Hexenjagd

9. November 2017

Unter dem Schlachtruf „#meetoo“ findet derzeit im Netz weltweit tatsächlich so etwas wie eine Hexenjagd statt. In einer wahrhaften Hysterie werden da zahllose Beschuldigungen auf sexuelle Belästigung, sexuellen Missbrauch erhoben. Beschuldigung, die zum guten Teil durchaus berechtigt sein mögen, die darüber hinaus aber skurrile Blüten treiben. Skurril, weil sie zum Teil über Jahrzehnte zurückreichen und zum Teil harmlose Bemerkungen, Komplimente, misslungene Scherze und dergleichen kriminalisieren. Eine neue Prüderie, die dem Diktat der Political Correctness entspringt, treibt hier groteske Blüten, befeuert von geradezu faschistoidem Feminismus und ganz realer Verachtung der Natur des Menschen.
Nun kann es für tatsächliche sexuelle Gewalt, insbesondere für den diesbezüglichen Missbrauch von Autoritätsverhältnissen, keine Toleranz geben. Gerade diese Hexenjagd aber verwischt die Grenzen und läuft damit Gefahr, den tatsächlichen Missbrauch zu verharmlosen. Wirkliche Gewalttäter und Machthaber mit Allmachtsanspruch vermögen sich solcherart hinter der Lächerlichkeit der zahllosen übertriebenen Anschuldigungen zu verbergen. Und wo sind die Grenzen? Peter Pilz hat seine Assistentin im grünen Nationalratsklub angeblich mit satten vierzig sexuellen Übergriffen belästigt und insultiert. Der langjährige grüne Klubobmann Alexander Van der Bellen hat seine vormalige Lebensgefährtin unmittelbar vor dem Präsidentschaftswahlkampf doch noch geheiratet, er hat also seine Ehefrau aus dem weiblichen Personal des grünen Nationalratsklubs gewählt. Ein Autoritätsverhältnis gab es wohl auch zwischen dem nunmehrigen Bundespräsidenten und der heutigen First Lady, als sie sich kennenlernten. Was ist also tatsächlicher Missbrauch und was ist Hysterie und Diffamierung? Und wie sollen beide Arten von Menschen – nämlich Männer und Frauen – einander näherkommen ohne jenes Maß an erotischer Spannung, das heute von den einen bereits als sexuelle Belästigung und von den anderen – der schweigenden Mehrheit, die sich wohl kaum zu äußern wagt – als unverzichtbare Würze ihres Lebens als geschlechtliches Wesen betrachtet wird?
Ironisch könnte man anmerken, die Menschheit hat sich diese Erde nur Untertan gemacht und durch zahllose gegenseitige sexuelle Belästigungen auf eine Population von sieben Milliarden Individuen vermehrt. Und wenn es so weiter geht, werden Sex und Erotik genauso tabuisiert wie gegenwärtig der Tabakkonsum. Bleiben dann nur mehr die In-Vitro-Fertilisation und der Zölibat? Doch Zynismus beiseite, die pragmatische Vernunft der menschlichen Normalität wird hoffentlich auch diese Hexenjagd beenden.