Einer der mächtigsten Männer der Welt, der jüdisch-französische Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, bislang aussichtsreichster Bewerber für die nächste französische Staatspräsidentschaft, sitzt bekanntlich in US-amerikanischer Untersuchungshaft. Die Geschichte weshalb, ist so einfach wie unappetitlich: Ein mächtiger Mann und vermeintlich willige Domestikin treffen im Grand Hotel-Boudoir aufeinander. Er will, sie – angeblich – nicht. Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt – halb zog sie ihn, halb sank er hin!? In der Folge jedenfalls große Erregung, Verhaftung aus dem Flugzeug heraus, Handschellen, Blitzlichtgewitter beim Weg zum Untersuchungsrichter und nun Untersuchungshaft unter Schwerverbrechern.
Eine groteske Geschichte, gesäumt von banalen Details und einer Fülle von Ungereimtheiten. Mit einem Wort: der Stoff aus dem Verschwörungstheorien gestrickt werden. In Frankreich ist man indes in der großen Mehrheit der Bevölkerung längst überzeugt, dass Strauss-Kahn zum Opfer einer solchen Verschwörung wurde. Der bekannt Testosteron-gesteuerte Womanizer sei gewissermaßen in eine Callgirl-Falle gegangen. Ob es nun die Abteilung für „dirty campaigning“ des amtierenden Staatspräsidenten war, irgendein Geheimdienst von CIA bis Mossad, oder die Beauftragten irgendwelcher Banken, denen der Internationale Währungsfond gefährlich hätte werden können, darüber sind sich die Verschwörungstheoretiker in Frankreich, aber auch darüber hinaus, nicht einig.
Und tatsächlich wäre ja nichts leichter, als irgendeinem politischen Gegner, der als Schwerenöter bekannt ist, eine solche Hormon-Falle zu stellen. Beispiele dafür gibt es ja genug. Man denke nur daran, was etwa die DDR-Stasi westlichen Politikern beim DDR-Besuch im volkseigenen Hotel so abgefilmt haben dürfte.
Es gibt aber auch genug Beispiele für das völlig triviale Gegenbeispiel. Dass eben solche mächtigen Männer den Bezug zur Realität verlieren und glauben, sie könnten sich alles nehmen, wonach ihnen der Sinn steht. Strauss-Kahn war gewissermaßen so etwas wie ein hoher Priester des politischen Establishments in Europa und insgesamt in der westlichen Welt. Einer, für den längst nicht mehr die Gesetze der normalen Menschen galten – so glaubte er zumindest. Einer, dessen Beziehungen zu den Medien und natürlich auch zur Justiz so stark sein sollten, dass jeder Skandal unter den Teppich gekehrt werden hätte müssen, so glaubt er zumindest. Und aufgrund irgendwelcher – zweifellos seltsamer – Umstände ist es nicht geschehen, sondern man hat ihn vorgeführt: Wie einen gemeinen Verbrecher, der er mutmaßlich auch sein dürfte. Beziehungsweise wie einen gefallenen Despoten, der nun der Demütigung und der Häme ausgesetzt ist. Bedrückend irgendwie…