gehende Bank an die Bayrische Landesbank zu verkaufen, muss wieder als positiv anerkannt werden. Damit hat er die Kärntner Landeshaftung relativiert, da es sich die Bayern kaum hätten erlauben können, die Hypo eines Tages Pleite gehen zu lassen. Und damit beginnt ja die eigentliche Tragödie: die faulen Eier die die von Haider dominierte Hypo beim Verkauf an die Bayern enthalten haben dürfte, waren ja längst nicht von jener Dimension wie die, über die wir heute reden. Und dennoch kam es zur Zwangsverstaatlichung zum Rückkauf der Bank durch die Republik unter dem damaligen Verantwortlichen Joseph Pröll. Ein rätselhafter Vorgang, dessen Details bis heute im Dunkeln liegen. Ein Vorgang, der wohl nur mit Machinationen zwischen dem ÖVP Minister und seinen schwarzen CSU Freunden in Bayern erklärbar ist. Ohne jede Not haben wir die marode Bank zurück genommen und damit dem österreichischen Steuerzahler ein Milliardenpaket aufgebürdet.

Ein Milliardenpaket, das dann bis zum heutigen Tag im Lauf der Jahre entsprechend angewachsen ist – und zwar durch die Untätigkeit der schwarzen Finanzminister. Und das unter Duldung der rot-schwarzen Bundesregierung insgesamt.


Schon ein Ausnahmepolitiker

6. September 2011

Abschied von Wendekanzler Wolfgang Schüssel

Im Zeitalter der politischen Mediokritäten, der farblosen Schönredner, politisch korrekt bis zum Kotzen, war Wolfgang Schüssel zweifellos noch ein Ausnahmepolitiker. Nicht weil er den deutschen Bundesbankpräsidenten im journalistischen Hintergrundgespräch eine „richtige Sau“ nannte, auch nicht, weil er offenbar der Versuchung erlag, sich als Drachentöter des rechtspopulistischen Ungeheuers Jörg Haider preisen zu lassen. Nein, zuerst einmal aus jenem Grunde, dass er im Gegensatz zur heutigen Politikergeneration gebildet, vielseitig, talentiert, künstlerisch tätig, historisch denkend war und ist. Ein Bildungsbürger eben. Und weil er den Mut hatte, politisch zu gestalten, was heute kaum mehr vorkommt.

Im Gezeter über die Korruptionsskandale droht nämlich gegenwärtig unterzugehen, dass die Wende des Jahres 2000 tatsächlich eine Wende für Österreichs Politik war. Nicht nur weil Schüssel es wagte, mit den Freiheitlichen zu koalieren, das hatte Fred Sinowatz auch schon getan. Nein, weil er von der schwarz-rot geprägten Proporz- und Konsensdemokratie auf eine konfrontative Form des politischen Systems umschaltete: hier Rechts, dort Links, statt Mauscheln offene Konfrontation der politischen Interessen.

Und er erwies sich als politisches Schwergewicht, als er es wagte, gegen den Willen des Bundespräsidenten durch den Fluchttunnel des Kanzleramts kommend, sich angeloben zu lassen. Er erwies sich als politisches Schwergewicht, als er die EU-Sanktionen durchstand. Und natürlich erwies er sich auch als taktisches Schwergewicht, als er Haiders Leute im Jahr 2002 in der Folge von Knittelfeld ausrutschen ließ, um dann selbst als ÖVP-Chef einen fulminanten Wahlsieg einzufahren. Danach regierte er noch vier Jahre „mit freiheitlicher Behinderung“ mehr oder weniger von eigenen Gnaden.

Gescheitert ist Wolfgang Schüssel aber wahrscheinlich an der Person dessen, von dem man kurzfristig glaubte, er habe ihn politisch domestiziert, ja bezwungen, an der Person Jörg Haiders. Die catilinarische Persönlichkeit des Bärentalers und seine halbseidene Umgebung hatte sich mehr oder weniger konsensual als Preis für die Schüssel‘sche Minderheiten-Kanzlerschaft den Freibrief für ihr eigenes Fuhrwerken ausgehandelt. Ein Freibrief, der die Grundlage für die jetzt aufbrechenden Skandale war. Und gescheitert ist Schüssel im April 2005, als er Haiders Weg in die orange Parteineugründung guthieß und die Regierung nicht kündigte. Er hatte verkannt, dass die freiheitlichen Tiefwurzler sich deshalb von der Haiderschen Regierungsmannschaft trennen wollten, weil sie deren Machinationen eben nicht mehr mitmachen wollten. Haider bezeichnete die Kräfte, die dann in der Folge die Strache-FPÖ tragen sollten ja als „destruktiven Teil“, während er und die seinen „konstruktiv“ gewesen seien. Konstruktiv bedeutete regierungswillig, regierungswillig in dem Sinne, dass man die damit verbundenen Geschäfte um jeden Preis weiterführen wollte.

Wolfgang Schüssel hatte aufs falsche Pferd gesetzt, auf Haider und das BZÖ. Ein Jahr später flog er aus der Regierung. Heute wird er das Opfer der Machinationen jener Leute, die er damals um jeden Preis in der Regierung hielt.

Die Bedeutung seines politischen Wirkens sollte deshalb nicht in Vergessenheit geraten. Er hat es gewagt, eine Wende hin zu einer nicht-sozialistischen Regierung in Österreich durchzusetzen. Er hat es gewagt, sich dem EU-Establishment und dessen Agenden in Österreich zu widersetzten. Er hat es gewagt, wichtige Reformen im Sinne der Wirtschaftsstandorts Österreich durchzusetzen. Er ist mit der Wenderegierung des Jahres 2000 aufgebrochen, um die politische Wüste Gobi zu durchqueren, er hat es letztlich aber nicht geschafft…


Schlitzohr Schüssel

9. Februar 2010

Basteln ÖVP-Strategen an schwarz-blauer Option?

Vorige Woche, als man in den heimischen Medien das zehnjährige Jubiläum des Regierungsantritts von Blau-Schwarz zelebrierte, waren der seinerzeitige Wendekanzler Wolfgang Schüssel und seine Vizekanzlerin, die damalige FPÖ-Chefin Riess-Passer, in der Zeit im Bild2 zu einem Doppelinterview geladen. Dass man sich da von Seiten beider Herrschaften wenig selbstkritisch gab, verwunderte nicht, aufhorchen ließ der Kanzler allerdings nach der Frage, ob denn eine Neuauflage von Schwarz-Blau heute möglich wäre. Nach der üblichen Floskel, dass die FPÖ heute ein völlig andere Partei sei – no na, der Narziss Haider, seine Buberl-Partie und die ganzen ideologiefreien Quereinsteiger sind bekanntlich Vergangenheit – erklärte Schüssel scheinheilig: Haider habe ihm in persönlichen, vertraulichen Gesprächen erklärt, es gäbe drei Leute, mit denen er nicht arbeiten könne, es sei dies Heinz-Christian Strache, Mölzer und Scheuch.

Nun mag schon sein, dass der verblichene Bärentaler in der letzten Phase der schwarz-orangen Partnerschaft vor oder nach der Abspaltung des BZÖ über Strache und Mölzer lamentiert haben könnte. Warum aber sollte er damals einen der Gebrüder Scheuch nennen, die doch über die Implosion von Knittelfeld und die orange Abspaltung des Jahres 2005 hinaus zu seinen treuesten Vasallen zählten? Wenn dann wäre es logisch gewesen, dass Haider damals Strache, Mölzer und Stadler genannt hätte, die bekanntlich für das Überleben der FPÖ nach der Haider’schen Abspaltung zu Symbolfiguren wurden.

Soweit so unlogisch. Aber wahrscheinlich war diese Schüssel-Aussage in der ORF-Zeit-im-Bild ohnedies etwas ganz anderes als eine zeitgeschichtliche Replik. Sie könnte vielmehr darauf schließen lassen, dass ein Teil der ÖVP-Strategen, an der Spitze Alt-Mastermind Wolfgang Schüssel, an Optionen für eine Neuauflage einer schwarz-blauen Koalition basteln. Logischerweise als Alternative zur ungeliebten großen Koalition und als möglichst billige Möglichkeit, einen schwarzen Kanzler zu installieren. Und dabei würde man natürlich gemäß den Beispielen des Jahres 2000 wünschen, dass der Parteichef HC Strache so wie seinerzeit Jörg Haider außen vorbliebe, dass politisch schwergewichtige und unabhängige Persönlichkeiten so wie seinerzeit Hilmar Kabas oder Thomas Prinzhorn und heute Andreas Mölzer nicht mit von der Partie wären. Und dass man negativ punzierte politische Persönlichkeiten wie eben gegenwärtig die Gebrüder Scheuch nicht als Ballast mit an Bord nehmen müsste.

Wenn schon eine Koalition mit den Freiheitlichen, dann natürlich eine mit möglichst gleichgewichtigen Vertretern derselben.


Von der Torheit der Regierenden

5. Februar 2010

Ist ein da capo der blau-schwarzen Wenderegierung denkbar?

Nein, regierungsfähig sei diese FPÖ unter dem Polit-Krawallisten Heinz-Christian Strache heute gewiss nicht, heißt es immer, wenn aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums des Regierungsantritts von Blau-Schwarz im Jahre 2000 die Frage nach einer neuerlichen „bürgerlichen“ Koalition erhoben wird. Damals, das sei doch etwas ganz anderes gewesen, die Haider FPÖ habe immerhin originelle Ideen eingebracht (so jüngst Andreas Khol) und die Wende weg von der ausgelaugten rot-schwarzen Großen Koalition sei in der Luft gelegen. Und außerdem war da ja noch der Wählerwille…

Und heute? Heute ist die Große rot-schwarze Rest-Koalition innovativ, dynamisch und reformfreudig? Heute ist der Wählerwille ganz anders? Sind es nicht weit über 50 Prozent, die ein insgesamt nichtsozialistisch regiertes Österreich goutieren würden? Heute mehren sich nicht zunehmend die Stimmen jener Kommentatoren, die da meinen, in der zentralen Frage der Migrationsgesellschaft und der damit Probleme müsse man die von den Freiheitlichen gestellten richtigen Fragen und deren angeblich allzu einfache Antworten ernst nehmen?

Ach wie sich die Bilder in Wahrheit gleichen: Die Freiheitlichen, allzumal nach dem Beitritt der Kärntner FPK und dem zu erwarteten Abschwellen der einigermaßen gekünstelten medialen Empörung werden über kurz oder lang eine ähnliche Stärke haben, wie die Haider-FPÖ Ende der 90er Jahre. Der Überdruss an der Großen Koalition wird wachsen, denn nichts deutet darauf hin, dass das Duo Faymann-Pröll sich zu Reform-Giganten auswachsen könnte. Und jene Probleme, in denen die breite Mehrheit der Bevölkerung der FPÖ des HC Strache die Meinungsführerschaft zugesteht, eben die Frage der Zuwanderungsgesellschaft im Zusammenhang mit den sich daraus ergebenden sozialen Problemen und der Dramatik der Sicherheits-Situation, sie werden immer dringlicher, stehen immer stärker im Mittelpunkt der politischen Debatte. Wie sollte es da verhinderbar sein, dass andere Regierungsoptionen unter Einbeziehung der Freiheitlichen ins Gespräch kommen, allzumal dann, wenn bei den kommenden Wahlen in den Ländern der Wählerwille entsprechende Möglichkeiten offen lässt, bzw. sogar nahelegt.

In den späten 90er Jahren gab es da den Verfassungsbogen, dessen Copyright-Inhaber Andreas Khol, ex cathedra erklärte, wer sich darunter befinde und wer außerhalb. Haiders FPÖ jedenfalls außerhalb – bis zu dem Tag, an dem der Wähler im Herbst 1999 die Option einer blau-schwarzen Koalition mit einem ÖVP-Bundeskanzler auftat. Ähnlich wird es sich wohl mit der gegenwärtig allenthalben diagnostizierten Regierungsunfähigkeit der Strache-FPÖ verhalten. Diese wird für die Parteizentralen von SPÖ und ÖVP an genau jenem Tage enden, an dem sich die reale Möglichkeit einer rot-blauen oder schwarz-blauen Regierungskoalition eröffnet, bei der die parteitaktischen Vorteile für eine der angeblich so staatstragenden und damit regierungsfähigen Parteien offenkundig ist.

Wenn man sich aber von derlei allzu opportunen Überlegungen freimacht und mit nüchternem Blick auf die österreichischen Parlamentsparteien, deren Personal und deren Programmatik die Frage stellt, was denn für die res publica das Beste wäre und welche Partei sich als ebenso regierungsfähig wie regierungswürdig erwiese, dann sieht es traurig aus. Die politischen Eliten der Republik sind im freien Fall begriffen, was Ethos, Bildung und handwerkliche Fähigkeiten betrifft. Gemäß dem „ehernen Gesetz der Oligarchie“ beherrschen mediokre Parteiapparate und mit ihnen verhaberte Medienmacher unterdurchschnittliche Polit-Repräsentanten, deren Opportunismus umso größer ist, je näher sie an den Machtzentren angesiedelt sind. Womit die Regierenden eindeutig schlechtere Karten haben als die Oppositionellen. Was wieder gegen Faymann und Pröll spricht und für Glawischnig, Bucher und Strache. Was aber nur ein relatives Urteil ist und kein absolutes in Hinblick auf Kenntnisse und ethische Bindung.

Die vielzitierte „Torheit der Regierenden“ manifestiert sich hiermit also insgesamt in der politischen Klasse und das nicht nur in Österreich, sondern gewiss quer durch Europa. Regierungsfähigkeit von ÖVP und SPÖ ist allenfalls dadurch im höheren Maße gegeben, dass es abhängige und damit willfährige Medien gibt, die das Agieren beider Parteien schönschreiben und schönreden und dass es im Rest des rot-weiß-roten Kammerstaats institutionelle Strukturen gibt, die ein Minimum von fachlicher Zuarbeit garantieren. Was die angebliche Regierungs-Unfähigkeit oppositioneller Parteien betrifft, so ist es allenfalls das Fehlen dieser beiden Faktoren, welche dieselbe ausmachen.

Eine Lehre allerdings ist aus den politischen Entwicklungen des Winters 1999/2000 wohl zu ziehen: Der Wechsel von der Fundamentalopposition hin zu zumeist allzu pragmatischer Regierungstätigkeit ist mühsam und mit der Akzeptanz schmerzhafter Verluste bei kommenden Wahlen verbunden. Jede politische Partei, die kurz oder mittelfristig regieren will, wird daher gut daran tun, ein Minimum an politischer Vernunft und Realisierbarkeit im Hinblick auf ihre Programme zu gewährleisten. Wer allen alles verspricht, jedem Wählersegment das konträr zu den Bedürfnissen des jeweilig anderen Stehende, riskiert nicht nur seine aktuelle Glaubwürdigkeit, er garantiert ein allzu rasches Scheitern, sollte er jemals an die Regierung kommen. Angesichts anstehender Wahlen mag dies einer oppositionellen politischen Bewegung zweitrangig sein, klug ist es nicht. Das muss sich auch eine erfolgreiche Oppositionspartei wie die FPÖ ins Stammbuch schreiben lassen.


Oh Susanne!

2. Februar 2010

Über die Erinnerungslücken einer politischen Queraussteigerin

Das sei nicht mehr Deine Partei, erklärst Du im Doppelinterview mit Wolfgang Schüssel zehn Jahre nach dem Antritt der blau-schwarzen Wende-Regierung. Und meinst damit die FPÖ, die Du, wie Du vollmundig sagst, damals „geführt“ hättest und die heute Heinz-Christian Strache führt. Und das was damals möglich war, nämlich eine kleine und „bürgerliche“ Koalition, sei heute mit „dieser FPÖ“ schon gar nicht mehr denkbar. Und implizierst dabei unausgesprochen, dass dies so sei, weil sie nicht mehr über so kluge Köpfe verfüge, wie Du es warst.

Oh Susanne Riess-Passer: Es ist schon richtig, dass Du im Kreise von Jörg Haiders „Buberl-Partie“ angenehm auffielst. Zum einen, weil Du kein solches bist, zum anderen weil Du verglichen etwa mit Gernot Rumpold durchaus kultiviert, bzw. verglichen etwa mit Walter Maischberger durchaus gebildet warst. Aber vergessen wollen wir doch nicht, dass Du geschäftsführende Bundesparteiobfrau zur ganz persönlichen Entlastung des Bärentalers und dann Vizekanzlerin und Parteiobfrau eben ausdrücklich als enge Vertraute desselben wurdest. „Geführt“ hast Du die Partei deshalb längst nicht, eigenes politisches Gewicht, eigene Wahlerfolge, Hausmacht oder dergleichen waren es auch nicht, die Dich in diese Spitzenpositionen gebracht haben. Nur Haiders Wohlwollen.

Natürlich ist es heute nicht mehr Deine Partei, diese wiedererstarkte Oppositions-FPÖ. In dieser gibt es nämlich keine Generalvollmacht für den Parteichef und keine Partei-Kreditkarte, mit der sich dieser eine Stöckelschuh-Sammlung anlegen kann. Da hat sich denn doch einiges geändert.

Indem Du heute – in Doppelconférence mit Wolfgang Schüssel – erklärst, Politik interessiere Dich nicht mehr, Du wollest nur beweisen, dass Du auch in der Privatwirtschaft Deinen Mann – pardon Deine Frau – stehen kannst, manifestieren sich damit auch einige Erinnerungslücken: Die Vorstandsetage eines Bauspar-Konzerns hat sich Dir ja nicht eröffnet aufgrund Deines überreichen Erfahrungsschatzes als Banker. Nein, Du wurdest politisch versorgt, liebe Susanne, nach Deinem Abgang nach den Ereignissen von Knittelfeld im Jahre 2002, aufgrund derer die Volkspartei und Dein Nach-wie-vor-Freund Wolfgang Schüssel einen triumphalen Wahlsieg einfuhren. Versorgt dafür, dass Du die FPÖ im Stich ließest. Dem verdankst Du Deine privatwirtschaftliche Karriere und die Geschichten von der Entschuldung Deines insolventen Gatten und dessen Beratervertrag im Umfeld eines austro-kanadischen Industriemagnaten und die ganzen wenig appetitlichen Details der Abfangjäger-Beschaffung, alles das wollen wir gar nicht aufwärmen. Nur, von privatwirtschaftlicher Tüchtigkeit in diesem Zusammenhang zu sprechen, ist nun doch ein wenig keck.

Wie auch immer: Wir nehmen zur Kenntnis, dass die FPÖ heute nicht mehr Deine Partei ist. Ob freiheitliche Weltanschauung, nationale Gesinnung, liberale Haltung und Freisinn für Dich heute noch Werte sind, darüber verschweigst Du Dich. Aber das hat man Dich ja auch bereits damals, vor zehn Jahren nicht gefragt, als Du als zweite FPÖ-Vertreterin nach Norbert Steger in die höchsten Regierungsämter dieser Zweiten Republik aufstiegst.