Jenseits der Nabelschau

24. April 2013

Die Innenpolitikberichterstattung der heimischen Gazetten wird derzeit von den Landtagswahlen in Tirol und Salzburg beherrscht. Dabei geht es um die üblichen Intrigen und Querelen, die Zersplitterung der Tiroler Parteienlandschaft, den Salzburger Finanzskandal sowie darum, welche gescheiterten Politiker für Stronach in die Landtage zu Innsbruck und Salzburg einziehen werden. Es werden also Themen als weltbewegend dargestellt, die in Wirklichkeit jenseits der Landesgrenzen, etwa in Freilassing oder in Sterzing, keinen Menschen mehr interessieren. Oder anders ausgedrückt: Einmal mehr wird in der Alpenrepublik, die Papst Paul VI. bekanntlich als „Insel der Seligen“ bezeichnet hat, politische Nabelschau betrieben.

Dies ist um so bedauerlicher, weil sich in diesen Tagen in Europa und in Übersee Dinge ereignen, die auf die Zukunft bei weitem mehr Einfluß haben werden als die Ergebnisse der Landeswahlen in Tirol und Salzburg. Auf dem sogenannten Westbalkan etwa hat sich für Belgrad nach der Einigung mit dem Kosovo auf ein Rahmenabkommen bezüglich des Status der serbischen Minderheit das Tor zur EU geöffnet. Möglich wurde das freilich nur, weil Brüssel den einstigen „Schurkenstaat“ Serbien damit erpreßt hat, daß es ohne diese De-facto-Anerkennung der Unabhängigkeit seiner südlichen Provinz keine Annäherung an die Europäische Union geben werde. Und die Kosovo-Serben, die von dem Abkommen betroffen sind, werden freilich nicht um ihre Zustimmung gefragt – wohl wissend, daß sie für eine Vereinigung mit dem serbischen Mutterland stimmen würden.

Mit dieser Politik schafft die EU nach Bosnien einen weiterhin „multiethnischen“ Kunststaat am Westbalkan. Daß Bosnien bis heute ein nach ethnischen Grenzen geteiltes und ohne EU-Aufsicht funktionsuntüchtiges Gebilde ist, spielt hier keine Rolle. Hauptsache, die eigenen Dogmen werden umgesetzt, mögen sie auch noch so realitätsfremd sein. Wie widersprüchlich diese Politik ist, ermißt sich auch daran, daß auf dem Westbalkan willkürliche und unnatürliche Grenzen gezogen werden, die dann, wenn die Länder dieser Region in die Europäische Union aufgenommen werden, automatisch an Bedeutung verlieren.

Aber auch jenseits des Atlantiks gibt es Entwicklungen, die wir genau beobachten sollten. Nach dem schrecklichen Anschlag in Boston sind die USA wieder einer Terror-Paranoia verfallen. Ganze Stadtteile Bostons wurden hermetisch abgeriegelt, gegenüber Terrorverdächtigen die Lizenz zum Kopfschuß erteilt und die gespenstische Szenerie in dem „Land der Freien“, wie es in der US-Hymne besungen wird, glich einem Bürgerkriegsschauplatz. Natürlich ist es wichtig, den Terror zu bekämpfen, aber mit dem Schüren von Hysterie und Angst wird vielmehr das Gegenteil bewirkt. Und noch etwas: Die beiden mutmaßlichen Täter sind Kinder tschetschenischer Einwanderer und damit auch der weltweiten Migrationsströme.


EU-Kandidaten-Status von Serbien ist zu begrüßen

7. Oktober 2011

Dass die EU-Kommission nächste Woche für Serbien den Status eines EU-Beitrittskandidaten vorschlagen will, ist eine durchaus erfreuliche Nachricht. Eine Orientierung Serbiens in Richtung Mitteleuropa ist für beide Seiten durchaus als positiv zu werten. Gerade, wenn man Serbien mit den beiden bereits der EU-beigetretenen Ländern Rumänien und Bulgarien vergleicht, muss man zum Schluss kommen, dass Serbien eine Mitgliedschaft in der EU durchaus ebenso verdient.

Bei den künftigen Beitrittsverhandlungen darf man aber nicht übereilt handeln, sondern muss eine Integration Serbiens in die EU mit Bedacht vornehmen, nicht zuletzt deshalb, weil viele Menschen innerhalb der EU – und speziell in Österreich – durchaus berechtigte Bedenken gegen einen solchen EU-Beitritt Serbiens haben. Ich möchte darauf hinweisen, dass man nicht die gleichen Fehler, wie bei den beiden großen Erweiterungsrunden der EU in Richtung Osten machen darf, wo man zu schnell gehandelt hat, ohne die individuellen Situationen und auch Probleme der Beitrittsländer genauer unter die Lupe zu nehmen.

Abschließend aber ist festzuhalten, dass für ein starkes Europa gerade eben die Kernländer gut integriert sein müssen, wenngleich man gleichzeitig gegen die Zentralisierung dieser EU kämpfen muss und Erweiterungsüberlegungen wie sie in Richtung Türkei geplant sind, klar und deutlich ablehnen muss. Nicht ein jedes Land kann die kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und geographischen Grundsätze vorweisen, die man haben muss, um der EU beizutreten und das eigene Land dadurch voranzutreiben.


Auch für den Kosovo kann territoriale Integrität keine heilige Kuh sein

23. Juli 2010

Anhand der gestrigen Veröffentlichung des Kosovo-Gutachtens des Internationalen Gerichtshofes erkennt man, dass der Kosovo ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist, wie wenig das Völkerrecht mit durchsetzbarem und prinzipiell begründbarem Recht zu tun hat. Bei der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008 bezog man sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das den Kosovo-Albanern gewährt werden müsse und auch darauf, dass das ehemalige serbische Regime an den Kosovo-Albanern im vergangenen Krieg Menschenrechtsverbrechen begangen habe. Während den Kosovaren die Unabhängigkeit und ihr Selbstbestimmungsrecht gewährt wurde, hat man die territoriale Integrität Serbiens aber missachtet.

Bezüglich der Zukunft der südserbischen Provinz kann die Unabhängigkeit des Kosovo wohl nicht mehr wirklich rückgängig gemacht werden. Aber in Wahrheit geht es um den kompakt serbisch besiedelten Norden des Kosovo, wo die Serben sehr wohl auch auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker pochen dürfen. Wenn man nämlich den Kosovo schon als souveränen Staat betrachtet, dann kann dessen territoriale Integrität auch keine heilige Kuh sein, da er selbst ja unter Missachtung dieses Prinzips entstanden ist.

Für die Europäische Union stellt sich die große Frage, ob dieses albanisch besiedelte Miniterritorium auf Dauer lebensfähig ist, oder ob man es als reines EU-Protektorat für alle Zukunft durchfüttern wird müssen. Hier wäre denkbar, das Prinzip des Selbstbestimmungsrecht der Völker auf die Albaner insgesamt auszuweiten und zu überprüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, einen albanischen Gesamtstaat unter Einbeziehung des Kosovo auf dem Westbalkan zu schaffen, der durch eine rasche EU-Perspektive eingebunden werden sollte.


Staaten des sogenannten Westbalkans haben langfristig europäische Perspektive

2. Juni 2010

Im Schatten der Schulden- und Euro-Krise darf man den Balkan nicht aus den Augen verlieren. Dies muss gerade anläßlich der heutigen EU-Westbalkan-Konferenz in Sarajewo festgehalten werden. Die Staaten des sogenannten Westbalkans sind ein Teil Europas, weshalb sie mittel- bzw. langfristig eine europäische Perspektive haben sollten. Im Gegensatz dazu sind die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die kulturhistorisch nicht zu Europa, sondern zum Orient gehört, sofort abzubrechen.

Es ist aber besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß die Fehler, die man bei der Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die EU gemacht hat nicht wiederholt werden. Es darf nicht wieder vorkommen, daß Staaten völlig überhastet der EU betreten können, obwohl sie dafür noch nicht reif sind. Während das mitteleuropäisch geprägte Kroatien bereits jetzt EU-reif ist und so rasch wie möglich aufgenommen werden sollte, sind bezüglich der anderen Staaten in der Region keine konkreten Beitrittstermine zu nennen. Vielmehr sind diese Länder erst dann in die EU aufzunehmen, wenn an deren Beitrittsreife nicht die geringsten Zweifel bestehen, egal wie lange das dauern mag.

Die Brüsseler Institutionen fordere ich auf Serbien fair zu behandeln. Keinesfalls darf die EU beim Annäherungsprozeß Serbiens Druck auf Belgrad zur Anerkennung des Kosovo ausüben. Schließlich erfolgte die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo unter Bruch des Völkerrechts, nämlich der UNO-Resolution 1244, die den Kosovo zu einem Bestandteil Serbiens erklärte. Und im übrigen wäre die menschenrechtsbewegte EU-Wertegemeinschaft gut beraten, endlich kritische Worte zur Lage der unter der Verwaltung der Kosovo-Albaner stehenden serbischen Minderheit im Kosovo zu finden.