Die polarisierte Gesellschaft

12. Mai 2016

Der kalte Bürgerkrieg ist längst ausgebrochen

Der ins Haus stehende zweite Wahlgang zur Kür der höchsten Staatsamtes der Republik Österreich ist geradezu zwingend dazu verdammt, eine Richtungswahl zu sein. Keineswegs schlicht und einfach: Links gegen Rechts. Nein, die Definition der beiden gegnerischen Lager muss schon komplexer und präziser ausfallen. Wenn man sie aber definiert, die potentielle Wählerschaft des Alexander Van der Bellen und jene des Norbert Hofer, kommt man leider zum Ergebnis, dass hier die res publica, die „öffentliche Sache“, die gemeinsame Sache, tatsächlich längst in zwei unversöhnlich einander gegenüberstehende Gruppierungen getrennt ist. Unversöhnlich in dem Sinne, dass hier kaum mehr gegenseitiges Verständnis existiert, kaum mehr der Wille oder die Fähigkeit zum Dialog und auch nicht jener zum politischen Kompromiss. Man wendet zwar vorläufig kaum tatsächliche  Gewalt gegeneinander an – sieht man von den Anarcho-Demos gegen den Wiener Akademikerball ab – verbal und argumentativ ist man längst in offene Frontstellung gegeneinander gegangen. Der kalte Bürgerkrieg tobt also bereits.

Wer steht nun im Lager des grünen Präsidentschaftskandidaten? Wenn man den Medien und der veröffentlichten Meinung glaubt, nahezu alle, die Rang und Namen haben. Politiker aus allen etablierten Parteien, Sportler, Künstler, Wissenschafter und natürlich auch die übrigen Wortspender der Seitenblickegesellschaft; sie lassen mehr oder weniger deutlich wissen, dass sie Van der Bellen wählen werden. Gilt es doch, die Orbánisierung Österreichs, also den Weg hin zu einem rechtsautoritären System, zu verhindern. In den diversen Promi-Umfragen tun sich die Gazetten schwer, den einen oder anderen Unterstützer für Norbert Hofer zu finden. Und wenn es da irgendein Stratosphären-Springer oder ein Volks-Rocker oder gar ein querulatorischer Bestseller-Autor wagt, auch nur eine differenziertere Haltung anzudeuten, von offenen Sympathien für Hofer ganz zu schweigen, dann wird dieser flugs durch die Gazetten und quer durch die „sozialen Medien“ geprügelt. Na, der kann sich dann anschauen. Sponsoren, Konzertveranstalter und Verleger ziehen sich in solchem Falle nur allzu rasch zurück.

Merkwürdig nur, dass Alexander Van der B. nicht schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erlangte, wo doch offenbar alle für ihn sind. Tatsächlich sind es aber nur die gutmenschlichen Bereiche der Gesellschaft und natürlich die „Seitenblicke-Community“, die den Kernwählerbereich des rot-grünen Professors ausmachen. Die kritiklosen Verfechter der political correctness, die deklarierten Zuwanderungsbefürworter, die Schwulen-Lobbyisten, die radikalen Feministinnen sind es einerseits und andererseits die sogenannten „Bobos“, die jungen, erfolgreichen, absolut „trendigen“ Zeitgeistritter. Dazu kommen dann natürlich jene Kräfte, die aus anderen parteipolitischen Gründen gegen die Freiheitlichen und ihren Kandidaten sind. Das politische Establishment der beiden Regierungsparteien gehört dazu. Die Spitzenfunktionäre von Rot und Schwarz gönnen der Opposition verständlicherweise keinen Erfolg. Zwar wird es keine parteioffizielle Wahlempfehlung für den grünen Kandidaten geben, der rote Bundeskanzler, der rote Bürgermeister von Wien, sie haben allerdings schon klar geäußert, dass sie Van der Bellen wählen würden. Und der eine oder andere Alt-Grande der ÖVP, wie der einstige EU-Kommissar Fischler, tut dies ebenso. Die ÖVP selbst allerdings wird sich hüten, eine Empfehlung abzugeben, da sie sich künftige Regierungsoptionen mit den immer stärker werdenden Freiheitlichen aus rein taktischen Gründen wohl offen halten wird.

In der zunehmenden Polarisierung vor dem zweiten Wahlgang dürfte es dann wohl so etwas wie eine gesamtgesellschaftliche „Lichtermeer-Koalition“ geben, bestehend wie seinerzeit bei der Demonstration gegen das Haidersche Volksbegehren „Österreich zuerst“ aus allen zivilgesellschaftlichen und politisch etablierten Bereichen der Republik, von den Gewerkschaften über die Kirchen bis hin zu den Universitäten und den Kulturschaffenden. Und diese „Lichtermeer-Koalition“ wird gegen die „Orbánisierung bzw. Putiniserung“ Österreichs agitieren.

Wer sind nun jene, die den freiheitlichen Kandidaten, der im ersten Wahlgang so überraschend obsiegte, unterstützen? Sind es nur die freiheitlichen Wähler, maximal ein Drittel der wahlberechtigten Bürger? Oder ist es gar eine schweigende Mehrheit? Nun glauben Politikwissenschafter zu wissen, dass Österreich so etwas wie eine strukturelle rechte Mehrheit hat. Wenn es bloß eine Polarisierung zwischen Links und Rechts wäre, würden freiheitliche und bürgerliche ÖVP-Wähler, ergänzt durch wertkonservative Kreise aus der ehemaligen Arbeiterschaft, zweifellos eine Mehrheit haben. Aber wie gesagt: Es geht nicht ausschließlich um eine Links-Rechts-Auseinandersetzung. Zum einen ist da natürlich einmal das traditionell freiheitliche Lager, das für Hofer stimmen wird. Dann sind es die Protestwähler, die von der rot-schwarzen Politik des Stillstands schlicht und einfach genug haben. Und schließlich sind es jene, die sich angesichts der unkontrollierten Massenzuwanderung in tiefer Sorge von der etablierten Politik abwenden. Sie alle werden wohl für den freiheitlichen Kandidaten stimmen und damit gegen das politische Establishment. Dabeisein werden zweifellos konservative und christlich orientierte vormalige ÖVP-Wähler, die sich gegen die Islamisierung des Landes aussprechen. Dabei werden aber auch in hohem Maße ehemalige SPÖ-Wähler aus dem Bereich der einstigen Arbeiterschaft sein, die unter Lohndumping und Sozialabbau leiden und durch die Zuwanderung einer neuen Konkurrenz im Wohnungs- und Arbeitsmarkt ausgesetzt sind. Naserümpfend mögen da die Soziologen von „Veränderungsverlierern“ sprechen, deren Ängste von den Populisten ausgenützt würden. Übersehen wird dabei allerdings, dass diese Ängste durchaus reale Gründe haben und dass es tatsächlich eine breite Schicht in der Bevölkerung gibt, die durch die gesellschaftlichen Veränderungen zunehmend unter Druck kommt.

Die inhaltliche Scheidemauer zwischen diesen beiden skizzierten großen Gruppen der heimischen Bevölkerung stellt zweifellos die Zuwanderungs- und Flüchtlingsproblematik dar. Wer eine weitere Zuwanderung ablehnt, ist für den blauen Kandidaten. Wer da meint, dass das Boot längst noch nicht voll sei, steht für den Grünen. Und in dieser wesentlichen Frage gibt es zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Gruppierungen kaum mehr die Möglichkeit auf einen Konsens, ja kaum mehr zu einem Dialog. Und nachdem die dominierende etablierte Seite der Gesellschaft den freiheitlichen Herausforderern weitestgehend den Diskurs verweigert – die alte Ausgrenzungsstrategie ist nach wie vor vorhanden – gibt es zwischen beiden Bereichen kaum mehr eine wirkliche intellektuelle Auseinandersetzung. Der eine oder andere nonkonformistische Ausreißer in Form vereinzelter Gastkommentare da oder dort in den etablierten Medien ändert daran nichts.


In der Mitte der Gesellschaft angekommen

12. Mai 2016

Die erste Runde der Bundespräsidentenwahl hat es erneut beweisen: Die Freiheitlichen sind längst nicht mehr die Schmuddelkinder der Republik, ihr Kandidat für das höchste Amt im Staate, Norbert Hofer, konnte – mit deutlichem Vorsprung vor dem Zweitplazierten – mehr als ein Drittel der Wählerstimmen für sich gewinnen. Der Kandidat der früher stigmatisierten und ausgegrenzten Freiheitlichen hat also eine reale Chance, nächster Bundespräsident zu werden. Dass die FPÖ längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, zeigen auch die Ergebnisse oder Landtagswahlen in Oberösterreich, der Steiermark und dem Burgenland sowie bundesweite Meinungsumfragen, welche die Freiheitlichen mit deutlichem Vorsprung an der ersten Stelle und Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache in Kanzlerfrage vor Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner.

Die Freiheitlichen sind aber nicht nur quantitativ in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sondern auch qualitativ. Immer häufiger beginnt die rot–schwarze Bundesregierung damit, freiheitliche Forderungen, die vor wenigen Monaten noch als „Hetze“ abgetan wurden, zu erfüllen. Forderte die FPÖ einen Grenzzaun, so werden nun „Grenzsperren“ erreichtet. Und Integrationsminister Kurz will plötzlich die Familienbeihilfe, die ins Ausland überwiesen wird, an das jeweilige Kaufkraftniveau koppeln. Lange Zeit wurden die Freiheitlichen, die fordern, dass Sozialleistungen vorrangig den eigenen Staatsbürgern zugutekommen, vom heimischen Gutmenschentum als „Rassisten“ und „Fremdenfeinde“ beschimpft.

Die erste Runde der Hofburg-Wahl mit dem hervorragenden Abschneiden von Norbert Hofer hat aber gezeigt, dass die Menschen im Land zum Schmied und nicht zum Schmiedl gehen. Oder dass sie es nicht honorieren, wenn die Faulen am Abend fleißig werden. Schließlich haben Rot und Schwarz der Masseneinwanderung nach Österreich lange Zeit mehr oder weniger tatenlos zugesehen und erst – wie für viele Wähler leicht zu durchschauen war – in Anbetracht der bevorstehenden Bundespräsidentenwahl gehandelt.

Was in den kommenden Wochen bis zur Stichwahl am 22. Mai zu erwarten ist, ist eine zunehmende politische Polarisierung. Das Gutmenschentum wird, mit Unterstützung politisch korrekter Medien, nichts unversucht lassen, Norbert Hofer zu diskreditieren und ihn in die extremistische Ecke zu stellen. Allerdings gibt es in Österreich seit dem Ende der SPÖ-Alleinregierung unter Brune Kreisky eine strukturelle Mitte-Rechts-Mehrheit. Und diese Mitte-Rechts-Wähler wird Norbert Hofer mit seiner freundlichen und ehrlichen Art von sich überzeugen können


Signal für eine neue Republik

22. April 2016

Eine Analyse

Bisher waren es nur Umfragen, die erkennen ließen, dass die tragenden politischen Kräfte der Zweiten Republik ausgedient haben. Demnach hätten die Volkspartei und die Sozialdemokratie nur mehr gut 40 Prozent der Wähler hinter sich und die weitaus stärkste Partei wäre die rechte Opposition, wären die Freiheitlichen. Wie gesagt, bis jetzt alles noch Umfragen. Nun allerdings dürfte die Hofburg-Wahl zum Amt des österreichischen Staatsoberhauptes erstmals anhand eines realen Wahlergebnisses beweisen, dass sich die politische Landschaft der Republik entscheidend gewandelt hat. Nicht nur, dass man einem jungen, verbindlichen und freundlichen FPÖ-Mann das höchste Staatsamt zutraut und damit zeigt, dass diese allzu lange ausgegrenzte und verteufelte politische Kraft längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, nein, auch weil sich rein quantitativ erweist, dass längst andere politische Kräfte als Rot und Schwarz die breite Mehrheit der Bevölkerung vertreten. Wenn man nunmehr davon ausgeht, dass das politische System der Zweiten Republik der rot–schwarze bzw. schwarz–rote Proporz und damit auch immer wieder die alte, große Koalition ausgemacht hat, dann muss man somit den Befund akzeptieren, dass die Zweite Republik als solche ihre konstituierende Basis verloren hat und damit im Grunde aufgehört hat, zu bestehen.
Bereits einmal, nämlich in den 90er-Jahren, mit dem Aufstieg der Haider-FPÖ, schien sich eine solche Entwicklung anzubahnen. Die blau-schwarze Koalition vom Januar 2000 versuchte, die alte konsensuale Politik der rot-schwarzen Proporzpolitik in ein konfrontatives System umzuwandeln, in dem ein Mitte-Rechts-Block der Linken gegenüber stand. Dieser Versuch scheiterte kurzfristig allerdings, um noch einmal ein Aufleben der alten Proporz-Republik des alten rot–schwarzen Systems bis zum heutigen Tag zu ermöglichen. Nun scheint aber auch dieses letzte Aufflackern dieses Systems zu erlöschen. Am klarsten ist dies daran erkennbar, dass die Kandidaten von Rot-Schwarz hinter dem freiheitlichen und dem grünen Kandidaten und sogar hinter der unabhängigen Kandidatin liegen.
Aber zu welchem neuen politischen System kann diese neue politische Entwicklung führen? Der ÖVP-Kandidat Andreas Khol hat das in der vorigen Woche in der ORF-„Pressestunde“ angedeutet: Eine Zweierkoalition wird es in Hinkunft wohl nur mehr unter der Führung der FPÖ geben können. Was allerdings nicht bedeutet, dass die ausgediente rot-schwarze Koalition nicht versuchen könnte, mit Hilfe subsidiärer Kräfte wie der Grünen oder der NEOS doch noch eine knappe Mehrheit für eine Regierungsbildung zustande zu bringen. Was aber demokratiepolitisch zur völligen Katastrophe führen würde und das Anwachsen der Freiheitlichen bis hin zu einer absoluten Mehrheit nach sich ziehen könnte. Die dauerhafte Ausgrenzung einer 30-Prozent-Partei aus der Regierungstätigkeit dürfte also auf Dauer kaum möglich sein.
Allfällige Zweier-Regierungskombinationen in der Zukunft erweisen sich bei näherer Analyse wohl nur in eine Richtung als möglich. Auch wenn es in der freiheitlichen Tradition liegt, im „Zweifel liebermit Rot als mit Schwarz“ zu gehen, dürfte eine freiheitlich-sozialdemokratische Koalition nichtwirklich realisierbar sein. Allzu emotional und unvereinbar sind die Positionen der SPÖ-Linken und jener politisch korrektenZeitgeist-Kreise, die das Umfeld der alten Sozialdemokratie noch immer prägen.
Dass es allerdings einflußreiche Kräfte in der FPÖ gibt, die eine freiheitlich-sozialdemokratische Koalition befürworten, steht außer Zweifel. Unter der eher symbolischen Patronanz von Alt-Vizekanzler Norbert Steger dürfte hier nach wie vor der eine oder andere Faden gesponnen werden. Allein die Vranitzky-Doktrin ist in den letzten 20 Jahren allzu oft wiederholtworden und von großen Teilen der Sozialdemokratie auch wirklich verinnerlicht, um eine solche Variante zu ermöglichen.
Bleibt also die blau-schwarze Variante, die es unter Wolfgang Schüssel schon einmal gab und die mit dem „Inhalieren“ weiter Teile der freiheitlichen Wählerschaft endete. Nunmehr aber scheint sie wohl nur mehr unter umgekehrten Vorzeichen, nämlich unter freiheitlicher Kanzlerschaft möglich. Kurz und Kollegen müßten wohl oder übel – glaubt man den Umfragen – den Juniorpartner geben. Eine solche Zweiervariante unter blauer Führung wäre – sollte sie sich über längere Zeit halten – zweifellos das Ende des rot–schwarzen Proporzsystems im Lande. Einen inhaltlichen Paradigmenwechsel würde sie wohl nicht nach sich ziehen, da dieser schon jetzt in weiten Bereichen vorweggenommen zu werden scheint. Zentrale freiheitliche Forderungen, wie etwa die Beschränkung der sozialen Transferzahlungen auf Staatsbürger und eine restriktive Zuwanderungspolitik bis hin zur „Minuszuwanderung“, solche Forderungen werden jetzt von der rot–schwarzen Regierung in ihrer Verzweiflung vorweggenommen. Ebenso wie die eine oder andere zentralistische Lenkungsmaßnahme aus Brüssel, der sich bereits jetzt Werner Faymann mit geringer Glaubwürdigkeit – allerdings mit Applaus aus dem Boulevard – entgegenzustellen scheint. EU-Sanktionen wie im Jahre 2000 brauchte Österreich in einem solchen Fall jetzt nicht mehr zu fürchten.
Nationalkonservative Regierungen wie in Polen, in Ungarn und in Kroatien, aber auch linkspopulistische wie in der Slowakei würden dem gewiss ihre Zustimmung verweigern. Und die Solidaritätswelle, die jene immer stärker werdenden als „rechtspopulistisch“ abgestempelten Kräfte erfassen würde, die von Frankreich über Deutschland bis hin nach Italien zunehmend anwachsen, diese Solidaritätswelle hätte es auch in sich. Der italienische Lega-Nord-Chef Matteo Salvini, Front National-Präsidentin Marine Le Pen und UKIP-Chef Nigel Farage würden sich ebenso wie Frau Petry die Türklinke in einem von Strache besetzten Kanzleramt reichen. Österreich wäre also in einer freiheitlich geführten Bundesregierung längst kein europäischer Sonderfall mehr. Sehr wohl allerdings dürfte es zu einer Verschärfung des innenpolitischen Klimas kommen.Die seinerzeitigen Donnerstags-Demonstrationen gegen die Schüssel-Haider-Regierung könnten fröhliche Urständ feiern, wenn die Grünen in der linken Reichshälfte zur dominierenden Kraft würden. Wie weit es zu sozialen Spannungen käme, ist wohl fraglich.
Die herkömmliche Sozialpartnerschaft würde aber durch den neuen Links-Rechts-Antagonismus zweifellos leiden. Die genuine Verbindung mit dem rot–schwarzen Proporzsystem würde zwangsläufig dazu führen, dass die Sozialpartnerschaft ebenso wie der rot–schwarze Proporz seine bestimmende Funktion für die politische Landschaft in der Republik verlöre. Damit stünde die freiheitliche Sozialpolitik allerdings vor der Nagelprobe, wie weit sie in der Lage wäre, hier Ersatz zu schaffen.
Was die metapolitische Ebene und die Identität einer solcherart veränderten Republik beträfe, so müssten es keineswegs nur Rückgriffe auf nationalkonservative und patriotische Versatzstücke sein, die hier dominieren würden. Eine sich solcherart erneuernde Republik könnte vielmehr eine gewisse postmoderne Identität entwickeln, wie etwa die kleineren und mittel- und osteuropäischen Nationen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nach 1989: In Form der Bewahrung und Wiederentdeckung des Eigenen, der kleinräumigen Heimatbereiche in Verbindung mit weltoffener Vernetzung und HightechÖkonomie. Das kleine Wirtschaftswunder der baltischen Staaten, das bayrische Motto „Laptop und Lederhose“, die Schweizer direkte Demokratie, solche Modelle könnten hier Platz greifen. Nach der geradezu sklerotischen Politik der ausgehenden Ära der Zweiten Republik könnten die Verwerfungen rund um die Hofburg-Wahl, die wir gegenwärtig erleben, auch einen Neuaufbruch für das Land zeitigen. Bei einigem Optimismus …


Telekratie

20. April 2016

Darüber sind sich die Meinungsforscher und die politischen Beobachter einig: Die heurige Hofburg-Wahl um das Amt des österreichischen Staatsoberhauptes wird nicht auf den Jahrmärkten und in den Bierzelten, nicht bei Hausbesuchen und nicht bei Parteiveranstaltungen entschieden, nein, sie wird durch die TV-Auftritte der Kandidaten entscheidend beeinflusst werden. Die diversen Zweier-Konfrontationen und TV-Duelle, die Elefantenrunden, und zwar nicht nur jene im ORF, sondern auch in den Privatsendern Puls4 und ATV, sie entscheiden im Wesentlichen darüber, ob die Bürger dem einen oder anderen ihr Vertrauen schenken.
Zwar wissen alle, die irgendwann einmal einen Wahlkampf als Kandidat oder gar als Spitzenkandidat bestritten haben, dass man dort, wo man direkten Bürgerkontakt hatte, auch direkte Stimmen, also etwa Vorzugstimmen erhält. Bei einem bundesweiten Wahlkampf aber ist dies nur mehr sehr beschränkt notwendig und bei der Bundespräsidentenwahl geht es ja nicht darum, zehntausend oder maximal hunderttausend Vorzugsstimmen zu erhalten, nein, letztlich soll man ja einige Millionen Stimmen erhalten, um mehr als 50 Prozent der Wahlbürger – zumindest in der Stichwahl – für sich zu vereinnahmen und das geht mit direktem Kontakt eben nicht mehr.
Über die heurigen TV-Runden mag man denken, was man will. Zum Teil werden die Kandidaten ja vorgeführt wie im Kindergarten oder bei einem Quiz. Und wenn sie und ihre Wahlkampfmanager sich dies von den Journalisten gefallen lassen, ist das ihre Sache. Akzeptieren muss man aber wohl oder übel, dass die Wirkung dieser TVSendungen, dieser Diskussionen und Konfrontationen, eben entscheidend ist. Und – was man noch gar nicht genug bedacht hat – ein Fehler oder ein schlechter Eindruck der Kandidaten ist unter Umständen entscheidender als irgendein kleiner Gewinn in einem Einzelduell. So gesehen hat der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer einen glänzenden Wahlkampf hingelegt.
Dass er mit seiner unfallbedingten Behinderung keinen Veranstaltungsmarathon quer durch die Republik hinlegen kann, war von Anfang an klar. Burghard Breitner, der 1951, als in Österreich das Staatsoberhaupt erstmals vom Volk gewählt wurde, für den Verband der Unabhängigen mit 16 Prozent ein hervorragendes Ergebnis hingelegt hat, hat als Präsidentschaftskandidat – man kann es heute kaum für möglich halten – keine einzige Wahlkampfveranstaltung bestritten. Breitner, der „Engel von Sibirien“, hat nur einmal im Radio zur Bevölkerung gesprochen und trotzdem wurde er damals von einem beachtlichen Teil der Bevölkerung gewählt. Norbert Hofer nun war zwar in allen Bundesländern, vor allem aber im Fernsehen, überaus positiv präsent.
Sein Vorteil war die Jugend, die Freundlichkeit und die offensichtliche Ehrlichkeit, die er auszustrahlen vermochte. Im Gegensatz zur Pensionisten-Runde, die sich da mit Alexander Van der Bellen, Irmgard Griss, Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer am Bildschirm versammelte, wirkte Hofer bisweilen fast wie ein Lausbub, aber wie ein sehr netter und sehr kompetenter und auch sehr prinzipientreuer Lausbub.
Das, was er da inhaltlich vertreten hat, war immer beinharte FPÖ-Linie, allerdings auch konziliant, kompromissbereit und vor allem sehr menschlich vorgetragen. Ob er immer der haushohe Sieger bei allen TV-Konfrontationen und Duellen war, ist wahrscheinlich eine Frage des Geschmacks bzw. der Parteizugehörigkeit, dass er aber die positivste Wirkung auszustrahlen vermochte, das steht außer Zweifel und das dürfte sich wohl auch auf das Wahlergebnis am Sonntag massiv auswirken.
So gesehen leben wir tatsächlich in einer Telekratie, einem politischen System also, in dem die Demokratie von der Television so sehr stark beeinflusst ist, eine Tatsache, die man gut oder weniger gut finden kann, die man aber als solche schlicht und einfach zur Kenntnis nehmen muss.


Keine Groß-, nur Altparteien

14. April 2016

Aktuelle Meinungsumfragen lassen uns wissen, dass die beiden Regierungsparteien, also die Sozialdemokratie und die Volkspartei, zusammen kaum mehr über 44 Prozent an Wählerzustimmung verfügen, dass sie also im Grunde ohne Mehrheit in der Bevölkerung regieren. Die freiheitliche Oppositionspartei hingegen habe sich mit 32 bis 33 Prozent auf hohem Niveau in eben denselben Umfragen stabilisieren können. Sie gilt damit längst als der eigentliche Favorit für die allerspätestens im Herbst 2018 ins Haus stehende Nationalratswahl.
Damit ist klar, dass die beiden ursprünglich tragenden politischen Kräfte der Zweiten Republik längst keine Großparteien mehr sind. Sie sind zu schrumpfenden Mittelparteien geworden, von denen keine auch nur die geringste Chance hätte, eine absolute Regierungsmehrheit bei Wahlen zu erlangen. Und sie haben in Form der großen Koalition, dieses rot–schwarzen Proporz-Erzübels der Republik, auch nicht mehr die Chance, eine solche Mehrheit vorzuweisen. Sie sind also keine Großpartei mehr, sondern Altparteien.
Eben dasselbe Bild könnte sich beim ersten Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl zeigen: Erstmals dürften die Kandidaten der beiden Regierungsparteien nämlich nicht in die Stichwahl kommen. Wenn sich in den letzten Tagen vor dieser Wahl nicht noch etwas Dramatisches ereignet, werden nämlich wohl der grüne Kandidat und der Blaue das Rennen machen.
Was danach auf uns zukommt, darf gespannt erwartet werden: Wird sich die alte Lichtermeer-Koalition, bestehend aus Rot, Schwarz und Grün, fl ankiert von Gewerkschaften, Kirchen, allen politisch korrekten NGOs, der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und so weiter und sofort wieder fi nden, um gemeinsam eine große Aktion zur Verhinderung eines „rechtspopulistischen“ Kandidaten zu formieren? Wie auch immer, ein Wahlgang zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer wird jedenfalls eine eindeutige Richtungswahl sein und uns zeigen, wie die Mehrheitsverhältnisse im Lande wirklich liegen. Aber von wegen Mehrheitsverhältnisse: Dass die FPÖ nach den kommenden Nationalratswahl als stimmenstärkste Partei dastehen könnte, wird kaum mehr bezweifelt. Und dass sie als solche auch den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen müsste, ist auch klar. Wie weit aber dann die niedergehenden Altparteien SPÖ und ÖVP der Versuchung widerstehen können, sich mithilfe eines grünen Steigbügelhalters doch noch eine Regierungsmehrheit zu sichern, das wird eine spannende Frage.
Eine rot–schwarz–grüne Regierungskoalition gegen eine aufstrebende freiheitliche Mehrheitspartei wäre jedenfalls aus demokratiepolitischer Sicht höchst bedenklich. Aber was zählt schon Demokratie, wenn es um Machterhalt, Posten und Pfründe geht?


Der Bock als Gärtner

24. März 2016

In der ORF-„Pressestunde“ am vergangenen Sonntag gefi el sich Johanne Milk-Leitner offenkundig in der Rolle der „ Eisernen Lady“. Es müsse verhindert werden, dass eine sogenannte Ostbalkan-Route von der Türkei über Bulgarien und dann weiter nach Mitteleuropa entsteht, meinte die schwarze Innenministerin unter anderem.
Völlig umgeschwenkt ist Werner Faymann. Galt der rote Bundeskanzler lange Zeit als österreichisches Vollzugsorgan seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel, so sind nun aus dem Munde Faymanns ganz andere Aussagen zu vernehmen. So bezweifelt er öffentlich Merkels unverantwortliche „Wir schaffen das“-Politik, meint in Richtung Berlin, die Alpenrepublik sei nicht das „Wartezimmer“ Deutschlands, und hat auf einmal mit dem Begriff „Obergrenze“ keine Probleme mehr.
Der Sinneswandel in der rot–schwarzen Koalition, insbesondere in der roten Reichshälfte, ist freilich leicht zu durchschauen. In vier Wochen sind die Österreicher aufgerufen, einen neuen Bundespräsidenten zu wählen, und nach fast allen Umfragen werden die Kandidaten von SPÖ und ÖVP, Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol, beim Einzug in die Stichwahl scheitern.
Hingegen kann man vom Antritt des freiheitlichen Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer in der zweiten Wahlrunde ausgehen. Und fi x kann man davon ausgehen, dass die Masseneinwanderung das beherrschende Thema schlechthin in der heißen Phase des Wahlkampfes sein wird.
Angesichts der drohenden Niederlage bei der Hofburg-Wahl hoffen Rot und Schwarz nun, mit einem härteren Kurs in der sogenannten Asylkrise aus den Hirnen der Österreicher zu verdrängen, dass gerade sie dafür verantwortlich sind, dass im Vorjahr rund 90.000 Einwanderer ins Land kamen, dass den Steuerzahlern Kosten in Milliardenhöhe entstehen werden, dass Frauen von vielen „Kulturbereicherern“ aus dem Nahen Osten als Freiwild angesehen werden. Vergessen gemacht werden soll auch, dass die SPÖ im Wiener Wahlkampf im letzten Herbst behauptet hatte, nur wer die Politik der offenen Türe vertritt, zeige „Haltung“.
Erinnern wir uns, dass die Freiheitlichen, die seit Langem vor den Folgen einer ungezügelten Masseneinwanderung warnen, noch vor wenigen Wochen vom politisch korrekten Establishment als „Fremdenfeinde“ oder gar als „Rassisten“ verteufelt wurden. Nun aber, da sie ihre Felle davonschwimmen sehen, schwenken SPÖ und ÖVP auf die Linie der FPÖ ein. Ein Spiel, das für die Wähler leicht zu durchschauen ist. Angewidert von solchen parteipolitischen Taktiken wollen die Wähler Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, was Norbert Hofer weitere Stimmen bringen wird.


Hofburg: Endlich einmal ein normaler Mensch…

11. Februar 2016

Die Bundespräsidenten der Zweiten Republik sind bislang schon eine merkwürdige Spezies. Einerseits kommen sie nahezu alle aus dem politischen Hoch-Establishment, anderseits beschränkten sie sich trotz verfassungsmäßig recht umfangreicher Rechte und Möglichkeiten auf die Funktion von innenpolitischen Frühstücksdirektoren und außenpolitischen Grüß-Augusten.

Da war zuerst einmal Karl Renner, der schlaue alte Fuchs, Gründervater zweier Republiken. Dann der greise Schutzbund-General Theodor Körner, dann Adolf Schärf, der klassische Typ des Beschwichtigungshofrats, schließlich Franz Jonas, biederer Wiener Partei Apparatschik, sowie Rudolf Kirchschläger, Kurt Waldheim und Thomas Klestil, der erste vormals Außenminister, der zweite UNO-Generalsekretär, der dritte Spitzendiplomat und schließlich eben Heinz Fischer. Typus: Kassier des Arbeiterbildungsvereins Simmering.

Und nun kommen die Kandidaten, die dieses Jahr in die Hofburg einziehen wollen: Der Spitzengewerkschafter und gescheiterte Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der Langzeit-Klubobmann und Nationalratspräsident Andreas Khol, die ehemalige OGH-Präsident Irmgard Griss und der Alt-Guru der Grünen, Alexander Van der Bellen. Allesamt würdige Traditionsträger der erstgenannten Präsidenten, die die Republik bislang hatte.

Und dann ist da noch Norbert Hofer, der junge Mann aus dem Burgenland, Vater von vier Kindern, HTL-Ingenieur und Zivilinvalide nach einem schweren Sportunfall. Gewiss, auch er kann auf eine Parteikarriere zurückblicken, aber auf einen Werdegang in einer Partei, die eben nicht zum politischen Establishment gehört. Einer Partei, die vielmehr kritisch gegenüber den Fehlentwicklungen der Republik des nationalen Selbsthasses und der allgemeinen gesamtgesellschaftlichen Dekadenz eingestellt ist.

Aber dieser Norbert Hofer kennt die Sorgen der kleinen Leute, der Familienväter, der Jungen, die beruflich sich mühsam ihren Weg suchen müssen und natürlich auch jener leidgeprüften Menschen, die aufgrund von Behinderung, körperlichen Gebrechen oder eines Unfalls schweres Leiden zu tragen haben. Und damit ist dieser Norbert Hofer keiner, der den Zynismus der etablierten Politik teilt, einen Zynismus, der die Nase rümpft über den viel zitierten „kleinen Mann“, ein Zynismus, dem die Ängste der Durchschnittsösterreicher nur „Suderei“ sind, ein Zynismus, der arrogant über die Sorgen und Nöte der Durchschnitts-Bürger hinweg geht. Dieser Norbert Hofer liegt nun am Beginn seiner Wahlkampagne schon ganz gut in den Umfragen. Dieser Norbert Hofer eröffnet eine Chance, die Österreich bislang seit siebzig Jahren noch nicht gehabt hat: Dass nämlich ein ganz normaler Bürger ins höchste Staatsamt, in die Hofburg einzieht.


Ein „präsidialer“ Kandidat

4. Februar 2016

Norbert Hofer war die erste Wahl, wenn er auch erst nach einer gewissen internen Diskussion als freiheitlicher Kandidat für die Bundespräsidentschaft präsentiert wurde. Letzteres lag wohl daran, dass er sich aufgrund seiner Behinderung und seines Alters tatsächlich selbst erst in die Pflicht nehmen musste, diese Aufgabe auf sich zu nehmen.
Nun ist die FPÖ – zumindest in den Umfragen – von einer Mittelpartei längst zu einer Art Großpartei aufgestiegen. Und wenn Barbara Rosenkranz das letzte Mal gute 15 Prozent machte, während die Partei 17 Prozent im Nationalrat hatte, könnte Hofer nunmehr durchaus die 20-Prozent-Grenze überschreiten und in die Stichwahl kommen.
Norbert Hofer ist jedenfalls dafür ein ausgezeichneter Kandidat, trotz seiner Jugend, trotz seiner Behinderung. Wenn Kritiker vielleicht noch vor Jahren gemeint haben, er wäre ein politisches Leichtgewicht und bloßer Strache-Adlatus, so hat sich Hofer durch seine Arbeit am Parteiprogramm und in seiner Funktion als Dritter Nationalratspräsident durchaus Achtung verschaffen können.
Das „freundliche Gesicht der FPÖ“ erwies sich als prinzipientreuer Mann aus der Mitte der Gesinnungsgemeinschaft, der aber maßvoll, sympathisch und bürgernah agiert. Loyal gegenüber der Parteiführung und dem Parteiobmann, aber auch mit mehr als nur Verständnis für die freiheitlichen Traditionen. Dass unter seiner Federführung die „deutsche Volks- und Kulturgemeinschaft“ wieder im Parteiprogramm aufscheint, dass er das Band einer burgenländischen Pennal-Burschenschaft aufgenommen hat, beweist dies wohl überaus deutlich. Und dass er Familienvater von vier Kindern ist, spricht auch für ihn.
Zu erwarten ist, dass Hofer im kommenden Bundespräsidentschaftswahlkampf die zentralen FPÖ-Themen und die freiheitlichen Positionen zu den großen Krisen der Zeit, insbesondere in der Frage der Masseninvasion von Asylsuchenden, deutlich, klar und auch in aller Härte ansprechen wird. Ob er nun in die Hofburg einzieht oder nicht, jedenfalls kann er damit die freiheitlichen Anliegen in der Bevölkerung weiter verbreitern und popularisieren. Gerade sein maßvolles Auftreten und sein freundliches Gesicht werden es ihm ermöglichen, die Härte der sich aus der Natur der Krise ergebenden freiheitlichen Forderungen und Haltungen einzubringen.
Sein Wahlziel heißt Wahlsieg, also Einzug in die Hofburg, hat er bei seiner Präsentation gesagt. Und auch in diesem Falle darf man davon ausgehen, dass Hofer ein durchaus würdiges Staatsoberhaupt sein könnte. Durchaus ein Kind seiner Zeit, durchaus ein Mann aus dem Volke, auch ein in der Wolle gefärbter und engagierter Freiheitlicher, insgesamt aber ein österreichischer Patriot. Was will man mehr?


Die Hofburg und die Taktik

27. Januar 2016

Die Freiheitlichen in der Bundespräsidenten-Zwickmühle

An sich wäre die Sache völlig klar: Eine Partei, die sich anschickt, zur stärksten des Landes zu werden – wenn letzten Umfragen nicht trüben – und die die Bundesregierung übernehmen will, eine solche Partei müsste wohl auch einen Kandidaten für das höchste Staatsamt ins Rennen schicken. Allzumal in einer Zeit, in der es nach Ansicht eben dieser Partei eine derart krisenhafte Entwicklung gibt, dass sie als wohl stärkste Bedrohung für Land und Leute seit Jahrzehnten angesehen werden muss. Die Rede ist natürlich von der FPÖ des Heinz-Christian Strache und ihrer Entscheidung in Sachen Bundespräsidentschaftskandidat. Und wenn man von Krise spricht, so ist natürlich von der Massenzuwanderung durch Asylsuchende die Rede. Nachdem die etablierten politischen Kräfte des Landes und damit auch ihre Präsidentschaftskandidaten – immer eben nach Ansicht der größten Oppositionspartei des Landes – nur Scheinlösungen zu bieten haben, Beispiel Grenzsperren, die keine sind, sondern vielmehr Willkommensanlagen und Obergrenzen, die in Wahrheit völlig unverbindliche Richtwerte darstellen, wäre es auch deshalb eine Verpflichtung, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, weil dieser Klartext in dieser Krise reden könnte und müsste. Denn ein solcher Kandidat könnte in Anbetracht der Stimmung im Lande durchaus in die Stichwahl kommen.

Die Paarung hieße dann wohl Van der Bellen gegen den FPÖ-Kandidaten und dann würde – wie es jüngst in einem Gastkommentar in der „Kleinen Zeitung“ hieß – wohl Van der Bellen Bundespräsident werden, da man von Seiten aller etablierten Kräfte gegen den FPÖ-Kandidaten agitieren würde.

Eine solche durchaus plausible Annahme dürfte nun die blauen Parteistrategen zwingen, sich eher einer taktischen Variante im Hinblick auf die Wahl zum Bundespräsidenten zu nähern: Vernünftigerweise wird man wohl eher keinen eigenen Kandidaten aufstellen und das im letzten Moment bekanntgeben. Ein starker freiheitlicher Kandidat würde wie zuvor geschildert eben zwangsläufig an der Stichwahl scheitern und dem ultralinken Grünkandidaten den Weg in die Hofburg ebnen. Ein schwacher FPÖ-Kandidat würde hingegen nur dazu führen, dass das Wählerstimmenpotential Mitte-rechts durch das Antreten des ÖVP-Kandidaten der unabhängigen Frau Irmgard Griss und des freiheitlichen Kandidaten durch drei geteilt würde, damit wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass die beiden linken Kandidaten, eben SPÖ-Hundstorfer und Van der Bellen, in die Stichwahl kämen. HC Strache und seine Parteistrategen hätten also die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Nur eine verdeckte Unterstützung von Andreas Khol im ersten Wahlgang, die diesen wohl in die Stichwahl bringen würde, und eine massive offene Unterstützung des alten Wüste Gobi-Durchquerers könnten ihn schließlich in die Hofburg katapultieren. Nur mit Hilfe des ÖVP-Wählerpotentials wird er das nicht schaffen. Als Türöffner für eine Neuauflage einer blau-schwarzen Regierungskoalition hingegen sehr wohl. Dies mag für die Wahlkampf-Strategen des gewieften Tirolers, der „die Leut‘ mog und das Land mog“ so offen angesprochen zwar peinlich sein, für die Anhänger der politisch korrekten Linken klingt es zweifellos wie Polit-Pornographie. Aus taktischer Sicht aber ist es eine unleugbare Tatsache. Und diese wird, bei der in Kürze ins Haus stehenden Entscheidung der FPÖ-Strategen zweifellos eine Rolle spielen müssen.


Die Hofburg als Geriatrie-Zentrum

21. Januar 2016

Das waren noch Zeiten, als der Autor dieser Zeilen „Krone“-Kolumnist war und bei der größten Tageszeitung des Landes eine theoretische Leserschaft von nahezu drei Millionen Menschen hatte. Immerhin war er da auch schon um die fünfzig. Im Kreise der damaligen „Krone“-Macher aber – Hans Dichand weit über achtzig – kam man sich wie ein Jüngling vor. Tatsächlich war die „Kronen Zeitung“ damals wie die KPdSU unter Leonid Breschnew: Jeder unter achtzig galt als Lausbub.
Ähnlich scheint es nunmehr bei den Bewerbern um die österreichische Bundespräsidentschaft zu sein. ÖVP-Kandidat Andreas Khol und Linksaußen-Bewerber Alexander Van der Bellen würden im Falle ihrer Wahl bei Ende der Amtsperiode immerhin rund um die achtzig sein. Irmgard Griss wäre auch vom Typus her so etwas wie eine freundliche Bundes-Uromi. Und selbst der Jungstar unter den Bewerbern, der SPÖ-Kandidat Hundstorfer, ist mit seinen vierundsechzig Jahren für einen aktiven österreichischen Politiker bereits im Pensionsalter.
Vorläufi g sieht es also so aus, als würde die Hofburg in der nächsten Amtsperiode eines österreichischen Bundespräsidenten eher ein geriatrisches Zentrum als eine politische Schaltzentrale des Landes sein. Nun weiß man zwar nicht, wen die Freiheitlichen ins Rennen schicken werden. Sollte es etwa Volksanwalt Peter Fichtenbauer sein, wäre es auch schon ein Anfang-Siebziger. Und einer der aussichtsreichen freiheitlichen Bewerben, nämlich Nationalratspräsident Norbert Hofer, hat von sich selbst gesagt, er fühle sich zu jung, für eine Bewerbung um das höchste Staatsamt.
Irgendwo scheint da in den Köpfen auch der österreichischen Parteistrategen das Bild des guten alten Kaisers Franz Joseph herumzuspuken. Diesen hat man ja vorwiegend als alten glatzköpfi gen Backenbartträger in Erinnerung, der da murmelte: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“. Und offenbar wollen – zumindest, wenn es nach den Parteistrategen geht – die Österreicher ihr künftiges Staatsoberhaupt auch als eine Art greisenhaften Ersatzkaiser, als gütigen Großvater der Nation, der alles andere macht – nur keinen Wind.
In Zeiten, in denen ansonsten in der Politik eher so etwas wie ein Juvenilität-Wahn vorherrscht, ist das vielleicht auch gar nicht so schlecht. Wenn schon der Außenminister als Patentinhaber des Geilomobils – nicht nur optisch – wie ein Studienanfänger wirkt, warum dann nicht zur Abwechslung ein altes Staatsoberhaupt. Die britische Queen, der italienische Staatspräsident, sie bewegen sich – gefühlt – auf die Hundert zu, warum also nicht auch ältere Herrschaften in der Wiener Hofburg?