Rot-schwarze Schrumpfkoalition

30. Oktober 2013

Hoch und heilig haben SPÖ und ÖVP nach ihren Verlusten bei der Nationalratswahl am 29. September versprochen, eine Koalition „neuen Stils“ bilden bzw. einen „Neuanfang“ machen zu wollen. Nun, nachdem seit dem Urnengang fast ein Monat ins Land gezogen ist, ist davon wenig zu bemerken. Kein Wunder, sind doch die Koalitionsverhandler, die nach dem Wunsch von Bundespräsident Fischer bis Dezember eine Neuauflage von Rot-Schwarz bilden sollen alte Gesichter. Und wenn der rote Sozialminister Hundstorfer und der schwarze Wirtschaftsminister Mitterlehner über „länger gesund leben und arbeiten“ sprechen werden, dann sitzt sich am Verhandlungstisch quasi die personifizierte Sozialpartnerschaft gegenüber. Hat doch der eine eine lupenreine Gewerkschafterkarriere hinter sich, während der andere seine ersten Sporen in der Wirtschaftskammer verdiente.

Fast zum Lachen – wenn die Realität nicht um ein Vielfaches ernster wäre – ist dann schon der Umstand, daß für die ÖVP ein 27jähriger Studienanfänger das Kapitel „Zukunft“ verhandeln wird. Man darf gespannt sein, wie tief dieser aus seiner Lebenserfahrung schöpfen wird, die sich im wesentlichen auf Funktionen in der Jugendorganisation seiner Partei und „Geilomobil“-Aktionen beschränken. Aber immerhin: Die Republik hatte auch schon einen Wehrdienstverweigerer als (roten) Verteidigungsminister. Vielleicht können Kanzler Faymann und sein Vize Spindelegger auch gleich, um den Verdacht von Packelei und Postenschacher aus der Welt zu schieben und um Transparenz zu signalisieren, den künftigen Finanzminister per Inserat suchen. Das Anforderungsprofil könnte etwa lauten: Mehrmaliger Konkurs oder rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vermögensdeliktes.

Aber Spaß beiseite: Bereits heute ist deutlich, daß Österreich vor fünf verlorenen Jahren steht. Probleme wie die Ankurbelung der Wirtschaft, die dringend notwendige Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Sicherung des Pensions- und des Gesundheitssystems werden nicht angegangen. Die Bekämpfung der Massenzuwanderung und der islamischen Parallelgesellschaften wird auch in Zukunft kein Thema sein, aber dafür wird man sich Rot und Schwarz auch weiterhin in Brüssel an Unterwürfigkeit zu überbieten versuchen.

Die rot–schwarze Koalition, die schon längst keine große mehr, sondern eine Schrumpfkoalition ist, wird also weitermachen wie bisher. Viel schlimmer noch: Angesichts des 2018 wegen des Aufstiegs der FPÖ drohenden Mehrheitsverlustes werden SPÖ und ÖVP versuchen, rechtzeitig ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, Günstlinge im staatsnahen Bereich unterzubringen und die Republik – sofern das noch nicht geschehen ist – unter sich aufzuteilen. Und damit werden sie nicht nur den hierzulande herrschenden Politikverdruß weitere Nahrung geben, sondern vor allem zu ihrer weiteren Schrumpfung beitragen.


Die Lächerlichkeit der politischen Klasse

11. Dezember 2012

Drei Bilder sind es, die die Österreicher gegenwärtig vor Augen haben, wenn sie an ihre politische Klasse denken. Zum ersten ein eifernder, unserer deutschen Muttersprache nicht mächtiger Greis, der die Wahrheit glaubt gepachtet zu haben und jeden Widerspruch – zumindest wenn es Fernsehredakteure sind – niederbrüllt. Zum zweiten ein verstockt und verbittert auf der Anklagebank hockender ehemaliger Innenminister, dessen offensichtliche Korruptionsanfälligkeit nur durch seine Ignoranz übertroffen zu werden scheint. Und zum dritten ein beinahe ein wenig debil wirkender Jüngelchen, der da als Abgeordneter im Hohen Haus stolz mit geflügelten Turnpatscherln posiert. Und das natürlich nicht als Anspielung auf den griechischen Götterboten Hermes, sondern allenfalls auf Modetrends in den kalifornischen Schwulen-Bars.

Da der rechthaberische, seine Unbildung prahlerisch vor sich hertragende neureiche Frank Stronach auf der einen Seite, der sich zum Herausforderer der etablierten Innenpolitik hochstilisieren läßt. Auf der anderen Seite einer der einst mächtigsten Männer der Republik, der den gierigen Zynismus des Establishments darstellt wie kaum ein anderer, der vom Polizeiminister zum Lobbyisten mutierte Ernst Strasser. Und schließlich der dumm-dreiste Haider-Jüngling Stefan Petzner, der im Auftrag seines verblichenen Mentors im Zentrum von all dessen Malversationen stand und nun den modischen Trendsetter und parlamentarischen Aufdecker mimt. Alle drei groteske Gestalten, die über die innere Verfaßtheit und das Niveau unserer politischen Klasse Erschreckendes preisgeben.

Nun ist es sicherlich eine Binsenweisheit, daß die Österreicher genau jene politischen Repräsentanten haben, die sie auch verdienen, weil sie sie nämlich wählen. Die Frage stellt sich allerdings, ob sie solche Politiker auch wollen oder stattdessen nicht doch integre und kompetente Volksvertreter, die Idealismus und Sachverstand vorzuweisen haben.

Wenn man von den drei grotesken Extrembeispielen, die hier eingangs geschildert wurden, absieht, ist der repräsentative Querschnitt der dominierenden politischen Klasse nämlich vom Unterdurchschnitt geprägt. Bundeskanzler Faymann, ob nun mit Maturazeugnis oder ohne, ist eine eher klägliche Gestalt und sein Koalitionspartner ÖVP-Chef Spindelegger von schon geradezu erschreckender Biederkeit. Und die beiden mächtigen Schattenmänner der Großkoalitionäre, nämlich Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll erscheinen beide eher als Charaktere, entsprungen aus einer Qualtinger’schen Österreich-Satire à la „Herr Karl“. Charismatische Persönlichkeiten, große Idealisten, große Moralisten und anerkannte hervorragende Fachleute finden sich unter unserem politischen Personal kaum. Dementsprechend sieht auch die Gestaltungskraft der österreichischen Politik aus. Und sie unterscheidet sich leider Gottes kaum von jener des europäischen Querschnitts. Dort gibt es nahezu überall ähnliche Probleme.


Koalitions-Spekulanten

21. Dezember 2011

Nun sind sie also wieder unterwegs – zumindest in den Medien und in den Parteisekretariaten – die Koalitions-Spekulanten. Allein schon, dass der schwarze Vizekanzler die demokratiepolitische Selbstverständlichkeit übt und mit dem Chef der größten Oppositionspartei redet, reicht, um solche Koalitions-Spekulationen auszulösen. Während Bundeskanzler und SPÖ-Chef Faymann bekanntlich jedes Gespräch mit Heinz Christian Strache verweigert, weil dieser angeblich Österreich in den Abgrund und aus der EU heraus führen wolle, meint Vizekanzler Spindelegger, die verfassungsmäßige Verordnung der Schuldenbremse wäre so wichtig, dass man auch mit den Oppositionsparteien sprechen müsse. Und das ist nach Ansicht der politischen Beobachter im Lande Anlass genug, um von einer Neuauflage von Blau-Schwarz am Wiener Ballhausplatz zu fabulieren.

Nun ist die Gesprächsverweigerung des Bundeskanzlers schlichtweg eine Sauerei und ein Bärendienst an Österreich. Als Regierungschef dürfte er dies nicht tun, als Parteiobmann natürlich sehr wohl. Da ist es eher eine Frage der Intelligenz, als eine der staatspolitischen Moral. Und sonderliche Intelligenz hat Werner Faymann bekanntlich kaum noch jemand nachgesagt. Während nämlich die ÖVP durch ihre Offenheit gegenüber den Freiheitlichen für die Zeit nach den nächsten Wahlen drei Optionen hat, reduziert sich die SPÖ auf zwei, wenn nicht gar nur eine. Spindelegger könnte gemeinsam mit Straches FPÖ und wäre laut Umfragen damit sogar Mehrheitsfähig, er könnte zum Zweiten Juniorpartner der Sozialisten bleiben und er könnte zum Dritten in einer rot-schwarz-orangen Ampel agieren.

Faymann hingegen zeigt mehr oder weniger deutlich, dass Rot-Grün seine Traumkoalition wäre, was sich aber laut allen Umfragen schlicht und einfach nicht ausgeht. Also bleibt ihm nur Schwarz-Rot und allenfalls dabei noch die Einbeziehung der Orangen (wenn diese es überhaupt noch einmal ins Parlament schaffen).

Zwar dürfte Spindelegger nicht ganz das taktische Format seines Vor-Vorgängers Wolfgang Schüssel haben, der es immerhin schaffte, als Obmann einer schwer geschlagenen Partei im Jahre 2000 Bundeskanzler zu werden, er zeigt sich aber in der gegenwärtigen Situation durchaus geschickt: Die Volkspartei, die nach allen Umfragen Probleme hat und wohl gegenwärtig nur drittstärkste Partei in der Wählergunst wäre, macht sich durch Spindeleggers Offenheit zum Jolly Joker.

Aber Koalitions-Spekulationen beiseite. Das Land hat wie Europa insgesamt gegenwärtig derartige Schwierigkeiten, dass das staatspolitische Gemeinwohl vor parteitaktischen Spielen im Vordergrund stehen müsste. Nun mag man geteilter Meinung sein, ob just die Schuldenbremse die Lösung aller Probleme wäre, sicher ist aber, dass der Schuldenabbau insgesamt zur Schlüsselfrage geworden ist und da sollten sich alle Parlamentsparteien in staatspolitischer Verantwortung üben – natürlich auch die Oppositionsparteien.


Ein Christlich-Sozialer– warum nicht?

18. April 2011

Der 52-jährige Michael Spindelegger muss nun also Chef-Systemerhalter der ÖVP auf die Kommandobrücke. Kompetent, freundlich, umgänglich aber durchaus zielstrebig, so wird der in der Wolle gefärbte Schwarze von Freund und Feind beschrieben. Als Sohn eines ÖVP-Nationalratsabgeordneten, als CVler, Mitglied der Wiener Norica und als langjähriger Sekretär von Robert Lichal ist Spindelegger so etwas wie die Verkörperung der Kernwählerschichten der Volkspartei. Eigentlich müsste man ja eher sagen „ehemalige Volkspartei“, da man mit kaum zwanzig Prozent Zustimmung in den Umfragen wirklich nicht mehr von einer breiten Volkspartei sprechen kann.

Ich habe Spindelegger im Jahr 1991 im Bundesrat kennengelernt. Damals als die Aufregung um die Aussage um die drohende Umvolkung hochschwabte, hielt der junge Bundesrat Spindelegger brav und bieder eine Auftragsrede, in der er mit einigermaßen bemühter Empörung über den ach so bösen Sager meiner Person, meinen Rückzug aus dem Bundesrat forderte. Zwanzig Jahre später ist mir der Außenminister ein durchaus angenehmer und sachlicher Gesprächspartner in Sachen Europapolitik und Außenpolitik.

So etwas wie Aufbruchsstimmung wird Spindelegger der ÖVP kaum vermitteln können. Zum einen ist er kein neues Gesicht, sondern absolut ein Mann des schwarzen Parteiapparats. Mit Ausnahme einer kurzen Tätigkeit als Jurist auf Vermittlung der schwarz dominierten Industriellenvereinigung in nahestehenden Betrieben hat Spindelegger sein Leben im Dienste der Partei zugebracht. Sekretär von Lichal, Bundesrat, Nationalrat, kurz EU-Abgeordneter, Dritter Nationalratspräsident, schließlich Außenminister und nunmehr Vizekanzler, das sind die Stationen einer klassischen ÖVP-Parteikarriere, die sich auf den Arbeiter- und Angestelltenbund stützt.

Zum anderen ist Spindelegger vom Naturell eher einer, der auf großkoalitionären Kuschelkurs gesetzt hat und dessen freundschaftlicher Umgang mit dem Bundeskanzler wenig Hoffnung auf eine kantigere ÖVP-Politik in der Regierung aufkommen lässt. Ob Spindelegger also einer ist, der das Tief in den Umfragen für die ÖVP umkehren kann, bleibt zu bezweifeln. Und die Hoffnung, dass er die ÖVP in einen neuen Aufwärtstrend überführen könnte, ebenso.

Für den politischen Aufsteiger der letzten Jahre, für Oppositionsführer Strache, ist Spindelegger also kaum eine Gefahr. Ein wirklich neues Gesicht, eine spektakuläre Personalentscheidung, vielleicht aber auch die kantige Innenministerin Fekter, hätten möglicherweise für den freiheitlichen Aufschwung ein Problem bedeutet. Michael Spindelegger sicher nicht, da er einerseits keinen Neuigkeitswert, andererseits keinen ÖVP-Kurswechsel signalisiert.

Allerdings zeichnet er sich durch eine absolut intakte Gesprächsbasis gegenüber den Freiheitlichen aus. Nicht nur im Bereich der Außenpolitik mit dem FPÖ-Außenpolitiksprecher Johannes Hübner und gegenüber der EU-Delegation hat Spindelegger diese Gesprächsbereitschaft signalisiert, er hat sie zweifellos auch gegenüber dem blauen Oppositionsführer. Und er ist natürlich klug genug, um für die Zukunft keinerlei innenpolitische Option auszuschließen, auch eine solche nicht, die eine künftige Zusammenarbeit mit der FPÖ bedeuten würde. Als traditionsbewusster Christlich-Sozialer denkt Spindelegger gewiss im hohen Maße noch in den herkömmlichen österreichischen Lager-Kategorien. Als CVler dürfte er zwar seine Antipathien gegenüber den „Schlagenden“ in der FPÖ haben, er vermag sie aber realistisch einzuschätzen. Als Christlich-Sozialer dürfte er auch wenig Vorlieben für die National-Freiheitlichen haben. Er weiß aber um deren politische Qualitäten. Und letztlich wurde Spindelegger ja auch in der Ära Wolfgang Schüssels geprägt. Und man kann annehmen, dass er sich eine Neuauflage der damaligen Regierungsform durchaus vorstellen kann. Warum also nicht einmal ein wirklicher Christlich-Sozialer, einer aus dem ÖAAB, nach den Bauernbündlern und den Wirtschaftsbündlern. Und die Rolle als Vizekanzler in der Koalition mit Faymann könnte er dann vielleicht nahtlos in einer solchen mit Strache weiter führen. Warum nicht?