Rote Turbulenzen, schwarze Tricks

23. August 2017

Der gegenwärtig anlaufende Nationalratswahlkampf ist von den Turbulenzen geprägt, in denen sich die Kanzlerpartei SPÖ befindet. Da wird der israelische Wahlkampf-Guru des Kanzlers verhaftet, der eine oder andere Berater kommt ihm auf andere Weise abhanden, und innerhalb der Wahlkampfmaschinerie der SPÖ gibt es dem Vernehmen nach Differenzen, die sogar bis ins Tätliche gehen. Da gewinnt der sozialistische Wahlspruch „Ich hole, mir was mir zusteht“ eine ganz andere Dimension, dem Kanzler steht nämlich offenbar eine saftige Abfuhr seitens des Wählers zu, die er sich wahrscheinlich in anderthalb Monaten holen wird.
Was die in den Umfragen haushoch führende Volkspartei betrifft, so hat der neue Wunderwuzzi bislang noch nicht viel von sich hören lassen bis auf schöne Sager, die allesamt aus dem politischen Aktionsprogramm der Freiheitlichen entlehnt sind. Darüber hinaus hat er vorläufig nur mit Personalansagen geglänzt. Die Bundesliste der Volkspartei sieht aus wie ein Katalog von politischen Signalen an alle möglichen Bevölkerungsschichten des Landes.
Da gibt es die querschnittgelähmte ehemalige Spitzensportlerin Kira Grünberg, die wohl Sympathien im Bereich der Sportfans, aber womöglich auch im Bereich der Behinderten generieren soll. Dann gibt es da den gut integrierten Zuwanderer Efgani Dönmez als Signal wohl für die bereits wahlberechtigten Neubürger, dann gibt es den altgedienten Rechnungshofpräsidenten und ehemaligen FPÖ-Mitarbeiter Josef Moser, der zweifellos als Signal für den Reformwillen des Sebastian Kurz gedacht ist und wohl auch als eines an vormalige freiheitliche Wähler. Dann gibt es den Mathematiker und Wissenschaftler Rudolf Taschner als Signal an die Bildungsschichten, einen ehemaligen Polizeichef Karl Mahrer, der für Recht und Ordnung stehen soll, und so weiter und sofort. Ob all diese Quereinsteiger, die samt und sonders keine politischen Profis sind, in der Lage sein werden, eine neue Politik umsetzen zu können, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Politik ist nämlich auch ein Handwerk, das man gelernt haben sollte, und keine Spielwiese für Quereinsteiger und Profilneurotiker.
Was die wahlwerbenden Kleinparteien betrifft, und derer gibt es bei diesem Wahlgang so viele wie kaum je zuvor, so kämpfen sie allesamt ums Überleben. Die Grünen sind in der Abwärtsspirale, Peter Pilz muss schauen, wo er bleibt, die Neos werden auch hart am Existenzminimum entlang schrammen, von anderen Gruppen zahlt es sich gar nicht aus zu reden.
Und die Freiheitlichen des Heinz-Christian Strache – sie sind vorläufig das große Fragezeichen in diesem Wahlkampf. Bislang sind sie es eher ruhig angegangen, man wird sehen, ob sie nunmehr nach dem Wahlkampfauftakt Tempo und Intensität steigern können. Bislang ist ihre politische Ansage die gewesen, dass es ohne die Freiheitlichen zu keiner wirklichen Änderung in der politischen Landschaft des Landes kommen werde, und sie verkünden, was nicht sonderlich neu ist, aber zutreffender denn je: „Österreich zuerst“. Ob sie damit an die Umfrage-Höhenflüge vergangener Jahre und Monate anknüpfen werden können, bleibt abzuwarten. Ein respektables Wahlergebnis wird es allemal werden, denn die Österreicher können sehr wohl unterscheiden zwischen dem Schmied und dem Schmiedl. Da der Schmied Heinz-Christian Strache, dort der Schmiedl Sebastian Kurz und hinten nach der Noch-Kanzler Christian Kern, der insgeheim wohl schon nach einem neuen Job sucht.
Ob dieser Wahlgang für das Land etwas ändern wird oder ob alles beim Alten bleibt, und weiter eine rot–schwarze oder schwarz–rote Koalition die Regierung stellt, werden wir nach dem 15. Oktober sehen. Entgegen allen Beteuerungen bleibt eine Neuauflage dieser Alt-Koalition die wahrscheinlichste Möglichkeit, und sie garantiert den weiteren Stillstand für das Land. Das ist traurig genug.


Herausgeschossen

3. August 2017

Johannes Hübner, prominenter Wiener Anwalt und hervorragender Jurist, Zur-Zeit-Mitgesellschafter und herausragender Exponent des nationalfreiheitlichen Lagers, hat also resigniert.
Er, der sprachgewandte, vielsprachige, geopolitisch und historisch absolut sattelfeste Spitzen-Außenpolitiker der Freiheitlichen Partei ist dem politisch-medialen Druck gewichen und hat angekündigt, nicht mehr für den Nationalrat zu kandidieren. Er wollte sich das schlicht und einfach nicht antun, bei jeder Kandidaten-Präsentation und bei etwaigen Regierungsverhandlungen nach der Wahl immer aufs Neue durch die Medien geprügelt zu werden, und er hat das bei Gott auch nicht notwendig, weder menschlich noch wirtschaftlich noch politisch. „Antisemitische Codes“ hätte er in einem Vortrag verwendet, hieß es in den Medien, das aufgrund eines mehr als zweifelhaften „Fachgutachtens“ seitens halbseidener, angeblicher Rechtsextremismus-Experten wie des immer wieder unter falschem Namen auftretenden Andreas Peham aus dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes zustande gekommen ist. Eine historische Anekdote nämlich, die aus den 20-er und 30er-Jahren datierende Feindschaft zwischen den Staatsrechtlern Carl Schmitt und Hans Kelsen und dessen Verunglimpfung durch Ersteren, war die Grundlage dieser Anschuldigungen. Dass man darauf nach gut einem Jahr erst und just im beginnenden Wahlkampf kam und dies in der rosaroten Gazette veröffentlichte, ist wohl mehr als Zufall. Was dann folgte, das kennen wir aus anderen Kampagnen, etwa aus jener gegen den Autor dieser Zeilen vom letzten EU-Wahlkampf.
Das Konzert der politisch-korrekten Medien, befeuert von Wortspenden des politischen Establishments – Bundespräsident, Bundeskanzler, Israelitische Kultusgemeinde etc. – versuchte, Hübner und seine Partei unter Druck zu setzen. Bei längerer Fortdauer der Kampagne hätten gewiss auch SOS-Mitmensch und irgendeiner aus der Riege der Staatskünstler, vielleicht der Großpoet Köhlmeier, ihre Empörung kundgetan. Das bekannte Schema eben, das Hübner nur damit durchbrach, dass er sehr schnell das Handtuch warf. Und damit der FPÖ die Zwangsfixierung auf nur ein Thema, nämlich den angeblichen Antisemitismus, erspart hat.
Zwar waren die beiden Generalsekretäre der Partei ausgerückt, um Hübner zu verteidigen, dennoch muss man sich fragen, ob die FPÖ als einzige Alternative zum etablierten politischen System dem selben auf so eine Art und Weise wehrlos ausgeliefert ist, dass jeder Spitzenmann mit hanebüchenen Vorwürfen herausgeschossen werden kann. Ist die Entschlossenheit der Partei, sich niemanden herausschießen zu lassen, stark genug? Ist die Solidarität mit den Attackierten nicht entschlossen und breitflächig genug? Tatsache ist jedenfalls, dass das politische Establishment nunmehr bereits auf ein bewährtes Kampagnen-Schema zurückzugreifen vermag. So wie vor gut drei Jahren beim EU-Wahlkampf hat es auch diesmal funktioniert: Die Mainstream-Medien und die etablierten Wortspender vom Bundespräsidenten abwärts äußern ihre Empörung, dazu gibt es einen Shitstorm in den Sozialen Medien, und schon ist wieder ein freiheitlicher Spitzenmann weg. Wer wird der nächste sein, irgendein FPÖ-Abgeordneter, der Angehöriger einer als rechtsextrem denunzierten Burschenschaft ist? Oder jemand, der auf Facebook einmal etwas Radikaleres über die Massenmigration schreibt? Alles ist möglich, und die Spindoktoren von Rot und Schwarz sind indessen zur Ansicht gelangt, dass es ihnen problemlos möglich ist, jeden exponierten Freiheitlichen auf diese Art und Weise zu erledigen. Das sollte schon zu denken geben.


Vollholler und Mittelmeerroute

21. Juni 2017

Der längst angebrochene Langzeit-Wahlkampf treibt in der frühsommerlichen Hitze seltsame Blüten. Zwar nicht so ordinär wie weiland, als Wolfgang Schüssel den Chef der Deutschen Bank immerhin eine „richtige Sau“ genannt haben soll, aber doch einigermaßen deftig sprach Kanzler Kern davon, dass sein Konkurrent Außenminister Sebastian Kurz „populistischen Vollholler“ verzapfe, wenn er die Schließung der Mittelmeerroute verlangt. Nun wurde das Ganze zwar im vertraulichen Hintergrundgespräch gesagt und wäre eigentlich nicht so tragisch – es zeigt nur, dass die hohen Herren auch nicht sonderlich fein sind, wenn sie so daherreden.
Die Frage stellt sich aber doch, ob es tatsächlich Unsinn (Vollholler soll wohl nichts anderes bedeuten) ist, wenn man diese Mittelmeerroute, über die allein in diesem Jahr schon mehr als hunderttausend Menschen gekommen sind und auf der Tausende ertrinken, schließen will. Die großen Migrationsexperten und politisch korrekten Analytiker sagen natürlich, es ist unmöglich. Warum? Weil Libyen kein sicheres Land sei, in das man Flüchtlinge zurückbringen dürfe. Haben sich diese Flüchtlinge nicht freiwillig nach Libyen begeben? Weil man keine großen Auffanglager bauen könne, diese seien nur Brutstätten für Terrorismus.
Die Parallelgesellschaften und die Ausländerghettos in Europa sind keine Brutstätten für Terroristen? Und weil man das Ganze nach der Genfer Konvention, nach diversen internationalen Rechtsvorschriften schlicht und einfach nicht dürfe. Und diese Rechtsvorschriften sind aufgrund der politischen Notwendigkeit und der Realitäten nicht einfach auch änderbar?
Wie auch immer, Tatsache ist, dass gegenwärtig die europäische Union mit ihrer Mission „Sofia“ Hilfstätigkeit für die Schlepperorganisationen leistet und eine Art Abhol- und Fährdienst nach Europa für hunderttausende Wirtschaftsmigranten organisiert hat. Tatsache ist auch, dass man mit den heutigen Technologien, Satellitenbeobachtung etc. jede Luftmatratze vor der libyschen Küste orten kann. Und natürlich könnte man jeden Flüchtlingstransport vor dem Verlassen der libyschen Gewässer abfangen und zur Umkehr zwingen, wenn man politisch nur wollte. Und selbstverständlich wäre die Errichtung von humanitär betriebenen und abgesicherten Groß-Camps am Südrand der Sahara, finanziert von der EU und betrieben vom Internationalen Roten Kreuz, eine durchaus akzeptable Möglichkeit, um die illegalen Immigranten abzufangen und nach Maßgabe legaler Asylgründe zu sieben. Eine Schließung der Mittelmeerroute ist keineswegs Vollholler. Populistischer Vollholler allerdings sehr wohl ist die Ankündigungspolitik des Herrn Außenministers. Außer schönen Worten und frommen Wünschen – alles abgekupfert von den populären FPÖ-Forderungen der letzten Jahre – hat er nämlich nicht viel von sich gegeben. Was er sagt, macht er allerdings geschickt und positioniert es populistisch.
Vollholler ist es insofern, als er offenbar genau weiß, dass die schönen Worte für einen möglichen Wahlerfolg und ein Umfragehoch reichen, Schritte zur Umsetzung hat der Mann bislang noch nicht gesetzt. Er sonnt sich vielmehr in seinem Ruhm, indem er sagt „ich hab ein Déjà-Vu, als ich die Balkanroute geschlossen habe …“ Er allein hat die Balkanroute geschlossen? War da nicht ein gewisser Herr Orban, waren da nicht die Serben, die Kroaten, die Slowenen, waren da nicht Bulgarien und Rumänien auch beteiligt? Da hat der junge Herr eine Schwebung in Türkis. Aber lassen wir Kurz und Kern weiterstreiten, spätestens bis zum Wahltermin am 15. Oktober dieses Jahres!


Die polarisierte Gesellschaft

12. Mai 2016

Der kalte Bürgerkrieg ist längst ausgebrochen

Der ins Haus stehende zweite Wahlgang zur Kür der höchsten Staatsamtes der Republik Österreich ist geradezu zwingend dazu verdammt, eine Richtungswahl zu sein. Keineswegs schlicht und einfach: Links gegen Rechts. Nein, die Definition der beiden gegnerischen Lager muss schon komplexer und präziser ausfallen. Wenn man sie aber definiert, die potentielle Wählerschaft des Alexander Van der Bellen und jene des Norbert Hofer, kommt man leider zum Ergebnis, dass hier die res publica, die „öffentliche Sache“, die gemeinsame Sache, tatsächlich längst in zwei unversöhnlich einander gegenüberstehende Gruppierungen getrennt ist. Unversöhnlich in dem Sinne, dass hier kaum mehr gegenseitiges Verständnis existiert, kaum mehr der Wille oder die Fähigkeit zum Dialog und auch nicht jener zum politischen Kompromiss. Man wendet zwar vorläufig kaum tatsächliche  Gewalt gegeneinander an – sieht man von den Anarcho-Demos gegen den Wiener Akademikerball ab – verbal und argumentativ ist man längst in offene Frontstellung gegeneinander gegangen. Der kalte Bürgerkrieg tobt also bereits.

Wer steht nun im Lager des grünen Präsidentschaftskandidaten? Wenn man den Medien und der veröffentlichten Meinung glaubt, nahezu alle, die Rang und Namen haben. Politiker aus allen etablierten Parteien, Sportler, Künstler, Wissenschafter und natürlich auch die übrigen Wortspender der Seitenblickegesellschaft; sie lassen mehr oder weniger deutlich wissen, dass sie Van der Bellen wählen werden. Gilt es doch, die Orbánisierung Österreichs, also den Weg hin zu einem rechtsautoritären System, zu verhindern. In den diversen Promi-Umfragen tun sich die Gazetten schwer, den einen oder anderen Unterstützer für Norbert Hofer zu finden. Und wenn es da irgendein Stratosphären-Springer oder ein Volks-Rocker oder gar ein querulatorischer Bestseller-Autor wagt, auch nur eine differenziertere Haltung anzudeuten, von offenen Sympathien für Hofer ganz zu schweigen, dann wird dieser flugs durch die Gazetten und quer durch die „sozialen Medien“ geprügelt. Na, der kann sich dann anschauen. Sponsoren, Konzertveranstalter und Verleger ziehen sich in solchem Falle nur allzu rasch zurück.

Merkwürdig nur, dass Alexander Van der B. nicht schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erlangte, wo doch offenbar alle für ihn sind. Tatsächlich sind es aber nur die gutmenschlichen Bereiche der Gesellschaft und natürlich die „Seitenblicke-Community“, die den Kernwählerbereich des rot-grünen Professors ausmachen. Die kritiklosen Verfechter der political correctness, die deklarierten Zuwanderungsbefürworter, die Schwulen-Lobbyisten, die radikalen Feministinnen sind es einerseits und andererseits die sogenannten „Bobos“, die jungen, erfolgreichen, absolut „trendigen“ Zeitgeistritter. Dazu kommen dann natürlich jene Kräfte, die aus anderen parteipolitischen Gründen gegen die Freiheitlichen und ihren Kandidaten sind. Das politische Establishment der beiden Regierungsparteien gehört dazu. Die Spitzenfunktionäre von Rot und Schwarz gönnen der Opposition verständlicherweise keinen Erfolg. Zwar wird es keine parteioffizielle Wahlempfehlung für den grünen Kandidaten geben, der rote Bundeskanzler, der rote Bürgermeister von Wien, sie haben allerdings schon klar geäußert, dass sie Van der Bellen wählen würden. Und der eine oder andere Alt-Grande der ÖVP, wie der einstige EU-Kommissar Fischler, tut dies ebenso. Die ÖVP selbst allerdings wird sich hüten, eine Empfehlung abzugeben, da sie sich künftige Regierungsoptionen mit den immer stärker werdenden Freiheitlichen aus rein taktischen Gründen wohl offen halten wird.

In der zunehmenden Polarisierung vor dem zweiten Wahlgang dürfte es dann wohl so etwas wie eine gesamtgesellschaftliche „Lichtermeer-Koalition“ geben, bestehend wie seinerzeit bei der Demonstration gegen das Haidersche Volksbegehren „Österreich zuerst“ aus allen zivilgesellschaftlichen und politisch etablierten Bereichen der Republik, von den Gewerkschaften über die Kirchen bis hin zu den Universitäten und den Kulturschaffenden. Und diese „Lichtermeer-Koalition“ wird gegen die „Orbánisierung bzw. Putiniserung“ Österreichs agitieren.

Wer sind nun jene, die den freiheitlichen Kandidaten, der im ersten Wahlgang so überraschend obsiegte, unterstützen? Sind es nur die freiheitlichen Wähler, maximal ein Drittel der wahlberechtigten Bürger? Oder ist es gar eine schweigende Mehrheit? Nun glauben Politikwissenschafter zu wissen, dass Österreich so etwas wie eine strukturelle rechte Mehrheit hat. Wenn es bloß eine Polarisierung zwischen Links und Rechts wäre, würden freiheitliche und bürgerliche ÖVP-Wähler, ergänzt durch wertkonservative Kreise aus der ehemaligen Arbeiterschaft, zweifellos eine Mehrheit haben. Aber wie gesagt: Es geht nicht ausschließlich um eine Links-Rechts-Auseinandersetzung. Zum einen ist da natürlich einmal das traditionell freiheitliche Lager, das für Hofer stimmen wird. Dann sind es die Protestwähler, die von der rot-schwarzen Politik des Stillstands schlicht und einfach genug haben. Und schließlich sind es jene, die sich angesichts der unkontrollierten Massenzuwanderung in tiefer Sorge von der etablierten Politik abwenden. Sie alle werden wohl für den freiheitlichen Kandidaten stimmen und damit gegen das politische Establishment. Dabeisein werden zweifellos konservative und christlich orientierte vormalige ÖVP-Wähler, die sich gegen die Islamisierung des Landes aussprechen. Dabei werden aber auch in hohem Maße ehemalige SPÖ-Wähler aus dem Bereich der einstigen Arbeiterschaft sein, die unter Lohndumping und Sozialabbau leiden und durch die Zuwanderung einer neuen Konkurrenz im Wohnungs- und Arbeitsmarkt ausgesetzt sind. Naserümpfend mögen da die Soziologen von „Veränderungsverlierern“ sprechen, deren Ängste von den Populisten ausgenützt würden. Übersehen wird dabei allerdings, dass diese Ängste durchaus reale Gründe haben und dass es tatsächlich eine breite Schicht in der Bevölkerung gibt, die durch die gesellschaftlichen Veränderungen zunehmend unter Druck kommt.

Die inhaltliche Scheidemauer zwischen diesen beiden skizzierten großen Gruppen der heimischen Bevölkerung stellt zweifellos die Zuwanderungs- und Flüchtlingsproblematik dar. Wer eine weitere Zuwanderung ablehnt, ist für den blauen Kandidaten. Wer da meint, dass das Boot längst noch nicht voll sei, steht für den Grünen. Und in dieser wesentlichen Frage gibt es zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Gruppierungen kaum mehr die Möglichkeit auf einen Konsens, ja kaum mehr zu einem Dialog. Und nachdem die dominierende etablierte Seite der Gesellschaft den freiheitlichen Herausforderern weitestgehend den Diskurs verweigert – die alte Ausgrenzungsstrategie ist nach wie vor vorhanden – gibt es zwischen beiden Bereichen kaum mehr eine wirkliche intellektuelle Auseinandersetzung. Der eine oder andere nonkonformistische Ausreißer in Form vereinzelter Gastkommentare da oder dort in den etablierten Medien ändert daran nichts.


In der Mitte der Gesellschaft angekommen

12. Mai 2016

Die erste Runde der Bundespräsidentenwahl hat es erneut beweisen: Die Freiheitlichen sind längst nicht mehr die Schmuddelkinder der Republik, ihr Kandidat für das höchste Amt im Staate, Norbert Hofer, konnte – mit deutlichem Vorsprung vor dem Zweitplazierten – mehr als ein Drittel der Wählerstimmen für sich gewinnen. Der Kandidat der früher stigmatisierten und ausgegrenzten Freiheitlichen hat also eine reale Chance, nächster Bundespräsident zu werden. Dass die FPÖ längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, zeigen auch die Ergebnisse oder Landtagswahlen in Oberösterreich, der Steiermark und dem Burgenland sowie bundesweite Meinungsumfragen, welche die Freiheitlichen mit deutlichem Vorsprung an der ersten Stelle und Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache in Kanzlerfrage vor Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner.

Die Freiheitlichen sind aber nicht nur quantitativ in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sondern auch qualitativ. Immer häufiger beginnt die rot–schwarze Bundesregierung damit, freiheitliche Forderungen, die vor wenigen Monaten noch als „Hetze“ abgetan wurden, zu erfüllen. Forderte die FPÖ einen Grenzzaun, so werden nun „Grenzsperren“ erreichtet. Und Integrationsminister Kurz will plötzlich die Familienbeihilfe, die ins Ausland überwiesen wird, an das jeweilige Kaufkraftniveau koppeln. Lange Zeit wurden die Freiheitlichen, die fordern, dass Sozialleistungen vorrangig den eigenen Staatsbürgern zugutekommen, vom heimischen Gutmenschentum als „Rassisten“ und „Fremdenfeinde“ beschimpft.

Die erste Runde der Hofburg-Wahl mit dem hervorragenden Abschneiden von Norbert Hofer hat aber gezeigt, dass die Menschen im Land zum Schmied und nicht zum Schmiedl gehen. Oder dass sie es nicht honorieren, wenn die Faulen am Abend fleißig werden. Schließlich haben Rot und Schwarz der Masseneinwanderung nach Österreich lange Zeit mehr oder weniger tatenlos zugesehen und erst – wie für viele Wähler leicht zu durchschauen war – in Anbetracht der bevorstehenden Bundespräsidentenwahl gehandelt.

Was in den kommenden Wochen bis zur Stichwahl am 22. Mai zu erwarten ist, ist eine zunehmende politische Polarisierung. Das Gutmenschentum wird, mit Unterstützung politisch korrekter Medien, nichts unversucht lassen, Norbert Hofer zu diskreditieren und ihn in die extremistische Ecke zu stellen. Allerdings gibt es in Österreich seit dem Ende der SPÖ-Alleinregierung unter Brune Kreisky eine strukturelle Mitte-Rechts-Mehrheit. Und diese Mitte-Rechts-Wähler wird Norbert Hofer mit seiner freundlichen und ehrlichen Art von sich überzeugen können


Signal für eine neue Republik

22. April 2016

Eine Analyse

Bisher waren es nur Umfragen, die erkennen ließen, dass die tragenden politischen Kräfte der Zweiten Republik ausgedient haben. Demnach hätten die Volkspartei und die Sozialdemokratie nur mehr gut 40 Prozent der Wähler hinter sich und die weitaus stärkste Partei wäre die rechte Opposition, wären die Freiheitlichen. Wie gesagt, bis jetzt alles noch Umfragen. Nun allerdings dürfte die Hofburg-Wahl zum Amt des österreichischen Staatsoberhauptes erstmals anhand eines realen Wahlergebnisses beweisen, dass sich die politische Landschaft der Republik entscheidend gewandelt hat. Nicht nur, dass man einem jungen, verbindlichen und freundlichen FPÖ-Mann das höchste Staatsamt zutraut und damit zeigt, dass diese allzu lange ausgegrenzte und verteufelte politische Kraft längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, nein, auch weil sich rein quantitativ erweist, dass längst andere politische Kräfte als Rot und Schwarz die breite Mehrheit der Bevölkerung vertreten. Wenn man nunmehr davon ausgeht, dass das politische System der Zweiten Republik der rot–schwarze bzw. schwarz–rote Proporz und damit auch immer wieder die alte, große Koalition ausgemacht hat, dann muss man somit den Befund akzeptieren, dass die Zweite Republik als solche ihre konstituierende Basis verloren hat und damit im Grunde aufgehört hat, zu bestehen.
Bereits einmal, nämlich in den 90er-Jahren, mit dem Aufstieg der Haider-FPÖ, schien sich eine solche Entwicklung anzubahnen. Die blau-schwarze Koalition vom Januar 2000 versuchte, die alte konsensuale Politik der rot-schwarzen Proporzpolitik in ein konfrontatives System umzuwandeln, in dem ein Mitte-Rechts-Block der Linken gegenüber stand. Dieser Versuch scheiterte kurzfristig allerdings, um noch einmal ein Aufleben der alten Proporz-Republik des alten rot–schwarzen Systems bis zum heutigen Tag zu ermöglichen. Nun scheint aber auch dieses letzte Aufflackern dieses Systems zu erlöschen. Am klarsten ist dies daran erkennbar, dass die Kandidaten von Rot-Schwarz hinter dem freiheitlichen und dem grünen Kandidaten und sogar hinter der unabhängigen Kandidatin liegen.
Aber zu welchem neuen politischen System kann diese neue politische Entwicklung führen? Der ÖVP-Kandidat Andreas Khol hat das in der vorigen Woche in der ORF-„Pressestunde“ angedeutet: Eine Zweierkoalition wird es in Hinkunft wohl nur mehr unter der Führung der FPÖ geben können. Was allerdings nicht bedeutet, dass die ausgediente rot-schwarze Koalition nicht versuchen könnte, mit Hilfe subsidiärer Kräfte wie der Grünen oder der NEOS doch noch eine knappe Mehrheit für eine Regierungsbildung zustande zu bringen. Was aber demokratiepolitisch zur völligen Katastrophe führen würde und das Anwachsen der Freiheitlichen bis hin zu einer absoluten Mehrheit nach sich ziehen könnte. Die dauerhafte Ausgrenzung einer 30-Prozent-Partei aus der Regierungstätigkeit dürfte also auf Dauer kaum möglich sein.
Allfällige Zweier-Regierungskombinationen in der Zukunft erweisen sich bei näherer Analyse wohl nur in eine Richtung als möglich. Auch wenn es in der freiheitlichen Tradition liegt, im „Zweifel liebermit Rot als mit Schwarz“ zu gehen, dürfte eine freiheitlich-sozialdemokratische Koalition nichtwirklich realisierbar sein. Allzu emotional und unvereinbar sind die Positionen der SPÖ-Linken und jener politisch korrektenZeitgeist-Kreise, die das Umfeld der alten Sozialdemokratie noch immer prägen.
Dass es allerdings einflußreiche Kräfte in der FPÖ gibt, die eine freiheitlich-sozialdemokratische Koalition befürworten, steht außer Zweifel. Unter der eher symbolischen Patronanz von Alt-Vizekanzler Norbert Steger dürfte hier nach wie vor der eine oder andere Faden gesponnen werden. Allein die Vranitzky-Doktrin ist in den letzten 20 Jahren allzu oft wiederholtworden und von großen Teilen der Sozialdemokratie auch wirklich verinnerlicht, um eine solche Variante zu ermöglichen.
Bleibt also die blau-schwarze Variante, die es unter Wolfgang Schüssel schon einmal gab und die mit dem „Inhalieren“ weiter Teile der freiheitlichen Wählerschaft endete. Nunmehr aber scheint sie wohl nur mehr unter umgekehrten Vorzeichen, nämlich unter freiheitlicher Kanzlerschaft möglich. Kurz und Kollegen müßten wohl oder übel – glaubt man den Umfragen – den Juniorpartner geben. Eine solche Zweiervariante unter blauer Führung wäre – sollte sie sich über längere Zeit halten – zweifellos das Ende des rot–schwarzen Proporzsystems im Lande. Einen inhaltlichen Paradigmenwechsel würde sie wohl nicht nach sich ziehen, da dieser schon jetzt in weiten Bereichen vorweggenommen zu werden scheint. Zentrale freiheitliche Forderungen, wie etwa die Beschränkung der sozialen Transferzahlungen auf Staatsbürger und eine restriktive Zuwanderungspolitik bis hin zur „Minuszuwanderung“, solche Forderungen werden jetzt von der rot–schwarzen Regierung in ihrer Verzweiflung vorweggenommen. Ebenso wie die eine oder andere zentralistische Lenkungsmaßnahme aus Brüssel, der sich bereits jetzt Werner Faymann mit geringer Glaubwürdigkeit – allerdings mit Applaus aus dem Boulevard – entgegenzustellen scheint. EU-Sanktionen wie im Jahre 2000 brauchte Österreich in einem solchen Fall jetzt nicht mehr zu fürchten.
Nationalkonservative Regierungen wie in Polen, in Ungarn und in Kroatien, aber auch linkspopulistische wie in der Slowakei würden dem gewiss ihre Zustimmung verweigern. Und die Solidaritätswelle, die jene immer stärker werdenden als „rechtspopulistisch“ abgestempelten Kräfte erfassen würde, die von Frankreich über Deutschland bis hin nach Italien zunehmend anwachsen, diese Solidaritätswelle hätte es auch in sich. Der italienische Lega-Nord-Chef Matteo Salvini, Front National-Präsidentin Marine Le Pen und UKIP-Chef Nigel Farage würden sich ebenso wie Frau Petry die Türklinke in einem von Strache besetzten Kanzleramt reichen. Österreich wäre also in einer freiheitlich geführten Bundesregierung längst kein europäischer Sonderfall mehr. Sehr wohl allerdings dürfte es zu einer Verschärfung des innenpolitischen Klimas kommen.Die seinerzeitigen Donnerstags-Demonstrationen gegen die Schüssel-Haider-Regierung könnten fröhliche Urständ feiern, wenn die Grünen in der linken Reichshälfte zur dominierenden Kraft würden. Wie weit es zu sozialen Spannungen käme, ist wohl fraglich.
Die herkömmliche Sozialpartnerschaft würde aber durch den neuen Links-Rechts-Antagonismus zweifellos leiden. Die genuine Verbindung mit dem rot–schwarzen Proporzsystem würde zwangsläufig dazu führen, dass die Sozialpartnerschaft ebenso wie der rot–schwarze Proporz seine bestimmende Funktion für die politische Landschaft in der Republik verlöre. Damit stünde die freiheitliche Sozialpolitik allerdings vor der Nagelprobe, wie weit sie in der Lage wäre, hier Ersatz zu schaffen.
Was die metapolitische Ebene und die Identität einer solcherart veränderten Republik beträfe, so müssten es keineswegs nur Rückgriffe auf nationalkonservative und patriotische Versatzstücke sein, die hier dominieren würden. Eine sich solcherart erneuernde Republik könnte vielmehr eine gewisse postmoderne Identität entwickeln, wie etwa die kleineren und mittel- und osteuropäischen Nationen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nach 1989: In Form der Bewahrung und Wiederentdeckung des Eigenen, der kleinräumigen Heimatbereiche in Verbindung mit weltoffener Vernetzung und HightechÖkonomie. Das kleine Wirtschaftswunder der baltischen Staaten, das bayrische Motto „Laptop und Lederhose“, die Schweizer direkte Demokratie, solche Modelle könnten hier Platz greifen. Nach der geradezu sklerotischen Politik der ausgehenden Ära der Zweiten Republik könnten die Verwerfungen rund um die Hofburg-Wahl, die wir gegenwärtig erleben, auch einen Neuaufbruch für das Land zeitigen. Bei einigem Optimismus …


Telekratie

20. April 2016

Darüber sind sich die Meinungsforscher und die politischen Beobachter einig: Die heurige Hofburg-Wahl um das Amt des österreichischen Staatsoberhauptes wird nicht auf den Jahrmärkten und in den Bierzelten, nicht bei Hausbesuchen und nicht bei Parteiveranstaltungen entschieden, nein, sie wird durch die TV-Auftritte der Kandidaten entscheidend beeinflusst werden. Die diversen Zweier-Konfrontationen und TV-Duelle, die Elefantenrunden, und zwar nicht nur jene im ORF, sondern auch in den Privatsendern Puls4 und ATV, sie entscheiden im Wesentlichen darüber, ob die Bürger dem einen oder anderen ihr Vertrauen schenken.
Zwar wissen alle, die irgendwann einmal einen Wahlkampf als Kandidat oder gar als Spitzenkandidat bestritten haben, dass man dort, wo man direkten Bürgerkontakt hatte, auch direkte Stimmen, also etwa Vorzugstimmen erhält. Bei einem bundesweiten Wahlkampf aber ist dies nur mehr sehr beschränkt notwendig und bei der Bundespräsidentenwahl geht es ja nicht darum, zehntausend oder maximal hunderttausend Vorzugsstimmen zu erhalten, nein, letztlich soll man ja einige Millionen Stimmen erhalten, um mehr als 50 Prozent der Wahlbürger – zumindest in der Stichwahl – für sich zu vereinnahmen und das geht mit direktem Kontakt eben nicht mehr.
Über die heurigen TV-Runden mag man denken, was man will. Zum Teil werden die Kandidaten ja vorgeführt wie im Kindergarten oder bei einem Quiz. Und wenn sie und ihre Wahlkampfmanager sich dies von den Journalisten gefallen lassen, ist das ihre Sache. Akzeptieren muss man aber wohl oder übel, dass die Wirkung dieser TVSendungen, dieser Diskussionen und Konfrontationen, eben entscheidend ist. Und – was man noch gar nicht genug bedacht hat – ein Fehler oder ein schlechter Eindruck der Kandidaten ist unter Umständen entscheidender als irgendein kleiner Gewinn in einem Einzelduell. So gesehen hat der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer einen glänzenden Wahlkampf hingelegt.
Dass er mit seiner unfallbedingten Behinderung keinen Veranstaltungsmarathon quer durch die Republik hinlegen kann, war von Anfang an klar. Burghard Breitner, der 1951, als in Österreich das Staatsoberhaupt erstmals vom Volk gewählt wurde, für den Verband der Unabhängigen mit 16 Prozent ein hervorragendes Ergebnis hingelegt hat, hat als Präsidentschaftskandidat – man kann es heute kaum für möglich halten – keine einzige Wahlkampfveranstaltung bestritten. Breitner, der „Engel von Sibirien“, hat nur einmal im Radio zur Bevölkerung gesprochen und trotzdem wurde er damals von einem beachtlichen Teil der Bevölkerung gewählt. Norbert Hofer nun war zwar in allen Bundesländern, vor allem aber im Fernsehen, überaus positiv präsent.
Sein Vorteil war die Jugend, die Freundlichkeit und die offensichtliche Ehrlichkeit, die er auszustrahlen vermochte. Im Gegensatz zur Pensionisten-Runde, die sich da mit Alexander Van der Bellen, Irmgard Griss, Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer am Bildschirm versammelte, wirkte Hofer bisweilen fast wie ein Lausbub, aber wie ein sehr netter und sehr kompetenter und auch sehr prinzipientreuer Lausbub.
Das, was er da inhaltlich vertreten hat, war immer beinharte FPÖ-Linie, allerdings auch konziliant, kompromissbereit und vor allem sehr menschlich vorgetragen. Ob er immer der haushohe Sieger bei allen TV-Konfrontationen und Duellen war, ist wahrscheinlich eine Frage des Geschmacks bzw. der Parteizugehörigkeit, dass er aber die positivste Wirkung auszustrahlen vermochte, das steht außer Zweifel und das dürfte sich wohl auch auf das Wahlergebnis am Sonntag massiv auswirken.
So gesehen leben wir tatsächlich in einer Telekratie, einem politischen System also, in dem die Demokratie von der Television so sehr stark beeinflusst ist, eine Tatsache, die man gut oder weniger gut finden kann, die man aber als solche schlicht und einfach zur Kenntnis nehmen muss.


Keine Groß-, nur Altparteien

14. April 2016

Aktuelle Meinungsumfragen lassen uns wissen, dass die beiden Regierungsparteien, also die Sozialdemokratie und die Volkspartei, zusammen kaum mehr über 44 Prozent an Wählerzustimmung verfügen, dass sie also im Grunde ohne Mehrheit in der Bevölkerung regieren. Die freiheitliche Oppositionspartei hingegen habe sich mit 32 bis 33 Prozent auf hohem Niveau in eben denselben Umfragen stabilisieren können. Sie gilt damit längst als der eigentliche Favorit für die allerspätestens im Herbst 2018 ins Haus stehende Nationalratswahl.
Damit ist klar, dass die beiden ursprünglich tragenden politischen Kräfte der Zweiten Republik längst keine Großparteien mehr sind. Sie sind zu schrumpfenden Mittelparteien geworden, von denen keine auch nur die geringste Chance hätte, eine absolute Regierungsmehrheit bei Wahlen zu erlangen. Und sie haben in Form der großen Koalition, dieses rot–schwarzen Proporz-Erzübels der Republik, auch nicht mehr die Chance, eine solche Mehrheit vorzuweisen. Sie sind also keine Großpartei mehr, sondern Altparteien.
Eben dasselbe Bild könnte sich beim ersten Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl zeigen: Erstmals dürften die Kandidaten der beiden Regierungsparteien nämlich nicht in die Stichwahl kommen. Wenn sich in den letzten Tagen vor dieser Wahl nicht noch etwas Dramatisches ereignet, werden nämlich wohl der grüne Kandidat und der Blaue das Rennen machen.
Was danach auf uns zukommt, darf gespannt erwartet werden: Wird sich die alte Lichtermeer-Koalition, bestehend aus Rot, Schwarz und Grün, fl ankiert von Gewerkschaften, Kirchen, allen politisch korrekten NGOs, der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und so weiter und sofort wieder fi nden, um gemeinsam eine große Aktion zur Verhinderung eines „rechtspopulistischen“ Kandidaten zu formieren? Wie auch immer, ein Wahlgang zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer wird jedenfalls eine eindeutige Richtungswahl sein und uns zeigen, wie die Mehrheitsverhältnisse im Lande wirklich liegen. Aber von wegen Mehrheitsverhältnisse: Dass die FPÖ nach den kommenden Nationalratswahl als stimmenstärkste Partei dastehen könnte, wird kaum mehr bezweifelt. Und dass sie als solche auch den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen müsste, ist auch klar. Wie weit aber dann die niedergehenden Altparteien SPÖ und ÖVP der Versuchung widerstehen können, sich mithilfe eines grünen Steigbügelhalters doch noch eine Regierungsmehrheit zu sichern, das wird eine spannende Frage.
Eine rot–schwarz–grüne Regierungskoalition gegen eine aufstrebende freiheitliche Mehrheitspartei wäre jedenfalls aus demokratiepolitischer Sicht höchst bedenklich. Aber was zählt schon Demokratie, wenn es um Machterhalt, Posten und Pfründe geht?


Wahlfahrten

7. April 2016

Hanno Settele ist ein durchaus intelligenter ORF-Journalist, und längst nicht so überheblich wie der böse Wolf oder so spaßfrei wie Lou L.-D. Auch sein Format „Wahlfahrten“, bei dem er Politiker in den alten Mercedes packt und sie befragender Weise übers Land chauffiert, ist nicht unwitzig (obwohl sich die Frage stellt, ob Setteles Mercedes eigentlich auf einem Tieflader geparkt ist oder ob er tatsächlich beim Selbstchauffieren so herum fuhrwerkt?).
Die Frage stellt sich aber schon, ob derlei halblustige Sendungen dem Ernst der gegenwärtigen Lage und der Würde des höchsten Staatsamtes angemessen sind. Als nächstes werden die Kandidaten für die Hofburg dann bei Kaiser Robert Palfrader vorgeführt oder in irgendeinem Dschungelcamp – „Ich will hier raus“ – getestet.
Aber bitte, die Wahlkampfmanager müssen selbst wissen, was sie ihren Parteien und ihren Kandidaten antun. Und das, was wir bisher gesehen haben, Frau Griss und Herrn Lugner, war ja nicht uninteressant.
Lugner wie gewohnt ein bisschen halblustig, aber doch authentisch. Frau Griss eine in die Jahre gekommene Vorzugsschülerin, die aber dann wie ein Kleinkind bockig wird, wenn man sie nicht ernst nimmt. Und Hanno Settele eben vorarlbergisch-alemannisch hinterfotzig. Durchaus unterhaltsam also.
Die Frage aber, wo der tiefere Sinn der Kandidatur von Frau Griss und Herrn Lugner liegen, diese Frage wurde bei der Settele-Wahlfahrt – wie zu erwarten war – nicht wirklich aufgeworfen. Dass nämlich neben den Parteikandidaten rechts der Mitte, neben dem schwarzen Khol und dem blauen Hofer, mit Lugner und Griss zwei weitere, eher im „bürgerlichen“ Bereich grasende Kandidaten antreten und dass damit rein arithmetisch die Chancen der beiden Linkskandidaten Van der Bellen und Hundstorfer steigen.
Diese Logik will man im ORF offenbar nicht ansprechen, und natürlich weiß jedermann, dass „Mörtl“ unter Umständen ein paar Prozent potentielle freiheitliche Hofer-Wähler für sich vereinnahmen kann, und natürlich weiß man auch, dass die sich so demonstrativ parteifrei gebende Kandidaten Griss bürgerliche Stimmen abziehen dürfte, die möglicherweise in der jetzigen katastrophalen Situation – Stichwort Asylchaos – ansonsten dem freiheitlichen Kandidaten zufielen.
Und genau darum geht es natürlich in Wahrheit: Die FPÖ, die seit Jahr und Tag in den Umfragen stimmenstärkste Partei ist und diesmal mit einem sympathischen jungen Kandidaten zur Wahl zum höchsten Staatsamt antritt, diese FPÖ darf um keinen Preis gewinnen, dazu muss man schon möglichst viele Kandidaten im ersten Wahlgang haben, die nicht den linken Bereich tangieren.
Und wenn der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer doch gute Chancen hat, in die Stichwahl zu kommen, dürfen wir versichert sein, dass wir dann wieder ein Bündnis des gesamten gesellschaftlich-medial-politischen Establishments haben, von den Gewerkschaften über die Kirchen bis hin zur gesamten links gepolten „Zivilgesellschaft“, die eine Einheitsfront gegen den freiheitlichen Kandidaten schmieden werden, damit dieser nicht womöglich in einem zweiten Wahlgang reüssiert. Natürlich hat aus diesem Bereich niemand etwas dagegen, wenn Neo-Heimatschützer Van der Bellen mitsamt seiner ultralinken Entourage in die Hofburg einzöge. So nach dem Motto: Mein Gott, ein paar geläuterte Kommunisten hält die Republik locker aus.
Nach Heinz Fischer und seinem Bruno Aigner, warum sollte da nicht Alexander van der Bellen, flankiert von einigen Ex-Maoisten, Ersatzkaiser in der Hofburg spielen. Nur der Freiheitliche, der darf es nicht werden – zumindest wenn es nach dem Willen des politisch-medialen Establishments geht.
Ob die Österreicher das auch so sehen oder ob sie nicht langsam das Gefühl bekommen, dass auch an der Staatsspitze ein Wechsel stattfinden muss, das werden wir in wenigen Wochen sehen.


Hofburg: Endlich einmal ein normaler Mensch…

11. Februar 2016

Die Bundespräsidenten der Zweiten Republik sind bislang schon eine merkwürdige Spezies. Einerseits kommen sie nahezu alle aus dem politischen Hoch-Establishment, anderseits beschränkten sie sich trotz verfassungsmäßig recht umfangreicher Rechte und Möglichkeiten auf die Funktion von innenpolitischen Frühstücksdirektoren und außenpolitischen Grüß-Augusten.

Da war zuerst einmal Karl Renner, der schlaue alte Fuchs, Gründervater zweier Republiken. Dann der greise Schutzbund-General Theodor Körner, dann Adolf Schärf, der klassische Typ des Beschwichtigungshofrats, schließlich Franz Jonas, biederer Wiener Partei Apparatschik, sowie Rudolf Kirchschläger, Kurt Waldheim und Thomas Klestil, der erste vormals Außenminister, der zweite UNO-Generalsekretär, der dritte Spitzendiplomat und schließlich eben Heinz Fischer. Typus: Kassier des Arbeiterbildungsvereins Simmering.

Und nun kommen die Kandidaten, die dieses Jahr in die Hofburg einziehen wollen: Der Spitzengewerkschafter und gescheiterte Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der Langzeit-Klubobmann und Nationalratspräsident Andreas Khol, die ehemalige OGH-Präsident Irmgard Griss und der Alt-Guru der Grünen, Alexander Van der Bellen. Allesamt würdige Traditionsträger der erstgenannten Präsidenten, die die Republik bislang hatte.

Und dann ist da noch Norbert Hofer, der junge Mann aus dem Burgenland, Vater von vier Kindern, HTL-Ingenieur und Zivilinvalide nach einem schweren Sportunfall. Gewiss, auch er kann auf eine Parteikarriere zurückblicken, aber auf einen Werdegang in einer Partei, die eben nicht zum politischen Establishment gehört. Einer Partei, die vielmehr kritisch gegenüber den Fehlentwicklungen der Republik des nationalen Selbsthasses und der allgemeinen gesamtgesellschaftlichen Dekadenz eingestellt ist.

Aber dieser Norbert Hofer kennt die Sorgen der kleinen Leute, der Familienväter, der Jungen, die beruflich sich mühsam ihren Weg suchen müssen und natürlich auch jener leidgeprüften Menschen, die aufgrund von Behinderung, körperlichen Gebrechen oder eines Unfalls schweres Leiden zu tragen haben. Und damit ist dieser Norbert Hofer keiner, der den Zynismus der etablierten Politik teilt, einen Zynismus, der die Nase rümpft über den viel zitierten „kleinen Mann“, ein Zynismus, dem die Ängste der Durchschnittsösterreicher nur „Suderei“ sind, ein Zynismus, der arrogant über die Sorgen und Nöte der Durchschnitts-Bürger hinweg geht. Dieser Norbert Hofer liegt nun am Beginn seiner Wahlkampagne schon ganz gut in den Umfragen. Dieser Norbert Hofer eröffnet eine Chance, die Österreich bislang seit siebzig Jahren noch nicht gehabt hat: Dass nämlich ein ganz normaler Bürger ins höchste Staatsamt, in die Hofburg einzieht.